Ich schäme mich für mich selbst.
Theoretisch sagt dieser Titel schon alles.
Praktisch aber gibt es viel zu viel zu sagen.
Ich mache nicht unbedingt ein Geheimnis daraus, aber ich hasse mich selbst.
Ich hasse meinen eigenen Körper.
Ich schäme mich für meinen eigenen Körper.
Das altbekannte Frauenproblem namens Tage schränkt mich immer wieder stark ein.
Nicht nur, das ich einen zerstörten Rythmus habe und weder Zeit, noch Intensität bestimmen kann. Es schneidet auch viel in mein Leben ein. Sei es gefühls- oder bewegungsmäßig.
Ich schäme mich für die Proportionen meines Körpers.
Für meine dicken Beine, meinen Bauch, meine Oberweite, mein vernarbtes Gesicht aufgrund der Akne seit 8 Jahren.
In meiner Jugendzeit zwischen 14 und 16 Jahren habe ich öfters versucht abzunehmen. Das ich ein paar Kilos zu viel habe, das ist Fakt. Aber ich begann diese zu hassen. Mich dafür zu hassen.
Also tat ich das dümmste der Welt - Ich machte Radikaldiäten. Länger als 1 bis 2 Wochen hab ich diese tatsächlich nicht eingehalten, noch durchgehalten. Jedenfalls ist dies der längste Zeitraum, an den ich mich erinnere.
Ich habe angefangen Kalorien zu zählen. Mit einem Kalorienrechner meinen täglichen Bedarf aufgrund Größe, Alter und Geschlecht berechnet. Und anhand dieser Daten dann angefangen immer nur so viele Kalorien am Tag zu essen, sodass ich unter dem benötigten täglichen Mindestwert liege. Soweit ich mich erinnere waren das dann ca. 1.000 Kalorien täglich. Während der Bedarf bei ca. 2.200 Kalorien lag.
Und ich konnte mich tatsächlich auf die Waage stellen und stolz sagen: Ich habe abgenommen. Ich bin nicht mehr dick!
Nicht mehr dick... wie es mir gerne andere sagten. Tatsächlich weniger die Leute aus der eigenen Schulzeit, mehr aus der eigenen Familie.
Aber nach diesen Jahren schäme ich mich noch immer für meinen Körper.
Ich finde meine Oberweite zu groß, mag es nicht meinen Bauch zu sehen und meine dicken Beine beim anziehen anzustarren.
Hoodies und weite Hosen sind da ideal. Darunter kann man alles verstecken. Sich selbst verstecken.
Und ich schäme mich für mich selbst, das ich bin wie ich bin.
17 Jahre lang war jeder Termin beim Zahnarzt mit Leid geprägt - Karies.
"Du hast diese Anfälligkeit für Karies von mir und deiner Oma." - Vater
Bei jedem Zahnarztbesuch hatte ich Scham, wegen Karies. Und Angst vor meiner Mutter. Vor dem Geschrei, der Wut, dem angeschnauzt werden. Dem Gefühl, schon wieder versagt zu haben.
=> Seit einem Jahr lebe ich Kariesfrei.
Seit 2 Jahren lebe ich hauptsächlich nicht mehr zu Hause.
Das größte Streitthema, das ich seitdem mit meiner Mutter noch habe, ist das Thema Hygiene.
Nein, es fällt mir nicht schwer mich zu pflegen.
Nein, ich weiß sehr wohl wie ich Hygiene anwende.
Nein, ich kann mich um mich selbst kümmern.
Aber es fällt mir schwer dies hier zu tun.
Es klingt bescheuert und verrückt.
Ich liebe es zu duschen und es gibt nichts schöneres, als in frische Kleidung zu schlüpfen.
Aber ich habe innere Probleme damit, es zuhause zu tun.
Zuhause ist für mich... Rückzugsraum. Dachte ich jedenfalls immer.
Gerade, wenn ich eh nicht groß Veranstaltungen oder Treffen mit anderen Menschen vor mir habe, dann hab ich den Pulli auch mal ne Woche an. Solang dieser nicht verschwitzt riecht. Oder die Hose, solang sie nicht dreckig ist.
Ist das falsch?
Ich habe 2 Jahre in WGs gelebt.
Ironischerweise klappt das doch mit anderen Menschen.
Sieht sie nur nicht. Versteht sie nur nicht. Glaubt sie nur nicht.
Meine Mutter arbeitet Vollzeit.
Mein Bruder hatte zuletzt nur Onlineschule und eh meist geregelte Ferien + freie Wochenenden.
Ich komme alle paar Monate für ein paar Tage nach Hause.
Nach dem Wintersemester ist dies immer eine andere Sache, weil wir da über Weihnachten und Neujahr frei haben = ergo, können dann auch mal 1-2 Wochen sein.
Wenn das Bad nicht sauber ist, geht es nur mir so das man innerlich damit ringt trotzdem duschen, etc zu gehen? Innerlich ist es dann sogar so blockiert, das ich nichtmal zum Lappen greifen kann. Putzen an sich, kein Problem. Das hat meine Arbeit die letzten Jahre mit sich gebracht. Auch Bäder. Aber Zuhause...?
Aber das kann ich ihr ja nicht erklären. Ich kann ihr nicht sagen, was meine Beweggründe sind.
Ich lebe ja genauso hier, ich kann hier genauso mal putzen.
Wäre es nicht sinnvoller, dies meinem Bruder (17) mal beizubringen?
Stattdessen verzweifel ich. Schreie zum Himmel und kann mit erstickter Stimme nur fragen: "Denken die Menschen das wirklich von mir? Das ich nicht fähig bin, mein Leben zu leben?"
Wenn ich meine eigene Wohnung hab, für mich lebe, in meinem eigenen Rückzugsort. Den niemand ungebeten stören kann, den niemand mir nehmen kann, wo ich endlich bestimmen kann.
Das Leben wird dann viel leichter zu leben sein.
Weil ich dann all diese Dinge ohne Scham tun kann.
Weil dann da niemand anderes ist, der mich sieht. Der meinen Körper sieht.
Weil ich dann allein für die Sauberkeit zuständig bin und nicht resigniert sehen muss, wie andere nicht putzen, noch die einfachsten Dinge sauber halten können.
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Ich schäme mich für mich selbst.
Das ich die Person bin, die ich bin.
Meine Veranlagungen dazu sind jedenfalls echt... great.
-> Wille-Brandt Syndrom
Ich bin Erbträgerin aufgrund meines Vaters, der die Bluterkrankheit Hämophilie hat. Das heißt bei ihm, das eine offene Wunde aufgrund mangelnder Blutgerinnung zum verbluten führen kann.
Ich trage die Veranlagung dazu, sowie mit dem Syndrom eine sehr abgeschwächte Form davon, die sich vorrangig als Typ 1 in der unregelmäßigen Intensität meiner Regelblutung zeigt.
-> Empfindlicher für Karies als im Normalfall
-> Meine große Oberweite, mit einer Größe von 1,64m
-> depressive Veranlagung aufgrund meines Vaters
Es erklärt die Anfälligkeit für Depression, die sich in den vergangen Jahren bei mir zeigt. Seit dem 10. Lebensjahr kämpfte ich regelmäßig mit dem Gedanken sterben zu wollen.
Nach 3 Jahren Behandlung bei zwei Psychologinnen, aufgrund Wohnortwechsel, konnte ich das schlimmste behandeln und lösen. Es geht mir seitdem besser.
Innerlich bin ich trotzdem ein Wrack. Manchmal wie ein Luftballon, den man nur mit einer Nadel pieksen muss, sodass ich seelisch einfach fertig bin.
Das ist auch der Beweggrund, weshalb ich dieses Buch starte.
Weil wieder einmal das Thema Hygiene von meiner Mutter thematisiert wurde. Weil sie wieder einmal reagierte wie immer.
Weil ich wieder einmal das Gefühl hatte zu ertrinken, keine Luft mehr zu kriegen und nur noch heulen konnte. Weil ich das nicht mehr aushalte.
Dieses nicht verstanden werden.
Dieses "Ich habe versagt".
Dieses "Ich kann es niemanden recht machen".
Wenn mich seelisch etwas viel Kraft raubt, passiert es immer noch, das ich dann auch mich selbst mal vernachlässige. Ich bin nicht für immer von Depression geheilt. Manche Nachwirkungen, manche Downs, jene Tiefs, manche Dinge kommen immer wieder auf und erschweren eben genau dies.
Aber ich bin nicht unfähig.
Ich kann nur nicht perfekt sein.
Ich kann eben nicht sein, wie die Gesellschaft mich will.
Und wie ich bin, dafür schäme ich mich und falsch ist dies sowieso.
Das haben mir genug Menschen gezeigt.
Es ist falsch, wie ich
rede.
handel.
lebe.
wandel.
atme.
schreibe.
mache.
... existiere.
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