Wir hatten schon Samstag, als ich wieder nach Rust ging. Die blöde Englischarbeit hatte meine ganze Zeit beansprucht. Trotzdem war ich, wie immer, gut gelaunt, als ich das Gelände betrat. Bei den Pferden fühlte ich mich schließlich am wohlsten.
Marion traf ich dort als Erstes. Sie saß in ihrem Miladykostüm auf einem Plastikstuhl vor Thorgals Box und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.. „Ich dachte, du wolltest nicht sagen, dass du hier arbeitest.", begrüßte sie mich und meinte damit meinen Kommentar von Facebook. Ich zuckte die Schultern. „Irgendeiner hätte es sowieso gesagt und wen stört es? Im Netz kennt mich, bis auf euch natürlich, sowieso niemand.", erklärte ich. „Und noch was, Marion, was sollte der Sonnenschein? So etwas sagt man zu kleinen Babys, aber nicht zu der Person, die den wichtigsten Job hier hat.", grinste ich, gespielt beleidigt. „Es ist doch so. Du bist so ziemlich die Einzige, die durchgehend gute Laune hat und diese auch noch verbreitet!", meinte meine Freundin entschuldigend und schmunzelte.
„Ok, von mir aus.. Aber ich hatte auch nicht immer gute Laune. Zum Beispiel am letzten Vollmond.", konterte ich. „Ja da, das zählt nicht. Da konntest du ja nichts dafür.", Marion lachte. „Ok, ist ja gut.", meinte ich nur ausweichend und wechselte schnell das Thema, denn ich hasste es, wenn ich in Konversationen verlor. „Was machen wir heute? Wieder fechten? Oder proben wir mal, wie ich am besten vom Pferd falle?", redete ich also schnell herunter, doch meine Freundin schüttelte leicht den Kopf. „Nicht ganz. Zuerst schauen wir, dass du vom Thronpodest auf die Matte fallen kannst. Dann vielleicht noch fechten. Und heute Mittag haben wir eine Verabredung mit den Globe Darstellern. Danach kannst du machen was du willst, wahrscheinlich wirst du reiten gehen, wie ich dich kenne." Ich überlegte und ging in Gedanken meinen Plan für heute durch.
„Warte mal, Marion, kann ich heute Nachmittag schon früher gehen? Ich habe noch Training im Voltigieren. Können wir dafür noch ein bisschen die Trickreitsachen üben? Und das Fechten auf Morgen verschieben?", fragte ich. Verwundert hob die Milady eine Augenbraue. „Ja klar, so können wir das auch machen, auch wenn Fechten für dich jetzt wichtiger wäre, denn das kannst du ohne Musik nämlich nicht wirklich." Ja, Dankeschön. Das wusste ich auch selber. „Danke, Marion.", freute ich mich trotzdem für ihre Entscheidung, erst morgen wieder zu fechten. „Ok, kommst du dann mit in die Arena?", meinte sie schließlich und winkte mich zu sich. Ohne Widerrede folgte ich ihr und half ihr, die Matte in die Arena zu tragen.
Dort positionierte sie die weiße Polsterung unter dem Thronpodest. Ich kletterte schon mal darauf. Ok, sehr hoch war das ja nicht, aber mit Salto? „Kannst du das? Oder sollen wir zuerst leicht anfangen?", fragte die Milady von unten und blinzelte gegen die Sonne zu mir hoch. Sah ich so aus, als bräuchte ich Hilfe?, dachte ich sarkastisch. So etwas kratzte zu sehr an meinem Stozl. Also ließ ich mich einfach fallen und versuchte mich in der Luft zu drehen, was mir auch gelang. Da wurde ich auch schon von der weichen Matte aufgefangen.
„Huch", machte ich. „War's das schon?" Marion lächelte. „Klar, du kannst ja auch schon alles. Warum teste ich das überhaupt? Mach ruhig noch ein paar Mal, damit ich mich davon überzeugen kann, dass du es auch wirklich kannst.", sie verdrehte die Augen und murmelte irgendetwas von Multitalent. Ich gehorchte ihr und nachdem ich mich einmal überwunden hatte, schaffte ich es auch die anderen Male. „Kein Problem also.", freute sich meine Trainerin und nachdem wir die Matte wieder weggeräumt hatten, hängte sie das rote Tuch auf, damit ich das Trickreiten auch mal in Echt probieren konnte. Das Tuch hing als Absperrung für die Pferde da, damit sie in einer vorgegeben Bahn laufen mussten. Während dem Trickreiten hatte man nämlich nicht wirklich viel Kontrolle über das Pferd.
Die blonde Stuntreiterin hatte dafür Irmao, der heute nicht in der Show ging, gesattelt. Als wir uns warm gemacht hatten, ging es auch schon los. Für den braunen Hengst war Trickreiten nicht neu und so preschte gleich los, sobald ich die Hilfen gab. Ich ließ die Zügel los und ließ mich an seiner Seite hinunter hängen, kurz bevor er wieder in den Stall preschte, schwang ich mich wieder auf seinen Rücken und bremste ihn. Trickreiten erforderte eine hohe Konzentration und deshalb war ich, als wir die Arena nach einer halben Stunde räumen mussten, auch vollkommen fertig.
„Oh man, das ist ja wirklich anstrengend.", brummelte ich und ritt den nassgeschwitzten Irmao trocken. „Aber du warst heute Brav.", lobte ich ihn. „Immer doch.", sagte er leise und gähnte. Marion richtete inzwischen Thorgal für ihre Show.
Ich brachte mein Pferd zurück in seine Box und zog mir schnell meine Alltagskleidung an. Dann setzte ich mich ins Publikum und sah mir schon wieder die Show an. Diesmal passte ich sogar auf und redete einige Parts, in mich hinein grinsend, mit. Doch dann kam es anders als geplant, als der Herzog und die Herzogin ausgesucht wurden.
Denis ging nachdenklich das Publikum durch, während Stéphane schon längst den Herzog gefunden hatte. Vor mir blieb er schließlich stehen und reichte mir die Hand. Ich warf ihm den bösesten Blick zu, den ich drauf hatte. „Komm schon", sagte er grinsend. Also richtete ich mich auf und als er mich nach dem Namen fragte, sagte ich nichts. Er wusste ihn ja. Natürlich stellte er mich augenverdrehend als Hanna vor.
Als wir das Publikum entlang zum Thron schritten, beschimpfte ich ihn leise, während ich noch schön brav winkte. „Warum ich? Musste das sein? Kann man nicht einmal die Show genießen?", fragte ich gespielt sauer. Doch er ignorierte mich, da er das Mikrofon anhatte und so nicht kontern konnte, ohne dass das ganze Publikum es mitbekam. Als wir die Kostüme angezogen hatten, forderte er mich, wie immer an dieser Stelle, zu einem Tanz auf.
Ich gehorchte, während ich ihn weiter leise aus Spaß beschimpfte. „So, hinsetzen und brav sein.", sagte er verschmitzt und schubste mich sanft auf den Thron der Herzogin. Irgendetwas heckten sie aus, dass sah ich ihm an. Als er kurz darauf hinter mir stand und das Mikro aus hatte, erklärte er mir kurz die Sachlage. „Improvisiere. Wir stellen dich jetzt vor. Heute sind recht viele unserer eingefleischten Fans da. Und die Stammbesucher. Touristen sind dagegen fast gar nicht anwesend." Um genau zu sein, waren vielleicht 50 Leute da. Das war für das sonnige Wetter heute eigentlich ziemlich ungewöhnlich.
Doch meine Aufmerksamkeit wurde wieder sofort auf das Geschehen gelenkt, denn die Musketiere kamen an, um uns, das Herzogenpaar zu beschützen. Christophe warf mir auffordernd einen Degen zu. Ich fing ihn wortlos auf und wartete bis ich wohl an der Reihe sein würde. Recht schnell. Denn statt wieder aufzustehen, blieben heute die drei Musketiere liegen, sodass ich ganz allein der Milady ausgesetzt war.
Marion winkte mich kurz heran, lächelte ermutigend und dann kämpften wir auch schon. Mein Degen flog wie ferngesteuert durch die Luft und ich konnte geschickt Miladys Angriffe parieren. Was auch nicht schwer war, denn sie machte es extra einfach für mich. Anschließend rappelten sich die Musketiere wieder auf und trieben meine Freundin vom Podest runter, damit Platz für Ludovic, als Kardinal war. Als auch er besiegt war, diesmal nur durch die Musketiere, nahm Chris mich mit zu Thorgal, der unten wartete.
Marion saß schon auf ihm und reichte mir die Hand, damit ich mich hinter sie schwingen konnte und wir für das Ende bereit waren. Denn die Geschichte hatte mit dem Besiegen von dem Kardinal geendet.
Jetzt las Denis unsere Namen vor. „Milady de Winter: Marion Levavasseur! Heute in Begleitung von unserer wunderschönen Herzogin Hanna! Sie ist seit zwei Wochen mit von der Partie. Das gesamte Arena Team heißt sie recht herzlich Willkommen!", stellte er mich vor.
Ich schlang meine Arme um Marions Taille, um nicht von Thorgal zu fallen, der im vollen Galopp gerade die Runde drehte. Neben mir klickte ein Fotoapparat und ich setzte mein schönstes Lächeln auf. Heute ritten alle noch eine Ehrenrunde, meinetwegen. Bis sie schließlich doch in die Arena abbogen und sich aufstellten.
Thorgal keuchte. „Das ist aber doch hoffentlich nicht immer so? Euch beide im vollen Galopp durch die Gegen zu tragen ist nämlich anstrengend!", beschwerte er sich. „Nein Thorgal, das ist nur heute", beruhigte ich ihn, sodass es nur er und Marion hören konnten. „Was hat er gesagt?", fragte seine Reiterin leise. „Ach, er beschwert sich nur, dass wir beide ihm fast zu schwer sind." Meine Freundin lächelte und lobte ihr Pferd. „Hast du gut gemacht, Großer." Der blonde Hengst verdrehte die Augen. "Das macht es auch nicht besser... Aber schön, dass du mich wenigstens dafür lobst."
Dann ritten wir hinaus, doch jemand erwartete uns an der Bande. „Kommt ihr nochmal?", fragte dieser jemand und Ludovic, hinter uns, antwortete mit „Ja, warte noch kurz, Nicole!", rief er und wir verschwanden hinter dem Vorhang.
Sobald wir außer Sichtweite waren, rutschte ich von Thorgals Rücken. „Warte, Nicole will noch Bilder machen.", meinte unser Boss. „Nicole?", fragte ich. „Ja, sie macht Bilder von unserer Show. Vielleicht kennst du sie ja von Facebook. Da stellt sie regelmäßig Bilder hinein.", erklärte er. „Achso, die.", ich wusste wieder wer sie war. Sie konnte richtig gut fotografieren.
Als alle Personen, außer eben unsere Lieblingsfotografin, draußen waren, ritten wir wieder hinein. Ich lief diesmal. Unerwarteterweise sprach sie mich jedoch plötzlich an. „Hanna? Du bist doch die mit dem Video, oder?", fragte sie auf Französisch und ich blieb auch im Französischen, obwohl ich wusste, dass sie Deutsche war. „Ja, die bin ich", sagte ich und beschoss Christophe mit wütenden Blicken. „Halt mal, mit dir habe ich ja noch eine Rechnung offen.", sagte ich verschmitzt. „Nachher, ja?", redete er sich raus und wir ließen Nicole erst einmal die Bilder machen.
„Soll ich von dir auch ein paar Bilder machen? Du hast nämlich immer noch kein Profilbild in Facebook und überhaupt. Es gibt absolut nichts von dir.", schlug die rothaarige Frau vor und ich ergab mich meinem Schicksal.
Mal machten wir Bilder zu Pferd, ich lieh mir Aguilito von Louisa aus, mal machten wir Bilder von Marion und mir, weil ich gerne ein paar Bilder mit ihr haben wollte und mal ganz alleine. Insgesamt ging es knapp 40 Minuten und ich war froh, als ich es hinter mir hatte. „Sehr schön!", rief Nicole. „Dankeschön. Ihr bekommt die Bilder morgen!" Ludo nickte und sobald sie gegangen war, ging ich schnell zu Rango, der geduldig auf Chris wartete, der uns zugesehen hatte. „Du bewegst dich nicht vom Fleck, ok? Falls er dich aber verletzt, darfst du gerne steigen. Ich habe mit deinem Reiter noch eine Rechnung offen.", eröffnete ich ihm und der Hengst nickte gehorsam.
Und wirklich. Als Chris hinaus reiten wollte, bewegte sich Rango keinen Meter vorwärts sondern gähnte nur demonstrativ. Zuerst war sein Reiter verwirrt, denn während ich mit Rango geredet hatte, hatte Marion ihn abgelenkt. Auch sie fand es lustig, Chris mal zu verarschen. Meine Rachepläne gegen den Übeltäter kannte sie zwar selbst nicht, doch trotzdem spielte sie mit.
Als der Stuntreiter dann mal ein bisschen härter wurde und wieder ganz in seinen alten Reitstil verfiel, stieg Rango auch wie geheißen. „Was ist denn mit dir los?", wunderte der braunhaarige Mann sich und stieg ab, um ihn führen zu wollen. Doch auch hier bewegte sich Rango keinen Meter vorwärts. Marion und ich lehnten an der Wand des Arenaausgangs und lachten uns schlapp. Vor allem, als Chris anfing, sein Pferd ziehen und schieben zu wollen.
Als er schob, bekam ich einen endgültigen Lachflash. Das sah so urkomisch aus, dass ich vor Lachen beinahe am Boden lag. Allerding bemerkte Chris das. „Ja, lach nicht so, sondern hilf mir lieber!", beschwerte er sich. „Lass ihn doch da stehen", kicherte ich. „Haha, sehr lustig", kam es sarkastisch zurück. „Rango, willst du da noch Ewigkeiten rumstehen?", brummte er.
Dem Hengst machte es allmählich auch Spaß, seinen Reiter zu veräppeln. Demonstrativ winkelte er ein Bein an und verfiel in eine Döspose. „Kann mir mal jemand helfen? Ich bekomme mein Pferd nicht vom Fleck!", beschwerte Chris sich lautstark. Nachdem ich ihn noch fünf Minuten länger zappeln gelassen hatte, erbarmte ich mich und ging zu ihm. „Das war meine Retourkutsche, falls du den Grund wissen wolltest", lachte ich und nahm Rango selbst am Zügel.
Sofort folgte der Braune mir. Ärgerlich stapfte sein Reiter hinter uns her. „Das bekommst du zurück!", rief er mir nach, als ich das Pferd in die Box führte. Ludo, der die ganze Show am Rande mitbekommen hatte, trug gerade Hidalgos Sattel in die Sattelkammer und lief uns so über den Weg. „Na? Dein Pferdchen vom Fleck bekommen?", fragte er schmunzelnd. Das brachte das Fass bei Chris zum Überlaufen. „Nein!", knurrte er sauer und stapfte davon. Marion klopfte mir auf die Schulter. „Der ist aber jetzt mächtig sauer!", sagte sie noch besorgt. „Das war ich auch, als er das Video auf Facebook gestellt hat.", erwiderte ich. „Gehen wir jetzt was essen? Ich habe nicht wirklich Lust, ihm über den Weg zu laufen. Ich wette, der Gegenschlag wird folgen.", erklärte ich trocken. Marion hob eine Augenbraue. „Klar doch, wir wollen doch noch die Globe Darsteller treffen.", stimmte sie mir zu und wir gingen.
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Anbei ein Bild von Ludo und Pelegrino.
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