
Kapitel 2 - Teil 3
„OMA!!!"
„Sofie!!!"
Schwungvoll platze Sofie herein und gab der alten, im Bett liegenden Dame gleich eine dicke Umarmung. „Vorsicht! Au, au, AUA!" rügte diese sie.
Ohne weitere Worte zu verlieren setzte sich Sofie zu ihrer Oma aufs Bett. „Warum bist du so lang nicht aufgewacht?" schmollte sie.
„Ach, ich bin doch nur hingefallen und dann diese dämliche Operation, ganz ehrlich", verschwörerisch beugte sich die Dame in ihrem Bett nach vorne, „ich glaube die Praktikanten haben die Wechselwirkung mit meinen Medikamenten vergessen und mir zu viel Schlafmittel gegeben", sie kicherte wie ein Schulmädchen und hielt sich die Hand vor den Mund.
„Und wie geht..." setzte Sofie an, wurde aber von ihrer Oma unterbrochen, „Und wen hast du da mitgebracht?"
„Oh", Sofie rutschte, sodass sie jetzt Shin mit im Blick hatte, der noch immer an der Tür stand. Sie hatte ihn ganz vergessen.
„Halmeonis, das ist Yoon Shin,", plötzlich runzelte Sofie die Stirn. Wenn er der Sohn eines Freundes aus Korea war, müsste ihre Oma ihn doch eigentlich erkennen, oder?
„Aaaaah!", rief diese auf einmal. „Du bist Shin Yoon! Dein Vater ist Hyeong-Joon, richtig? Wow, wir haben uns ja so lange nicht mehr gesehen! Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du so klein.", sie hob ihre flache Hand etwa auf Sofies Hüfthöhe neben das Bett, „Das freut mich, dass du trotz Corona gekommen bist. Ich hatte schon Angst, sie würden dich nicht mehr über die Grenze lassen! Komm her!"
Etwas überrascht von dem Redefluss Sofies' Oma blinzelte Shin einige Male, bevor er grinste und zu der quicklebendigen alten Frau ans Bett trat. „Annyo, Frau Choe"
„Ach Quatsch", sofort fuchtelte sie mit ihrer Hand in der Luft herum. „Nenn mich Halmeonis.... Oh, natürlich nur, wenn du willst."
Er grinste breit. „Ok... Halmeonis"
„Wann bist du eigentlich angekommen?"
„Gestern Abend, ich..."
„Ah, dann muss Sofie dich reingelassen haben, nicht? Ich hoffe, du hast ihn gut behandelt und nicht immer nur hin- und her gescheucht.", sie warf ihrer Enkeltochter einen strengen Blick zu.
„Ani", wiedersprach der Gast sofort, „Nuna war ganz lieb!"
Sofie grinste und ihre Oma warf ihr einen musternden Blick zu. „Dann müsst ihr zwei noch ein bisschen Zeit zusammen verbringen, du hast sie noch nicht richtig kennen gelernt!"
„Oma!", Sofie gab ihr einen Klaps auf die Bettdecke und ihre Halmeonis grinste verschmitzt.
Sofie nutzte diesen kurzen Moment der Stille, „Wie geht es dir eigentlich, Halmeonis? Hast du Schmerzen? Ich hab dir ein paar Sachen mitgebracht, wenn du noch was brauchst, ruf mich einfach an!"
„Ani! Ani, ani, ani, mir geht es gut, macht euch um mich keine Sorgen", sagte sie und klatschte ihre Hand auf Sofies, die sie fürsorglich auf den Arm ihrer Oma gelegt hatte. „Ich bin zwar eine alte Frau", fuhr sie fort, „aber noch nicht gebrechlich! Um Traube, um den müsst ihr euch vielleicht Sorgen machen, aber nicht um mich. Solange ich noch nicht halbblind bin und noch aus diesem Bett aufstehen kann, geht es mir gut!"
„Kannst du denn aus diesem Bett aufstehen?" Sofie warf einen sarkastischen Blick auf das Gipsbein das unter der Bettdecke herausragte.
„Sei nicht so frech zu Älteren!", sie gab ihrer Enkeltochter einen Klaps.
Mit einem Grinsen zog sich Sofie einen Stuhl heran und setzte sich in einiger Entfernung darauf, sodass ihre Oma sie nicht mehr schlagen konnte. „Und wann lassen die dich hier raus?"
„Ach, die meinen sie müssten mich noch ein par Tage hierbehalten. Auch wenn ich vehement protestiert habe!", sie hob den Zeigefinger um weiterzureden.
„HALMEONIS!", unterbrach sie diesmal Sofie, „Du hast einen Beinbruch, eine Rippenprellung und eine kleine Gehirnerschütterung!! Ich studiere erst im zweiten Semester aber selbst ich weiß, dass damit in deinem Alter nicht mehr zu spaßen ist. Ich hoffe doch schwer, dass sie dich noch einen Tag dabehalten!"
Halmeonis Emily zog eine beleidigte Schnute und drehte sich weg, was Taehyung zum Lachen brachte.
Emily schenkte ihm ein herzliches Lächeln. „Wenn ich wieder zu Hause bin, koch ich euch zwei erstmal was Schönes. Ich hoffe doch, ihr esst nicht nur das alte Zeug aus dem Kühlschrank!"
„Wir müssen nachher noch einkaufen gehen", gestand Sofie.
„Dann kauf dem Jungen auch einen anständigen Reis, damit er wenigstens nicht immer nur Brot essen muss. Das deutsche Essen muss ihm ja langsam zum Hals raushängen!"
Während Sofie ihre Oma mit großen Augen anstarrte, konnte sich Shin vor stummen Lachen nicht mehr halten und ließ sich auf einen der metallenen Besucherstühle nieder. Emily sah ihn an.
„Stimmt's oder hab ich recht?"
Immer noch lachend verbeugte dieser sich leicht in Sofies und Halmeoni Emilys Richtung. „Gamsahabnida"
„Ach was", sie zwinkerte, „nichts zu danken."
„Ich mag deine Oma", entschied Tae, als sie aus dem Krankenhaus heraustraten. „Ja", bestätigte Sofie mit einem unterdrückten Seufzer, „sie ist mit Sicherheit eine lebenslustige alte Frau. Aber jetzt müssen wir noch einkaufen gehen, sonst haben wir heute Abend nichts zu essen."
„Hmm, okay"
Mit grimmigem Gesicht studierte Sofie ihren selbstgeschriebenen Einkaufszettel. „Ich glaube, das heißt Butter"
Shin sah sie etwas irritiert an. „Du glaubst?"
Sie nickte. „Großes B, Butter, definitiv! Diese Richtung!", zeigte sie mit ihrem ausgestreckten Arm in eine der Regalreihen. „Wir brauchen den ungesalzenen, streichfeinen.", erläuterte sie.
„Ach ja," sie schnappte sich zwei kleine Plastikdosen aus dem Gefrierschrank, „Dann Milch und Joghurt"
„Uh", neben ihr begann Shin auf einmal aufgeregt auf und ab zu springen. „Das krieg ich hin! Wie heißt das auf Deutsch?"
„Milch und Joghurt. Warte.", Sie schnappte sich ihr Handy und öffnete einen Übersetzer. Dann fotografierte sie das untere Drittel ihres Einkaufszettels ab und reichte es Shin.
„Hier."
„Machst du den Rest?" fragte er sofort.
Sofie nickte.
„Wer als erster fertig ist!"
Lachend schlug Sofie ein und im nächsten Moment landeten bereits drei Packungen Milch im Wagen. Sofie riss die Augen auf. „Okay. Melone", las sie ihren nächsten Punkt und zog den Einkaufswagen schnell hinter sich her zum Obst.
Just in diesem Augenblick kam der mit einer Kiste Naturjoghurt beladene Shin zurück. Er sah den Wagen nur noch um die Ecke verschwinden.
„Hey!"
Natürlich musste er jetzt hinter dem Wagen herrennen und Sofie grinste. So schnell sie konnte packte sie die Melone ein und zog den Wagen dann weiter.
Da kam Shin auf einmal von der anderen Seite. Vorsichtig legte er seine Joghurtkiste hinein. Er sah zu Sofie, wackelte mit den Augenbrauen und verschwand im nächsten Regal.
Diese lachte. „Na warte."
Etwa eine halbe Stunde später packte Shin siegessicher die Tomaten auf den Berg im Einkaufswagen.
„Gewonnen", er grinste.
„Uh, das sind Cocktailtomaten, keine..." Sofie sah hoch in das immer noch freudestrahlende Gesicht ihres Kompagnons. „Egal."
Dann warf sie noch einen Blick in den Wagen, als sie etwas entdeckte, dass dort nicht hingehörte.
„Warte... seit wann hatten wir Schokolade auf der Liste?..... Und Brausepulver.... Und Chips... Shin?"
„Jaaaaa?", antwortete dieser, vollkommen unschuldig.
Sofie schüttelte den Kopf. „Bring die Schokolade zurück, wir haben genug Süßes zu Hause."
Augenblicklich zog er die Unterlippe nach vorne und begann zu schmollen. Mit großen Augen beugte er sich über den Wagen, als müsste er Entenküken beschützen. „Bitteeeeeeee"
Sofie merkte, wie sie lächeln musste und versuchte, möglichst ernst auszusehen. „Shin, bring die Schokolade zur... HATSCHI!", verblüfft starrten sich beide einen Moment an.
Im nächsten Augenblick brach er in lautloses Gelächter aus. Auch Sofie musste grinsen. „Gut, wir nehmen die Schokolade mit, aber die Chips bringst du zurück, ok?"
Beleidigt verzog er den Mund. „Ok", gab er schließlich nach.
„Und die Brause... weißt du eigentlich, was das ist?"
„Nö! Aber es stand bei den Süßigkeiten und sieht spannend aus."
Mit einem Mal schlich sich ein böses Lächeln auf ihr Gesicht.
„Spannend, ja?" Ohne ein weiteres Wort schob sie den Einkaufswagen Richtung Kasse.
Jetzt wurde Shin doch ein bisschen mulmig zumute. Eilig sprang er Sofie hinterher. „Was? Was ist?"
Diese schleckte sich über die Lippen, gab aber keine Antwort mehr.
„Waaaaaas?", quengelte ihr Begleiter.
Da drehte sie sich auf einmal zu ihm um, einen Arm auf den Einkaufswagen gestützt, das Gesicht völlig neutral. „Wir haben das damals immer durch die Nase hochgezogen", erklärte sie.
Misstrauisch warf Shin erst einen Blick auf das bunte Päckchen, dann auf Sofie.
Diese lächelte mit einem Pokerface.
Wieder warf er einen Blick auf das Päckchen. Dann Sofie.
„Die Nase?"
Sofie begann, diabolisch zu grinsen.
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