⏳ II - Levia ⏳
Der Scurio führte Levia direkt auf den verglasten Palast zu. Die Verkleidung, die dem Betrachter eigentlich wie eine Zusammensetzung aus ganz normalen, rechteckigen Scheiben erschien, war ab dem ersten Stock auf eine beinahe unbemerkbare, dafür aber sehr wirksame Weise getönt, und das machte Levia nervös.
Das mulmige Gefühl verstärkte sich immer mehr, und obwohl die kühle Hand des Scurio eine ungemein beruhigende Wirkung auf sie ausübte, merkte sie, wie eine unruhige Hitze durch ihren Bauch kroch.
"Findet... findet das Interview in diesem Gebäudekomplex statt?" Ihre Stimme quälte sich unangenehm durch ihre trockene Kehle, aber der Scurio war nicht dafür programmiert worden, auf solche menschliche Regungen einzugehen.
Dafür erwiderte er ohne Zögern: "Ja, Miss. Ich geleite sie zum Empfangsschalter."
Sie nahm seine Antwort mit einem äußerlich kühlen Lächeln zur Kenntnis. Doch das ungute, brennende Gefühl blieb bestehen und begleitete ihre mit einem Mal unsicheren Schritte bis zu dem beeindruckenden Eingang.
Dort löste ihn das ungläubige Staunen ab.
Die Öffnung im Glas, das die Tür formte, war ein architektonisches Meisterwerk. Zu ihr hin verdünnten sich die zuvor zentimeterdicken Glaswände, bis sie nicht mehr breiter als ein Haar erschienen. Auf der rasiermesserscharfen Kante schillerten die unglaublichsten Farbtöne- eine atemberaubende Collage aus Grau und Rosa: stählernes Silber und Flieder, Mondscheinleuchten und Sonnenuntergangsmalerei, Blaugrau und Rosé.
Und das alles ohne irgendeinen Stahl- oder Eisenträger, der die gewagte Konstruktion zu stützen vermocht hätte.
Hunderte schwarz gekleidete Männer in Anzügen und Frauen in gleichfarbigen Zweiteilern reihten sich in fünf verschiedene ordentliche Schlangen ein, um sich vorne am Schalter mit einem Tropfen Blut zu identifizieren und ihren Chip einzuscannen.
Fasziniert beobachtete sie eine platinblonde junge Frau mit Katzenaugen, die ihren Finger auf eine winzige Vorrichtung legte. Sie zuckte noch nicht einmal zusammen, als auf Druck ein Mechanismus ausgelöst wurde, der ihr eine kleine Nadel in die Kuppe presste.
"Ist das auch für... für Besucher?"
Könnte dieses Exemplar verwirrt aussehen, dann wäre jetzt genau dieser Ausdruck auf dem ebenmäßigen Gesicht des Scurios zu finden gewesen.
"Bitte, Miss?"
Die Trockenheit wuchs bis hinauf in ihren Rachenraum. "Das mit dem... Blut."
"Jeder muss sich ausweisen, sobald er den Gebäudekomplex betritt. Dies ist eine Maßnahme, die vor allem für die Sicherheit der Anwesenden bedeutend ist."
"N-natürlich."
Und obwohl sie sich selbst dafür verachtete, starrte sie betreten auf ihre Füße.
Verhält sich so eine Journalistin am Arbeitsplatz? Was ist nur los mit mir?
Der Scurio dirigierte Levia sanft nach links zu einer bedeutend kürzeren Menschenreihe. Vor ihr überließen nacheinander zwei junge Frauen, ein ältlicher Mann mit schlohweißem Haar und ein groß gewachsener Bärtiger einen winzigen Tropfen ihres Lebenssaftes der Firma.
Einen Moment lang konnte Levia eine riesige Blutbank vor sich sehen- Reihe um Reihe metallischer Regale, meilenweit, gefüllt mit winzigen Röhrchen aus Kristall, die jeweils einen einzigen wertvollen Tropfen umhüllten...
Die Illusion verschwand so rasch, wie sie gekommen war.
Der Scurio hinter dem Schalter war in seiner Perfektion ein komplettes Abbild desjenigen, der Levia hierher begleitet hatte; dennoch konnte sie auf den zweiten Blick einige persönliche Merkmale herausfiltern- sein Haar war einen Tick dunkler, die Augen schmaler und bräunlicher, die Züge etwas weicher.
"Ihren rechten Zeigefinger bitte, Miss Pernal", wies er sie höflich an. Levia unterdrückte ein Zittern, bevor sie zu einer kläglichen Erwiderung ansetzte. "Muss ich das mit dem Blut machen?"
"Jeder muss sich ausweisen, sobald er den Gebäudekomplex betritt. Dies ist eine Maßnahme, die vor allem für die Sicherheit der Anwesenden bedeutend ist", wiederholte der Scurio geduldig die Worte, die Levia bereits von dem anderen zur Antwort erhalten hatte.
Etwas verkrampfte sich in ihrer Brust, als sie zögerlich ihren rechten Arm anhob und mit dem anderen ihre Aktentasche an die Brust presste. "Ist die Fläche desinfiziert?", stieß sie als letzten Ausweg hervor- "Jeder Chip erhält eine eigene Platte und Nadel, die nach dem Gebrauch sofort gereinigt werden", antwortete der Scurio in seinem monoton freundlichen Tonfall.
Vorbei.
Tu es.
Mit zusammengekniffenen Augen presste Levia den Finger in die graue Schale. Sie spürte noch nicht einmal, wie die Nadel durch ihre Haut drang, geschweige denn, wie die Einstichstelle augenblicklich mit einer klebrigen Substanz wieder verschlossen wurde, trotzdem bildete sie sich ein, den metallenen Geschmack bereits auf der Zunge zu schmecken-
Sie riss den Finger mit einem Ruck zurück und verbarg ihn hastig mit der anderen Hand. Der Eindruck, dass die beiden Scurios amüsierte Blicke tauschten, verstärkte sich zunehmends... aber sie konnten solche Gefühle nicht zeigen. Keine einfachen Sicherheitsroboter.
Und trotzdem.
Erst nach ein paar Minuten schreckte sie aus ihrer Trance hoch, als sich hinter ihr jemand laut vernehmlich räusperte. Augenblicklich streifte ein Hauch von Rot ihre Wangen. Die letzten Reste des Zweifels verdeckten ihre Gedanken noch wie ein trüber Schleier, doch sie war in der Lage, sich weit genug zu fassen, um sich wieder an den Scurio wenden zu können.
"Ich soll nach Mr. Castell fragen. Ich bereite mich mit ihm auf das Interwiev mit Mr. DeClaire vor", teilte sie ihm stockend mit.
In Gegenwart der Roboter eine möglichst einfache Sprache zu verwenden, gehörte inzwischen schon fast zum guten Ton.
"Wenn Sie dafür unserem Mitarbeiter bitte folgen möchten", erwiderte der Scurio hinter dem Schalter gelassen und wünschte ihr mit einer ausholenden Handbewegung einen angenehmen Aufenthalt. Der in einen Anzug gehüllte Herr hinter ihr warf Levia noch einen mörderischen Blick zu, bevor er ihren Platz einnahm und sein Anliegen gestikulierend vorbrachte.
Die breiten Gänge, die direkt an einer beeindruckenden Fensterfront entlangführten, ließen das mulmige Gefühl langsam in Levias Magengegend zurückkehren. Was suchte jemand wie sie in so einem imposanten, riesigen Komplex, zwischen Erkenntnissen, die ihre Person weder zu erkennen, noch zu begreifen vermochte?
Alles hier war so viel größer als das, was sie sich erwartet hatte, so viel stärker, so viel mächtiger...
Verwundert registrierte sie ein leises Kribbeln in der Magengegend- die Aufregung, die sich unauffällig zwischen die Angstgefühle geschlichen hatte.
Es war... wie ein Abenteuer. Während Bilbo jenseits von bekannten Gefilden sein Glück gesucht hatte, während Harry seine Grenzen mehrfach überschritten und Alice auf ihre kindliche Art ganze Welten kennengelernt hatte, so war sie hier- ein winziges Wesen in einem gewaltigen Käfig aus Glas, den es zu erkunden galt.
Und der Käfig würde sie fliegen lassen.
Ein abstrakt geformter, ebenfalls gläserner Aufzug mit Silber- und Roséreflexionen beförderte Levia und den Scurio bis auf etwa zweihundert Meter über dem festen Boden.
Der Flur war hier schon fast zehn Meter breit und der Boden erschuf die perfekte Illusion eines schwachen Leuchtens in den Farben des Logos des Unternehmens. Dass hier in der Nähe der Konferenzsaal liegen musste, wäre Levia auch ohne die stetigen Informationen des Scurios klar gewesen.
Alles hier schien darauf gepolt, den Betrachter zu beeindrucken und einzuschüchtern: von der spiegelnden Decke, die aus neuen Winkeln immer wieder das charakteristische M aufblitzen ließ, über den ebenso gestalteten Boden bis hin zu den komplett durchsichtigen Wänden, die erkennen ließen, dass der Betrachter sich in geradezu abstruser Höhe auf nichts als einer gläsernen Brücke bewegte.
Levias Selbstwertgefühl schrumpfte auf ein mikroskopisch kleines Nichts zusammen. Die Höhe jagte ihr vielleicht keine Angst ein, aber was ihr sehr wohl leichte Kopfschmerzen verursachte, war die Tatsache, dass sie hier in kompletter Abhängigkeit von Morpheus den wirklich atemberaubenden Skywalk überschritt...
Aber dann erblickte sie das Portal am Ende des Flurs, und alle Emotionen bis auf das ehrfürchtige Staunen fielen von ihrer Seele ab wie nutzlose Nichtigkeiten.
Im Prinzip war es nur ein in den Flur eingepasstes Quadrat, auf dem das Morpheus-Logo in riesigen Ausmaßen prangte.
Doch die schlichte Größe der Abbildung erschlug Levia geradezu. Das schlafende Gesicht schien sie mit einer finalen Eindringlichkeit zu betrachten, und das riesige M lag schwer auf ihrer Brust...
Unwillkürlich war sie stehengeblieben, was der Scurio mit einem untypischen Lächeln registrierte. Anscheinend erlagen der eindrucksvollen Erscheinung des Tors öfters Menschen.
"Miss, ich bin sicher, Mr. Castell wartet bereits."
Die Stimme riss Levia aus ihrer Faszination, aber nach ihrer Fassung suchte sie vergebens. Sie war unglaublich beeindruckt.
Einer der Türfügel schwang leise nach innen auf, und sie betraten den Konferenzsaal.
Das symmetrische Logo war auch hier allgegenwärtig. Eine metergroße Version bildete eine Prägung auf dem sterilen, stahlgrauen Boden. Dunkle Sitzreihen und Podien zogen sich ringförmig über die eine Hälfte des Saales; die andere wurde von einer erhöhten Fläche mit einem auffällig geformten, wuchtigen Tisch beherrscht. Egal, wo man stand- der Blick wurde immer wieder von dem Rednerpult angezogen wie von einem Magneten.
Etwas abseits davon werkelte ein rundlicher, kleiner Mann in dunklem Jackett an einem Kamerastativ herum. Sein pausbäckiges Gesicht hatte eine deutlich rote Färbung.
Erfreute Erleichterung breitete sich darauf aus, als er hochsah.
"Oh, Sie sind ja schon da!" Er eilte zu den beiden hin und streckte die Hand aus. "Ich bin Rudolph Castell, sehr erfreut!"
"Levia Elizabeth Pernal", entgegnete Levia mit einem distanzierten Lächeln und ließ den Blick über die aufgebauten Kameras schweifen. Der erwartungsvolle Blick des Mannes hing spürbar an ihr, und erneut flutete Nervosität ihr Herz hinter der äußerlich kühlen Maske.
Vielleicht sollte sie sich doch mit Isaacs Stimmübungen befassen.
"Dann lasse ich Sie nun allein", warf der Scurio in den Raum. "Notfalls kommen Sie einfach zur Tür, ich werde draußen warten."
Eigentlich eine freundliche Geste, überlegte Levia, doch es gab auch kleinere Kameras als das Auge eines Scurios...
"Nun denn", rief sie und klatschte mit übermäßigem Tatendrang in die Hände, "dann zeigen Sie mir mal, wie das heute abläuft."
Zwanzig Minuten später hätte Levia einen maßstabgetreuen Plan des Saals erstellen können- Kamerapositionierungen eingeschlossen- und mit Pfeilen alle ihrer geplanten Bewegungen einzeichnen. Während Rudolph Castell nochmals hektisch seine Einstellungen durchging, rief Levia erneut ihr Hologramm auf- eigentlich reine Gewohnheit, um auf eventuelle Planänderungen vorbereitet zu sein.
Trotzdem war sie überrascht, eine Anrufbotschaft vorzufinden. Von... Isaac.
Zögernd ließ sie das Gerät die Botschaft abspielen- schon jetzt kroch die Unruhe über ihre Haut.
"Levia", keuchte Isaac, ein paar Schweißperlen auf der sonst so glanzlosen Stirn, "es gab eine kurzfristige Planänderung. Sie dürfen jetzt nicht durchdrehen, es handelt sich nicht um eine großartige Umstellung... aber entgegen unseres Wissens wurde gestern der vortragende Posten ausgetauscht. Anstatt des Unternehmensvorstehers Dr. Somnus DeClaire wird sein Adoptivsohn für ihn übernehmen, Dr. Aidan Morpheus Horlan."
Levia zog unbehaglich die Unterlippe zwischen die Zähne.
"Für Sie bedeutet das wirklich nicht viel Umstellung, aber dass wir jetzt von einem jüngeren Mann sprechen, erleichtert Ihnen die Situation. Soweit wir wissen, gilt Dr. Horlan als großzügiger und offener als Dr. DeClaire. Er dürfte an die drei Jahre älter sein als Sie, Sie müssten sich bestens verstehen..."
Er senkte verschwörerisch die Stimme.
"...und ein Jüngerer ist für die Reize einer Frau doch gleich viel anfälliger, nicht wahr? Hauptsache, Sie lassen sich nicht ablenken. Geben Sie sich Mühe, Levia, und vergessen Sie niemals unseren Grundsatz: bohren, bohren, boh-"
Sie würgte die Nachricht kurzerhand ab.
Dr. Horlan also.
In mehrfacher Hinsicht wirklich eine große Erleichterung- der Druck schien gleich viel unbedeutender, außerdem erleichterte es sie, nicht gleich dem reichsten Mann der Republik begegnen zu müssen. Andererseits hatte Sie wochenlang über Dr. DeClaire recherchiert, dabei das Thema Horlan aber nur leicht angeschnitten.
Während ihr DeClaires Vorlieben, seine Verhaltensweisen schon fast vertraut erschienen, so wusste sie über Horlan rein... nichts.
Und nun sollte sie ihm gleich gegenübertreten.
Auf DeClaires Art, mit Reportern umzugehen, hatte sie geistig bereits ihre Übergänge abgestimmt. Aber nun? Sie konnte doch nicht davon ausgehen, dass Horlan sich gleich verhalten würde-
Und dann schwangen die Flügel der Tür auf.
Hunderte Männer in waldgrünen Roben- ihres Zeichens Wissenschaftler und Ärzte- strömten in den Saal, plappernd und krakeelend. Sie füllten Sitzreihe um Sitzreihe mit ihren Leibern und Levias Kopf mit zunehmend anwachsender Verzweiflung.
Rudolph Castell zupfte unruhig an ihrem Ärmel. "Das werden Sie wohl trotzdem schaffen- nicht wahr?"
Levia schämte sich innig für den Moment, in dem sie krampfhaft um ihre Fassung rang.
"Natürlich, Mr. Castell. Ich werde einfach während des Vortrags sein Verhaltensmuster mit der Statistik abgleichen und darauf dann die Fragen abstimmen." Widerwillig schenkte sie ihm ein zuversichtliches Lächeln. "Wie Isaac schon sagte- eigentlich bedeutet es keine große Umstellung."
Ihr Magen protestierte heftig, aber sie drängte das Gefühl bestimmt in den Hintergrund, schickte Rudolph mit einer knappen Handbewegung auf seinen Posten und ließ sich elegant auf den dunklen Holzstuhl fallen.
Du schaffst das.
Aber eigentlich war es viel einfacher.
Sie musste es schaffen.
Die Minuten versanken in einem Strudel aus aufgeregten Stimmen, lauernden Emotionen und erwartungsvollen Blicken.
Und dann senkte sich angespannte Stille über den Saal.
Der junge Mann schritt nicht, er stolzierte nicht, er stakste nicht.
Er ging einfach.
Schmale Hosen, dunkelblaues Jackett, helles Shirt. Augenblicklich war Levia klar, was Isaac gemeint hatte- seine intensiv grünen Augen verstrahlten eine helle Offenherzigkeit, ohne dabei seine Autorität auch nur im mindesten zu schmälern. Wo immer er an den raunenden Männern vorbeikam, verstummten die Gespräche.
Unter seinem Arm schwang ein ledernes Klemmbrett, seine Haut schien Levia relativ blass zu sein, was durch die tiefbraunen Haare und die scharf geschnittenen Gesichtszüge noch deutlicher wurde.
Mir leichten Schritten betrat er das Podium, ließ das Klemmbrett auf den Tisch fallen und stützte sich einen Moment lang mit konzentrierter Miene auf der Platte auf.
Endlose Stille.
Castells Kamera klickte leise.
Aidan Morpheus Horlan richtete sich aus seiner gekrümmten Position auf, Wirbel für Wirbel, provozierend langsam. Hunderte Augenpaare hingen sensationslüstern an seiner groß gewachsenen Gestalt.
Die sagenhaften grünen Iriden richteten sich einen atemlosen Moment lang auf Levia, die einzige Frau im gesamten Saal, bevor sie weiter über die aufgewühlten Zuschauer wanderten.
"Heute", flüsterte er effektvoll, "heute sollen Sie Informationen über etwas erhalten, das ich, wäre ich gläubig, als göttliches Wunder bezeichnen würde.
Nun... ich bin nicht gläubig, ich bin wissend. Ich weiß um die Macht der Wissenschaft, die mir die Natur in so grenzenlosen Umfängen angetraut hat. Ich liebe sie, sie liebt mich... und aus dieser Verbindung ist Großes entstanden."
Einen Moment lang kehrte er der versammelten Gesellschaft den Rücken zu, die weißen Hände nachlässig ineinander verflochten.
"Wirklich Großartiges."
Levia nahm ihm jedes Wort ab.
Er wandte sich wieder seinem Publikum zu und musterte einen Moment lang ruhig seine Fingernägel, bevor er den Blick erneut anhob.
Levia wurde mit einem Mal klar, dass er sie in der Hand hatte. Sie alle. Aber sie versuchte noch nicht einmal, sich zu wehren.
Es war gut so.
"Sie sind heute hier, um in etwas eingeweiht zu werden, das unser Leben nachhaltig verändern wird.
Es gibt so unglaublich viel, worüber die herausragende Spezies des Menschen inzwischen steht, was sie erschaffen und gezähmt hat.
Die Elektrizität- etwas, worüber man vor wenigen hundert Jahren noch nicht einmal Bescheid wusste- ordnet sich heutzutage von der winzigsten Spannung bis zum gewaltigsten Blitz uns unter. Die Schwerkraft, eine scheinbar unüberwindbare, unsichtbare Macht, hat in unseren Freiluftpärken, in Flugzeugen und Hovern ihre Bezwinger gefunden. Mit gedankenübertragenden Mitteln haben wir jegliche physischen Grenzen überschritten, mit dem Internet eine Parallelwelt erschaffen, in der unsereins sich frei bewegen kann.
Und wir haben eine weitere Grenzmauer zerstört.
Morpheus hat eine weitere Grenzmauer niedergerissen."
Sich träge im Fluss seiner großartigen Worte mittreiben zu lassen, schien Levia mit einem Mal zu verlockend. Der Mann wusste Bescheid über das, was er sagte- sie wollte ihm nur noch zuhören, in alle Ewigkeit, ohne Zweifel oder Kritik...
Nur widerwillig riss sie sich zusammen. Sie hatte den ersten Eindruck verarbeitet und setzte geistesgegenwärtig einige Worte auf das holografische Papier, das über ihrem Arm schwebte.
Dr. Aidan Morpheus Horlan
-offen... selbstverliebt?
-Anspielung auf persönliche Leistungen
-hört sich gern reden
-vergleichsweise unerfahren im Zweiergespräch?
-in die Mangel nehmen
"In die Gefilde jenseits der Mauer werden wir uns heute zusammen vorwagen und Dinge entdecken, von denen wir nie zu träumen gewagt hätten. Sind Sie bereit dafür?"
Das bejahende Gemurmel blieb aus. Mit glasigen Augen klebten die Zuhörer Horlan an den Lippen.
Er quittierte den zweifellos belustigenden Anblick mit einem schmalen Lächeln und legte einen unberingten Finger sanft auf einen schwarzen Knopf an der Seite des Pults.
"Dann schnallen Sie sich bitte an. Unsere Reise beginnt... jetzt."
Urplötzlich erfüllte pechschwarze Dunkelheit den Saal. Ein, zwei spitze Schreie waren zu hören, beunruhigendes Gemurmel kam auf, doch dann lichteten sich die Schwaden der Nacht wieder- grauer und rosa Nebel wand sich in rauchigen Spiralen aus dem Rednerpult empor und tauchte Horlans Gesicht in edles, doch auch unnatürliches Leuchten.
Die Vorführung fand Levia auf den ersten Blick einfach nur übertrieben, doch sie musste zugeben, dass der Vortrag sie plötzlich mehr fesselte als je zuvor... außerdem kitzelten die angenehmen Lichtverhältnisse Emotionen aus ihr heraus: Faszination reihte sich an Neugier, Ehrfurcht und eine winzige Spur von Angst.
Das M in der Gravierung in der Mitte des Saals begann nun langsam ebenfalls, ein leichtes Strahlen zu verströmen. Dadurch wurde ein länglicher Gegenstand sichtbar gemacht, der sich dort wie von Geisterhand niedergelassen zu haben schien.
Auf Levia wirkte der etwa zwei Meter lange, nach oben hin geöffnete Kasten fast schon wie ein Sarg- schlichtes Stahlgrau, innen schwarz gepolstert, ruhend auf einem vierbeinigen Gestell aus Teak.
Seine Höhe betrug geschätzte fünfzig Zentimeter, die Breite etwa fünfundsiebzig. Im Kopfende der Komstruktion befanden sich an den Seiten befremdliche Spiegel und Kabelauswüchse. Irgendetwas an dem Ding weckte augenblicklich eine neugierige Faszination in ihrem Herzen.
"Das", rief Horlan mit gebieterischer Stimme in sein Publikum hinaus, "ist das Gerät, mit dem wir Menschen das Alter überwinden werden.
Dieses Gerät ist der Grundstein, der uns zu Herren über die Zeit machen wird."
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