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45. Der Sternenzähler [2]

Enorog flog regelrecht über die Wiesen und Felder, die das Schloss umgaben, zu den Hängen der Zauberberge, die im roten Lichtschein fast schwarz aussahen. Trotzdem war ihre malerische Natur erhalten geblieben, hatte sich in den letzten Wochen sogar noch verstärkt.

Gen Norden war das Gebirge eher flach und dicht bewaldet, im Süden erhoben sich dagegen mehrere unregelmäßige Gipfel über die Baumgrenze. Sie waren von einem Flaum violett schimmernder Gewächse überzogen, die sich wie ein Teppich in alle Richtungen ausbreiteten. Blickte man noch weiter nach Süden, verwandelten sich die Gipfel in einen linienförmigen Bergzug mit einer weit verzweigten Kammlinie. Ein namenloser Fluss hatte über die Jahrhunderte tiefe Furchen in das Bergmassiv gegraben. Er speiste sich aus einer verborgenen Quelle, tief unter dem Gebirge, und ergoss sich nach seiner Wanderung durch das Gestein, durch Täler, Schluchten und Klammen, über die Speikaskaden in die Tiefe, wo ihn ruhigeres Terrain erwartete und er sich schließlich mit dem Fluss Regen vereinigte.

Das Haus des Sternenzählers, das Observatorium, wie Miragel es nannte, lag im nördlichen Teil des Gebirges, auf einer glockenförmigen Hügelkuppe. Es glich einem niedrigen Leuchtturm mit Kuppeldach, war schneeweiß und schien aus dem gleichen Material gefertigt zu sein wie die Villa Rosso.

Laurent und Rufus, die ihnen für eine Weile aus reiner Lust am Rennen gefolgt waren, blieben zurück. Rufus, der alte Hund, hechelnd und japsend, Laurent mit wedelnder Rute und scharrenden Pfoten, wie ein Rennpferd, das auf sein Startsignal wartete. In seiner Wolfsgestalt besaß Laurent eine beinahe unerschöpfliche Ausdauer. Einmal hatte Emma ihn darauf angesprochen und ihm gesagt, wie sehr seine Energie bewunderte, doch seine Reaktion war anders ausgefallen, als sie es sich vorgestellt hatte.

Weißt du, warum ich jede Nacht über die Wiesen und Felder der Morgenwind renne?, hatte er sie gefragt.

Nein, das weiß ich nicht, hatte Emma geantwortet.

Laurent hatte gelächelt, auf diese beschämte Art, die wohl nur ein Wesen hervorbringen konnte, das seine eigene Existenz verfluchte. Weil mein Körper von mir verlangt, dass ich jage. Selbst wenn gerade kein Vollmond ist, wird mein Nervensystem von den Impulsen, zu jagen und zu töten, beherrscht. Und wenn ich ihnen nicht regelmäßig nachgebe, werde ich mich auch außerhalb der Vollmondnächte nicht mehr beherrschen können.

Am Observatorium angekommen, schwang sich Kilian aus dem Sattel. Von seiner Wärme verlassen, fröstelte Emma. Der Himmel flackerte und zuckte wie ein Flammenmeer, spendete jedoch eher Kälte als Wärme. Noch dazu regnete es immer wieder kurz, aber heftig, gefrorene Ammoniak-Kristalle. Einem Hagelsturm gleichend, ergossen sie sich über das hügelige Land und bedeckten alles mit einer stinkenden Schicht roter Körner.

»Ich hatte schon ganz vergessen, wie sehr ich die Rubenssphäre verabscheue«, knurrte Miragel, während er aus dem Sattel rutschte.

Emma kletterte von Enorogs Rücken und suchte unter dem Vordach des Observatoriums Schutz. Dort wartete sie, bis Kilian und Miragel die Pferde zu einem Unterstand an der Rückseite des Gebäudes geführt hatten. Etwa zeitgleich mit ihrer Rückkehr, traf die Minerva bei ihnen ein. Derrick stieg aus und deckte den Sitz mit einer Plastikplane ab.

Anschließend betraten sie gemeinsam das Haus des Sternenzählers und wurden augenblicklich von Dunkelheit umfangen. Es dauerte einige Sekunden, bis sich Emmas Augen an die Finsternis gewöhnt hatten. Nach und nach schälten sich die Umrisse der Inneneinrichtung aus der Schwärze. Trotzdem brauchte Emma noch einen Moment, um zu begreifen, dass der Raum so finster war, weil alle Wände und Fenster mit dunkelblauem Samt verkleidet waren, sodass kein Licht eindringen konnte. Die einzige Lichtquelle war eine Luke, die ins obere Stockwerk führte.

Vorsichtig fuhr Emma mit den Fingern gegen die Strichrichtung über den samtigen Stoff an den Wänden. Selten war ihr ein so perfekt verarbeitetes Gewebe begegnet. Sie nahm an, dass es sich dabei um Naturseidensamt handelte, nicht um die starren Chemiefasern, aus denen Samt in ihrer Heimat meistens angefertigt wurde.

Derrick legte den Kopf in den Nacken und hob eine Hand an den Mund. »Sternenzähler!«

»Das hat gar keinen Zweck«, meinte Miragel grimmig. »Du weißt doch, wie seine Art auf laute Geräusche reagiert.«

Kilian holte eine Leiter und lehnte sie unterhalb der Luke an die Wand. »Darauf können wir jetzt keine Rücksicht nehmen.« Er gestikulierte in Derricks Richtung. »Derrick, du voraus. Dann du, Emma.«

»Aye, aye«, meinte Derrick und machte sich an den Aufstieg. Emma folgte ihm.

Auf der anderen Seite der Luke erwartete sie ein runder Raum, der fast genauso aufgebaut war wie das Zimmer im Erdgeschoss. Wände, Boden und Decke waren mit dunklem Samt ausgekleidet. Es gab keine Möbel oder anderen Einrichtungsgegenstände – abgesehen von einer seltsamen Kugel. Besagte Kugel war auf einem hohen Stab etwa zwei Meter über dem Boden angebracht. Sie besaß einen Durchmesser von ungefähr fünfzig Zentimetern und schien hohl zu sein. Ihre Hülle war pechschwarz und von unregelmäßig angeordneten Löchern übersät, wie bei einem dieser Kunstwerke, die nur aus einer bestimmten Entfernung oder einem bestimmten Winkel betrachtet, einen Sinn ergaben.

»Was ist das?«, fragte Emma.

»Ich nenne es eine Sphärenkugel«, antwortete Derrick. Dann tastete er plötzlich nach Emmas Arm. »Wie stehst du eigentlich zu Insekten?«

»Meistens stehe ich auf Insekten«, witzelte Emma, korrigierte sich dann aber rasch: »Wir gehen uns aus dem Weg.«

»Und was, wenn das keine ernsthafte Option wäre?«

Emma sah sich nach Derrick um und entdeckte dabei den Sternzähler, einen alten Mann mit schütterem Haar und Rauschebart, der in einer Ecke des Raums stand und sie aus wässrigen Augen musterte.

»Flipp' jetzt bitte nicht aus«, meinte Derrick.

»Aber warum denn?«, fragte Emma.

Der Sternzähler drehte den Kopf um 180-Grad und starrte sie aus sechs pechschwarzen Augen böse an.

Emma unterdrückte gerade noch einen Aufschrei.

Derrick lächelte. »Das, Emma, ist der Sternenzähler.«



*



Es stellte sich heraus, dass es sich beim Sternenzähler nicht um einen Menschen, sondern um eine Art Raupenwesen handelte, das sich als alter Mann tarnte. Die weißen Haare, der lange Bart, sogar die kleinen, wasserblauen Augen waren nur Teil seines geschickten Täuschungsmanövers. Die echten Augen des Sternenzählers befanden sich am Hinterkopf des alten Mannes, wobei man es vermutlich anders formulieren musste: der Hinterkopf des Sternenzählers war wie das Gesicht eines alten Mannes geformt.

»Wie kann ich Ihnen – schlurp – behilflich sein, mein Baron?«, fragte der Sternenzähler, wobei er mitten im Satz lautstark Luft ansaugte und herunterschluckte. Dabei wrang er nervös seine zwölf Beinpaare, die ihm aus Brust und Bauch wuchsen. »Es ist doch schon – schlurp – ziemlich spät.« Seine sechs Augen zwinkerten der Reihe nach. »Ihr wollt doch nicht – schlurp – bis in die Puppen wach sein, oder?« Er kicherte leise.

»Für einen Nachtfalter sollte diese Uhrzeit doch genau richtig sein, oder nicht?«, erwiderte Derrick.

»In spe«, korrigierte der Sternenzähler. »Nachtfalter in – schlurp – spe.« Wieder das Saugen und das beunruhigte Kichern.

»Wir wissen, dass Ihr nicht gern Besuch erhaltet«, sagte Kilian mit gesenkter Stimme.

Der Sternenzähler kniff zwei seiner sechs Augen zusammen. »Meine Transformation – schlurp – erfordert volle Konzentration. Tag und Nacht.«

»Das wissen wir«, meinte Kilian. »Aber-«

»Die Sterne«, fiel ihm der Sternenzähler ins Wort. »Sie sind näher gekommen.«

»Ganz genau«, sagte Derrick so langsam, als würde er mit einem geistig verwirrten alten Mann sprechen. »Deswegen sind wir ja auch hier.«

»Die Sterne, die Sterne...« Der Sternenzähler wrang seine Hände mit drängender Intensität. »...so nah waren sie schon – schlurp – lange nicht mehr.«

Derrick nickte ungeduldig. »Und du wirst uns noch näher zu den Sternen bringen.«

»Schlurp«, machte der Sternenzähler. Seine schwarzen Augen blinzelten wild durcheinander. »Aber Herr Baron, ich-«

Ammoniak-Kristalle prasselten dumpf gegen den Turm und schnitten ihm das Wort ab. Sofort fuhr der Sternenzähler herum und schlüpfte wieder in seine Alter-Mann-Tarnung. Obwohl Emma inzwischen wusste, dass das runzelige Gesicht und die blauen Augen nur eine angewachsene Maske waren, fand sie die Verkleidung noch immer täuschend echt.

Derrick seufzte schwer. »Diese verdammte Geräusch-Empfindlichkeit. Wenn das so weitergeht, verbringen wir noch die ganze Nacht hier.«

»Dann beschleunigen wir dieses Prozedere doch einfach«, meinte Miragel und näherte sich der seltsamen Kugel.

»Nein, nicht«, protestierte der Sternenzähler, aber da hatte Miragel schon die Hand ausgestreckt und mit den Fingern ein Zeichen geformt. Sein elfischer Zauber entfachte im Innern der Kugel ein helles Leuchten, das sich durch die vielen kleinen Löcher nach außen ausbreitete und ein bewegtes Muster aus Punkten und Linien auf die mit Samt bezogenen Wände warf. Der Anblick erinnerte Emma an die billigen Leuchtsterne, die früher an der Decke über ihrem Kinderbett geklebt hatten, nur, dass es sich hierbei um mehr als tausend Mal so viele Lichter handeln musste.

»Was ist das?«, fragte Emma leise.

»Ein dynamisches Modell der Sphären«, antwortete Derrick. »Die Dimension der Sphären scheint, von außen betrachtet, sehr linear aufgebaut zu sein. Die Sphären liegen wie die Schichten einer Zwiebel übereinander, aber gleichzeitig sind sie auch wie ein Netz, das ständig in Bewegung ist. Es gibt helle Knoten, Verbindungen und die Finsternis dazwischen.« Derrick näherte sich der Wand und deutete auf einen der Knoten. »Und wenn wir durch die Sphären reisen, müssen wir uns entlang der Linien, aber auch mit den Linien bewegen.« Mit dem Finger fuhr er eine der abzweigenden Linien nach. »Über diese Verbindungen zwischen den Sphären kann die Morgenwind von den unteren bis zu den oberen Sphären reisen oder auch in die Gegenrichtung, versteht sich. Manche Verbindungen führen hinauf, andere hinunter und wieder andere in die Finsternis zwischen den Sphären, die von den Vogelmenschen und anderen Wesen beherrscht wird.«

»Jedenfalls ist es nicht leicht, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden«, sagte Kilian.

Derrick nickte zustimmend. »Die unteren Sphären kenne ich wie meine Westentasche, aber hier oben ist mir alles fremd.«

»An dieser Stelle kommt der Sternenzähler ins Spiel«, ergänzte Miragel.

»Die Sterne, die Sterne...«, murmelte der Angesprochene, betrachtete das Lichtspiel an den Wänden und knetete fiebrig seine weichen Hände. Die hellen Knotenpunkte des Sphären-Netzes spiegelten sich in seinen Augen, sodass es so aussah, als trüge er den Sternenhimmel im Gesicht.

»Seine Art hat einen besonderen Bezug zu Lichtern«, erklärte Derrick. »Und mithilfe seines Observatoriums kann er uns den Weg durch die Sphären zeigen.«

Der Sternenzähler schüttelte die weißen Haare an seinem Hinterkopf und kicherte nervös. »Das habt Ihr – schlurp – schön gesagt.«

»Dann werdet Ihr uns helfen?«, fragte Kilian hoffnungsvoll. »Ich meine, jetzt?«

»Schlurp«, machte der Sternenzähler, wrang seine Hände und nickte. »Zu den Sternen. Ich muss zu den Sternen.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und schlurfte auf seinen kurzen Hinterbeinen zur Wand. Mit allen vierzehn Beinpaaren zog er sich daran hinauf und kletterte zu der Luke, die ins nächste Stockwerk führte.

»Denkt ihr, er hat mich verstanden?«, erkundigte sich Kilian bei Miragel und Derrick.

Derrick schnaufte. »Keine Ahnung. Der Kerl hatte doch schon immer eine Schraube locker.«

»Aber was Lichter angeht, kann man sich auf seine Art verlassen«, meinte Miragel und strich mit den Fingerspitzen über die schwarze Kugel. »Mir ist noch nie ein präziseres Modell der Sphären untergekommen.«

Emma wanderte durch den Raum, wobei sie abwechselnd ihren Schatten an der Wand und die Lichter auf ihrem Körper betrachtete.

»Angeblich kam er einst als Larve auf die Morgenwind«, fuhr Miragel fort. »Das muss noch zu Zeiten meines Vaters gewesen sein, vor unserer Flucht in die untere Welt.«

»Angeblich wartet er bereits seit über tausend Jahren auf seine Transformation«, sagte Kilian.

Miragel seufzte. »Er versteht nicht, dass es dazu die passenden Bedingungen braucht.«

»Nein«, meinte Derrick kopfschüttelnd. »Er wartet jeden Tag, als könnte es jederzeit passieren.«

»Vermutlich hat er das entsprechende Alter längst überschritten«, pflichtete Miragel ihm bei. »Ich mache mir jedenfalls keine großen Hoffnungen, dass es noch passieren wird.«

»Ach, wer weiß«, sagte Emma, streckte die Hand aus und ließ die Lichter über ihre Haut wandern. »Manchmal kommen Veränderungen ganz unerwartet.«

Kilian schmunzelte. »Du hast Recht. Wir sollten ihn nicht so einfach aufgeben.«

»Schlurp!«, ertönte es von oben. Nur einen Augenblick später streckte der Sternenzähler seinen janusartigen Kopf durch die Luke. »Ich weiß – schlurp – wie es weitergeht.« Er kicherte wie ein Schulmädchen. »Die Sterne sind – schlurp – so schön heute Nacht. Und wir werden bald mitten – schlurp – unter ihnen sein.«

Emma, Kilian, Derrick und Miragel tauschten Blicke. Die Kugel überzog ihre Körper mit einem Netz aus Sternen. In diesem Moment schienen die Sphären gleichermaßen in ihnen und um sie herum zu sein. Lichter in einem Meer aus Lichtern. Vermutlich war auch das nur eine Frage des Blickwinkels – oder der Relativität, wie Derrick es wohl genannt hätte.

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