33. Streitigkeiten
"Du bist doch komplett bescheuert, Lil! Was soll mir das jetzt sagen, hm? Soll ich mich jetzt verziehen, dir sagen, dass gestern Abend ein Fehler war?"
Melissas Stimme wurde immer lauter.
"Tja, das kriegst du aber von mir nicht! Ich bin kein verängstigtes Häschen, das wegrennt, wenn jemand schnippt, hörst du?"
"Mel, ich habe kein plötzlichen Anwandlungen, weil ich eine Lestrange bin oder sowas. Meine Mutter hat zwei Menschen gefoltert, bis sie nicht einmal mehr ihren eigenen Sohn erkannten. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs - es wird mit jeder Generation schlimmer, oder nicht? Weil jede Generation mächtiger wird. Also bitte, tu uns beiden einen Gefallen und geh einfach."
Mel schüttelte den Kopf, die honigblonden Haare fächerten sich um ihren Kopf herum auf, ehe sie einen Schritt zu Lilian hin tat. Und noch einen.
"Du kannst sagen, was du willst, Lilian", mittlerweile stand Melissa vor ihr und griff nach Lilians Hand, "Ich bleibe bei dir. Egal, was passieren wird, ich bin für dich da. Du bist mir wichtig, ist das klar? Und wir werden einen Weg finden, um deinen Fluch zu brechen."
Süß, wie wichtig du ihr bist. Ist das auch noch so, wenn sie erfährt, wie oft du sie schon angelogen hast?
Lilian wollte sich aus Melissas Griff winden, ihr gelang es jedoch nicht.
"Diamond", wandte sich die junge Macmillan an das Mädchen im Gemälde, "Gibt es irgendeinen Umweg? Den Fluch aufzuhalten, ohne dass Lilian etwas zustößt?"
"Du meinst, ein Schlupfloch?", fragte Lucette. Melodramatisch legte sie den Zeigefinger ans Kinn. "Hmm, lass mich mal überlegen, könnte sein, dass ich mich da an was erinnere. Aber vielleicht müsste mir jemand auf die Sprünge helfen?"
Melissa kniff die Augen zusammen. "Wie wäre es mit einer weiteren Vereinbarung: Du erzählst uns, was du weißt. Und wir erfüllen dir einen weiteren Wunsch."
Lucette lachte, ein kühler, melodischer Ton, vergleichbar mit einem Windspiel. "Diese Informationen kosten eindeutig mehr als bloß eine Haarbürste. Morgana weiß, wo sie mich findet, genauso wie sie wissen wird, woher ihr die Informationen habt. Sie wird ausbrechen - eines, nicht allzu weit entfernten Tages. Ich wäre dann äußerst ungern eine Station auf ihrem Rachefeldzug."
"Und wenn du frei sein könntest?", platzte es aus Mel heraus.
Lilian schüttelte den Kopf. "Mel, das kannst du nicht machen. Wir können ihr nichts versprechen. Und es wäre töricht, es darauf anzulegen, dass wir noch einer weiteren Person etwas schulden.
Melissas Augen suchten den Kontakt mit Lilians. "Du bist die mächtigste Hexe, die ich kenne, selbst ohne die Fähigkeiten deiner Vorgängerinnen. Wir können gemeinsam einen Weg finden, wenn das heißt, dass wir dich von dem Fluch befreien können."
Sie wandte sich wieder an Lucette, die ungläubig aus dem Gemälde heraus starrte.
Mel fuhr fort. "Du hast erwähnt, dass dieses Portrait dein Gefängnis ist. Du warst mal ein realer Mensch, nicht wahr? Im neunzehnten Jahrhundert vielleicht.
Was also, wenn du frei gelassen werden könntest? Wenn du gehen könntest, wohin auch immer du willst? Du könntest dich aus dem Staub machen, Hogwarts hinter dir lassen oder sogar hier zur Schule gehen, ganz egal. Was hälst du davon?"
"Wie ... wie soll das möglich sein?", fragte Lucy. Ihre Stimme bebte, ihre Augen schienen etwas größer geworden zu sein.
"Auf demselben Weg, auf dem wir auch etwas ins Gemälde geschickt haben. Wenn du Lilian hilfst, ihre Magie zu kontrollieren und Morganas Einfluss abzuschirmen, kann sie dich rausholen. Du tust es also zu deinem eigenen Nutzen." Melissas Grinsen wurde breiter, siegessicherer. Sie wusste, dass sie gewonnen hatte, obwohl Lucette längst noch nicht zugestimmt hatte.
Doch wider Erwarten verzog Lucy die Lippen zu einem missmutigen, hoffnungslosen Strich.
"Ich fürchte, das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, Macmillan. Man kann den Fluch nicht einfach besiegen und trotzdem noch von der Urmagie Gebrauch machen. Entweder man tut es erst gar nicht, oder man akzeptiert die Konsequenzen. Es gibt nichts dazwischen."
"Könntet ihr vielleicht aufhören, euch über meinen Kopf hinweg zu unterhalten? Ich bin kein kleines Kind", fauchte Lilian.
"Natürlich, Liebes. Möchtest du vielleicht Schokokekse?", fragte Lucette spöttisch und zog eine Augenbraue. Melissa biss sich breit grinsend auf die Lippe, während sie versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.
Lilian verdrehte die Augen. "Ihr versteht den Ernst der Lage nicht."
"Oh doch, den verstehe ich. Aber im Gegensatz zu dir will ich mich nicht in irgendeinem Loch verkriechen, in der Hoffnung, dass es schon vorbei geht, sondern etwas tun", rief Mel und warf frustriert die Arme in die Luft.
Lilian zuckte mit den Schultern. Mel hatte ja recht - könnte sie, würde sie sich irgendwo verstecken und nie wieder zurückkommen. Allein der Gedanke, sie könne Blaise und Mel verletzen, weil sie nicht stark genug war, brachte sie innerlich zur Verzweiflung. Aber vielleicht musste sie wirklich etwas tun. Vielleicht könnte das wirklich etwas ändern.
"Das Risiko ist viel zu hoch, was machen wir, wenn-", versuchte sie einzuwerfen, wurde jedoch sofort unterbrochen.
"Nicht wenn, falls. Niemand kann sagen, was wann passieren wird. Deine Mom konnte hier sieben Jahre lang zur Schule gehen, ohne dass sie aufgefallen ist."
"Meine Mom hatte aber auch eine Gruppe von angehenden Todessern an ihrer Seite, die jede Leiche irgendwo verscharrt haben", brummte Lilian zynisch.
"Nun sei nicht so pessimistisch, Lil", lächelte Mel, doch in ihren Augen spiegelte sich Sorge.
Lilian wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ihr fiel kein sarkastischer Kommentar mehr ein, der beschönigen könnte, was gerade passierte. Also blieb sie stumm, und verzog die Lippen zu einem angespannten Lächeln.
"Weißt du was, ich gehe in die Bibliothek. Ich ... es tut mir Leid", flüsterte sie noch, dann ergriff sie die Flucht aus dem Korridor.
Du läufst schon wieder weg, Liliana.
Du hättest auf uns hören sollen. Du kannst es nicht schaffen.
Versuch es gar nicht weiter, du blamierst dich nur.
Ihre eigenen Schritte hallten zwischen den Wänden des Ganges wider, während sie auf die großen Flügeltüren der Bibliothek zusteuerte. Als sie eintrat, wurde sie sofort von einem zischenden "Pssst!" empfangen, ehe sie auf die Regalreihen zusteuerte, bei denen sie vermutete, fündig zu werden, wenn sie nach alten Familienstammbäumen suchte.
Vielleicht würde es ihrem Problem ja helfen, wenn sie endlich die Identität von A. M. lüften könnte. Und vielleicht würde sie das auch von dem Bild des verängstigten Ausdrucks in Melissas Gesicht ablenken, das sich ihr Gehirn eingeprägt hatte.
Sie zog ein schmales, schwarzes Buch aus dem Regal, das sich um die Blutslinien der Familie Malfoy drehte, und begann, zu blättern.
Armand Malfoy. Abraxas Malfoy. Aspen Malfoy.
Lilian notierte sich die Namen. Alle drei waren längst tot - doch mittlerweile wusste sie dank Phineas, dass Urmagie vor dem Tod keinen Halt machte.
Sie griff nach weiteren Büchern. Die meisten Aufzeichnungen waren länger nicht aktualisiert worden und reichten bis zur Generation von Lilians Großeltern, wahrscheinlich zum Wohl der Schüler - niemand sollte an persönliche Informationen gelangen, ohne dass der Betroffene sein Einverständnis gegeben hatte. Doch die Unantastbaren Achtundzwanzig waren ein fester Teil der Zauberergeschichte und so konnte man schlecht die verzweigten Stammbäume aus den Archiven entfernen.
Es gab wenige reinblütige Familien, deren Nachname mit "M" begannen. Außer den Malfoys waren nur die Macmillans Teil der Unantastbaren. Andere Familien waren die MacDougals und die Familie Max, ebenso die Moodys.
Es dauerte kurz, bis sie darauf kam, dass das bedeutete, ihr neuer Professor in Verteidigung gegen die dunklen Künste war ein Reinblüter. Umso befremdlicher fand Lilian, welche Abneigung Moody gegen die Todesser und auch ihr gegenüber hatte - müsste er als Reinblüter nicht verstehen, warum die Familien zusammenhalten mussten, egal, ob sie dieselben Ansichten hatten? Und stattdessen war er Auror und jagte jeden, der mit hinein geraten war in den Teufelskreis rund um die Todesser.
Alastor Moody.
A. M.
Und wenn diese Aurorensache nur Fassade für denselben Fanatismus war, den auch die Blacks so verteidigten?
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