Freitag, 24. Januar 2020
„Hey", lächle ich Violet an und deute dann auf die Bank neben uns. „Wollen wir uns setzen?" Es hat genau eine Woche gedauert, bis Violet sich wieder bei mir meldet. Nun treffen wir uns Park um zu reden.
„Gerne", scheu erwidert sie mein Lächeln. Mehrere Minuten sitzen wir schweigend nebeneinander, dann holt Violet tief Luft. „Es tut mir leid. Ich habe lange über deine Worte nachgedacht und ich glaube, ich hatte einfach Angst, was wir finden würden, wenn wir uns mit Mareike beschäftigen. Ich hatte einfach Angst, sie zu verlieren. Doch ich glaube", sie holt tief Luft. „Das habe ich längst."
„Violet?", hake ich nach.
„Ich habe über die letzten Monate nachgedacht. Zuerst habe ich nichts gefunden, doch dann fielen mir einige Sachen auf: erinnerst du dich an den Tag, wo du dich mit Anna getroffen hast?" Ich nicke. „Mareike ist kurz nach dem du mir geschrieben hast, zurück gekommen. Mit einem Buch in der Hand, aus der Bibliothek. Sie leiht sich nie Bücher von dort aus. Irgendwie habe ich es verdrängt, es erschien mir nicht wichtig, doch jetzt glaube ich, dass sie dort war und dich und Anna gehört hat."
„Das ist nur eine Vermutung", lasse ich sie nicht so schnell vom Harken.
„Ich weiß", sie grinst schwach. „Als ich allerdings beim letzten Vollmond nach Hause gekommen bin, war Mareike noch wach. Wir haben uns in der Küche getroffen, kurz geredet und dann ist sie ins Bett gegangen. Es klingt zwar alles nicht verdächtig, doch es könnte sein, dass sie wirklich ein", Violet stockt. „Ein Werwolf ist."
„Hm", mache ich nur.
„Ich weiß, das sind alles nur Vermutungen", resigniert seufzt Violet und beobachtet die anderen Parkbesucher.
„Es ist immerhin ein Anfang", ich lächle. „Was willst du jetzt wegen ihr unternehmen?"
„Erstmal nichts", Violet fummelt an ihrer Jacke rum. „Lass uns abwarten." Erstaunt mustere ich sie, doch sie scheint es ernst zu meinen. Es ist nichts mehr von der Violet über, die sofort etwas unternehmen wollte und nie still sitzen konnte.
„Wir verändern uns", flüstert Violet, die meine Blicke anscheinend bemerkt hat. „Das Spiel verändert uns."
„Nein", wiederspreche ich.
„Bist du dir da sicher?", sie schaut mich aus traurigen Augen an. „Denk nur mal an Anna, die immer nur Augen für Julius hatte und sich trotzdem mit Tom getroffen hat. Oder an Angelina, die zwar ihre Freiheit brauchte aber nie deine akzeptiert hat. Wir haben uns alle verändert, Stella. Sogar du." Sie lächelt schwach. „Denk nur mal an letztes Jahr zurück. Wie du keinem einen Mord zugetraut hast oder an deinen Freundschaften gezweifelt hast. Und jetzt sieh dich an: du bist bereit alles zu opfern damit das Dorf gewinnt."
Unrecht hat sie nicht. Ich habe mich verändert, sie aber auch.
„Damit wir gewinnen", korrigiere ich sie. „Denn wir sind ein Team", euphorisch springe ich auf. „Und dafür müssen wir jetzt nach Spuren suchen."
Auch wenn es schon viel zu spät dafür ist, schauen wir uns die Einfahrt von Julius' Eltern noch mal an. Außer Reifenspuren finden allerdings nichts. Dank Joel, der uns beobachtet hat, dürfen wir auch in den Garten.
„War seit dem Abend jemand hier draußen?", fragt Violet Joel. Unterdessen gehe ich langsam den Zaun ab, konzentriert auf Spuren in der Erde.
„Nein, meine Eltern sind so gut wie nie da und ich habe kein Interesse bei dem Wetter draußen zu sein", Joels Lächeln in der Stimme ist verschwunden, er wirkt eiskalt. Auch er trägt Spuren von dem Spiel davon. Nach einem Nicken zu Violet verschwindet er auch wieder im Haus und lässt uns alleine.
„Schau mal", ich deute auf die Pfotenabdrücke im Beet. „Drei Paare, also drei Werwölfe." Violet holt ihr Handy raus und macht Fotos davon. „Und hier", ich halte die Wedel der Blätter hoch und folge der Spur zum Zaun. „Hier sind Fußabdrücke, zwar verschwommen, aber noch erkennbar." Wieder schießt Violet Fotos. Auf einmal runzelt sie die Stirn und steigt etwas in das Beet.
„Hier hinten sind mehr Spuren", sie steht keinen Meter von mir entfernt direkt am Zaun und hält die Zweige der Büsche hoch. „Es sind vier Paar."
„Was?", ich suche mir meinen Weg und stehe neben ihr. „Stimmt", auf dem Boden sind vier verschiedene Spuren. Zu undeutlich um Profil oder Schuhmarke zu erkennen, aber noch genug, um sagen zu können, dass hier vier Menschen standen. „Wer war der vierte?"
„Gute Frage", Violet geht noch zwei Schritte weiter. „Die Spur taucht hier einfach auf. Wie aus dem Nichts."
„Der Schattenmann", spreche ich es aus, ohne den üblichen Schauer der Angst. „Er war hier, mit den Werwölfen. Er hat mit ihnen gesprochen, ihnen wahrscheinlich Anweisungen erteilt."
„Oder es war Julius." Violet schaut mich an. „Es wäre nicht unwahrscheinlich. Wir wissen ja nicht, welche Spur zuerst da war. Es könnte sein, dass sein Todesschrei nur gespielt war und er hier auf einen Rücken geklettert ist. Vielleicht war er ein Komplize."
„Unwahrscheinlich ist es nicht", ich klettere aus dem Beet. „Lass Joel fragen, ob wir in Julius' Zimmer dürfen."
„Was erhoffst du dir davon, Stella?", Violet folgt mir über den Rasen. „Stella?"
„Ich weiß es nicht", wirbele ich herum. „Aber ein Blick kann nicht schaden, vielleicht finden wir was."
Wie gedacht lässt Joel uns in das Zimmer seines Bruders. Zu zweit drehen wir alles um öffnen jede Schublade. Ohne Erfolg.
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