Samstag, 26. Oktober 2019
„Bis später", kaum, dass Joels Auto zum Stehen gekommen ist, bin ich schon aus dem Haus geeilt. Auf die neugierigen Fragen meiner Eltern kann ich gut verzichten.
„Hey", Joel steigt aus und öffnet mir die Beifahrertür. „Wow, endlich lerne dich mal bei Tageslicht kennen. Hattest du beim letzten Mal auch schon rote Haare? Egal, wir haben eine lange Fahrt vor uns, willst du deine Jacke in den Kofferraum legen?" Ohne ein weitere Wort nimmt er mir meine Handtasche und die Lederjacke ab und verstaut beides im Kofferraum.
„Und, wie war dein Tag?", fragt er und lässt den Motor an.
„Könnte besser sein, lass uns über was anderes reden", winke ich mit einem Lächeln ab. „Was machst du eigentlich beruflich?"
„Ich studiere Musikmanagement", er schenkt mir ein Grinsen. „Wenn es gut läuft, mache ich nächstes Jahr meinen Abschluss", und schon erzählt er mir von seinem neusten Projekt. Ich bekomme kaum mit, wie lange wir schon unterwegs sind, bis er auf einem Parkplatz hält und mir wieder dieses Grinsen schenkt, bei dem Schmetterlinge durch meinen Körper jagen.
„Da wären wir", Joel steigt aus und holt unsere Sachen aus dem Kofferraum. „Ich habe gar nicht gefragt, wieso du mit dabei bist?" Wir schließen uns den restlichen Familien an und werden langsam Richtung Eingang geschoben. „Hat er dich bestochen?"
„Nein, er hat höflich gefragt", ich hänge mir meine Tasche über die Schulter. „Ist das so ungewöhnlich?"
Mit großen Augen nickt Joel. „Er hat noch nie Freunde mit zu seinen Spielen gebracht. Umso verwunderter war ich, als er mich gefragt hat, ob ich dich abholen kann."
Den restlichen Weg legen wir schweigend zurück. Erst auf der Tribüne ergreift Joel wieder das Wort.
„Wenn du möchtest, kann ich dich zu den nächsten Spielen gerne wieder mitnehmen. Wir könnten auch Nummern tauschen, dann müssen wir nicht immer über meinen Bruder kommunizieren."
„Erst mal gucken, ob es mir gefällt", winke ich lässig ab, obwohl mein Herz in Aufruhr ist. Es würde am liebsten ganze Wochen mit ihm verbringen, doch ich habe schlichtwegkeine Zeit dafür. Joel nickt verständnisvoll, da wird auch schon das Spiel angepfiffen.
„Und, wie fandest du es?", mit roten Wangen und einer Sporttasche über der Schulter kommt Julius uns im Gang entgegen gelaufen. Die nassen Spitzen seiner Haare hängen ihm in die Stirn, doch er streicht sie energisch zurück.
„Laut", ist das erste Wort, das mir zu den zwei Stunden einfällt.
Julius lacht. „Das ist alles was dir dazu einfällt? Kein, du hast gut gespielt?"
„Ähm, ich hab nicht sonderlich viel Ahnung von Handball, keine Ahnung ob du gut bist", rücke ich mit der Sprache raus und bringen nun auch Joel zum Lachen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bis dahin gar nicht wusste, dass Julius auch Handball spielt.
„Lasst uns zum Auto gehen, ich habe Hunger", Joel geht vor und lässt uns beiden etwas Privatsphäre.
„Und wie findest du meinen Bruder?", neugierig schaut Julius zu mir runter.
Nicht sehr überrascht seufze ich. „Er ist nett, doch das ist schon alles. Trotzdem danke für den Versuch", lüge ich und hoffe, dass er meine roten Wangen auf die Hitze der Halle zurück führt.
„Immer wieder gerne", er zwinkert mir zu. „Wer weiß was die Zukunft bringt, in drei Jahren frage ich einfach noch mal", damit dreht er sich um und kämpft sich durch die Menge. Dabei muss er alle paar Schritte stehen bleiben, weil einige der Mütter ihn erkennen und anfangen über das Spiel auszufragen. Zumindest merkt er so nicht, wie meine Stimmung kippt. Er ist so selbstsicher, dass er das Spiel überleben wird, dass es fast weh tut, denke ich. Denn vermutlich wird das nicht der Fall sein, jedenfalls nicht bei den Fortschritten, die wir zur Zeit machen.
Später im Auto fällt es kaum auf, dass ich nicht viel sage. Freiwillig habe ich Julius den Beifahrersitz überlassen und mich auf die Rückbank verzogen. Dort fange ich an, mit Violet zu schreiben, die mit ihrer Aktion sich an Marie zu hängen, noch nicht viel Erfolg hatte.
„Danke fürs mitnehmen", bedanke ich mich. Schnell steige ich aus, winke den beiden noch mal und gehe dann zur Haustür. Innerhalb weniger Minuten habe ich aufgeschlossen, meine Sachen abgelegt und bin durchs Bad gehuscht. Auch wenn es ein schöner Tag war, hat mich Julius' Kommentar daran erinnert, dass wir mitten in einem Spiel sind. Und dass es zur Zeit nicht gut für uns steht. Es wird Zeit, daran etwas zu ändern!
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