Kapitel 39
Ein stätiger Summton schleicht sich in meine Träume. Die Müdigkeit hängt zäh an mir, lässt mich nicht aufwachen. Neben mir bewegt sich die Matratze und leises Gemurmel erklingt im Zimmer. Alexander scheint das Schlafzimmer zu verlassen, denn seine Stimme ist nicht mehr zu hören, nachdem das Schloss der Türe klickt. Ich sinke wieder in die Dunkelheit meiner Träume zurück.
„Marie, wach auf!", seine Stimme ist rau vom Schlaf. Küsse regnen auf mein Gesicht. „Marie, das Krankenhaus hat angerufen." Für mich ergeben diese Worte keinen Sinn. Warum sollte ein Krankenhaus hier mitten in der Nacht anrufen? Niemand außer meiner Granny ist im Krankenhaus.
Granny! Ich wate durch den Nebel meiner Träume ins Wachsein.
„Das Krankenhaus? Ist ihr etwas passiert? Nein, sag mir nichts, ich wills nicht wissen, wenn es passiert ist..."
Er nimmt mich fest in seine Arme ehe er mich tröstet, obgleich er mir ins Ohr flüstert.
„Es ist alles in Ordnung. Sie ist aufgewacht."
Vor Erleichterung breche ich schon wieder in Tränen aus, lasse mich in seine Arme sinken und mich von ihm beruhigen.
***
Gemeinsam mit meinen Eltern haste ich ins Krankenhaus. Wir hatten sie gleich geweckt und ihnen die gute Nachricht überbracht. Während Mum und Steve ins Zimmer treten, hole ich noch einmal tief Luft, sodass ich mich auf sie vorbereiten kann. Ich habe mich entschieden, ohne sie kehre ich nicht in die USA zurück.
Solange es auch dauern mag, ich werde bei ihr bleiben. Einen Schritt weiter und ich stehe bei ihr im Krankenzimmer. Sie ist zwar immer noch an Schläuche und Geräte angeschlossen, jedoch sitzt sie aufrecht im Bett, ein Pfleger muss wohl das Kopfteilsenkrecht gestellt haben, und lächelt mir schwach entgegen. Mit großen Schritten gehe ich auf sie zu. Ihre Arme sind lange noch nicht so stark wie Früher, dennoch sind ihre Umarmungen immer noch so tröstlich.
„Ich hab dich so vermisst." Ich breche unsere Umarmung ab, sehe ihr in die Augen und streiche ihr über die Wange. „Du hast mir so einen Schrecken eingejagt. Ich dachte du wachst nie wieder auf."
Ich kann einfach nicht von ihr ablassen, muss unseren Körperkontakt beibehalten. Meine Mum greift mir von hinten an die Schultern, bietet mir somit ihre Unterstützung an.
Die Angst die die letzten Tage ihre Klauen um mein Herz gelegt hat, zieht sich nun immer weiter zurück, lässt mich wieder berfreiter atmen. Wir bleiben noch eine Stunde bei meiner Granny bis ihr Arzt das Zimmer betritt.
„Guten Abend. Ich würde gerne noch einige Vitaltests mit Ihnen machen", unterbricht er unsere Unterhaltung.
Als ich an ihm vorbei sehe, kann ich einen Blick auf Alexander erhaschen. Er sitzt im Flur vor dem Zimmer und arbeitet an seinem Laptop. Mir war nicht einmal aufgefallen, dass er nicht mit uns gekommen war, geschweige denn, dass er seinen Computer mitgenommen hatte.
Das schlechte Gewissen nagt an mir und so stehe ich auf, küsse Granny auf die Stirn, ehe ich ihr Krankenlager verlasse. Der Arzt wird sicher noch einige Minuten mit ihr beschäftigt sein. Alexander blickt auf, als hätte er meine Anwesenheit spüren können. Das Funkeln in seinen Augen zeigt mir wie sehr er mich begehrt.
Das Lächeln, das sich gerade auf meine Lippen schleicht, will ich gar nicht mehr verhindern. Ich habe solch ein Glück, einen Mann wie ihn an meiner Seite zu wissen. Ihn eventuell bald zurücklassen zu müssen versetzt mir einen Stich mitten ins Herz. In meinem Oberkörper macht sich eine eklige Beklemmung breit. Er muss es spüren, denn Sorge blitz in seinen Augen auf. Nach meiner Hand greifend zieht er mich auf den Stuhl neben sich.
„Du wirst hier bleiben, habe ich Recht?" Die Verzweiflung ist seiner Stimme anzuhören. Mir fällt es schwer mit ihm darüber zu reden, folglich auch ihm dabei in die Augen zu sehen. Die Punkte des gefleckten Linoleumbodens scheinen nun meine gesamte Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen. Geduldig wartet er auf meine Antwort.
„Wir wissen noch nicht, wie es ihr gesundheitlich geht. Sie ist gerade erst aufgewacht, es wird sicher noch ein bis zwei Wochen dauern, bis sie das Krankenhaus verlassen kann und vorher kann ich keine Entscheidung treffen. Aber du hast Recht, ich habe mich endgültig entschieden und weder meine Mum, noch sonst wer, kann mich vom Gegenteil überzeugen."
Ich klinge wie eine Revolutionärin, doch die kämpferisch vorgetragenen Worte erreichen mich nicht.
Solange ich den Boden betrachte bleiben meine Augen trocken. Sieh einfach nicht nach oben Marie. Doch ich möchte ihn sehen, möchte die bernsteinfarben Iriden sehen, die mich jedes Mal zu verschlingen drohen. Unser Blick trifft sich und ich erkenne das Verständnis in Seinem. Diese Erkenntnis nimmt eine Teillast von meinen Schultern. Er versteht, dass ich ihn nicht verlassen möchte, es aber tun muss, sollte es die Krankheit meiner Großmutter nicht anders zulassen.
Er legt mir seinen großen Arm um die Schulter. Ich rücke näher zu ihm und werde mit einem Kuss auf die Stirn empfangen. Sollte ich diesen tollen Mann verlassen müssen, werde ich mich nicht mehr davon erholen.
„Hör auf dir Sorgen zu machen, Marie. Ich werde alles klären, wie ich es versprochen habe." Ich nicke und lehne mich an seine Brust.
***
Nachdem Krankenhaus sind wir zurück zum Hotel aufgebrochen. Alexander und ich haben uns wieder zum Schlafen hingelegt, doch als ich jetzt aufwache ist er nicht mehr da. Ich strecke mich einmal, bevor ich aufstehe um nach ihm zu suchen.
Ich finde ihn zwar nicht im Hauptzimmer der Suite, jedoch höre ich seine Stimme aus dem Arbeitszimmer. Scheinbar telefoniert er mit seinem Büro in New York. Im Stress um meine Granny habe ich total vergessen, dass seine Geschäfte weiterlaufen müssen. Er hat sich einfach Zeit gestohlen, um mit mir nach Deutschland fliegen zu können.
Die Arbeitszimmertüre steht einen Spalt offen, durch den ich ihn beobachten kann. Er sitzt am Schreibtisch, hat seinen Laptop und seine Unterlagen auf der Tischplatte liegen und sein Handy am Ohr. Als er mich, gegen den Türrahmen gelehnt, entdeckt, beendet er kurzer Hand sein Telefonat.
„Wie geht es Dir?", frägt er mich fürsorglich.
„Gut. Wer war das?"
„Mein Prokurist aus New York, der mir anhand neuester Prognosen aufzeigen möchte, wie schädlich mein Fernbleiben ist. Nichts Wichtiges", erklärt er schulterzuckend, doch ich kann die Sorge in seinen Augen sehen.
Ich gehe auf ihn zu und setze mich auf seinen Schoss.
„Du darfst wegen meiner Probleme nicht deine Geschäfte vernachlässigen. Wenn du nach New York zurück musst, dann ist das in Ord-„, doch er unterbricht mich.
„Ich bleibe hier bei dir. Ich habe versprochen bei dir zu bleiben und eine Lösung zu finden. Wir wollten schon letztes Jahr eine Geschäftsstelle in Deutschland eröffnen. Das könnte meine Chance sein."
Ich kann nicht antworten, mir bleibt nur der Mund offen stehen. Schlägt er mir gerade wirklich das vor, was ich befürchte? Er würde, wenn nötig, nach Deutschland ziehen? Ich schüttle den Kopf. Das kann er nicht tun. Wenn er hier nicht glücklich wird, dann bin ich schuld. Wenn seine Geschäfte nicht mehr so gut laufen wie zuvor, ist es ebenfalls meine Schuld. Ich würde es mir selbst nie vergeben können.
„Du hast mich richtig verstanden Marie. Solltest Du hier bleiben wollen, dann werde ich alles daran setzen mit dir zu kommen. Ich habe mein Leben lang auf eine Frau wie dich gewartet. Jemand der nicht verängstigt vor mit mir mitläuft, sondern mir Kontra gibt. Jemand mit Rückgrat. Und dann finde ich dich und du bist noch viel besser, als all die Traumfrauen die ich mir hätte erträumen können."
Ich kann nicht an mich halten und presse meine Lippen auf seinen Mund. Dieser Mann ist nicht nur das Geschenk Gottes an die Frauenwelt, er ist ein direktes Geschenk an mich. Völlig hinfällig, ob ich es möchte oder verdiene.
„Danke", flüstere ich, bevor sein Handy erneut klingelt und nach seiner Aufmerksamkeit verlangt.
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