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⏳ VII - Levia ⏳

Die Flure des Theaters waren so gewaltig und weitläufig, dass Levia sich augenblicklich verloren fühlte. Grundsätzlich war ihr Orientierungssinn eigentlich nicht besonders schlecht, aber all der Prunk verpfropfte ihr die Atemwege und zwang ihren Blick auf die spiegelnden Fliesen, dämpfenden Teppiche und teuren Holzplatten.
Die schillernden Paradiesvögel, die in ihren auffallenden Gewändern die Würdevolleren, Gedeckteren zu übertönen suchten, jagten stechende Schmerzwellen durch ihren Kopf... doch Horlans Gestalt vor ihr hielt sie an der Wirklichkeit fest.
"Ich habe Ihren Artikel gelesen", setzte er nach einigen stillen Minuten an. Sofort zog Levia die Schultern hoch. Die Reue über diesen Text saß zu tief. Ihre von Damien beeinträchtigte Gefühlssituation brannte beim Lesen geradezu in den Augen.
"Es scheint, Sie haben nicht besonders viele gute Eindrücke erhalten, richtig?"
Nur der amüsierte Tonfall hielt sie noch davon ab, sich wimmernd zu einer kleinen Kugel zusammenzukrümmen. Sie war so dumm gewesen. Natürlich- sie war Journalistin, sie sollte sogar spitzzüngig sein, aber es gab eben die einen Prominenten und die anderen.
Bei einem Typus 27 musste man vorsichtig sein.

"Es ist mein Beruf, immer alles und jeden zu kritisieren. Und außerdem habe ich nie gelogen." Sie hatte das Bild deutlich vor Augen- ihr Bewusstsein, das sich langsam aufrichtete und auf Konfrontation ging.
Er quittierte die erbärmliche Entschuldigung mit einem leisen Lachen und verlangsamte die Schritte so weit, bis er neben ihr gehen konnte. Ihre Füße sandten gleichzeitig gedämpfte Pochlaute über den Boden.
"Nun, Zeitmangel als Verschwiegenheit zu interpretieren, scheint mir doch etwas weit hergeholt..."
"Als wären Sie offener gewesen, wenn Sie mehr Zeit zur Verfügung gehabt hätten", murmelte Levia beschämt und wandte den Blick ab.
"Das habe ich nicht gesagt", widersprach er vehement und schickte rasch ein Lächeln hinterher in dem Versuch, die Schärfe seiner Worte zu mildern. Doch, natürlich hast du das gesagt, pulsierte es hinter ihren Augen, genau das hast du-
"Dann können Sie es mir also jetzt erklären?" Hinter ihrem Rücken verwoben sich ihre Finger.

"Bedaure... aber jetzt will ich gerade nicht darüber sprechen." Die frechen Worte bissen sich mit seinem eleganten Aussehen, und in Levia stieg der kopflose Wunsch auf, ihn ins Gesicht zu schlagen- Handkante, heftig, fassungsloser Gesichtsausdruck. Erst der Überraschungseffekt kitzelte aus Menschen ihr wahres Gesicht heraus... wiederum etwas, das sie ihr Beruf gelehrt hatte.
Fingernägel gruben sich in Handflächen. Reiß dich zusammen, verdammt.
"Wieso wusste ich das jetzt", schob sie süßlich hinterher.
"Weil Sie unter der... oberflächlichen Oberfläche wahrscheinlich doch ein kluges Köpfchen sind." Horlan grinste süffisant, wandte sich plötzlich nach links in einen weiß getünchten Flur. Scurios wuselten geschäftsmäßig zwischen zahllosen weißen Türen umher, die sich an beiden Seiten aneinanderreihten.

Vorbereitungsräume. Von hier aus würden die Shows gestartet werden, die diesen Abend so besonders machen sollten.
Horlan steuerte die Nummer sieben an und drehte sich lächelnd zu Levia um. "Nehmen Sie mir das nicht übel. Ich muss jede Chance nutzen, um unausstehlich zu sein, weil ich mir das eigentlich nicht leisten kann."
"Das soll man jemandem nicht übel nehmen?" Sie zog pikiert die Augenbrauen hoch. Der höflichen Charmeur hatte sich in Windeseile als genau der eingebildete Schnösel erwiesen, den sie bis jetzt ausnahmslos bei allen Kunden kennengelernt hatte. Der Mann hatte eindeutig zu viel Geld und zu wenig zu tun.

"Hassen Sie mich jetzt?" Die Worte waren schlicht, aber treffend, und die Stimme, die sie formte, malte sie geradezu in die Luft. "Das würde mir außerordentlich leid tun, wissen Sie? Ich mochte Sie."
Hinter der geschminkten Stirn griffen die Zahnräder ineinander und setzten die gesamte Maschinerie klackernd in Bewegung. Er war nicht fair ihr gegenüber, aber das kannte sie. Niemals hatte sie eine gerechte Behandlung erfahren- von der Familie verhätschelt, von den Lehrern unterschätzt, von Isaac unterjocht. Der einzige, bei dem sie jemals so etwas wie Fairness erfahren hatte, war Damien gewesen, und auch das nur für ein paar kostbare Monate.
Vierzehn Monate, siebzehn Tage.
Still!
Und wenn sie dabei eins gelernt hatte, dann war es, dass man sich eine gerechte Behandlung genauso verdienen musste wie Respekt: indem man einfach man selbst war. Oder zumindest so tat als ob.

"Tja- ich mochte Sie auch." Sie ließ einen Moment lang einen desinteressierten Blick auf ihm ruhen, bevor sie scheinbar gelangweilt einige Scurios bei der Arbeit beobachtete.
Aus dem Augenwinkel konnte sie seinen entgleisten Gesichtsausdruck erkennen und musste ein Grinsen unterdrücken. Es war eine Masche, die eigentlich von Typus eins bis vierzig immer zog- den Gegenüber in Vergleich mit der Perfektion zu stellen und ihm zu zeigen, wie abgrundtief er verloren hatte. Zur Verstärkung heftete sie ihren Blick auf einen einzigen Scurio und folgte ihm mit den Augen... was ihr zugegeben nicht äußerst schwer fiel. Wie alle dieser Roboter war auch er wunderschön.
Horlan räusperte sich vernehmlich. Levia achtete kleinlich auf ihren verträumten Ausdruck, als sie sich wieder ihm zuwandte... unwillkürlich glich ihr Kopf sein Bild mit dem eines Scurio ab. Dieselbe makellose Haut, die gleichen ausdrucksstarken Augen, aber er war doch so viel lebendiger... trotz dieser Nase.

"Levia." Sie registrierte den verletzten Unterton mit Genugtuung. "Hm?"
"Tun Sie mir einen Gefallen, und seien Sie fair."
"Seinen Sie fair, dann reden wir weiter", platzte sie heraus und verschränkte wie ein gekränktes Kind die Arme unter der Brust.
Seine Antwort war nicht fair, aber überzeugend.
Er stieß die weiß lackierte Tür zu dem Raum auf. Augenblicklich schälten sich der Trotz und die Verärgerung wie altersschwache Rinde von ihrem Geist...
Auf einem Podest hinter einer Sicherheitstür aus Panzerglas ruhte der iQaster.

Fasziniert trat Levia näher an das stolz schimmernde Glas heran. Das Podest erstrahlte in dem reinen Licht einiger winziger LED-Lämpchen, die in das makellose Metall eingelassen waren. Ein kaum hörbarer Piepton surrte durch die Luft, bevor sich das Konstrukt träge in Bewegung setzte und in effektvoller Langsamkeit um die eigene Achse rotierte.

"Wollen Sie?" Horlan selbst befand sich so nahe vor der in schwarzen Kunststoff gerahmten Tür, dass sein Atem eigentlich seinen Schleier auf dem Glas hätte hinterlassen müssen.
Levias Kehle war wie ausgedörrt vor Faszination. Sie hungerte nach diesem Fortschritt, der nur Meter von ihr entfernt wartete. Selbst das Nicken verwehrte ihr ihr Körper. Sie klammerte sich kraftlos an ihr Umfeld, ihre Gedanken zwangen sich dazu, weiter zu verarbeiten, was ihre Sinne wahrnehmen... Doch alles, was sich in diesem Moment noch real anfühlte, war die perfekte, kühle Oberfläche unter ihren erstarrten Fingerspitzen und das kaum wahrnehmbare Vibrieren der Schutzanlage.

Sein leises Lachen klang in ihren Ohren und webte sich in die von aufgeregten Strömungen durchwachsene Szene.
"Kommen Sie schon. Ich bringe Sie näher ran." Erst seine Hand an ihrem Rücken wirbelte die Decke aus wilden Gedanken auf und zog sie zurück in die Realität.
Ein elfstelliger Code, gefolgt von einem Netzhautscan und einer ID-Kontrolle, ließ die Glastür geräuschlos mit den Wänden verschmelzen.
Im Inneren der durchsichtigen Kapsel war es um einiges kühler als draußen, doch Levia fröstelte noch nicht einmal. Ihr verklärter Blick war einzig und allen auf den iQaster geheftet, der sich noch immer unscheinbar um die eigene Achse drehte.

"Darf ich...?" Zögerlich reckte sie die Hand und schluckte trocken.
Horlan lächelte ihr ermutigend zu. "Bitte, machen Sie ruhig."

Haut.
Weiches, lebendiges Gewebe auf kühler, samtschwarzer Fläche. Pulsierende Hitze an temperaturlosem Kunststoff. Stauende, grenzenlose Bewunderung an ewig andauernder Ausdruckslosigkeit.
Körper an Maschine. Fingerspitzen an Apparatur.
Bodenlose Bewunderung flutete ihren Körper und tastete sich kribbelnd bis in ihre Zehenspitzen.

"Es ist... so unglaublich faszinierend." Die Worte streiften ihre Unterlippe nur als warmer Hauch, doch sie entlockten Horlan ein breites Lächeln. "Es freut mich, wenn ich Ihnen eine Freude machen konnte."
"Bitte, Mr. Horlan..." Levia grub die Zähne ein wenig in die Unterlippe. "Ich... weiß zum ersten Mal nicht,  ob es mir zusteht, aber ich möchte Sie bitten, mich zu duzen. Es..." Sie runzelte die Stirn. Typus siebenundzwanzig. "... macht mir ein wenig Angst, so von Ihnen angesprochen zu werden."
"Tatsächlich?" Seine Überraschung war echt, sie konnte sie auf ihrer Haut spüren wie kühlenden Regen. "Es lag niemals in meiner Absicht, Sie in irgendeiner Weise einzuschüchtern."
Levia fiel auf, dass er sie erneut mit Sie ansprach, aber sie machte sich keine falschen Hoffnungen. Es war ein Angebot gewesen; das Annehmen und Ablehnen oblag ihm allein.
Sie schenkte ihm ein kurzes, bitteres Lächeln, bevor sich ihr sehnsüchtiger Blick erneut wie von selbst auf den iQaster richtete.

"Levia?" Der Hauch einer Berührung an ihrer Schulter wie das junge Blatt einer Linde. "Ihnen macht es vielleicht Angst, überschätzt zu werden. Ich hingegen fürchte den Verlust meines Gesichts."
Die Verwirrung durchfuhr sie. Levia wandte sich zu ihm um, einen nervösen Ausdruck im Gesicht.
"Ich... weiß nicht, was-"
"Verabschieden Sie sich jetzt besser von unserem Meisterwerk hier. Ich muss..." Sein Gesicht hätte genauso gut das eines beliebigen anderen Menschen sein können, der Ausdruck war wie ausgewechselt. Ein entschuldigendes, schiefes Lächeln, gefolgt von einem bedauernden Blick auf sein Handgelenk, an dem es golden aufblitzte.
Golden?
Sie folgte seinen Augen zu seinem Arm. Um das Gelenk schlang sich ein breites, ledernes Band, das von einer antik anmutenden Schnalle zusammengehalten wurde und als Verzierung ein weißes kreisförmiges Plättchen trug. Unter der schützenden Glasschicht bedeckten es feine schwarze Striche und konzentrische Kreisornamente als Verzierungen. Zwei kurze, pfeilförmig geschliffene Metallstäbchen liefen in scheinbar zufälligem Winkel in der Kreismitte zusammen.
Eine... Uhr. Eine echte Uhr, klein genug, um sie am Handgelenk zu tragen, eingefasst von reinstem Gold... sie musste ein Vermögen wert sein.

"Ein schönes Stück, nicht wahr?"
Horlans Stimme malte den Stolz in die Luft. "Es gibt eigentlich so gut wie keine Menschen mehr, die fähig sind, solche Meisterwerke herzustellen. Vor Jahren hatte ich einmal das Glück, auf einen Mann zu treffen, der in Venedig noch vor dem Krieg diese Kunst erlernt hatte. Diese ist die einzige, die er seither angefertigt hat."
"Sie ist wirklich unglaublich." Levia war es schon fast unangenehm, wie heftig die Bewunderung und Sehnsucht in ihren Worten vibrierte. "Was ist aus diesem Meister geworden?"
"Oh..." Seine Augenbrauen wanderten ein Stück weit zusammen. "Er ist gestorben. Ausgesprochen schade um sei- um ihn und sein Talent."
"Hm."
Gedankenverloren inspizierte sie ihre Fingerspitzen. Sie kribbelten sacht, wie immer, wenn sie schreiben wollten- Worte fließen lassen, hassen, lieben.

"Wir... sollten langsam weg hier. Ich muss zu der Präsentation."
Sie schrak geistesgegenwärtig hoch und griff sich fahrig in ihr Haar. "Natürlich. Ich... freue mich, dass Sie mir das hier gezeigt haben."
Ihre Lippen formten Worte, die ihr Innenleben anfochten, doch zumindest dieses eine Mal siegte die Vernunft über den kindlichen Trotz.
Seine Augen malten erleichterte Spuren, die ihr den Weg aus dem Raum heraus wiesen. Nach der mystischen Düsternis des Vorbereitungsraumes brannte das makellose Weiß in ihren Augen.

Sie sprachen kein Wort, bis die geschmückten Menschenleiber erneut einen schützenden Ring um sie schlossen, keinen noch so kleinen Laut, bis sich die eisigen Augen der Russin an DeClaires Seite wieder in die ihren bohrten. Da waren Meter zwischen ihnen, ganz zu schweigen von Fettmassen und viellägigen Tüllschichten, und sie wandte ihr den schmalen Rücken zu, doch die platinblonden Wellen fielen ihr nach vorn über die Brust und ihr zierliches Kinn zeigte genau in Levias Richtung. Neben ihren funkelnden Juwelen und dem eiskalten Blau ihres hautengen Kleides fror Levias Selbstwertgefühl zu einem winzigen Klumpen zusammen.

Der Moment zersplitterte die Ewigkeit wie die dünnste Eisschicht auf einem Herbstsee. Dann waren die hypnotischen Augen wieder auf das andere Saalende gerichtet und die weißen Wellen flossen über den atemberaubenden Rückenausschnitt bis hin zu Taille.
"Levia?"
"Hm..."
"Somnus und ich müssen zu der Präsentation. Ich hoffe, Sie warten inzwischen mit Miss Agnikow, damit wir uns später noch unterhalten können."
Auf einen Schlag wären Levia hunderte von Dingen eingefallen,die ihr lieber gewesen wären, als sich in der Anwesenheit dieser beängstigenden Augen aufzuhalten, doch dann schloss sich Horlans Hand zm die ihre und presste sie so heftig zusammen, dass ihr ein unfreiwilliger kleiner Kiekser entwich. "Levia, ich muss mit Ihnen sprechen. Bitte."
Die plötzliche Situation ließ sie zusammenzucken, kurz bäumte sich Angst in ihren Blutbahnen auf, griff mit roten Fingern nach ihren Gedanken-
Entsetzt stolperte sie zwei Schritte zurück und massierte die leuchtend rote Handfläche. Einen Moment lang war sie zu aufgewühlt, um zu reagieren, und dies nutzte er dazu, sie mit scheinbarer Gleichgültigkeit stehen zu lassen.

Anastasias Hand war noch kälter als ihr Ausdruck. "Levia Elizabeth Pernal." Sie nickte leicht. "Laufen Sie nicht weg. Es ist erbärmlich, wie sich Ihre Seele in Ihrem Gesicht widerspiegelt."
Levias Atem stolperte ungeschickt über den Abgrund. "Ich..."
Anastasia seufzte trocken. "Ich hätte Aidan einen besseren Geschmack zugetraut. Eine Journalistin, du meine Güte."
"Das Talent seines Vaters offenbar", gab Levia in einem plötzlichen Anfall von Leichtsinn und Kränkung zurück.
Die Worte veranlassten die eindrucksvolle Frau zu einem hellen, wenn auch mit spöttischem Unterton unterlegten Lachen. Die hochgezogenen Mundwinkel schnitten erbarmungslos Fältchen in die makellos ebenen Wangen, deren weiche Krümmungen einen heftigen Kontrast zu ihrer eisigen Aura bildeten...
Das Lachen stand Anastasia Agnikow. Es machte aus ihr einen Menschen.

"Eine spitze Zunge hat schon so maches Herz gereizt, natürlich... dagegen kommt die kühle Überlegung nicht an. Dabei ist es so unendlich dumm, nicht nachzudenken, nicht wahr?" Ihre Finger stahlen sich auf eine Silberplatte und umfingen eine kunstvoll geformte Schokoladenpraline, die ihre schneeweiße Erscheinung nur noch stärker hervorhieb. "Jetzt zum Beispiel... ich könnte dieses herrliche kleine Ding einfach essen, nicht wahr? Die Versuchung... Verzückung... zumal es meine Lieblingssorte ist." Versonnen musterte sie die aufwendige Süßigkeit. "Aber... ich bin nicht dumm genug dazu. Schließlich wissen zu viele von dieser Schwäche. Täglich gerate ich noch in Misstrauen, und ich kann nicht bestreiten, dass diese Paranoia mich schon einiges gekostet hat. Menschen. Aber dann ist da doch das Leben, so hell und klar, so voll von Wünschen..."
Sie schenkte Levia ein rätselhaftes Lächeln, bevor sie die Hand nach ihr ausstreckte und die Praline darbot.

Die Verwirrung brannte sich spürbar in ihre Gesichtszüge. Unter der aufgewühlten Oberfläche spulten sich  sich fieberhaft Gedanken ab. Typus... neunzehn, dreiundzwanzig oder einunddreißig.
Sie hätte auf jeden reagieren können, aber... diese Unwissenheit würde sie hierbei nur behindern.
Was noch? Was hatte sie gelernt... konnte sie...
Bauchgefühl.
"Nun, ich... mag kein Marzipan", presste sie schließlich hervor, trug die Unsicherheit wie Farbe auf den Lippen.
"Wirklich?" Anastasia verharrte wie eingefroren in ihrer Haltung. "Sind Sie sich... sicher, dass Sie Marzipan nicht mögen?"
Typus dreiundzwanzig. Eindeutig.
Und schon griffen die Rädchen wieder, der Plan entfaltete sich vor ihrem inneren Auge und leitete ihre Bewegungen und Worte.
"Jemand hat mir einmal gesagt, dass ich nachdenken sollte. Nein- ich mag tatsächlich kein Marzipan."
"Nun denn..." Ihr Gegenüber zog mit einer fließenden Bewegung den Arm zurück und reichte einem kleinen, nervös umherspähenden Jungen die Praline. In ihrem Schatten war er beinahe unsichtbar gewesen, trug jedoch ein sauberes Gewand und ordentliche Schuhe. Dunkle Rehaugen hingen an der Schokolade wie an einem tödlichen Tier, auf dessen nächste Bewegung man lauert.

"Iss das, Fah."
Dünne Finger griffen zitternd nach der Süßigkeit, führten sie an unschuldige, blasse Kinderlippen. Der Junge biss ein Stückchen ab. Ein wohliger Schauder überlief seine schmale Gestalt, bevor er heftig nickte.
"Gut? Danke, Fah."
Ihr- wenn auch kaltes- Lächeln ließ den Kleinen aufblühen, während sich Anastasia eine weitere Praline griff, erneut eine von weiter draußen.
"Es ist sicherer", erklärte sie geistesgegenwärtig, "einen Vorkoster zu haben."
Ein... Kind?
Mit Abscheu starrte Levia in das porzellanartige Gesicht. Kinder. Diese Frau war ein Monster.
"Fah ist äußerst sensibel", klärte sie auf. "Auch Gifte, die auf Langzeit wirken, treten bei ihm sofort ihren Wirkungsprozess an. Er gewährt mir die höchste Sicherheit, die ich haben kann."
"Was... sind Sie?", stieß Levia wütend hervor und krallte die Finger in die blütenartigen Verzierungen um ihre Taille. Die Loyalität gegenüber diesem wehrlosen Kleinen brandete mit einer Vehemenz auf, die sie nicht für möglich gehalten hätte.

Anastasias Eisaugen gruben sich in ihre Gedanken. "Dumm", wisperte sie fast geräuschlos, "so dumm."
Sie kehrte Levia den Rücken zu und bahnte sich mit nichts als ihrer bloßen Präsenz einen Weg durch die Menschenmassen. Levia mühte sich verzweifelt ab, die schmale Lücke hinter ihr zu nutzen, bevor die Personen wieder zusammenwogten.
"Somnus und Aiden müssen ihren Vortrag beinahe beendet haben. Vielleicht nimmt sich Aidan ja noch einen Moment Zeit für Sie."

Doch Levia achtete nicht weiter auf ihre klirrende Stimme. Ein paar Meter weiter hatte sie zwei Männer erspäht, die ihr nur zu bekannt vorkamen.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen- das war wiederum ein Zug an ihm, der eindeutig zu oft ans Licht kam-, wandte Damien den Kopf in ihre Richtung und nickte knapp... bis er Anastasias atemberaubende Erscheinung erspähte. Seine Augen weiteten sich, während seine Lippen Eiskönigin formten.
Levia runzelte die Stirn. Eis...?
Russland. U-Boot.
Nein! Doch nicht diese Agnikow...
Ihre Geschichte spulte sich in ihrem Kopf ab, ohne lang nach Erlaubnis zu fragen.

Das Agnikow-Unternehmen, zweitgrößter Waffenexporthandel von Russland, spezialisiert auf die  'unauffällige' Kriegsführung. U-Boote, Biowaffen, Spezialrüstungen.
Vladimir Agnikow.
Natürlich.
Diese Frau war die Erbin eines Unternehmens, das Jahr für Jahr Milliarden an Reinerlös einnahm.
Was machte jemand wie sie in London?

Langsam drang eine vertraute Stimmfarbe zu Levia durch, die mehr und mehr an Lautstärke zunahm.
"...Haben wir es verdient, dass unsere ohnehin schon so begrenzte Zeit dadurch noch weiter zusammenschrumpft? Haben wir es verdient, dass wir sterben, ohne so viele Dinge erlebt zu haben, weil wir zu viel geschlafen haben?"
Die beiden standen auf einem Podest, zwischen sich den iQaster. Horlan leuchtete in der Bewunderung der Anwesenden golden, als er lachend die Arme ausbreitete und glücklich den Kopf zurückwarf.
"Und hier haben wir begonnen."
Der Neid füllte Levia bis zum Hals. Seine Worte, die Haltung, die Körpersprache waren perfekt der Zielgruppe angepasst.
"Sie haben es doch verdient, Ihr Leben auszukosten! Mrs Curdy, auf die Bühne bitte... oh nein, keinen Widerspruch!"
Die diesjährige Gastgeberin der SciGala stieg mit leicht geröteten Wangen auf das Podest- eine untersetzte, kleine Frau in einer blasslila Tüllwolke.

Der Vortrag endete in einem ohrenbetäubenden Applaus. Das Publikum zeigte sich-  wie erwartet-  restlos begeistert, und bis Horlan sich zu den beiden durchgedrängt hatte, war fast eine ganze Stunde vergangen.
"Levia!" Seine Augen strahlten in dem fiebrigen Ruhm der Bewunderung.
"Sie waren großartig", versicherte sie und spürte das Lächeln auf ihren Lippen.
"Sehr gut, Aidan." Anastasia streifte in einer fedrigen Bewegung seine Wange mit ihren Fingern, bevor sie sich abwandte, um nach DeClaire Ausschau zu halten.

Horlan entschlüpfte ein stolzes Lächeln, bevor er seinen Blick wieder auf Levia richtete und sich die sympatischen Kräuselungen aus seinem Gesicht lösten. Sein Blick nahm dieselbe verzweifelte Eindringlichkeit an wie schon zuvor, und Levias Finger schlangen sich unwillkürlich um ihr Handgelenk. Taube Schwaden krochen gespenstisch um ihr Herz.
"Ich muss-" Seine Hand zuckte geistesgegenwärtig, krampfte sich dann aber wieder in sein Jackett. Das aufgeregte Gelächter und die lebhaften Diskussionen rundum veranlassten in einem goldenen Licht, während sie beide wie von einer unsichtbaren Lichtbrechung gefangen gehalten wurden.
"-mit Ihnen reden. Levia. Was hält Sie noch hier?"
Die Verwirrung stieg in ihr auf, doch leuchtend grüne Augen flüsterten ihr das jetzt zu.
"N-nicht diese falschen, bemalten Gesichter", wisperte sie und spürte das Lächeln auf ihren Lippen.

Und als er sich umwandte und sich zwischen den Hitze ausstrahlenden Leibern seinen Weg in die Nacht suchte, fiel es ihr nur zu leicht, das Mikrofon in ihrem Ohr auf Off zu stellen und ihm zu folgen.

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