neues ! Kapitel 4- von Beulen und wortgewandten Krankenschwestern
Einen kurzen Augenblick schaute sie mir in die Augen, doch dieser Moment war sehr kurzweilig und sie wandte sich schnell ab, um sich aufzusetzen.
Neugierig blickten Jasper und Hannah sie an, woraufhin Nelly wieder rot anlief. Noch röter, als sie vorhin gewesen war.
„Bin ich eingeschlafen?", fragte sie mit leiser Stimme und schaute abwechselnd von Jasper zu Hannah. Es fiel mir jedoch auf, dass sie keinem der beiden in die Augen blickte. War sie zu schüchtern? traute sie es sich nicht, einem fremden Menschen in die Augen zu blicken?
Damit machte sie sich kleiner, als sie war und erweckte in mir nur noch mehr das Gefühl, dass ich sie beschützen musste.
„Ja, du hast sogar geschnarcht", verkündete Jasper ihr mit ernstem Gesicht. Woraufhin sich ein panischer Gesichtsausdruck auf ihrem Gesicht bildete.
„Keine Sorge", beruhigte Hannah sie sogleich, „ Er flunkert. Du hast ganz ruhig geschlafen und laut dem lieben Cayden hier, sahst du dabei zuckersüß aus." Mit einem schelmischen Grinsen entgegnete sie meinem empörten Blick. Ernsthaft?! Sie hatte mich mit voller Absicht verraten und schämte sich nicht mal für den Treubruch.
Damit hatte sie verursacht, dass Nelly noch röter wurde, sodass es fast schon nicht mehr natürlich war. Doch stand ihr das ganze auf eine komische Art und Weise.
„Okey?", hauchte sie mit leiser, fragender Stimme und packte dann ihre Sachen zusammen. Dabei fiel mein Blick auf ihren Stundenplan.
„Du hast gleich Bio?", fragte ich sie neugierig und sie stoppte, bevor sie hastig nickte und mir einen kurzen Blick zu warf.
„Super. Ich auch", stellte ich vergnügt fest, „dann kann ich dir zeigen, wo das ist." Das schien sie nicht weniger nervös zu machen, aber sie hatte keinen Ausweg und deswegen sagte sie zu. Denke ich mir zumindest. Obwohl....
Vielleicht hatte sie auch zugesagt, weil sie mich kennenlernen wollte?
Vielleicht auch eine Mischung aus beidem?
Plötzlich schob sie unabsichtlich ihr offenes Mäppchen, vom Tisch auf den Boden und erschreckte sich dabei. Schnell kniete sie sich hin und stieß ihren Kopf an der Tischkante.
„Scheiße", fluchte sie lautstark und hielt sich augenblicklich die Stirn. Besorgt kniete ich mich hin, schaute sie unter dem Tisch an, während ich nebenbei ihre Stifte einsammelte.
Von oben hörte ich Jasper kichern und hatte sofort einen Kleber in der Hand. Nachdem ich mich zurück gelehnt hatte und Jas in meiner Werfbahn stand, drohte ich: „ ich werfe dich mit dem Kleber ab, wenn du nicht sofort aufhörst zu lachen!"
„Das triffst mich sowieso nicht", neckte er mich schalkhaft und hatte sich damit um ganze 100% vertan.
Mit einem Knick meines Handgelenks nach hinten holte ich Schwung und schleuderte den Kleber. Mit einer graziösen Punktlandung auf Jaspers Brustkorb, dort wo sein Herz liegen sollte, landete der Kleber, prallte ab und fiel neben Nelly auf den Boden.
Sie hatte unser „Gespräch" mitverfolgt und konnte ein Grinsen nicht verstecken. In ihren Augen erschien ein Schimmern und Grübchen kamen zum Vorschein. Anscheinend schien sie sonst viel zu lachen, denn um ihre Augen zeigten sich kleine Lachfältchen. Sie erstrahlte und gleichzeitig fühlte es sich so an, als würde auch mein Herz erstrahlen und aufblühen.
„Mein Herz", rief Jasper betroffen aus und fasste sich auf die Brust, ,,du hast es getroffen und nun zerbricht es an dem Schmerz, den du mir zugefügt hast."
„Heul nicht rum", brummte ich mit rauer Stimme und packte die letzten Stifte noch in Nellys Mäppchen, bevor ich es aufhob und mich wieder hin stellte. Auch Nelly stellte sich wieder, um ihr Mäppchen mit einen geflüsterten, „Danke", entgegen zu nehmen.
„Wie geht es deinem Kopf ?", fragte ich sie besorgt und bewirkte damit, dass sie mit der Hand die Stirn hielt und mich kurz anschaute, bevor sie wieder auf den Tisch vor sich blickte. „G-gut. Danke", murmelte sie dem Tisch und sie tat mir auf einmal, aufgrund ihrer Schüchternheit, unfassbar leid. Vielleicht konnte ich ihr helfen, diese zu überwinden?
„Sicher? Wollen wir nicht lieber zur Krankenschwester gehen?", fragte ich neugierig, doch sie schüttelte den Kopf. Mit einem Blick auf ihre Stirn, stellte ich jedoch fest, dass wir dieser eindeutig einen Besuch abstatten sollten.
Jasper maulte immer noch herum, wobei Hannah ihn mit einem sanften Tätscheln des Arms beruhigen wollte.
„Du hast eindeutig vergessen, dass ich über die Ferien meine Fähigkeit als Lacrossespieler nicht verloren hab", scherzte ich, klopfte ihm auf die Schulter und sah dann Nelly an, die endlich ihre Sachen gepackt hatte.
„Gehen wir?", fragte ich und sie nickte mir schüchtern zu, bevor wir uns aus dem Klassenraum und auf den Flur machten.
Es war höllisch voll. So wie immer und wir mussten auch noch zum Krankenzimmer, welches in einem anderen Haus war.
„Da lang", sagte ich und deutete auf die große Treppe am Ende des Flures.
Still folgte sie mir den Gang entlang, sodass ich anfing irgendeinen Müll zu labern. Aber immerhin brachte ich sie damit kurz zum Grinsen und das war es wert. Doch dann fiel mir nichts mehr ein, über das ich reden konnte und so verfielen wir in ein unangenehmes Schweigen.
Plötzlich wurde sie von der Seite angerempelt und stolperte in meine Richtung. Schnell fing ich sie auf und stellte sie wieder gerade hin, bevor ich sie losließ, da mir schon klar war, dass ihr das ganze peinlich war.
„Was soll das?", rief ich dem schwarzhaarigen Jungen empört zu, doch der Idiot mit einer dunkelroten Beanie, schaute nicht einmal in unsere Richtung.
Auch die verdatterte Nelly starrte ihm hinterher, wobei sie ihre Augenbrauen verärgert zusammen gezogen hatte. „Arschloch", flüsterte sie gerade so laut, dass ich es mitbekam und ich konnte nicht anders, als zustimmend zu nicken.
„Gehts dir gut?", fragte ich sie neugierig und sie nickte, wahrscheinlich nur um mich zu beruhigen. Denn nur eine Sekunde später, in der sie dachte ich würde nicht auf sie achten, fasste sie sich an die Stirn und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
In dem Moment fasste ich den Entschluss, dass wir doch noch zur Schulärztin gehen würden. Aber davon musste sie ja erstmal nichts wissen.
„Los komm wir müssen uns beeilen", merkte ich an, denn das mussten wir wirklich, wenn wir es noch in der Pause zur Ärztin schaffen wollten. Naja, ich wollte.
Schnell schlängelten wir uns durch die Flure, die Treppen hoch, die Treppen runter, bis wir irgendwann im Naturwissenschaftsgebäude angekommen waren.
„Also geht ihr nie nach draußen?", fragte Nelly vorsichtig und der Klang ihrer leisen Stimme schwang nur gedämpft, von dem lauten Stimmengewirr der anderen unterdrückt, zu mir herüber. Ihre Frage brachte mich zum schmunzeln, denn auch wenn sie berechtigt war, war sie schon irgendwie sinnlos.
„Ja klar", antwortete ich also, „Man kann auch draußen lang gehen. Aber den meisten ist das ab September schon zu kalt. Sport wird hauptsächlich draußen gemacht und wenn du willst, kannst du auch oben herum laufen. Es ist halt einfach nur kalt."
Sie nickte, wandte sich wieder ab und trottete weiter schweigend neben mir her. Und so war es auch nicht mehr lang, bis wir endlich vor dem Zimmer der Schulärztin standen.
Nachdem sie das Schild gelesen hatte, schaute sie mich irritiert an und wollte gerade etwas sagen, obwohl vielleicht sollte ich mir da nicht ganz sicher sein. Ich erklärte es ihre trotzdem: „deine Stirn sieht echt nicht gut aus und bevor du dir eine Riesenbeule holst, lassen wir das ganze lieber kühlen."
Meine Erklärung klang ganz plausibel für mich und sie schien es genauso zu sehen, denn sie nickte ein weiteres Mal und ich streckte meinen Arm, um zu klopfen.
„Nur herein", kam die mir nur all zu bekannte Stimme von der Ärztin Mary und sofort griff ich nach der Türklinke, um sie aufzdrücken. Da ich Nelly nicht vorschieben wollte, trat ich erst selbst ein, zog sie jedoch bestimmt hinter mir her.
„Ach Cayden", begrüßte mich Mary und schien überhaupt nicht überrascht, bis sie Nelly hinter mir entdeckte. „Ich hatte ja erwartet, dass Cayden relativ früh hier auftaucht, aber was machst du hier?", fragte sie Nelly neugierig, welche schüchtern lächelte und nervös ihre Haare glatt strich. Als Nelly nicht antworten zu schien, antwortete ich schnell für sie.
„Sie hat sich den Kopf gestoßen."
Misstrauisch runzelte Mary die Stirn, wandte sich jedoch dann ab und rauschte aus dem kleinen Raum, hinein in den Nebenraum, wo man kurze Zeit später Regaltüren zufallen hörte.
Während ich mich auf die Krankenliege in dem Zimmer setzte, stand Nelly unschlüssig im Raum und verschränkte die Arme. In aller Ruhe ließ ich meinen Rucksack auf den Boden fallen und lehnte mich an die Wand hinter mir.
„Du kanst dich ruhig setzen", bot ich Nelly den Platz neben mir an, was ich mit einem sanften Klopfen, meiner flachen Hand auf dem Leder noch einmal verdeutlichte. Zögernd legte sie ihren Rucksack ab, schüttelte dann jedoch den Kopf.
„Glaub mir, bis Mary fertig ist mit Suchen, kann es eine Weile dauern", raunte ich ihr grinsend zu und hoffte, dass es nur Nelly gehört hatte.
„Das hab ich gehört du Winzling. Wenn ich dir jemals einen Finger annähen muss, weil du dir mit deiner Verpeiltheit abgeschnitten hast, nähe ich ihn dir an deinen Allerwertesten", drohte Mary mir belustigt, was auch Nelly zum Lächeln brachte und das war es wert.
Jedoch musste ich trotzdem zurückärgern, indem ich ihr: „du bist keine Chirurgin, du darfst dass gar nicht!", an den Kopf warf.
„Da hast du aber Glück gehabt, Winzling!"
Mit einem breiten Grinsen, drehte ich mich zu Nelly, welche sich nun doch noch neben mich setzte. Zwar mit einigem an Abstand, aber man sollte es ihr nicht verübeln. Mary hatte wieder angefangen zu suchen, während ich mich Nelly zuwandte.
Eine Weile schwiegen wir, doch überraschenderweise nahm sie das Wort an sich: „ du hast vorhin in dem Klassenraum von Lacrosse geredet. Habt ihr eine Mannschaft?"
Verblüfft wandte ich mich ihr zu, hinter ihrer stillen Hülle schien sich eine aufmerksame Person zu sein.
„Ja, wir sind sogar ziemlich erfolgreich", erklärte ich ihr mit einem stolzen Lächeln, was sie zögerlich erwiederte. Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass mein stolzes Grinsen ins unendliche wuchs, als ich verkündete: "Ich bin sogar der Captain!"
Ihre Augen weiteten sich vor Verblüffung und ein belustigtes Schmunzeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. "Wow, da kannst du stolz drauf sein", sagte sie mit ihrer leisen Stimme und ihr war anzusehen, dass sie ordentlich Mut zusammen kratzte, um anfangen zu erzählen: "Ich spiele Lacrosse schon seit ich ein kleines Mädchen bin, mein Dad und ich waren immer auf der Wiese neben dem Spielplatz, anstatt tatsächlich auf dem Spielplatz zu spielen. Er hat es mir beigebracht und jetzt bin ich ganz gut."
Als sie bemerkte, was sie da gerade von sich gegeben hatte, lief sie wieder rot an und murmelte: "das glaube ich zumindest." Für einen kurzen Moment trafen sich unsere Blick, doch er war so schnell wieder vorbei und ich seufzte leise. Es tat mir irgendwie leid, dass sie nur so ein geringes Selbstwertgefühl hatte und am liebsten würde ich sie knuddeln und ihr ins Ohr flüstern, wie schön sie ist. Aber das würde vermutlich sehr komisch rüberkommen, angesichts der Tatsache, dass ich sie erst seit heute morgen kannte.
Die folgende Stille nutzte ich, um sie näher zu betrachten. Ihre buschigen Augenbrauen rahmten ihr Gesicht perfekt ein und anscheinend schien sie über etwas nachzudenken, denn ihre Stirn kräuselte sich leicht, wobei sie die Augenbrauen leicht zusammen zog. Dicke Sommersprossen zierten ihre Nase und Wange, was ihr zusammen mit den Grübchen so ein süßes Aussehen schenkte. Am schönsten waren jedoch ihre Augen, welche in einem hellen Braun funkelten, wobei dieses von grünen Sprinklern durchsetzt wird. Sie schienen zu glänzen und es war schwer, meinen Blick von ihnen zu nehmen. Ihre Augen wurden von einem dichten Wimpernkranz umrandet, welcher sich genau in diesem Moment senkte. Bestimmt zwang ich mich selbst, den Blick von der schüchternen Schönheit neben mir zu nehmen und starrte konzentriert auf den Boden. Gerade als ich den Kopf wieder hob, um etwas zu sagen, unterbrach Nelly mich: "spielen in eurer Mannschaft nur Jungs oder sind Mädchen auch erlaubt?"
"Eigentlich ist es eine Männermannschaft", erklärte ich und bedauerte es, ihr das erzählen zu müssen, weil ich ihr damit vermutlich die Hoffnung versaute, hier Lacrosse spielen zu können. "Aber", ergänzte ich mit, wobei ich das A in die Länge zog, "wenn du heute Nachmittag ins Training kommst und unser Coach dich spielen lässt... wenn du dann punktest, hättest du vielleicht eine Chance."
Ich beobachtete, wie ihr Gesichtsausdruck aufleuchtete und sich ein breites Strahlen auf ihren Lippen ausbreitete. War ich ein schlechter Mensch, nur weil ich ihr mit dieser ein prozentigen Chance Hoffnung machte?
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