7. Elizabeth Nott
Die Woche verlief ohne weitere Vorfälle. Lilian stellte schnell fest, dass sie fasziniert war von der Magie, die den alten Gemäuern innewohnte: Hogwarts war ein magischer Ort und stand all den Erzählungen in nichts nach.
Sie wünschte, sie könnte sagen, dass der Unterricht ebenso spannend war, allerdings war das Gegenteil wohl ihr größtes Problem. Entweder die Lehrer schienen sie zu hassen - Moody war dafür ein besonders gutes Beispiel - oder der Unterricht brachte sie um vor Langeweile. Geschichte der Zauberei, unterrichtet von einem Geist, wurde dabei nur noch übertroffen von Kräuterkunde. Sie fühlte immer noch die Pflanzenerde unter ihren Fingernägeln, ob wohl sie diese längst in der ersten Pause weggewaschen hatte.
Mittlerweile war es Mittag, und Lilians Magen knurrte leise bei dem Gedanken ans Mittagessen - vorher allerdings sollte sie die Schulbücher noch hinunter in den Gemeinschaftsraum bringen. McGonagall hatte nicht an Lektüre als Hausaufgabe gespart. Doch als sie das Klassenzimmer für Verwandlung verließ, machte sich ein anderes, ungutes Gefühl in ihr breit.
Sie beschleunigte ihre Schritte, doch je näher sie ihrem Zimmer kam, desto schlimmer wurde es. Ihr Magen zog sich zusammen wie ein Gummiball bei Kälte. Ihr Herz hämmerte so laut, dass sie glaubte, man müsse es bis hoch in die Klassenräume hören. Lilian wusste nicht, warum dieses Gefühl auf einmal so überhandnahm, wenn sie genauer darüber nachdachte, kam es ihr irrational und dumm vor. Schließlich hatte sie keinen Grund zur Annahme, dass während ihrer Abwesenheit irgendetwas vorgefallen sein könnte. Doch das Gefühl wollte sie einfach nicht loslassen, egal wie sehr sie sich auch sagte, dass sie sich keine Sorgen machen musste.
Inzwischen lief sie die spärlich beleuchteten Flure im Keller entlang auf die Steinmauer am Ende des Flurs zu. Obwohl draußen die Sonne schien, war es hier so dunkel wie stets. Kein Strahl Tageslicht hatte jemals die Gewölbe unter Hogwarts erreicht, Schatten lauerten hinter jedem Mauervorsprung und manchmal schien es, als würden die alten, verstaubten Rüstungen sich bewegen. Lilian machte die Düsternis dieses Ortes nichts aus, wer im Kerker von Malfoy Manor verstecken spielte, durfte keine Angst vor der Dunkelheit haben. Doch die eng aneinanderstehenden Wände, die immer weiter zusammen zu rücken schienen, machten sie nervös und ließen ihre Schritte beschleunigen.
Endlich stand sie vor der Steinziegelmauer, die den Zugang zum Slytherin-Gemeinschaftsraum darstellte. Hastig murmelte sie das Passwort: „Schlangengift".
Dann trat sie in den Gemeinschaftsraum ein.
Ohne das Mobiliar eines Blickes zu würdigen durchquerte sie den Raum und öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. Lilian kam nicht einmal mehr dazu, sie wieder hinter sich zu schließen, so geschockt war sie von dem Anblick, der sich ihr hier bot. Ihre Sachen lagen über den ganzen Boden verteilt herum, auch die Aufzeichnungen über ihre Experimente. Dinge, die nie jemand zu Gesicht bekommen sollte. Skizzierungen von schwarzmagischen Artefakten, die eine besondere Art von Magie ausstrahlten und Formeln für Zauber, die man nicht orten konnte. Alles, womit Lilian sich bei ihren Nachforschungen je beschäftigt hatte, lag hier offen herum. Es war furchtbar.
Kaum war jedoch der Schockmoment vorbei, ballte sie ihre Hände zu Fäusten. Jemand musste in ihren Sachen herumgeschnüffelt haben, jemand der wusste, wo er suchen musste. Jemand, der das Zimmer kannte.
Mit einer schwungvollen Bewegung zog Lilian ihren Zauberstab und ließ die herumfliegenden Blätter ordentlich auf einen Stapel fallen – nicht, dass Melissa, oder schlimmer, Selwyn noch auch noch in ihren Angelegenheiten herumschnüffelten. Lilians Experimente waren ihr Leben, das, wofür sie sich oft genug Streit mit dem Zaubereiministerium wegen der Nutzung von Magie durch Minderjährige eingehandelt hatte. Sie erinnerte sich noch zu gut an den Vormittag vor der Abreise nach Hogwarts, als Mrs. Zabini ihr damit gedroht hatte, ihr beim nächsten Mal nicht mehr zu helfen, wenn das Ministerium eine Anhörung verlangte. Allerdings wusste Mrs. Zabini auch nichts von Lilians Experimenten, andernfalls würde sie sie ihr bestimmt verbieten. Nur Blaise wusste Bescheid, und der hatte ihr geschworen, es nie jemandem zu erzählen.
Den Zauberstab immer noch in der Hand, verließ sie das Zimmer wieder. Wut übermannte sie. Für Lilian stand es außer Frage, dass eine ihrer Zimmergenossinnen an dem Schlamassel Schuld war, wer auch sonst? Doch wer könnte es sein?
Gerade wollte sie den Gemeinschaftsraum wieder verlassen, als eine ihr bekannte Stimme ertönte:
„Falls du mich suchst, ich bin hier."
Ruckartig drehte Lilian sich wieder um. Vor ihr stand Elizabeth, die dunklen, braunen Haare fielen ihr ins Gesicht und ihre hellblauen Augen hatten diesen kalten, emotionslosen Ausdruck, vor dem sich die jüngeren Schüler immer so fürchteten.
„Du!", zischte Lilian. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Du warst es, nicht wahr? Du hast meine Sachen durchwühlt!" Sie hob den Zauberstab und richtete ihn auf Elizabeth. Ein kleiner Teil ihn ihr protestierte, dass eine solche Wut, wie Lilian sie gerade hegte, absolut unangebracht war, doch dieser Teil wurde schnell von ihr zum Schweigen gebracht. Sie würde sich wünschen, sie hätte Lilian sich nie zum Feind gemacht.
Sie drängte die Hogwartsschülerin mit dem Zauberstab zurück. „Gib es zu!", schrie Lilian Elizabeth mit vor Zorn funkelnden Augen an.
Diese sah allerdings überhaupt nicht verängstigt aus, stattdessen strahlte sie eine eiskalte, bedrohliche Ruhe aus. Beinahe spöttisch hob sie die leeren Hände. „Was soll das, Liliana? Glaubst du denn wirklich, mich mit deinem Zauberstabgefuchtel einschüchtern zu können?"
„Oh ja", knurrte Lilian durch ihre zusammengebissenen Zähne. Auf Elizabeths Gesicht war für einige wenige Sekunden ein Ausdruck des Erstaunens zu sehen, doch genauso schnell war er auch wieder weg.
„Du bist es also wirklich... Erstaunlich...", murmelte sie.
„Was bin ich, hm?", zischte Lilian wütend. Elizabeth lächelte nur. „Du traust dich nicht."
„Und ob", sagte Lilian und legte den Zauberstab an Elizabeths Kehle. Deren Lächeln wurde allerdings nur ein wenig breiter. „Nun mach schon, Lestrange. Greif mich an, wenn du dich traust!"
Dann platzte Melissa herein. Als sie Elizabeth und Lilian so erblickte, rannte sie auf die Beiden zu. „Aufhören! Sofort, alle Beide!"
Lilian ließ augenblicklich von Elizabeth ab. Es kam ihr vor, als wäre sie in Trance gewesen und nun erwacht. Ihr Verstand fühlte sich vernebelt an, als wäre eine riesige Wolke in ihrem Kopf und würde jede Form des logischen Denkens sofort ersticken. „Was...warum...", stotterte sie ein wenig verloren.
Elizabeth allerdings trug immer noch ihr provokantes, schmales Lächeln im Gesicht, auch, als der Gemeinschaftraum sich langsam mit Schülern füllte, die gerade vom Unterricht zurückkamen. Miranda, die kurz nach Melissa hereingekommen war, meinte nur: „Ich werde euch nicht fragen, was hier los war. Aber wenn so etwas noch einmal vorfallen sollte, werde ich mich nicht scheuen, Professor Snape darüber in Kenntnis zu setzen. Und jetzt kommt mit, ich muss euch etwas zeigen." Mit diesen Worten marschierte sie zur Tür hinaus, Melissa warf noch einen Blick über die Schulter, dann folgte sie ihr.
Lilian sah ihnen verwirrt hinterher. Miranda schien es nicht einmal zu interessieren, was hier passierte, solange es sie nicht in irgendeiner Form behinderte, während Melissa sich für Lilians Geschmack etwas zu sehr für die Angelegenheiten anderer begeisterte. Dennoch schienen die beiden wirklich aneinander zu hängen - doch wie konnten zwei derart unterschiedliche Menschen so eng miteinander befreundet sein?
Lilian und Nott setzten sich auch langsam in Bewegung, doch kaum waren sie draußen auf dem Flur, zischte Elizabeth Lilian etwas zu. „Dein Fluch ist nichts im Vergleich zu meinem." Kaum hatte sie fertig gesprochen, beschleunigte sie ihre Schritte und holte zu Melissa und Miranda auf.
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