
Kapitel 3 - Teil 3
Deutschland
„Sofie Schuhmacher?" Verschlafen hatte sie sich den Hörer des Telefons geangelt, zu dem sie es im Halbschlaf irgendwie hingeschafft hatte. Shin, dieser Langschläfer, hatte das penetrante Klingeln wohl einfach überhört. Oder ignoriert. Beides war möglich.
„Was?", Sofie gähnte. „Oh. Ja. Mhm. Bin ich, sicher...WAS?! Halmeonis Emily kommt nach Hause?" Mit einem Schlag war sie hellwach. „S...Sicher! Natürlich hole ich sie ab! Ich bin... ach was, ich fahre mit dem Auto!"
Ich bin zwar nicht versichert, aber was solls, fügte sie in Gedanken hinzu.„Ich bin in dreißig Minuten da! Also 11.50 Uhr. Ja, danke, Ihnen auch. Auf Wiederhören."
„SHIN!", brüllte sie so laut sie konnte durch das kleine Wohnhaus, „ICH MUSS WEG! HALMEONIS KOMMT HEIM!"
Keine Reaktion.
„Shin!", ohne Rücksicht auf Verluste riss sie schwungvoll die weiße Holztür zu seinem Zimmer auf. „Shin, wach auf!"
Unter der hochgezogenen Decke war nur ein undeutliches Grummeln zu vernehmen.
Rücksichtslos zog sie dem verschlafenen jungen Mann die Decke vom Kopf. „Zieh dich an, Halmeonis kommt heim! Ich gehe sie abholen, ich bin in vierzig Minuten wieder da! Kannst du bitte dafür sorgen, dass das Wohnzimmer bis dahin halbwegs annehmbar aussieht?"
„Danke", ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie den in die Sonne blinzelnden Shin allein und sprintete hinaus.
„Ach, so ein Unsinn!", belehrte Emily ihre Enkeltochter, als diese ihr aus dem Auto half, „die haben die Betten gebraucht, wegen dem ganzen Corona. Deswegen gehe ich euch schon so früh auf die Nerven."
„Du gehst uns nicht auf die Nerven!", belehrte nun die Enkelin die Oma, „Es ist schön, dass es dir besser geht!"
Kurz warf die alte Dame einen befremdlichen Blick auf die Krücken, die ihre Enkeltochter ihr hinhielt.
„Halmeonis", Sofie warf ihrer Oma einen warnenden Blick zu.
Also nahm diese seufzend die Krücken.
„Ich bin nur froh, wenn ich diese Dinger wieder los bin", schimpfte sie, während sie bereits im Alleingang auf das Haus zu humpelte. „Die Dinger stören beim Treppenlaufen"
„Halmeonis!"
Emily hatte bereits die kleine Holztreppe vor dem Haus erreicht, die sie ins Krankenhaus gebracht hatte. Sie packte die Krücken mit einer Hand, und hielt sich mit der anderen am alten Holzgeländer fest, das bereits verdächtig nachgab, als die sich darauf stützte. Was die rüstige alte Dame aber nicht zu stören schien. Schnell holte Sofie ihre Großmutter ein. „Halmeonis, bitte sei vorsichtig, wenn das Geländer nachgibt, fällst du gleich nochmal hin."
„Ach was", mit einer Handbewegung schlug sie die Bedenken ihrer Enkelin in den Wind, „das Ding hält schon zehn Jahre, das hält auch jetzt noch!"
Vorsichtshalber lief Sofie hinter ihr, sodass sie sie auffangen konnte, sollte sie nochmal fallen.
„Du machst dir zu viele Sorgen," lächelte die alte Dame, als sie am oberen Absatz angekommen war, „ich kann das! Uh!" Überrascht drehte sie sich herum, als direkt hinter ihr die Haustüre geöffnet wurde.
Auch Shin schien überrascht, als die alte Dame so direkt vor ihm stand. „Annyeong haseyo Emily Halmeonis", schnell deutete er eine Verbeugung an.
Emily brach in ein helles Lachen aus. Grinsend drückte streckte sie dem jungen Mann die Hand hin. „Hi"
„Oh nein, warte!", bevor er sie nehmen konnte, zog sie ihre Hand schnell wieder zurück. „lass mich erst Hände waschen vom Krankenhaus. Hast du Hunger, Shin? Sofie, hast du schon den Tisch gedeckt?"
Etwas mürrisch zog die Angesprochene hinter sich die Haustüre ins Schloss. „Nein. Wann hätte ich das denn machen sollen? Ich bin gleich los, um dich vom Krankenhaus abzuholen. Motz mich doch nicht immer gleich an."
Perplex sah Shin zwischen den beiden Frauen hin und her.
Sofie schien es gar nicht zu bemerken, aber die Großmutter quittierte es mit einem verständnisvollen Lächeln. „Ja, mein Lieber, daran musst du dich gewöhnen. Das ist deutsch."
„Was denn?" kam es aus der Küche, wo Sofie sich die Hände wusch.
„Ach, wir haben Shin gerade verwirrt, weil wir so direkt zu einander sind."
„Achso."
Strahlend kam Sofie aus der Küche. „Halmeonis, ich wollte extra was für dich kochen, wenn du wieder nach Hause kommst. Ich hatte zwar erst in ein paar Tagen damit gerechnet, aber die Zutaten sind trotzdem schon da. Kannst du dich solange in dein Zimmer setzten und auspacken? Dann wird es eine Überraschung!"
„Okaaayyyyy..." Emily zog eine Augenbraue nach oben. „Aber das mir die Küche nachher noch steht! Und ich will nichts aufräumen müssen!"
„Klar!", Sofie strahlte. „Komm, Shin, hilf mir!"
„Aaaah", etwas unbeholfen stand der Angesprochene nun mitten im Raum. „Ich?"
„Klar, wer sonst?"
„Okay", stimmte er zu, „aber ich bin vielleicht nicht besonders gut im Kochen."
„Ach," Sofie wank ab, „ich auch nicht. Außerdem: Alles kann man lernen! Nein, Halmeonis, du musst dir wirklich keine Sorgen machen!", fügte sie hinzu, als sie den skeptischen Gesichtsausdruck ihrer Großmutter sah.
„Na gut. Ruft mich, wenn ich die Feuerwehr rufen soll." Damit nahm sie ihre Krücken und verschwand im Schlafzimmer.
„Oh, Shin!," fiel es Sofie ein, „kannst du Halmeonis noch bitte ihre Reisetasche bringen, die da an der Tür steht? Ich hol solange die Zutaten. Danke!"
„Puh, ok" Mit feuchten Händen und einem stramm gebundenen Pferdeschwanz wechselte Sofie Blicke erst mit dem Rezept, dann mit Tae.
„Sicher, dass du weißt, wie das geht?"
„Ani. Ich hab noch nie Koreanisch oder überhaupt asiatisch gekocht. Aber ich bin inzwischen Meister im Fertignudeln, Spaghetti und Hawaii-Toast kochen, so schwer kann das nicht sein, oder?"
Direkt unter ihrer Nase fischte ihr Kochkumpel ihr das Rezept weg. „Gimbap!", erkannte er und seine Wangen leuchteten fröhlich, „das hat meine Mutter manchmal für mich gemacht."
„Großartig! Dann weißt du, wies geht?"
Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich hab's noch nie selber gemacht."
„Also gut", Sofie atmete tief durch. „Hier steht wir brauchen Karotten, Reis, Spinat, Pilze, Ei, Fleisch, Fisch und eingelegten Rettich. Ich habe leider weder Fisch noch eingelegten Rettich, aber ich hab Schwarzwälder Schinken. Der müsste auch gehen, oder?"
Beinah wehleidig sah er auf das deutsche Rezept in seiner Hand, von dem er nur das Bild verstand. „Was ist mit Kimchi?"
„Uuuh!", Sofie schauderte, „Das ist das Widerlichste was ich je gegessen habe und kommt mir hoffentlich nie wieder auf den Tisch. Bah! Ekelhaft!"
Mit Augen groß wie Diskusscheiben starrte Shin sie an. „Du magst kein Kimchi?!?!"
„Was?", versuchte sie sich zu rechtfertigen, „ist das ein Verbrechen?"
„Wie kann man kein Kimchi mögen?"
„Das ist sauer und scharf und eingelegt. Wie kann man sowas nur freiwillig essen?!"
Immer noch starrte Shin sie ungläubig an.
„Hör auf, mich so anzuschauen und schneid die Karotten klein. Ich koch solange Reis."
Langsam wandte sich Shin kopfschüttelnd seiner Aufgabe zu.
„Ani,", unterbrach ihn Sofie, „vorher waschen!"
Vorsichtig bewegte er seine Hände mit der Karotte auf das Waschbecken zu.
„Du weißt, wie man Gemüse wäscht, oder?"
Shin nickte. Aber er schien irgendwie unsicher dabei.
„Ok," Sofie nahm ihm das Gemüse aus der Hand, „so. Wasser an, Karotte drunter, Waschen, Schneiden. Hier. Streifen bitte. Scharfe Messer sind in der Schublade da."
Jetzt wandte sie sich wieder dem Reis zu. „Reis, Reis, Reis, ah hier. Topf. Und Wasser. Die Frage ist: wieviel Wasser? Shin? Wie viel Wasser braucht man für Reis?"
Er reagierte nicht.
„Shin?"
„Fragst du mich?"
„Ja"
Er zuckte mit den Schultern. „Steht nichts drauf?"
„Jaaaaaaa.... Ah, hier. 500ml!", sie ließ das Wasser in den Topf sprudeln, „und 500ml Reis."
„Milliliter?"
„Gramm. Ich meinte Gramm. 500g Reis. Ich wieg das mal ab. Shin, kannst du solange einen halben Löffel Salz ins Wasser tun?"
„Wo ist das?"
„Steht bei dem Mehl in da in der Schublade"
Sofie stellte eine Schüssel auf die Waage und ließ diese volllaufen, bis 500g angezeigt wurden. „Warte..."
Neugierig sah ihr Shin über die Schulter. „Was?"
„Ich bin keine helle Leuchte im Kochen, aber das ist ein bisschen wenig für eine Portion Reis – 500g, oder?"
„Hm. Tatsache.", ratlos sahen sich die beiden an.
„Hast du vielleicht falsch gemessen?"
„Wie denn? Ich hab die Schüssel hier drauf gestellt und...." Mit einem Mal wurde sie still.
„Was?", fragte Shin.
Mit rot anlaufenden Backen leerte Sofie den Reis zurück, stellte die Schüssel auf die Waage, dann die Waage dieses Mal auf Null und füllte dann den Reis zurück. „Ups."
„Was."
„Vielleicht hab oder hab ich nicht die Schüssel mitgewogen.", Tae war schon drauf und dran, sie auszulachen, da fiel Sofie ein weißes Päckchen auf, das noch auf dem Wohnzimmertisch stand.
„Oh!", stieß sie überrascht aus, „Shin, das Salz ist doch hier, das..."
Shin sah sie entgeistert an. „Was war dann das, was ich reingeleert hab?"
„Was hast du reingeleert?"
„Was da unten in der Schublade stand, bei dem Mehl!"
„Shin, das ist Zucker!"
„Woher soll ich das wissen?"
„Mensch, das steht doch drauf!!"
„Das ist deutsch!!"
Für einen Augenblick begegneten sich die ratlosen Blicke der beiden Hobbyköche.
Und beide fingen an, zu lachen. „Ok, kümmer du dich um die Karotte, ich mach den Reis."
„Ok"
Grinsend leerte Sofie das Zuckerwasser weg und setzte Neues auf, in das sie dann die richtige Menge Reis reinkippte. Dann legte sie einen Deckel drauf und schaltete den Herd an. Inzwischen hatte Shin schon ganze zwei Karottenscheiben geschnitten.
„Was", murrte er.
„Alles gut", schmunzelte Sofie, die ihm über die Schulter sah. „Es tut nur gut zu wissen, dass es andere gibt, die genauso langsam sind wie ich. Oh! STREIFEN SHIN! Wir brauchen Streifen!"
„Oh."
Schnell ließ er die unerwünschten Scheiben in seinem Mund verschwinden und schnitt Streifen.
„Ich schneid mal Pilze", kündigte Sofie an, nachdem sie Rührei aufgesetzt hatte.
„Braten wir die Karotten eigentlich an?" erkundigte sich Shin.
Sofie zuckte mit den Schultern. „Klar, warum nicht? Ah, Shin...?"
„Ja?"
„Können wir den Spinat weglassen? Ich hab nämlich keine Ahnung wie man den macht und es steht nichts drauf."
„Klar."
„Super, danke. Dann fehlt jetzt noch Fleisch, richtig?"
Er nickte. Dann sah er zu Sofie und wurde etwas unsicher.
„Kann ja nicht so schwierig sein", verkündete sie und zog eine Packung tiefgekühlte Schnitzel aus der Gefriertruhe.
„Müssen...", Shin senkte den Finger wieder.
„Was?" fragte Sofie.
„Ich bin mir absolut unsicher, aber ich meine mein Bruder hat mal gesagt, dass man sowas vorher auftauen lassen muss."
„Echt?", überrascht sah Sofie das Schnitzel an. „Ups. Egal. Wird schon passen."
Sie stellte eine weitere Pfanne auf den Herd, packte die Fleischteile aus und legte sie in die Pfanne. „Was noch?"
Freudig sah sie sich um, dann sackte ihr Lächeln plötzlich in sich zusammen. „Scheiße!, Shin, pass auf, der Reis!" Aber es war zu spät. Freudig drückte das Wasser den Topfdeckel nach oben um von allen Seiten daraus hervorzuquellen wie ein Vulkan.
„Shin, stell den Herd aus!", befahl sie dem direkt daneben Stehenden.
„Wie... wie denn?" rief er überfordert.
„Ähm, ahm. Bei diesem Herd war das....."
„SOFIE!"
„Da, der Knopf da, den musst du nach links drehen. Nein, das ist die falsche Platte, der daneben....! Puh. Ja, der." Schuldig sahen sich die beiden Kinder an, als das heiße Wasser vom Herd begann, auf den Boden zu tropfen.
„Alles gut bei euch?", kam es aus dem Schlafzimmer. „Soll ich euch helfen?"
„Nein, Halmeonis!", rief Sofie, „Räum nur in Ruhe weiter aus. Alles gut hier. Schnell, Shin, hol ein Handtuch aus dem Bad um das hier aufzuwischen", hängte sie flüsternd an, während sie selbst die Küche nach Lappen durchsuchte.
Leise, um möglichst von Halmeonis Emily unbemerkt zu bleiben, huschte Shin ins Badezimmer und kam mit einem großen Handtuch zurück.
„Super, Shin. Danke!"
Sofie hatte derweil den Herd sauber gemacht.
„Sofie... hier riecht irgendwas komisch."
„Nein, bitte Shin. Alles ist in Ordnung. Alles ist gut."
„Nein, ehrlich Sofie. Hier riecht irgendwas angebrannt."
„Stimmt.", Sofie roch in die Luft. „Kommt das von uns oder kommt das von draußen?"
Wie zwei Forscher näherten sich die beiden der Quelle des unbekannten Geruchs.
Und standen, nicht überraschenderweise, vor ihrem eigenen Herd.
„Glaubst du, das ist das Ei?", fragte Shin.
„Aber schau mal, das ist oben noch ganz flüssig.", meinte Sofie.
„Ich weiß, dass man Ei nicht essen soll, bevor es ganz durch ist, deshalb würde ich es lieber länger... Mist, Shin."
„Was?"
„Haben wir Öl in die Pfanne geleert?"
„Da muss Öl rein?"
Langsam, ganz langsam griff Sofie nach einem Pfannenwender und hob vorsichtig das Stück Ei in der Pfanne nach oben. Mit angespannten Gesichtern lehnten sie sich über den Herd. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, was sie gleich zu sehen bekommen würden.
„Ach du Scheiße!", Sofie sprang zurück und hielt sich die Hand vor den Mund. Taehyung nahm ihr den Pfannenwender aus der Hand, um selbst nachzusehen.
Der ganze Boden. Der ganze. Boden. Des Eis, war komplett und mit unbestreitbarer Endgültigkeit kohlrabenschwarz. Hinten begann das Ei sich bereits aufzurollen.
„Ups", wiederholte Tae Sofies Lieblingsausdruck.
„Sicher, dass ich nicht kommen soll? Hier fängt es an, ganz komisch zu riechen..."
„Ja, Halmeonis, ganz sicher. Alles in Ordnung. Uns ist was angebrannt, aber kein Grund zur Panik, wir bekommen das wieder hin."
Sofie wandte sich an ihren Kompagnon. „Shin," sagte sie pathetisch, „könntest du mir bitte den Müll aufhalten das wir – was auch immer das ist – beerdigen und ganz schnell vergessen können?"
Eifrig nickte er und hielt Sofie den Mülleimer hin.
„...Shin?"
„Ja?"
„Das ist der Restmüll. Ich brauch den mit der Papiertüre und dem Zeitungspapier drin."
„Oh."
„Halmeonis, wir sind fertig!", rief Shin auf Sofies Geheiß hin. „Es gibt Fleisch-Reis-Gemüsepfanne", verkündete diese und versuchte gleichzeitig, ihre Scham hinter einem übergroßen Lächeln zu verstecken.
Langsam ließ ihre Oma ihren Blick über die verwüstete Küche schweifen. Über das unten schwarzgebrannte und dann in der Mitte halbierte Schnitzel, das in der Pfanne lag, über die zerstückelten Seegrasblätter, die kümmerlich, zerrissen und zusammengezogen auf der Küchentheke lagen und den Reis, der wirklich überall. ÜBERALL klebte.
Mit ernstem Gesichtsausdruck sah sie den beiden Übeltätern in die Augen. „Ich weiß, wer nachher aufräumen darf."
„Ist gut, Halmeonis", gab Sofie kleinlaut zu, „eigentlich ist das meiste meine Schuld. Shin hat immer nur gemacht, was ich ihm gesagt habe."
Kurz sah der Erwähnte auf und schüttelte dann energisch den Kopf. „Mit den Nori-Blättern hattest du nichts zu tun. Und das mit der Sojasoße war auch meine Idee."
„Die Sojasoße?", fragte Emily langsam, „Was ist mit der Soja-Soße?"
Ertappt warfen die beiden Jüngeren sich einen Blick zu. Dann aber übten sich beide in Schweigen.
„Ahh," die ältere Dame seufzte. „Solange nichts kaputt ist und ihr nachher alles wieder aufräumt, will ich es gar nicht wissen." Mit einem Stöhnen ließ sie sich auf einen der Holzstühle am Esstisch fallen und legte ihre Krücken beiseite. „Also, wo ist diese Gemüsepfanne?"
„Wieso kannst du eigentlich nicht kochen?", fragte Shin unverblümt, als er mit einem Schwamm in der Hand den Herd sauber rubbelte, „Ich dachte irgendwie, du wohnst allein."
„Ani", erwiderte Sofie, mit einer Hand voller Einmaltücher versuchend, die Sojasoße aus der Mikrowelle zu bekommen, „Meine Mitbewohnerin hat vorher Ernährungswissenschaften studiert, oder besser gesagt, angefangen. Und immer wenn ich was kochen will, meckert sie an allem rum, deswegen darf sie jetzt kochen.", sie lachte, „Was meine immer noch miserablen Kochkünste erklärt." Mit einem angeekelten Gesicht verfrachtete sie den von Sojasoße tropfenden Klumpen Papiertücher in den Mülleimer und schnappte sich einen richtigen Lappen. „Und du, wo wohnst du?"
„Bei... meinen Brüdern.", antwortete Shin wortreich.
„In Seoul?"
„Mhm."
„Ist es da nicht laut? Und eng? Und sau schlechte Luft?"
Er zuckte mit den Schultern. „Man gewöhnt sich an alles, denke ich."
„Und? Gefällt es dir da?"
Er nickte. „Seoul ist eigentlich ganz schön, wenn man sich mal eingelebt hat. Man kommt vor allem überall hin. Die Straßen sind immer voller Leben. Und man findet immer einen Laden, der genau das verkauft, das man haben will."
Sofie grinste. „Ich meinte eigentlich, mit deinen Brüdern zusammen zu wohnen. Wohnst du mit allen sechs? Das stell ich mir anstrengend vor."
Bei der Erinnerung an seine Mitbewohner breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Fröhlich begann er, den Herd mit noch mehr Elan zu bearbeiten, während er vor sich hin grinste.
„Scheinen nette Leute zu sein."
Er nickte enthusiastisch. Dann sackte sein Lächeln plötzlich ab und seine Armbewegungen verloren ihre Schwungkraft. „Ich wünschte, ich könnte sie anrufen", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu Sofie. „Mach das doch. Oder ist es gerade Nacht in Korea?"
Für einen Augenblick starrte er sie an, bis er realisierte, was er eben laut gesagt hatte.
„Ach, macht nichts.", schnell beugte er sich hinter die Theke um den Mülleimer zu verstauen, was zufälligerweise auch sein Gesicht verdeckte.
Sofie hatte seinen Trick durchschaut, sagte aber nichts. „Ich bin überrascht, dass die Pfanne so gut geschmeckt hat", wechselte sie das Thema.
„Ja", gluckste Shin hinter der Theke vor, „vor allem, nach allem was wir da reingeworfen haben."
„...oder eben nicht."
„Richtig."
„Öl zum Beispiel."
Shin lachte. Sie konnte seine bebenden Schultern sehen.
Stöhnend richtete sich Sofie aus ihrer vor der Mikrowelle kauernden Position auf und streckte sich.
„Au, ich glaub mein Rücken ist eingeschlafen."
„Dein Rücken?!"
„Ja" Sie stellte sich aufrecht hin und beugte sich dann langsam nach vorne ohne ihre Knie zu beugen.
Ihre Fingerspitzen kamen bis zu der Höhe ihrer Schienbeine, dann kam sie nicht mehr weiter.
Hinter sich hörte sie ein Glucksen. „Beug dich mal ganz runter."
„Mach ich"
„Ist das dein Ernst?" Er setzte sich vor sie auf den Boden und sah ihr ins Gesicht. „Weiter runter kommst du nicht?"
Demonstrativ versuchte Sofie, mit ihren Händen den Boden zu berühren, kam aber nicht mal bis zu ihren Knöcheln. Sie ächzte und richtete sich wieder auf. „Mach du doch mal", konterte sie.
Im nächsten Augenblick hatte sich Shin neben sie gestellt, die Beine gerade, die Arme gerade. Ohne mit der Wimper zu zucken kam er bis zu den Fliesen und krabbelte mit seinen Händen auf dem Boden herum.
„Pff.", gab sich Sofie gespielt beleidigt. „Ich hab halt so lange Beine, dass ich nicht ganz runter komme."
Mit einem Kastenlächeln zeigte Shin zwei Reihen gerade Zähne. „Ich bin größer als du!", warf er ein.
„Aber nur fünf Zentimeter. Das gilt nicht."
„Jetzt klingt du wie Ji...Donghae."
„Wer ist das?"
„Mein Bruder. Ihn hat das auch immer gestört. Aber vielleicht auch nur, weil wir ihn immer damit aufgezogen haben."
„Wie groß ist er?"
„Hm", abschätzig sah er sie an. „So groß wie du ungefähr."
„Und deine anderen Brüder sind alle größer??"
Er nickte.
„Digger. Ihr würdet ein gutes Handballteam abgeben."
Etwas Wehleidiges trat in seinen Blick und Sofie bereute es, das Thema angeschnitten zu haben.
„Wir haben oft zusammen Sport gemacht.", erzählte er, „Am witzigsten war Fußball. Das kann immer noch keiner von uns. Sogar, wenn wir uns ehrlich anstrengen. S...hiwon war immer gut im Basketball. Aber jetzt..." Er verschwand in trauriger Stille. Sofie störte ihn zuerst nicht dabei.
„Lass uns fertig aufräumen, dann können wir Schokolade essen", schlug sie nach ein par Sekunden vor.
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