07. Die Party
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„Ich weiß nicht, Bella..."
Niall warf mir einen zögernden Blick an und sah dann zurück auf den heruntergekommenen Wohnblock vor uns. Der graue Putz blätterte ab und das Gras wucherte regelrecht vor dem Gebäude. Bunte Lichter leuchteten immer wieder hinter den Fenstern auf der linken Seite des ersten Stocks auf und die lauten Bässe der Musik hörte man bis draußen auf die Straße.
„Vielleicht sollten wir doch lieber nach Hau...hey, warte auf mich!"
Augenverdrehend blieb ich auf dem Treppenansatz stehen und drehte mich zu meinem besten Freund um. Ich konnte verstehen, warum er so nervös war – mir ging es ja genauso, aber anders als bei Niall war nicht Angst, sondern Neugier der Grund. Sobald Niall an meiner Seite war, griff ich nach der Klinke der Eingangstür. Es wunderte mich nicht wirklich, dass sie nur angelehnt war und so stieß ich sie kurzerhand auf und betrat mit Niall das düstere Treppenhaus.
Es stank nach Qualm und als sich meine Augen an die schlechten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, erkannte ich auch die ersten Gestalten, die an den Wänden lehnten und leise murmelnd rauchten und Alkohol tranken. Ich verzog mein Gesicht und griff schutzsuchend nach Nialls Ärmel. Schnell hatte er seine Hand um meine geschlossen und mit wachsamen Blicken bahnten wir unseren Weg in den ersten Stock, wo Eleanors und Louis' Wohnung war.
Hier drinnen war es jedoch bei weitem nicht besser. Es war bemerkenswert und schockierend zu gleich, wie viele Leute Eleanor und Louis kannten. Es mussten fast dreißig sein, die in dieser kleinen Wohnung ihre Körper aneinander rieben und einer Art Rausch verfallen waren und so sehr mich das alles auch abschreckte – ich konnte die Faszination, die sich in mir aufstaute nicht unterdrücken.
Die Musik pulsierte in meinen Ohren und die ersten Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn, als ich mir einen Weg durch die Menschenmasse bahnte. Es war unglaublich stickig hier drin und meine Sicht wurde durch den ganzen Qualm getrübt. Allein durch seinen Händedruck wusste ich, dass Niall noch bei mir war.
„Ana!"
Mein Kopf zuckte in die Richtung, aus der ich glaube meinen Namen gehört zu haben. Ich sah jedoch kein bekanntes Gesicht. Gerade als ich mich weiter mit Niall im Schlepptau durch die Leute kämpfen wollte, legte sich jedoch eine Hand auf meine Schulter und erschrocken zuckte ich zusammen.
„Ana, du bist tatsächlich gekommen!"
Es war Louis, der mich über die Musik hinweg anschrie und breit grinste. Lächelnd nickte ich und hatte keine Sekunde später plötzlich einen Becher in der Hand gedrückt. Auch Niall bekam einen und schnupperte direkt misstrauisch an dem Getränk.
„Nur ein kleiner Lockermacher. Ich werde El sagen, dass du da bist, okay?", rief Louis mir zu und ehe ich darauf reagieren konnte, war er auch schon wieder unter den vielen fremden Gestalten verschwunden.
„Ich schlussfolgere, dass das der Freund dieser Eleanor war?", sagte Niall laut. Ich nickte langsam und versuchte das Getränk in meinem Becher zu erkennen. Das schummrige Licht machte mir das gerade nicht viel einfacher, weswegen ich beschloss es einfach zu probieren.
Es schmeckte nach Cola. Ich war kein großer Fan des süßen Getränks, aber durch den brennenden Beigeschmack des untergemischten Alkohols, freute ich mich regelrecht über den Zuckergeschmack. Es war nicht das erste Mal, dass ich etwas Alkoholisches trank. Natürlich hatte ich schon Champagner probiert, doch ich mochte diesen nicht sonderlich, weswegen ich auf Veranstaltungen, auf die mich meine Eltern mitschleppten, meist zu Wasser griff.
„Ich glaube da ist Whiskey drin", rief Niall und verzog das Gesicht, als er erneut daran roch. „Ich werde mal schauen, ob ich etwas Alkoholfreies auftreiben kann. Willst du auch was?"
Meine Augen weiteten sich, als ich realisierte, dass er mich alleine lassen wollte, denn so ganz war mir das nicht geheuer. Doch er versprach mir in wenigen Minuten zurück zu sein. Ich sollte nur hier auf ihn warten.
Ich lehnte mich mit einem Rücken gegen die Wand und sah mich etwas um. Die meisten Leute hier, waren genauso tätowiert wie Louis und Zayn. Ich entdeckte ziemlich viele Frauen mit auffälligen Haarfarben und Männer mit gruseligen Piercings. Allerdings überraschte es mich, dass es hier auch Menschen gab, die normal aussahen...wie einfache Studenten und ich vermutete, dass die zu Eleanor gehörten.
Während ich all die feiernden Personen beobachtete, nippte ich immer wieder an meinem Getränk und musste ehrlich zugeben, dass irgendwann der Alkoholgeschmack ganz angenehm wurde. Niall war weit und breit nicht zu sehen und ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn möglicherweise irgendwo zu entdecken.
„Ana!", kreischte plötzlich eine Stimme in mein Ohr und keine Sekunde später fiel mir Eleanor etwas umständlich um den Hals. Sie kicherte wie eine Wilde und grinste mich breit an, als sie sich von mir löste. Sie hatte schon einiges mehr intus, doch sie schien Spaß zu haben, weswegen ich nur lautlos lachen konnte. „Ich freu mich soooooo, dassu da bist! Bisu allein gekomm?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Oh mit deim süßn Freund?", fragte sie und lehnte sich neben mich an die Wand. Ich nickte und nahm einen weiteren Schluck aus meinem Becher – ich hatte keine Lust darauf sie zu korrigieren, dass Niall wirklich nur ein Freund war. Wahrscheinlich würde sie das nicht mal für voll nehmen.
„Du hast ja gar nichs mehr su trinken", stellte sie schockiert fest, als ich den leeren Becher unbewusst mit meinen Händen zerdrückte. Überrascht sah ich nach unten und zuckten dann mit den Schultern. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich schon so viel getrunken hatte. „Hier, du kannst meins haben. Ich muss jetzt mal aufs Klo."
Und schon hatte sie mich stehen gelassen und war wie Louis und Niall zuvor in der Masse verschwunden. In den Händen hielt ich einen weiteren Becher, der wahrscheinlich den gleichen Inhalt wie der Letzte hatte. Seufzend löste ich mich von meinem Platz an der Wand und machte mich auf die Suche nach Niall...irgendwo musste er ja stecken.
Nach fünfzehn Minuten hatte ich ihn immer noch nicht gefunden. Dafür wusste ich jetzt, wo Eleanors und Louis' Küche, Bad und Schlafzimmer war. Ich hatte keine Lust mehr und in der Zwischenzeit hatte ich mich einfach an einen Stehtisch gestellt, in der Hoffnung, er würde irgendwann von selbst auftauchen, oder ich würde Louis oder Eleanor in diesem ganzen Menschengewusel finden. Gelangweilt drehte ich mich wieder zu dem Tisch um und schwenkte den Inhalt meines Bechers hin und her. Ich hatte bestimmt schon meine vierte Cola, doch mittlerweile glaubte ich, ein neues Lieblingsgetränk gefunden zu haben. Als ich erneut einen Schluck nehmen wollte, wurde ich jedoch gestoppt.
„Das solltest du lieber lassen."
Eine Hand schoss in mein Blickfeld und nahm mir meinen Becher weg. Empört drehte ich meinen Kopf zur Seite. Ich erstarrte, als meine Augen in zwei hellbraune Irden trafen, die in dem schummrigen Licht gefährlich aufblitzten.
Zayn kippte das Getränk in eine Topfpflanze und ließ den Becher dann achtlos zu Boden fallen. Ich kniff meine Augen zusammen und funkelte ihn an. Ja, vielleicht war er etwas einschüchternd, aber jetzt mit dem Alkohol in meinem Blut fühlte ich mich durchaus mutiger.
„Jetzt schuldest du mir nicht nur ein Sorry, sondern auch ein Danke", sagte er selbstgefällig. Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn ungläubig an. Zayn nickte auf die Pflanze. „Hat man dir nicht beigebracht immer seine Getränke im Auge zu behalten? Wer weiß, was man dir dort reingekippt hat, aber keine Ursache – ich rette gern die Jungfrau in Nöten."
Stell keine falschn Behauptungen auf, Zen."
Meine Hand war so schnell in meine Tasche geschnellt und hatte mein Buch hervorgezogen, dass ich selbst davon überrascht war, aber ich wollte mich Zayn gegenüber einfach behaupten. Er jedoch zog nur eine Augenbraue hoch, nachdem er gelesen hatte.
„Ich rette dich und du willst du mir drohen?"
Hab dich nich drum gebetn
„Deine Rechtschreibung ist auch nicht mehr die beste", amüsierte er sich und frustriert klappte ich mein Buch zu. Er machte mich so unglaublich wütend, dass ich ihn am liebsten schlagen würde. Oder küssen.
Schockiert riss ich bei meinen Gedanken die Augen auf und senkte sofort meinen Blick. Wie kam ich bitte darauf, dass ich ihn küssen wollte? Ich brauchte was zu trinken...Sofort hob ich wieder den Kopf und sah mich nach einer alkoholischen Quelle um, doch als ich mich abwenden wollte, schlossen sich Finger um mein Handgelenk und erschrocken fuhr ich herum.
Zayns amüsierter Gesichtsausdruck war verschwunden und schluckend wollte ich einen Schritt zurückweichen, wurde jedoch von seinem festen Griff zurückgehalten. Ich hielt die Luft an, als er sich gefährlich nach zu mir beugte. Das letzte, was ich jetzt wollte, war seinen Geruch wahrzunehmen.
„Weißt du was, Anabelle? Es ist erbärmlich, wie du versuchst etwas zu sein, das du nicht bist. Am besten, du verschwindest einfach und führst dein bisheriges, rosarotes Leben weiter."
Mein Mund klappte auf und sprachlos sah ich ihn an. Ich fühlte mich eigenartig ertappt und entblößt, auch wenn ich nicht verstand, weshalb. Das war ich, die hier war und anfing sich wohl zu fühlen. Ich probierte nicht jemand zu sein – das war ich. Und in diesem Moment wollte ich meine Stimme wieder haben. Seit Ewigkeiten hatte ich nicht mehr dieses Verlangen gespürt, doch jetzt wollte ich Zayn anschreien und ihm erklären, dass das sehr wohl ich war und ich weder brav, noch langweilig oder erbärmlich war.
Doch selbst wenn...Zayn hatte schon längst seinen Blick abgewandt und starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen die Menschen neben uns an. Ich merkte erst später, dass Unruhe in die Masse gekommen war.
„Scheiße, die Bullen!"
Die Musik verstummte plötzlich und die Partygäste brachen in Panik aus. Zu allem Übel, ließ ich mich von ihnen anstecken, weswegen ich hilflos meinen Kopf wandte, in der Hoffnung irgendwo Niall zu entdecken. Niall hatte immer eine Lösung – er wusste was wir jetzt tun mussten, um einen Ausweg aus der Situation zu erhalten. Ich spürte, wie sich die Tränen in mir anbahnten, weil ich einfach nicht mit den Geschehnissen umgehen konnte. Ich hatte Angst, was passieren würde, wenn meine Eltern von der Polizei erfahren, dass ich hier war und nicht zu Hause. Sie würden enttäuscht von mir sein.
Die Panik staute sich immer mehr in mir an, als ich Nialls blonden Haarschopf immer noch nicht entdecken konnte. Stattdessen trafen meine Augen in Zayns und ohne groß zu überlegen, klammerte ich mich an sein T – Shirt, als er sich ebenfalls aus dem Staub machen wollte.
Meine Unterlippe zitterte, als er mich hektisch musterte, doch es war mir egal. Er schien in diesem Moment der einzige zu sein, der mir aus dieser Situation helfen konnte, ohne dass es irgendwelche Folgen mit sich ziehen würde. Seine Augen hafteten immer noch an mir, während die Menschen um uns herum wild versuchten sich einen Ausweg zu beschaffen und für einen kurzen Augenblick wünschte ich mir, dass ich jetzt mit ihm allein wäre.
„Komm mit", herrschte er plötzlich und keine Sekunde später schloss sich seine Hand um meinen Oberarm. Sein Griff war fest und tat weh, doch ich ließ mich bereitwillig von ihm durch die panisch werdenden Menschen ziehen. Ich hatte große Probleme damit nicht plötzlich zu stolpern, weswegen ich meinen Blick auf den Boden richtete und mich blindlings von Zayn aus der Wohnung zerren ließ.
Das Blaulicht schien durch die milchigen Fenster neben der Eingangstür des Treppenhauses und erhellte die Wände in einem gleichmäßigen Rhythmus. Die Leute fluchten laut, verharrten aber an ihrem Ort – wahrscheinlich weil sie einfach zu betrunken waren, um überhaupt einen Schritt vor den anderen zu setzten.
Ich realisierte erst spät, dass Zayn mich die Treppen hinunter zog und nicht vor hatte aus dem Haus zu fliehen. Und ehe ich mich versah, waren wir plötzlich im Kellergeschoss angekommen und standen vor einer Tür. Z. Malik stand an einem Schild, das daneben an der Wand provisorisch befestigt wurde und keine Sekunde später wusste ich, dass es seine Wohnung war. Zayn löste seinen Griff von mir, warf einen prüfenden Blick nach oben, wo man spärlich die Eingangstür sehen konnte.
Laute Stimmen ertönten und plötzlich wurde die Tür oben aufgestoßen und einige Polizisten kamen herein – genau in dem Moment, in dem Zayn den Schlüssel im Schloss drehte und mich in den dunklen Raum schubste, ehe er die Tür hinter sich zu schlug. Es war ziemlich düster hier drinnen, kühl und ein leicht muffiger Geruch stieg mir in die Nase, was sicherlich daran lag, dass es sich um die unterste Etage dieses heruntergekommenen Wohnhauses handelte.
„Das zweite Danke, das du mir schuldest. Du solltest die langsam überlegen, wie du die Liste abarbeiten willst, Anabelle", sagte er hinter mir und betätigte einen Lichtschalter. Nach einigen Sekunden flackerte die Lampe über meinem Kopf. Sie summte leise.
Danke, dass du mich raus gebracht hast.
Meine Schrift war krakelig, was vielleicht an meinem unsicheren Stand lag. Ich hörte immer noch das Blut in meinen Ohren rauschen und am liebsten wollte ich mich irgendwo hinsetzen, um dem Schwindel entgegen zu wirken.
Zayn tat meine Aussage mit einem Nicken ab und lief dann ins Innere der Wohnung...dem Raum...was auch immer das hier war. Er zog sich die Schuhe von den Füßen, warf sie achtlos in die Ecke und ehe ich es realisierte, hatte er auch sein Shirt über den Kopf gezogen. Verlegen sah ich zur Seite.
„Ich bitte dich", sagte er verächtlich. „Du bist betrunken und trotzdem total verklemmt. Wo ist überhaupt dein kleiner Wachhund?"
Mein Kopf ruckte nach oben und ich kniff meine Augenlider zusammen, um ihn anzufunkeln. Zayn sah mich mit einem schiefen Grinsen an und ich konnte mich beim besten Willen nicht davon abhalten seinen Oberkörper anzustarren. Er hatte auch hier vereinzelte Tattoos – vor allem auf seinem Brustkorb und Schlüsselbein, jedoch nicht so viele Motive wie auf seinen Armen. Ich konnte selbst in diesem schummrigen Licht die leicht definierten Bauchmuskeln erkennen.
„Letztendlich seid ihr Weiber dann doch alle gleich", murmelte er und kam langsam auf mich zugelaufen. Schluckend wich ich zurück und sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Zayn kam mir gefährlich nahe, bis er plötzlich vor mir stand. Das Buch rutschte mir aus der Hand und fiel mit einem dumpfen Knall zu Boden, doch ich machte mir nicht die Mühe es wieder aufzuheben.
Plötzlich legte er seine Hand an meine Wange und ich hieß seine rauen Fingerspitzen auf meiner Haut willkommen. Ich bekam nicht die Möglichkeit meine Augen von seinen zu lösen, da sie mich so sehr in seinen Bann zogen und für einige Sekunden war ich wie gelähmt. Der erniedrigende Ausdruck war aus seinen Irden verschwunden und auch wenn ich immer noch dieses kleine spöttische Lächeln vor mir sah, lag auch etwas anderes in seinem Blick, das ich nicht deuten konnte.
Mein ganzer Körper kribbelte und ich wusste bei bestem Willen nicht welcher Teufel mich ritt, als ich blitzartig meine Arme um Zayns Hals schlang und ihn küsste.
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