18. Du wagst es, etwas gegen meine Brille zu sagen?
kapitel achtzehn ——— Du wagst es, etwas gegen meine Brille zu sagen?
༄ Lily
KAUM, DASS LILY DAS Klassenzimmer für Zaubertränke betreten hatte, wurde sie auch schon von einem gutmütig lächelndem Professor Slughorn begrüßt. Sie war sehr früh dran und als sie den Raum betreten hatte, war ihr noch manch ein Sechstklässler entgegengekommen, der vor ihr Unterricht in den Kerkern gehabt hatte.
Es überraschte sie kaum, Regulus auch hier zu sehen, der gerade am Lehrertisch stand, sich mit einem höflichen Lächeln mit Slughorn unterhielt und offenbar eine Einladung für ein Slug-Treffen bekam.
Viele beschrieben die Treffen als äußerst langweilig und würden gerne darauf verzichten. Auch Lily wusste nicht, ob sie mit dem elitären Denken des Professors konform gehen konnte, aber ihr waren die Abende immer recht unterhaltsam vorgekommen, weshalb sie bereits mit einem breiten Lächeln Slughorns Geste folgte, als er sie zu sich winkte.
Den Blick von Regulus, der dem des Lehrers augenblicklich folgte, mied sie dabei. Vermutlich empfand er es als unter seiner Würde, dass eine Muggelstämmige wie sie vom Hauslehrer der Slytherins eingeladen wurde. Sie wusste nicht, wie sie sein Verhalten in der Bibliothek zu deuten hatte, aber sie würde nicht darüber reden, solange es keinen Grund dazu gab.
Er war immer noch schwer für sie, aus ihm schlau zu werden. Einerseits gab es das, was sie von ihm gesehen hatte: Die Leute, mit denen er sich abgab; die Art, mit der er neuerdings präsenter war als je zuvor, wo man ihn kaum wahrgenommen hatte und die Ausdruckslosigkeit, die sie in seinem Gesicht vorfand. Auch jetzt, wo er Professor Slughorn so einnehmend anlächelte, konnte sie nicht sagen, ob es echte Höflichkeit war oder ob aus ihm der Wunsch sprach, von den Vorzügen als Slughorns Liebling zu profitieren.
Doch andererseits war da der Brief, den Sirius ihr anvertraut hatte und bis heute verstand sie nicht, wann Sirius angefangen hatte, ihr diese Art von Vertrauen entgegen zu bringen. Dachte er, sie verstand ihn besser als jeder andere, weil sie die Ablehnung der eigenen Familie kannte, genau wie er es tat?
Sie wusste, dass sie Regulus nicht in eine der Schubladen „Gut" oder „Schlecht" zuordnen konnte und er wahrscheinlich ein guter Mensch war, der jedoch aufgrund seiner Erziehung seine Moralverstellungen so zurechtbog, dass sie ihm richtig vorkamen. Er hatte nie ein schlechtes Wort gegen sie gesagt, aber Lily bildete sich nicht ein, dass er hoch von ihr dachte. Er war nicht wie Sirius, der trotz gleicher Eltern und Erziehung völlig anders als sein Bruder zu sein schien.
Lily wusste nicht, seit wann sie sich so sehr für Sirius' Familie zu interessieren begann, aber es ging viel Unerklärliches in ihr vor. Auch Hannahs und James Kuss hatte sie nicht so kalt gelassen, wie er es gesollt hätte. Wenn sie nicht sofort von ihr erfahren hätte, dass es wegen Remus war, hätte sie ein ernsthaftes Wort mit Hannah geredet - sie wollte nicht, dass sie enttäuscht oder verletzt wurde.
Und trotzdem war dort auch eine Seite in Lily, die eifersüchtig war. Jahrelang hatte sie gewollt, dass er endlich aufhörte, sie um ein Date zu fragen und jetzt, wo er genau das getan hatte, ärgerte es sie. Vermutlich war es ihr Ego, das aus ihr sprach, wenn sie dieses Zwacken in der Brust fühlte und sie versuchte sich damit abzufinden, dass sie es sich selbst zuzuschreiben hatte.
Doch dass ihr erster Gedanke die Frage gewesen war, ob James davon wusste, dass der Kuss für Hannah nur wegen Remus gewesen war, machte sie stutzig. Andererseits war es nicht seltsam, denn sie wünschte James trotz all ihren Abfuhren nichts Schlimmes. Er hatte sich geändert - selbst Lily hatte das gemerkt, seit er zum Schulsprecher ernannt worden war.
Sie hatten den Schülersprecherturm und liefen sich automatisch öfters über den Weg, aber Lily fühlte sich einsam ohne ihre Freundinnen und auch James schien nicht so recht auf seine Rumtreiber verzichten zu wollen. Nur manchmal zogen sie sich in die separaten Schlafräume zurück, die ihnen zur Verfügung gestellt worden waren.
„Miss Evans, Sie haben sicherlich auch Interesse daran, am 4. November an einem meiner Treffen teilzunehmen?" riss Professor Slughorn sie aus ihren Gedanken und Lily nickte sofort mit einem freundlichen Lächeln, während Regulus neben ihr seine Tasche über die Schulter warf und beinahe unentschlossen zu sein schien, ob er gehen oder bleiben sollte, da Professor Slughorn sie nun in ein Gespräch eingebunden hatte.
Beinahe musste Lily über diese Unbeholfenheit lächeln. „Ich würde mich sehr freuen." erwiderte sie, bevor Slughorn vergnügt lächelte und weiter zu reden begann.
„Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit wieder vergangen ist. Schon zwei Monate seit Schulbeginn und die Weihnachtsfeier rückt bereits näher - haben Sie schon im Auge, wen sie als ihre Begleitung auswählen wollen?"
Lily wusste nicht, was sie davon halten sollte, dass sich Professor Slughorn äußerst gern in die privaten Angelegenheiten des Lebens seiner Lieblingsschüler einmischte, aber sie ließ sich nichts anmerken, genau wie Regulus neben ihr, dem die Situation jedoch sichtlich unbehaglich wurde - oder nicht zuordenbar.
„Noch nicht, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht." entgegnete Lily geduldig, während bereits manche ihrer Mitschüler den Raum betraten und Regulus zum Ausgang sah, allerdings zu höflich war, um zu gehen. Wenigstens war sie nicht die einzige, die Schwierigkeiten damit hatte, sich in manchen Situationen richtig zu verhalten.
„Ich auch nicht." stimmte Regulus ihr knapp zu und Professor Slughorns Aufmerksamkeit lag nun wieder auf ihm.
„Ihr Bruder hätte dieses Problem bestimmt nicht. Äußerst schade, ihn nicht in meinem Kurs zu haben."
Lily warf Regulus einen vorsichtigen Blick zu, um seine Reaktion auf die Erwähnung von Sirius zu sehen, aber er verzog keine Miene und antwortete mit einem Anflug von Hochmütigkeit auf seine Bemerkung. „Nun, ich habe weitaus höhere Ansprüche an eine Begleitung als mein Bruder. Und bisher wüsste ich nicht, wer ihnen entspricht."
Sie konnte kaum glauben, dass er das gerade tatsächlich gesagt hatte. Scheinbar waren seine Ansprüche so hoch, dass kein Mädchen auf Hogwarts gut genug für ihn war - etwas, was tatsächlich nur von einem Black kommen konnte (mit der Ausnahme, dass Sirius trotzdem mit ihnen ausging und sie nicht in die Kategorien „Reinblut" und „Alle anderen" teilte.)
„Wie auch immer, ich muss weiter zu Geschichte der Zauberei." sagte er schließlich und Lily sah nur kurz zu ihm, als er sich mit einem charmanten Lächeln, das sie so nur von Sirius kannte, von Professor Slughorn verabschiedete, bevor er an ihr hängenblieb und seinen letzten Satz auch an sie richtete. „Einen schönen Tag noch, Professor... und... Evans."
Kurz zögerte er und erst, als Lily nickte und ein „Dir auch." hervorbrachte, wandte er sich zum Gehen und verließ den Klassenraum.
Und wieder einmal wusste sie nicht, was sie davon halten sollte.
༄ Hannah
IRGENDETWAS WAR ÄUßERST KOMISCH in letzter Zeit. Remus verbrachte mehr Zeit mit Mary, aber auf einmal war es, als würde Hannah diese Entwicklung von einer neutraleren Ebene betrachten können. Weshalb auch immer.
Egal, ob ihr Teil des Plans am Ende erfüllt sein würde oder nicht: Sie würde alles tun, um James mit Lily zu helfen. Am Anfang war sie sich nicht sicher gewesen, ob er wirklich zu ihrer Freundin passte, aber sie war zu dem Schluss gekommen, dass er zweifellos ein guter Mensch war. Er hatte Humor und obwohl er auch ihr die letzten Jahre eher arrogant vorgekommen war (was er ja auch ein wenig war), erkannte Hannah immer mehr, was hinter James steckte und sie hatte begonnen ihn für diese Art, diese durch und durch liebenswürdige und mitfühlende Art, wertzuschätzen.
Sie hatte eine hohe Meinung von ihm bekommen - und genau das drückte sich auch in ihrem Lächeln aus, als sie sich an diesem Dienstag beim Mittagessen neben ihn setzte.
„Nach dem Essen?" fragte sie ihn ohne große Umschweife und er nickte, da er sich mehr auf sein Essen als aufs Reden konzentrierte. Auch, wenn Remus vielleicht nie Interesse an ihr zeigen würde, würde sie sich nun mit ihren Tipps was Lily anging anstrengen.
In dem Moment, in dem Hannah zu sprechen begonnen hatte, lag allerdings auch schon Remus' Blick auf ihr, bevor er kurz von James zu ihr und wieder zurücksah. „Willst du vielleicht etwas?" fragte er plötzlich und reichte ihr die Schüssel, doch Hannah winkte schnell mit einem leichten verlegenen Lächeln ab.
„Nein, alles gut, ich habe schon gegessen." sagte sie schnell und Remus machte Anstalten die Schüssel wieder abzustellen.
„Klar... ja." entgegnete er hastig. „Natürlich hast du schon-"
„Ich kann trotzdem gerne was nehmen." sagte Hannah schnell, als sie ihn stammeln hörte und riss ihm die Schüssel förmlich aus der Hand, bevor er sie wieder abstellen konnte.
Sie nahm sich eine Kürbispastete und bemerkte erst nach ein paar Sekunden, dass James aufgehört hatte zu kauen und kurz zu Remus und anschließend zu Hannah sah, bevor er sich wieder an seinen Teller wandte.
Zehn Minuten später erfuhr Hannah auch schon, was in James' Kopf vorgegangen war. „Das mit dir und Remus sieht doch gut aus." sagte er sofort, als sie sich draußen auf eine der Bänke gesetzt hatten und James beschwingt zu ihr sah.
„Ähm... ja." entgegnete sie perplex, bevor ihr Blick zunehmend verwirrter wurde. „Findest du?"
„Geliebte Hannah!" rief mit er mit tieferer Stimme und begann Remus zu imitieren. „Willst du noch etwas von den Kürbispasteten? Ich habe sie persönlich vorgekostet, damit du nicht vergiftet wirst!"
Nun stellte er seine Stimme wieder höher und fasste sich mit einer großen Geste ans Herz. „Oh, Remus, nimm sie nur nicht weg. Für dich vergesse ich, dass ich eigentlich satt bin!"
Hannah wandte amüsiert den Blick ab, um sich davor zu bewahren, laut loszulachen, doch als sie James mit den Wimpern klimpern sah, prustete sie laut los. „Das sah jetzt aber in Verbindung mit der Brille nicht gerade gut aus."
„Was?!" James sah sie schockiert an. „Du wagst es, etwas gegen meine Brille zu sagen?"
Sie erwiderte seinen Blick mutig und erwiderte ein bedrohliches „Ja".
„Ich heuere den Henker an, der den Fast Kopflosen Nick geköpft hat, um dir zu zeigen, wie weh das getan hat."
„Lass mich raten: Es war doppelt so schlimm wie eine Köpfung, die schiefgeht?"
„Mindestens."
„Dann lass mich dir etwas sagen, das die Schmerzen erträglicher machen wird. Lilys erste Frage war es, ob du davon weißt, dass der Kuss nur wegen Remus war. Und sie hat dich James genannt!" rief sie begeistert aus und hielt kurz inne, bevor sie ertappt das Gesicht verzog. „Gut, ihre erste Frage war es, wer mich bezahlt, um Zeit mit dir zu verbringen, aber das war, bevor sie wusste, dass das Ganze nicht echt war."
James schwieg kurz und wandte seinen Blick von ihr ab. „Wirklich?" fragte er und wirkte trotzdem abwesend, als er ihr weiter zuhörte. Nun, wo sie endlich begeistert bei der Sache war, schaltete er ab? Hatte er sich so vorher gefühlt, wenn Hannah mit halbem Interesse seinen Ausführungen zugehört hatte?
„Deswegen denke ich, dass wir uns mehr auf sie konzentrieren sollten. Vielleicht ist das mit Remus und mir doch hoffnungslos - oder hat er etwas dazu gesagt?" Aufmerksam warf sie ihm einen begierigen Blick zu, als James zu einer Antwort ansetzte. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen.
„Hat er nicht." antwortete er schließlich und Hannahs Gesicht wurde etwas enttäuscht, obwohl es sie überraschenderweise kälter ließ, als sie gedacht hätte. Doch Jungs redeten ja häufig weniger als Mädchen über solche Dinge, also lag es wahrscheinlich daran, dass sie sich darüber keine Gedanken machte. „Aber er weiß, dass es wegen Lily war."
„Na dann."
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus und diesmal war es eine unangenehme Pause, als sie spürte, wie James unentwegt zu ihr sah, obwohl sie den Blick wieder auf den Tisch wandte.
„Willst du darüber reden?" fragte er plötzlich und sie sah verwundert zu ihm.
„Worüber?"
„Über Samstag."
Hannah zog die Augenbrauen zusammen, bevor sie leicht zu lachen begann. „Keine Sorge, ich bin dir schon nicht verfallen."
Sie sah ihm an, dass es nicht die Antwort war, die er erwartet hatte, aber im nächsten Moment überspielte er diesen Gesichtsausdruck und setzte wieder sein typisches Grinsen auf. Offensichtlich war er wieder eifriger bei der Sache als noch ein paar Sekunden vorher. „Ich wollte ja nur sicher gehen - also Hannah, wie lautet dein Plan?"
„Kein Plan." antwortete sie kleinlaut. „Aber nächste Woche ist doch die Halloweenparty..."
„Die ich mit Lily organisiert habe." gab er hinzu und Hannah nickte. „Als was verkleidest du dich?"
„Als Vampir." erwiderte sie schlicht und wollte schon fortfahren, als James ein überlegendes Geräusch ausstieß und seine Brille zurechtrückte.
„Remus mag Vampire nicht."
„Wer mag schon Vampire?" fragte Hannah verwirrt und wartete ab, was er dazu sagen würde. Doch ausnahmsweise erwiderte er nichts. „Wie auch immer..." fuhr sie mit einem verschwörerischen Grinsen fort. „Ich denke, es könnte ein sehr guter Abend werden."
„Dann lass mal hören."
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