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⏳ I - Levia ⏳

Levia blinzelte. Und noch einmal.
Die apfelgrüne Kontaktlinse schob sich vor ihre Iris und verdrängte die hellgraue Farbe mit den dunklen Sprenkeln.
"Und jetzt die Haare! Sonnenlicht, Ton 34. Nuance Gold." Die Stimme plärrte aus einem übergroßen holografischen Bildschirm, der neben dem Spiegel in der Luft schwebte und ihr Gesicht beobachtete. Levia seufzte in dem Wissen, dass alles Bemühen umsonst war. "Kann ich sie nicht so lassen? Ton neunzehn mit Nuance Karamell?"
"Bitte? Bitte?" Der Mann, dessen Gesicht sich auf dem Hologramm befand, tupfte sich demonstrativ eine nicht vorhandene Schweißperle von der kahlen Stirn. Er ging schon auf die fünfzig zu, nannte sich aber stolz der Besitzer einer tiefbraun gefärbten Mähne, die eine kunstvolle Schmalztolle formte.
"Fünfzehn Töne sind Welten! Über den Daily Pass lässt sich eine Menge sagen, aber nicht, dass wir so ungenau wie ein mittelklassiges Klatschblatt arbeiten würden. Eine Geschäftsbeziehung ist überaus wichtig und könnte Ihrer Karriereleiter den Stups in die richtige Richtung geben. Und seien wir doch einmal ehrlich, Levia: Das könnten Sie ruhig gebrauchen."
Sie riss empört den Mund auf. "Was gibt Ihnen das Recht, so-"
Der Mann schnitt ihr mit einer raschen Bewegung das Wort ab. Dann deutete er auf den Flakon, der hinter ihr stand, wobei seine unbeugsame Miene keinen Widerspruch zuließ.

Sie griff sichtlich genervt nach der Flasche. "Isaac, Sie sind nichts als eine Ansammlung der nervigsten Moleküle, die die Weltgeschichte zu bieten hat. Wissen Sie das?"
Er zwang sich zu einem schmallippigen Lächeln. "Wenn Sie wüssten, Levia... wenn Sie wüssten..."
Sie schnaubte verärgert. "Dann färbe ich die jetzt, wenn Sie mich entschuldigen."
"Und das Kleid."
"...Und das Kleid."
Er strahlte. "Ach, manchmal könnte ich Sie küssen, Levia."
"Danke, Isaac. Das weiß ich zu schätzen."

Dann verschwand das Hologramm. Levia seufzte aus ganzem Herzen. Widerwillig griff sie nach dem Farbflakon- schon wieder Kunst, nichts, was auch nur im geringsten sie wäre.
So auch das Kleid. Es floss scheinbar figurbetont über ihre viel zu dürre Gestalt, nur um sich knapp unter ihrem Schoß in schwarze Spitze aufzulösen. Ihre blassen Schultern ließ es großteils frei... niemals hätte sie so etwas früher freiwillig an ihren Körper gelassen.
Früher... das bedeutete Jeans und eng anliegende Pullover aus Baumwolle. Kein Schmuck und höchstens dezentes Make-Up.
Nicht kiloweise Farbe im Gesicht.

Wütend kämmte sie die frisch gefärbten Locken nach vorn. Am Ansatz hatte sich zum ersten Mal seit Jahren wieder eine winzige Spur von Rot gezeigt, aber nein- für ein Interview musste ja alles perfekt sitzen.
Niemand durfte er selbst sein.
Nicht, wenn es darum ging, die Lüge in die Welt zu tragen und damit ein Vermögen aufzubauen... und an Geld mangelte es Levia bei Gott nicht. Jede einzelne in Farbe getauchte Strähne wog sich in Gold auf, auch wenn der berufliche Erfolg ansonsten bedauernswerterweise zu wünschen übrig ließ.

Sie verließ seufzend das lichtdurchflutete Badezimmer und wandte sich der Küche zu.
Auf der Anrichte wartete ein mit ekelhaft grün-schwarzer Flüssigkeit gefüllter Plastikbecher, an den ein kleiner Zettel gepinnt war-

Danke für alles, Levia, musste früh weg- Isaac wollte, dass du den hier bekommst.
M.

Mercy sollte ja eigentlich als Haushälterin verfügen, aber Levia hatte selbst den Eindruck, dass ihre Autorität dem jungen Mädchen gegenüber eindeutig zu lasch war. Kann ich heute Abend noch raus?
Aber natürlich, Mercy!
Leihst du mir etwas Geld für Harrods?
Klar doch, Mercy!
Darf ich ein, zwei Leute für heute einladen?
Mach doch, mach doch.

Und dieses Zeug!
Vorsichtig näherte sie ihre Nase dem Gebräu. Ein durchdringender Geruch nach Brennnessel überlagerte einige andere, eindeutig nicht besonders wohltuende Düfte mit seinem starken Aroma.
Vitaminshakes. Bah.
Mit einem Schnippen aktivierte sie die im Kühlschrank eingelassene Kaffeemaschine. Ein dunkelbrauner Pappbecher füllte sich langsam mit der dickflüssigen Mischung aus frisch gerösteten und gemahlenen Kaffeebohnen, Milch und Wasser.

Wenn Isaac hiervon erführe, würde er sie, ohne zu zögern, zuerst strangulieren und danach in eine Entzugsklinik einweisen lassen, davon war Levia überzeugt.
Aber trotzdem brach sie sich eine Reihe Milchschokolade von der Tafel ab und rührte sie in den Milchkaffee, bevor sie mit einem weiteren Schnippen die Maschine dazu brachte, dem verheißungsvoll duftenden Pappbecher mit einer weißen Kappe zu verschließen.
Mensch, Levi, hast du eine Ahnung, wie viele Kalorien so ein Chococoffee hat?, schalt Mercy in ihrem Kopf...
"Vergiss die verdammten Kalorien", murmelte Levia und hob den Becher an die Lippen.
Der vollkommene Duft schlängelte sich in verführerischen Fahnen durch ihre Nase... köstlich. Es juckte sie in den Fingern, das Getränk augenblicklich hinunterzustürzen, aber sie stoppte sich selbst und nippte nur daran. Eine bittersüße Geschmacksexplosion erfüllte ihren Mund.
Voilà- ein weiterer, so gut wie überstandener Tag.

Auf dem Weg in die bescheidene holzvertäfelte Eingangshalle verlangsamte Levia ihren Schritt vor einer riesigen Fensterfront, die einen atemberaubenden Blick auf Londons in die ersten Strahlen der Morgensonne getauchte Skyline gewährte. Sie stolperte zögerlich...
"Spiegel an."
Augenblicklich trübte sich die gläserne Fläche und nahm einen silbrig glänzenden Ton an.
Sich mit kritischem Blick musternd wendete Levia ihren Körper hin und her- dürre, blasse Beine, die in ledernen Schnürschuhen endeten, das kurze schwarze Kleid, das Schultern, Dekolleté und Oberschenkel nur notdürftig mit etwas Spitze bedeckte; voluminöses, in Weizenblond glänzendes Haar, das in großen Wellen weit über ihre Schultern floss und von einem kecken dunklen Hut bedeckt wurde, ein spitzes helles Gesicht mit großen grünen Augen, einer kleinen Nase und anmutig geschwungenen, vollen Lippen, eine dickrandige nachtschwarze Brille.

Nicht du.
Nein. Wirklich nicht.
Dafür sprach der Kaffee aber für sich... Göttliches Zeug.
An ihrem Handgelenk sirrte ein vertrauter Ton- ein schmales schwarzes Kunststoffarmband mit Lederverkleidung, das einen kurzen gepfiffenen Viertonlaut ausstieß.
Mit zwei Fingern rief Levia das bläulich schimmernde Hologramm auf: eine Videobotschaft, über der in schmalen Lettern ein Schriftzug einblendete.
Ich bin Isaac. Ich bin doof.
Wie immer entlockte ihr diese Worte das gewisse Bisschen Heiterkeit, das sie nötig hatte, um sich auf eine vernünftige Unterhaltung mit dem blasierten Manager einzulassen.

Noch bevor sie ein Wort hervorbringen konnte, überfluteten sie bereits die Anweisungen- anfangs in herrischem Tonfall, der dann aber mehr und mehr in nervöse Hysterie unschlug.
"Gut, Levia, ich sehe, Sie sind so gut wie fertig- steht Ihnen hervorragend, wissen Sie?- und dann können wir ja los. Ich schicke Ihnen eine Bubble, ein paar Minuten haben wir noch, um den Ablauf durchzugehen- um Himmels Willen, in ihrem linken Mundwinkel- ja, da ist Lippenstift!- Herrgottchen, links- gut, sitzt wieder. Die Bubble geht aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen nur bis in die fünfte, dort werden sie dann von einem Scurio abgeholt und bis zum Firmengelände gebracht. Am Schalter im Erdgeschoss lassen Sie nach Mr. Castell fragen, er ist bereits vor Ort, um die Kameras in Position zu bringen. Sie werden dann beide vorab in den Konferenzraum gebracht, um sich vorbereiten zu können; ich habe ein paar neue Stimmübungen vorbereitet- Liiippen spitzen und los: Fischer Fritz fischt frische Fische- Mund aufreißen, genau so, bravo, und nochmal: Fischer Fritz-"
Mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete Levia, wie er die Wangen enthusiastisch abwechselnd aufblähte und wieder ansaugte.
"-und schlimmstenfalls schicke ich Ihnen noch welche auf das iPersonal. Übrigens ist das iPersonal auch Ihr Einstiegsthema für das Interview nach dem Vortrag. Weitere wichtige Fragen, über die unsere Leser Bescheid wissen wollen, werden dann nach Übergängen bitte eingebaut: gesetzliche Lage- Marktsituation inklusive Preis- Sicherheit- kurze Entstehungsgeschichte- Zukunftsvisionen. Das Ganze plus Antworten in einer knappen Viertelstunde. Glauben Sie, dass Sie da alles unterbringen können?"
Ohne auch nur die Andeutung einer Kopfbewegung, geschweige denn einer Antwort, abzuwarten, fuhr er augenblicklich fort.
"Großartig. Und vergessen Sie nie unseren Grundsatz- bohren, bohren, bohren. Wenn er aus Granit sein sollte, sind Sie Diamant. Verstanden?"
Erneut würgte er den Ansatz einer Antwort ab- langsam kochte in Levia die Frustration auf.
"Oh, und achten Sie doch bitte auf die Verschachtelung der Fragen- mehrdeutige Antworten auf komplexe Fragestellungen holen uns zusätzliche Leser hinzu, solange wir darauf achten, das Interview richtig zu verkaufen. Übrigens könnte es sein, dass der Referierende Sie abwürgen und sich vorzeitig zurückziehen will- pochen Sie auf unser Recht, Levia; in Ihrem Postfach befindet sich die eingescannte und mit Wasserzeichen versehene Kopie des ausgehandelten Vertrags- Himmel, Ihr Mascara! Wir müssen uns unbedingt darum kümmern, dass Sie eine Stylistin bekommen... aber unser begrenztes Budget..."
Einen Moment lang trug Isaac einen derartig verzweifelten Gesichtsausdruck zur Schau, dass Levias Hand unwillkürlich nach oben schoss, um ihre offensichtlich verpatzte Schminke zu verdecken. Dann aber bildeten sich die entgleisten Züge wieder zurück und er verwandelte sich erneut in das, was aus Sir Isaac Edington wurde, wenn er aufgeregt war- eine Quasselstrippe.

"Aber wenn Sie heute alles richtig machen, Levia- dann springt für Sie mehr heraus als bloß eine Visagistin. Ich will ja nicht zu viel versprechen, aber was dieses Interview für die Redaktion bedeuten könnte...!"
Ein vielsagender Blick.
"Und Sie- und Ihre eventuelle Beförderung!- Sie hätten endlos viele Chancen! Ach und übrigens- es schadet nicht, wenn Sie das Kleid... da rechts..."
Er wedelte indiskret mit der Hand in Richtung ihrer Schulter.
"Ein wenig mehr Haut. Der Doktor ist ein Mann. Und jetzt- oh, die Bubble müsste angekommen sein, täusche ich mich? Also... das bekommen Sie hin, schließlich hängt alles von Ihnen ab!"
Ein perfektes, perlweißes Lächeln stand am Ende des Monologs.
"Strengen Sie sich an, Levia. Guten Tag."
Piep.

Fassungslos starrte Levia auf das erneut leere Hologramm.
"Das bekommen Sie hin, schließlich hängt alllllles von Ihnen ab!", äffte sie ihn wütend nach und pfefferte den grauen Hut gegen die Tür. Nichts und niemand konnte den Zorn so aus ihr herauskitzeln wie dieser ewig künstliche... dieser... dieser-

Ihre Bubble steht bereit, Lady Pernal.
Die angenehme Frauenstimme aus den unsichtbaren Lautsprechern jagte ihr wie immer einen Schrecken ein- zu plötzlich in dem leeren Penthouse. Mit einem Mal vermisste sie die quirlige Persönlichkeit von Mercy, die so anders war als sie selbst und sie doch so zu beruhigen schaffte wie niemand sonst...
Levia seufzte und fiel ein letztes Mal in sich zusammen, bevor sie sich wieder aufrappelte.
Los jetzt.
Haare drapieren. Lächeln testen. Armband zurechtrücken. Kleid ein wenig hochziehen...
Ein tiefer Schluck Schokokaffee und ein letzter Blick in die Spiegelfront, die sie kühl anglänzte.
"Bereit für den reichsten Mann der Britischen Republik?"
Ihre Reflexion schwieg sie ausdruckslos an.
Na also.

Wenn man sich die Zeit nahm, die atemberaubende Aussicht einen Moment lang zu genießen, konnte man ein scheinbar einzigartiges Schauspiel beobachten: Der Sunbelt, ein Wetterphänomen, das der Republik jährlich zweiundzwanzig Sonnentage bescherte, tauchte den Morgenhimmel in ein zauberhaftes Rosa. Von den tiefer gelegenen, umliegenden Dächern stiegen stetig bunt reflektierende blasenartige Gebilde in die Höhe, um sich einige Dutzend Meter höher in die Waagrechte zu bewegen und mit den Insassen über die Stadt hinweg zu schweben.

Levia hatte keinen Blick mehr dafür übrig. Stattdessen hielt sie direkt auf das lilafarbene Quadrat an der flachen Dachkante zu, über dem eine Kugel mit etwa vier Metern Durchmesser schwebte. Die Bubble- kurz für Blasphemic Uproad Being Belonging to Leichester Economy oder aber einfach für die charakteristische Form- wartete auf der Andockstation auf dem Dach des Wolkenkratzers.
Ihre perlgraue Oberfläche fing die Reflexion der aufgehenden Sonne ein und ließ verspielt rosa und türkise Flecken über den Boden tanzen.

Auf Handkontakt schob sich eine zuvor unsichtbare Türöffnung aus dem Gefährt. Eine kurze Treppe folgte.
Levia griff nach der Aktentasche am Boden und trat in die Kugel, deren Klappe sich hinter ihr wieder nahtlos mit der Oberfläche vereinigte.

Von innen wirkte die Bubble wie ein winziges, aber dafür gut ausgestattetes Wohnzimmer. Ein dicker weinroter Teppich verschluckte den Laut der Absätze, eine Minibar erstreckte sich über die von innen durchsichtige Front des Gefährts. Bildschirme und Lautsprecher verteilten sich über die cremeweißen kuppelartigen Wände- ein kleines Bad befand sich im hinteren Teil.
Mit einem erleichterten Seufzer ließ Levia die Tasche fallen und nahm in dem gemütlichen Ohrensessel Platz.
Augenblicklich schälte sich vor ihr ein Hologramm aus der Luft.

Willkommen, Levia Elizabeth Pernal.
Geben Sie bitte in das unten stehende Feld Ihren Zielort ein.

[ Fifth Street ]

Ihr Bordcomputer steht frei zu Ihrer Verfügung, sobald wir die Flughöhe erreicht haben. Schnallen Sie sich solang bitte an.

Augenblicke später spürte Levia bereits, wie sie von einem sanften Druck in die Polster gepresst wurde und die Bubble ihren Weg über London fand.

Unter ihr breitete sich die Stadt auf. Immer wieder aufs Neue verschlug ihr dieser Anblick den Atem... anstatt zu einer farblosen Industriestadt verkommen zu sein, war London zu einem vielfältigen IT-Zentrum herangewachsen, das nach der fast vollkommenen Zerstörung durch den dritten Weltkrieg nun neu als internationale Metropole in der noch jungen Republik aufblühte. Die in Größe, Form und Beschaffenheit verschiedenen Gebäude reckten sich hoch in den Himmel, unterbrochen von symmetrischen, breiten Prachtstraßen, die sich entlang eines riesigen Boulevards parallel in beide Richtungen erstreckten. Sie bildeten saubere, makellose Linien, gesäumt von smaragdgrünen Parkanlagen.
Aus der Asche eines Schlachtfeldes hatte sich, einem übernatürlichen Etwas gleich, ein weltweit einzigartiges Reich erhoben...
Das war Holy City, die Heilige Stadt.
Das Idealbild des Neuanfangs, ein Symbol der Wiedergeburt.

Doch sobald die Kugel leicht nach links schwenkte, gewährte sie augenblicklich den Blick auf die extremen Gegensätze Londons. Wie mit einem Lineal verfasst, zog sich diese Linie quer durch die Stadt: an die südwestlichen Wolkenkratzer von Holy City reihten sich plötzlich übergangslos verfallene Baracken. Soweit das Auge reichte, breiteten sich wacklige, verdreckte Holz- und Steinbauten aus, oft noch aus der Vorkriegszeit. Gässchen und unbefestigte Straßen schlängelten sich ohne erkennbares Muster durch diese Wüste der Ärmlichkeit, den Schmutz konnte man noch oben auf den Bubble-Straßen nur zu gut erkennen...
Ghettos.
Mit diesem abfälligen Begriff bezeichnete man in Holy City den verkommenen Teil der verarmten Bevölkerung Londons. Ghettos, weil es nur eine Richtung gab: jeder kam in die Abgründe, aber keiner wieder zurück in die Heilige Stadt.
Levia fröstelte, doch noch bevor sie näher nach der Ursache des unangenehmen Gefühls hätte suchen können, kündigte sich erneut eine Durchsage der kühlen Frauenstimme an.
In Kürze erreichen Sie den Zielort. Schnallen Sie sich bitte erneut an.

Die fünfte Straße befand sich ziemlich nah am Stadtkern und somit an der Grenze zu den Ghettos.
Als Levia an einer öffentlichen Andockstation die Bubble verließ, wartete am Bordstein ein junger Mann in Uniform auf sie.
Der marineblaue Anzug mit passender Krawatte spiegelte exakt seine Augenfarbe wieder. Das kantige Gesicht wurde von makelloser Haut bedeckt; Nase, Lippen und Wangenknochen wirkten beinahe unwirklich perfekt- so wie das blonde Haar, das eine nahezu verwirrend lässige Frisur bildete. Ein schwarzer Knopf saß in seinem Ohr, ein schmaler Metallbügel führte nach vorne zu seinen Lippen.
Ein Scurio.
Levia musste sich einen enttäuschten Seufzer verkneifen. Trotz der Realistin in ihr machte ihr Herz noch immer einen Sprung beim Anblick dieser makellosen Männer, auch wenn sie wusste, dass unter der allzu menschlich scheinenden Oberfläche nur ein Gewirr aus Drähten, Kabeln und künstlichen Synapsen seine Arbeit tat anstatt von Fleisch, Blut und Knochen.

Der Scurio bot ihr galant den Arm dar und führte sie raschen Schritts die breite Straße hinunter. Auf der Straße, die etwa die Hälfte des Platzes zwischen den gewaltigen Bauten zu beiden Seiten in Anspruch nahm, verkehrte die hohe Gesellschaft in futuristischen Taxis, während auf dem von Fußgängern genutzten Platz die verschiedensten Erscheinungen flanierten.
Während man manchen ihre chirurgisch veränderten Körperteile zu deutlich ansehen konnte, spazierten an ihrer Seite in der Vergangenheit festhängende Damen in barocken Reifröcken. Zahme Dschungelvögel saßen auf Hüten oder flogen an juwelengeschmückten Leinen, daneben tollte ein zehnjähriger Junge mit seinem Collie herum. Ein anderer überquerte die Straße auf einem schmalen Hoverboard. Scurios fuhren den Nachwuchs ihrer stolzen Herren in Kinderwägen umher. Ein Filmteam folgte hartnäckig einer sechsköpfigen Familie, während sich hinter ihnen ein Paar mit einer Sänfte umherkutschieren ließ.

Und Anzugmenschen. Von denen gab es ganz besonders viele. Manche mit Aktentaschen, andere mit Knöpfen und Mikrofonen wie der Scurio, der sie eskortierte, andere, die sich umgebenen von überfüllten Hologrammen bewegten.
Und sie alle strömten in eine Richtung.
Der riesige Glaskomplex, der vor Levia in die Höhe ragte, verschlug ihr den Atem. Eigentlich war es auf den ersten Blick nur ein silbergrauer, rechteckiger Wolkenkratzer wie jeder andere auch... aber dann wurde das Hologramm sichtbar, das in der spiegelnden Front schwebte.

[_MaryJ_, mein Wunderkind... das atemberaubende Logo von Morpheus hätte niemand so hinbekommen können. Ich liebe, liebe, liebe es.]

Es entlockte Levia eine ganz neue Art von Ehrfurcht. Das war Größe. Das war Macht.
Das M ruhte auf roséfarbenen Linien, die scheinbar den Hintergrund für das Logo lieferten... erst auf den zweiten Blick wurde das schlafende Frauengesicht dahinter erkennbar. Die blassgraue Haut weckte in Levia aus irgendeinem Grund ein seltsames Gefühl, das sich langsam über ihren Körper ausbreitete... wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie es mit Angst betitelt.
Aber es war ein Symbol und die Frau selbst nur ein Bildnis, nur ein kunstvolles Portrait, nichts weiter. Doch die verdeckten Augen schienen sich in ihre zu bohren und zu sehen, alles, was sie war und was in ihr war und...-

Gewaltsam riss sie sich von dem beunruhigenden Gefühl los und senkte den Blick herab. Die Massen der Anzugmenschen bewegten sich wie von einer unsichtbaren Anziehungskraft getragen auf den weiten Eingang zu.
Und über der imposanten Türöffnung prangte ein silbrig grauer Schriftzug, der den Namen des Unternehmens verkündete.

Morpheus.

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