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24. General Orel Erelis [1]

Nach einer Weile musste Emma feststellen, dass sie sich verlaufen hatte. Nein, sagte sie zu sich selbst. Man konnte sich nicht verlaufen, wenn man kein Ziel hatte.

An einem Eisenzaun, hinter dem ein beeindruckendes Gebäude von Gestalt eines antiken Tempels lag, hielt Emma inne. Die umlaufenden Säulen, die das Dach des Tempels stützten, waren so hoch und mächtig, dass sie sich ganz klein und unbedeutend vorkam. Um ihre Gedanken zu sortieren, lehnte sie sich gegen den Zaun und schloss kurz die Augen.

Was sollte sie tun? Sie konnte sich irgendwo ein Telefon schnorren und ihre Mutter anrufen. Und dann? Sollte sie sich abholen lassen? Ihre Familie hätte bestimmt alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie wieder nach Hause zu holen. Auch ihre beste Freundin hätte sich wahrscheinlich gleich hinter das Steuer ihres VW Käfers geschwungen, um Emma abzuholen. Oder sollte sie besser zur Polizei gehen und sie bitten, Kontakt mit den deutschen Behörden aufzunehmen? Immerhin war es nicht unwahrscheinlich, dass man bereits nach ihr suchte. Das alles wären vernünftige Entscheidungen gewesen.

Trotzdem zögerte Emma. Sie hatte nicht vergessen, dass die Megamon noch immer hinter ihr her waren. Wenn sie nach Hause zurückkehrte, brachte sie womöglich ihre Familie in Gefahr - und das konnte sie unmöglich verantworten. Also ... was sollte sie tun? Sich verstecken, bis die Megamon aus ihren Träumen verschwanden? Wie sollte sie das anstellen, so ganz ohne Geld und Ausweispapiere?

Ein schmutziger alter Mann, vermutlich ein Obdachloser, näherte sich schlurfend. Er murmelte etwas auf Französisch, das Emma nicht verstehen konnte. Als er bemerkte, dass sie seine Sprache nicht beherrschte, schimpfte er leise und setzte seinen Weg fort.

Emma atmete lange aus. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie den Atem angehalten hatte. Ihre Rippen schmerzten, als hätte ihr jemand ein Messer in die Brust gerammt. Auch ihr Fuß und ihre Hüfte waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Noch dazu musste sie dringend auf Toilette.

Kurzentschlossen folgte sie der langen, schnurgeraden Straße, die sie vom Tempel zu einem Platz mit mehreren Springbrunnen und einem großen, spitz zulaufenden Obelisken führte. Sie kannte diesen Ort aus dem Fernsehen oder dem Schulunterricht, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, wie er genannt wurde.

Am Rand eines Brunnens, der um diese Jahreszeit abgeschaltet war, ließ sie sich nieder. Dabei spürte sie einen Gegenstand in der Innentasche ihrer Jacke. Sie zog ihn heraus und betrachtete ihn im Licht der Laternen. Es war die Holzschachtel, die Masumi ihr geschenkt hatte. Mit Fingern, die vor Kälte schon ganz steif waren, löste Emma die Schleife und öffnete die Box.

Auf einem Kissen aus rotem Samt lag ein kleiner Holzvogel. Er erinnerte Emma an den Piepser, den Savannah zu Penny, Finka und Jonas geschickt hatte, um ihre Verabredung abzusagen. Vorsichtig nahm sie ihn heraus. Der Vogel war kunstvoll gefertigt und trotz seiner geringen Größe mit zahlreichen kleinen Details verziert. Während sie Masumis handwerkliche Fähigkeiten bewunderte, entdeckte sie einen verborgenen Aufzieh-Mechanismus am Bauch des Vogels. Sie fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn sie ihn betätigte. Die Erinnerung an die Morgenwind schnürte ihr den Hals zusammen. Wie konnte sie mit dem Wissen, dass dieser wundervolle Ort existierte, in ihr altes Leben zurückkehren?

Bei diesem Gedanken dämmerte ihr so langsam, dass es einen Akt der Barmherzigkeit darstellte, die Menschen, die der Morgenwind den Rücken kehrten, von ihren Erinnerungen zu befreien. Dennoch ärgerte sie sich über Kilians Verhalten. Er hatte ihr die Entscheidung über ihren Verbleib einfach abgenommen. Anders als versprochen, hatte er sie zurückgelassen, ohne sich auch nur im Mindesten um ihren Willen oder ihre Gefühle zu scheren. Nicht, dass Emma wirklich gewusst hätte, was sie wollte.

Sie dachte an die Kinder zurück, an Titus und Savannah. Selten waren ihr fremde Menschen derart rasch ans Herz gewachsen. Doch wie konnte sie auch nur darüber nachdenken, ihre Familie und ihre Heimat zu verlassen? Mal ganz davon abgesehen, dass sie ihrer kleinen Schwester unmöglich die Verantwortung für ihre Mutter aufbürden konnte.

Ein Rascheln wie vom Gefieder eines großen Vogels ließ sie aus ihren Gedanken schrecken. Sie legte den Kopf in den Nacken und entdeckte einen Geflügelten, der auf dem obersten Wasserbecken des Brunnens gelandet war.




*



Erschrocken sprang Emma auf. Der Geflügelte war ein Mann mit einem muskulösen Oberkörper und breiten Schultern. Er trug keine Schuhe, aber eine eng anliegende Hose aus glänzendem Stoff. Sein nackter Oberkörper war mit dunklen Federn bedeckt. Eine hellrote Zeichnung in Form eines Kreuzes schmückte das Federkleid auf seiner Brust. Seine Arme waren wie die Schwingen eines Vogels geformt. Die langen Federn an ihren Enden maßen mit Sicherheit mehr als einen Meter. Insgesamt musste er über eine Spannweite von mehr als vier Metern verfügen.

Emma war vor Ehrfurcht wie erstarrt. Sie konnte den Blick nicht abwenden. Das Gesicht des Geflügelten war von einem Kranz weicher Daunenfedern umgeben. Die schwarzen Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Auch seine Augenbrauen waren mit Federn besetzt. Sie verliehen seinen leuchtend orangefarbenen Iriden eine ungewöhnliche Intensität. Wie er so von oben auf sie herabsah, fühlte sich Emma wie ein unvorsichtiges Kaninchen, das die Aufmerksamkeit eines Raubvogels geweckt hatte.

Mit einem Satz sprang der Geflügelte vom Brunnen herab und landete nicht weit entfernt auf dem Straßenpflaster. Emma schoss in die Höhe und presste Masumis Holzschachtel an ihre Brust. Der Geflügelte musterte sie mit einem feindseligen Ausdruck auf dem Gesicht. Er schien nicht einmal zu versuchen, seine Abscheu zu verbergen. Ein kalter Windzug kam auf und rüttelte an seinem Gefieder. Emma konnte sehen, wie ein Zucken durch seine Augenpartie wanderte. Eine milchige Haut legte sich über seine Augen und verschwand gleich darauf wieder. Es geschah so schnell wie ein Blinzeln. Emma konnte nicht einmal sagen, was sie soeben beobachtet hatte. »Wer bist du?«, hauchte sie, während sie ganz langsam rückwärts ging.

»Mein Name ist Orel Erelis«, antwortete der Geflügelte. Keine Regung war auf seinem Gesicht zu erkennen. »General Orel Erelis vom ersten Regiment Ihrer Kaiserlichen Hoheit.«

Emma fiel auf, dass die Füße des Geflügelten in schrecklichen Klauen endeten. Die gekrümmten Krallen waren so lang, dass sie mit Leichtigkeit einen menschlichen Körper durchstoßen konnten.

»Was willst du von mir?«, fragte Emma, obwohl sie schon wusste, dass ihr die Antwort nicht gefallen würde.

»Der letzte Kampf der Morgenwind hat begonnen«, sagte der Geflügelte - und wie um seine Worte zu unterstreichen, wurde der Himmel in diesem Augenblick von einem Blitz erleuchtet. Im zuckenden Lichtschein vermeinte Emma die Umrisse der fliegenden Stadt erkennen zu können. »Was bedeutet das?«, wollte sie wissen.

»In dieser Nacht wird die Morgenwind untergehen. Und mit ihr die Blutlinie des Barons von Morgen«, erwiderte der Geflügelte. Wieder zuckten Blitze über den Himmel. Es dauerte noch einige Sekunden, bis Emma begriff, was sie soeben beobachtete.

»Ah, ich sehe, du verstehst«, meinte der Geflügelte und zum ersten Mal glaubte Emma eine Regung in seiner Stimme zu vernehmen. Außerdem hatte er Recht. Sie verstand. Was sie sah, waren die Blitzkanonen der Morgenwind. Es musste so sein, wie der Geflügelte gesagt hatte: der letzte Kampf der Morgenwind hatte begonnen.

Emma hatte das Gefühl, alle Luft würde aus ihrem Körper gesaugt. Sie fühlte sich schwach und elend. Die Kälte der winterlichen Stadt schien durch ihre Daunenjacke zu kriechen und sich in ihre Knochen zu fressen. »Was hat das mit mir zu tun?«, fragte sie.

Der Geflügelte blinzelte erneut. Es war, als wollte er sie wissen lassen, dass sie es mit einem Raubtier zu tun hatte. »Als General der Kaiserlichen Armee liegt es an mir, keinen unserer Feinde entkommen zu lassen.«

Emma konnte förmlich spüren, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich. »Aber ich bin kein Feind«, hauchte sie.

»Das zu entscheiden, ist meine Aufgabe«, erwiderte der Geflügelte kalt. Dann, völlig ohne Vorwarnung, breitete er seine gewaltigen Schwingen aus und stieß sich vom Boden ab. Emma sah ihm nach, wie er in die Luft stieg, eine Runde über den Platz drehte und dann im Sturzflug auf sie herabstieß. Trotz der drohenden Gefahr benötigte es noch einen Blitz und ein lautes Hupen, um sie aus ihrer Versteinerung aufzuwecken.

Sie fuhr herum und rannte einfach los, mitten in den Verkehr hinein, der sich auch um diese Uhrzeit noch immer unvermindert durch die Stadt schlängelte. Mehrere Autos mussten scharf abbremsen und beschwerten sich mit einem dröhnenden Hupkonzert, doch Emma beachtete es gar nicht. Sie rannte über die Straße, sprang über eine Absperrung und gelangte zu einer Brücke, die über die Seine führte. Am darunter liegenden Quai waren einige kleine Schiffe festgemacht.

Emma verspürte einen Luftzug und ließ sich zur Seite fallen. Die messerscharfen Flügelspitzen ihres Angreifers ritzten den Stoff ihrer Winterjacke, sodass der Futterstoff herausquoll. Sie unterdrücke einen Aufschrei, kletterte über das Geländer und ließ sich auf die Straße fallen, die am Quai entlangführte. Dabei hielt sie sich nahe an der Mauer. Als die Mauer endete, sprintete sie in den Schutz einiger Bäume. Die Promenade führte sie zu einer Parkanlage, die einen riesigen Palast umschloss. Emma folgte dem Grün, bis sie eine Gegend erreichte, die ihr bekannt vorkam. Sie musste sich ganz in der Nähe des Champs-Elysees befinden.

Das Knacken und Splittern von Zweigen und Ästen ließ sie innehalten. Wieder spürte sie einen heftigen Windstoß und sprang gerade noch rechtzeitig beiseite, um dem Geflügelten auszuweichen, der durch das Laub der Bäume krachte. Ihre Beine schmerzten und ihre Lunge füllte sich mit jedem Atemzug noch weiter mit eisig kalter Luft, aber Emma wusste, dass sie jetzt auf keinen Fall stehen bleiben durfte. Sie musste ein Versteck finden. So schnell sie konnte, rannte sie vom Park in eine der Straßen, die sie zurück zum Seine-Ufer führten, und suchte in einem Hauseingang Schutz.

Mit zitternden Fingern zückte sie die Holzschachtel, die Masumi ihr geschenkt hatte. Am Himmel über der Stadt zuckten immer mehr Blitze. Einige Anwohner kamen aus den Häusern, um das Spektakel zu beobachten. Emma hoffte, dass ihre Anwesenheit den Geflügelten davon abhalten würde, sie anzugreifen. Ihre eiskalten Hände machten es Emma schwer, den Mechanismus des Piepsers zu bedienen. Als sie ihn endlich aufgezogen hatte, gab der Vogel ein leises Pfeifen von sich und erwachte in ihren Händen zum Leben. Keine Sekunde zu früh, denn schon im nächsten Moment kündigte das Rauschen großer Schwingen die Ankunft des Geflügelten an.

Emma konnte sehen, wie die Menschen auf der Straße überrascht die Köpfe wandten. Dann hörte sie einen Schrei. Der Laut endete abrupt. Augenblicklich brach Chaos auf der Straße aus. Autos bremsten ab und krachten ineinander. Menschen stoben in alle Richtungen davon.

Emma rappelte sich auf und rannte an der Hauswand entlang die Straße hinunter. Ein Schatten nahm ihre Verfolgung auf. Scharfe Klauen zerfetzte die Markise eines kleinen Ladens. Sie duckte sich, doch dabei entglitt der Vogel ihren Händen. Sehr zu ihrer Überraschung fiel er jedoch nicht zu Boden, sondern flog einen Bogen und flatterte in Richtung Seine davon. Emma stieß sich von der Hauswand ab und folgte ihm. Es ging über die Straße und einen Grünstreifen, zur Promenade hinunter. Der Geflügelte war direkt über ihr. Sie konnte das Rauschen und Rascheln seiner Flügel hören. Der Piepser leitete Emma zu einer Brücke, die zum anderen Seine-Ufer führte. Um den Angriffen des Geflügelten zu entgehen, lief sie im Zickzack wie ein Hase. Die Autos, die mitten auf der Brücke parkten, damit ihre Besitzer das lautlose Gewitter über den Dächern der Stadt beobachten konnten, boten nur einen unzureichenden Schutz vor den Augen und Klauen des Geflügelten. Ihr Herz pochte heftig, als sie die letzten Meter zum anderen Ende der Brücke zurücklegte und die Schreie der Menschen hörten, als ihr Verfolger von oben auf sie herabstieß.

Sie blieb nicht stehen, um sich umzusehen. Dennoch fraß sich das Gekreische mit der Kälte tief in ihren Körper und ihre Seele. Sie konnte nicht fassen, dass es dem Geflügelten ganz egal zu sein schien, wen er verletzte. Fast kam es ihr sogar so vor, als würde er absichtlich Jagd auf unschuldige Menschen machen. Einfach nur, weil es ihm gefiel.

Zwischen den vielen Lichtern der Laternen und des Verkehrs fiel es Emma schwer, den Piepser im Auge zu behalten. Doch als sie schon glaubte, ihn verloren zu haben, entdeckte sie plötzlich den gelben Ford Mustang, mit dem sie und Derrick nach Paris gekommen waren. Ein Laut der Erleichterung entwich ihrer Brust. Ihre Glieder schienen ganz weich zu werden.

Der Geflügelte musste genau auf diesen Moment gewartet haben. Beinahe senkrecht stieß er aus dem Himmel auf sie herab. Emma hatte gerade noch die Zeit, sich auf den Asphalt zu werfen und abwehrend die Arme vor das Gesicht zu reißen. Die Klauen des Geflügelten schnappten nach ihrer Brust.

Urplötzlich schoss ein Schatten aus der Dunkelheit und warf sich gegen ihren Angreifer. Der Geflügelte wurde von starken Kiefern gepackt und aus der Luft gerissen. Emma rollte beiseite und krabbelte auf allen Vieren davon. Hinter sich konnte sie ein tiefes Knurren vernehmen. Sie hob den Kopf und sah einen großen Wolf, der den Geflügelten an der Kehle gepackt hatte und ihn heftig schüttelte. Als er sich nicht mehr regte, löste der Wolf seinen Biss und fuhr sich mit der Zunge über die blutverschmierten Lefzen.

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