Kapitel 6 : Die Regeln
"Sind das alle?"
"Ja, Sir."
"Sehr gut! Setzt euch."
Wir tun was der Mann sagt und setzen uns auf die klapprigen, alten Stühle, welche sich in dem Raum befinden. Vor uns ist ein Tisch aufgestellt und eine Tafel befindet sich dahinter auf der Regeln mit Kreide geschrieben wurde. Bekommen wir jetzt eine Privatstunde über die Regeln oder was?
Der Raum ist heller, als der von gestern, in dem wir den Vertrag unterschrieben haben. Man hat von hier oben sogar einen ganz guten Überblick über das Gelände.
Der Mann setzt sich vor uns auf den Tisch und guckt uns an. „Nun, ich werde euch die Regeln und alles wichtige über Mountry erzählen. Ihr müsst sehr genau zuhören, denn ich werde mich nicht wiederholen und ihr werdet am Ende sehen, was passiert, wenn ihr die Regeln vergesst , und sie somit bricht." Seine Stimme klingt freundlicher, im Gegensatz zu den anderen Männern, aber sie wirkt immer noch einschüchternd. Er trägt außerdem hier drin keine Mütze und hat auch nur zwei Abzeichen. Ich fühle mich bei ihm etwas entspannter, als bei den anderen.
Der Offiziersmann geht um den Tisch und stellt sich vor die Tafel. „Die Regeln!", beginnt er wieder, „Es gibt vieles, was ihr beachten müsst. Zuerst einmal sind wir ja hier in Sektor 6 und somit wisst ihr über eure Aufgaben bescheid und deshalb-"
Unwissend guckender sieben uns alle verwirrt an und man hört Alina, Lucy und Dennis leise reden. Ich gucke die drei fragend an, doch sie zucken nur die Schultern.
"Was ist hier los?", fragt der Mann nun mit etwas strengerer Stimmt.
"Verzeihung Herr..."
"Woodler"
"...Woodler, aber wir haben keinerlei Anweisungen bekommen. Wir wissen nicht, weshalb wir hier sind, was wir hier machen sollen oder was überhaupt Sektoren sind, geschweige von den Aufgaben, die Sie gerade erwähnt haben.", weißt Jennifer ihn in einem ruhigen Ton drauf hin. Sie findet immer die richtigen Worte. Ich könnte nie so formell sprechen, wie sie.
„Ihr wisst wirklich gar nichts?", fragt Herr Woodler verwirrt und zieht eine Augenbraue nach oben. Wir schütteln alle unseren Kopf. Er schnauft einmal durch, bis er sein angeschriebenes Wort wegwischt.
„Nun gut. Dann fangen wir halt ganz von vorne an. Wisst ihr denn wie der Ort hier heißt?"
„Mountry, wenn ich Sir Hambols richtig verstanden habe.", antwortet Jennifer wieder. Man merkt ihr mal wieder sehr deutlich an, dass sie der Streber in der Klasse war.
„Sehr wohl! Verrätst du mir deinen Namen?"
„Jennifer."
„Ich mag deine Sprechweise, Jennifer. So wirst du hier weit kommen!" Er gibt ihr ein kleines Lächeln und schreibt Mountry an die Tafel. Trotz unserer Situation kann ich sehen, wie stolz Jennifer wegen diesem Kompliment ist. „Also wir befinden uns hier in Mountry, wo genau das ist darf ich allerdings nicht verraten. Das müsst ihr aber auch nicht wissen. Mountry ist aufgeteilt in 12 Sektoren. Ihr befindet euch in Sektor 6, was sehr großzügig von dem Maestro ist, denn normalerweise kommen Neulinge erst nach 11. Das ist sogar eher gesagt ein Experiment von unserem Maestro. Ihr solltet diese Chance sehr gut nutzen, allerdings wird besonders wegen dieser Chance auf euch geachtet. Deshalb, wie schon gesagt, gut aufpassen!"
„Wer ist der Maestro?", platze ich heraus. Zuerst ein Meister und jetzt auch noch ein Maestro dazu? Die wollen mich doch verarschen!
„Ihr habt noch nichts von ihm gehört?"
„Wir kennen nur den Meister.", antwortet Dennis und an seinem Gesichtsausdruck kann man die Erinnerung an gestern erkennen.
„Nun, der Maestro ist der Oberhaupt von Mountry. Niemand ist mächtiger und wichtiger als er. Der Meister ist sein Sohn, welcher unter dem Maestro steht. Das sind die beiden wichtigsten Personen in Mountry. Dazu gibt es noch wichtige Offiziersmänner, wie zum Beispiel Sir Hambols, aber der Maestro und der Meister sind die wichtigsten. Ihr solltet euch deshalb auf keinen Fall mit einem von den beiden anlegen!", spricht Herr Woodler in ernstem Ton und schreibt Maestro und Meister an die Tafel. Bei seinem letzten Satz musste ich ein bisschen schmunzeln, denn Alina hat sich schon schließlich mit dem Meister angelegt.
„Den Maestro werdet ihr nicht sehr oft zu Gesicht bekommen, denn für die Strafen ist der Meister zuständig. Wenn ihr den Maestro allerdings zu Gesicht bekommt müsst ihr folgendes tun; Ihr hockt euch vor ihm hin. Gesicht nach unten und Hände hinter eurem Rücken. Somit zeigt ihr euren Respekt und was passiert, wenn ihr dieses nicht tut, erfahrt ihr später. Beim Meister ist das etwas anders. Wenn der Meister so rumläuft und an euch vorbei geht oder sonstiges in der Art, dann verbeugt ihr euch ganz kurz und geht danach eurer Tätigkeit nach. Wenn der Meister aber eine Rede hält, oder direkt auf euch zu kommt, dann geht ihr ebenfalls auf die Knie, mit dem Gesicht nach unten, aber ihr legt eure Hände flach auf eure Oberschenkel. Verstanden?", äußert sich der Mann und wir nicken erneut, ohne einen Ton von uns zu geben.
Kurzerhand später steht sein Gesagtes schon an der Tafel.
„So," fährt er fort, "jetzt kommen wir zu den Sektoren. Es gibt insgesamt 12 Sektoren. Je höher die Zahlen, desto schlechter sind die Konditionen. Mit 6 seid ihr also im Mittelmaß. Es gibt auch sogennante gebündelte Sektoren. Ihr befindet euch in einem mit den Sektoren 4 und 5. Die Aufgabe von diesen 3 Sektoren sind Stoffe. Ihr beschäftigt euch also mit Kleidung und alles über dem Thema Stoffe."
Er schreibt die Wörter Sektoren 12, 4&5&6 und Stoffe an die Tafel.
"Habt ihr schon mal genäht oder ähnliches mit Stoffen gemacht?"
Ich schüttele meinen Kopf, sowie auch Alina, Cole, Dennis und Oliver, im Gegensatz zu Lucy und Jennifer, die eifrig nicken. "Wie kommt das?", erkundigt sich Herr Woodler bei den beiden. Wahrscheinlich kommt das hier nicht so oft vor, denn er ist sehr verwundert, dass welche von uns nähen können.
"Unsere Großeltern leben sehr ländlich und machen viele Ihrer Produkte selbst, sowie auch Kleidung. In den Ferien waren wir oft da und haben auch genäht.", erzählt Jennifer und Lucy bestätigt es mit einem nicken.
"Seid ihr Schwestern?", möchte Herr Woodler wissen.
"Nein, aber Cousinen", gibt Lucy bekannt.
"Ihr werdet trotzdem morgen alle in das Bearbeiten von Stoffen eingeweiht. Es gibt Abgabetermine und die müssen unbedingt eingehalten werden. Die Qualität sollte auch gut aussehen und die Stoffe sollten gut verarbeitet sein. Zu späte Abgabe oder nicht gut bearbeitete Stoffe werden bestraft. Habt ihr noch weitere Fragen zu eurem Sektor oder zu eurer Aufgabe?"
Ich hebe die Hand.
"Ja?"
„Woher bekommen wir die Stoffe?", erfrage ich.
„Ihr bekommt die Materialien von den weiteren Sektoren, sprich 7,8 oder 9.", erwidert er. Die haben das ganze hier ja wohl komplett durchgeplant, aber warum sind wir verdammt nochmal genau hier und warum sollen wir irgendwas mit Stoffen machen?
„Warum sollen wir was mit Stoffen machen und was passiert mit denen?", befrage ich ihn weiter- Meine wichtigste Frage wird er mir sowieso nicht beantworten, also taste ich mich mit denen erstmal heran. Irgendwas gefällt ihm nicht an meinen Fragen, denn er kneift seine Augen ein wenig zusammen und fokussiert sich komplett auf mich.
„Die Stoffe werden in Klamotten oder Ähnlichem umgearbeitet.", gibt er stumpf von sich wieder.
„Ja, das haben sie schon gesagt, aber das wollte ich gar nicht wissen, sondern-", löchere ich wieder nach, bis er mich unterbricht.
„Pass mal auf, du kannst hier nicht einfach mit irgendwelchen Fragen ankommen. Du - oder eher ihr - seid vielleicht noch neu und da drückt man das ein oder andere Mal ein Auge zu, aber dieses Privileg habt ihr nicht mehr. Lernt schonmal gefälligst euch zu benehmen und keine zickigen Fragen zu stellen. Erwartet als 6 nicht zu viel!", schießt Herr Woodler los und die gewisse Geborgenheit, die ich bei ihm gespürt habe, ist mit einem Mal verschwunden. Gibt es hier nur solche widerlichen Typen oder haben hier manche auch Anstand? Ich denke mal eher nicht, weil wer würde hier mit Anstand freiwllig Arbeiten, oder was auch immer die machen, wollen?
„Die Fragen, die ich Ihnen, oder mir generell stelle, sind doch wohl für unsere Situation hier angebracht. Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass wir hier einfach aufkreuzen und ohne irgendwelche Fragen oder Erklärungen alles machen, was sie von uns verlangen.Was denken Sie, wer-", ohne mich - mal wieder - aussprechen zu lassen, greift er nach meinen Arm, zieht mich hoch von meinem Stuhl und schaut mir direkt in die Augen.
„Was ist dein Name?", will er mit rauer, ernster Stimme wissen, sodass mir ein Schauder über den Rücken läuft. Mein Körper fängt vor Angst an zu zittern, aber ich versuche es zu unterdrücken.
„Madeline", murmle ich hervor.
Ein fieses Schmunzeln breitet sich auf seinen Lippen aus.
„So so, Madeline." Er geht mit seinen Lippen ganz nah an mein Ohr. Ich kann seinen Atem an meinem Hals spüren und ich erstarre, als er anfängt mit seiner immer noch rauen, aber diesmal leisen und sehr klaren Stimme, zu reden. „Du stehst nun auf der Liste also pass' gefälligst auf, was du hier tust und sagst! Du hast hier nichts zu sagen und wenn du deine Einstellung nicht änderst, dann würdest du dir wünschen nie auch nur ein Wort gesprochen zu haben."
Langsam lässt Herr Woodler meinen Arm los, guckt mir noch einmal in die Augen und gibt mir ein Zeichen, damit ich mich wieder setze. Ich setze mich hin und spüre wie mehrere Gefühle in mir immer aufsteigen. Angst, Traurigkeit, Wut, Zorn, Verwirrung...
Wie festgewurzelt bleibe ich sitzen und starre ins nichts. Ich bekomme kein Wort mehr von Herr Woodler mit, weil ich mich nur darauf konzentriere die Tränen in meinen Augen verschwinden zu lassen.
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