Not my area of expertise
Ein Klopfen an der Tür ließ Steff von ihrem Buch aufschauen. Auf ihr Ja, betrat Nowi vorsichtig das Zimmer. In seiner Hand hatte er einen Beutel. Er schloss die Tür hinter sich und für einen Moment stand er einfach nur ratlos da, als bräuchte er Überwindung, für das was jetzt folgte.
Stirnrunzelnd schlug Steff ihr Buch zu.
"Ist alles in Ordnung?", fragte sie besorgt. Nowi nickte nur, bevor er sich ans Ende des Bettes, auf dem Steff saß, fallen ließ. Den Beutel hielt er immer noch eisern umklammert.
"Ich...", setzte er an und brach wieder ab. Atmete durch. Blickte auf, sah sie direkt an. "Ich wollte dich fragen, ob... ob du mir... eventuell die Nägel lackieren könntest." Er wandte wieder den Blick ab, seine Wangen knallrot, während er weiterstammelte: "Also natürlich nur wenn du Lust und Zeit hast, du musst das natürlich nicht machen.... ich kann das auch selber, weißt du was? Vielleicht sollte ich-"
"Hey, ich mach das gerne." Sanft legte sie ihre Hand auf seine, um ihn in seinem Redefluss zu unterbrechen. Überrascht schaute er auf, als hätte er wirklich erwartet, dass sie ablehnen würde.
"Ich kann zwar nicht garantieren, dass es sonderlich ordentlich wird, aber ich gebe gerne mein bestes, okay?" Sie stand auf, holte aus ihrem kleinen Bad etwas Klopapier als Unterlage und schnappte sich eins der Kissen vom Sofa. Nowi saß immer noch auf dem Bett, wie bestellt und nicht abgeholt.
"Magst du das Fenster aufmachen? Nagellack stinkt immer furchtbar." Mechanisch nickte er und öffnete die Balkontür. Kalte, klare Luft strömte in das Zimmer.
Steff klopfte neben sich auf das Sofa. Er ließ sich neben sie fallen, immer noch etwas reserviert und auf der Hut.
"Ich schätze mal, du hast in dem Beutel verschiedene Farben?" Schüchtern nickte Nowi und reichte ihr den Jutebeutel. Neugierig warf sie einen Blick hinein. Es waren mehrere Farben, Nagellack-Entferner und noch allerlei anderes Zeugs, was Steff auf den ersten Blick gar nicht erkannte. Er war mehr als nur gut vorbereitet. Aber sie ließ es unkommentiert.
"Farbwünsche?", fragte sie stattdessen, während sie nach und nach die einzelnen kleinen Fläschchen rausholte und auf den Couchtisch stellte.
"Schwarz.", murmelte er leise. Sie musste schmunzeln.
"Wie langweilig", lachte sie und entlockte Nowi damit tatsächlich auch ein ganz kleines Lächeln.
"Na dann los." Steff schnappte sie die schwarze Flasche, öffnete sie und verzog bei dem strengen Geruch erstmal die Nase.
"Leg deine Hand am besten hier auf das Kissen", murmelte sie konzentriert und begann ihre Arbeit. Es war sehr lang her, dass sie das für jemand anderes gemacht hatte.
"Es ist so viel leichter, wenn man das nicht selber machen muss." Nowi antwortete nicht. Er beobachtete einfach nur still, wie Steff seine Nägel lackierte. Doch mit jedem neu lackierten Finger entspannte er sich etwas mehr. Als sie eine Hand fertig hatte, betrachtete er sie prüfend. Lächelnd beobachtete Steff ihn dabei.
Irgendwas an der Art wie er seine Hand vor sich hielt, wirkte so richtig. Da lag ein Hauch Stolz in seinem Blick, eine stille Faszination, als er seine lackierten Fingernägel betrachtete. Zu gern würde sie wissen, was gerade in seinem Kopf vorging. Aber so ganz traute sie sich nicht nachzufragen. Sie hatte Angst, dass er sich verschließen könnte, dass er dachte, sie würde ihn verurteilen.
Es musste ihm schon verdammt viel Mut gekostet haben allein mit dieser Frage zu ihr zu kommen. Sie kannte ihn gar nicht so unsicher. Eigentlich wirkte Nowi immer wie die Ruhe selbst. Strahlte eine stille Selbstsicherheit aus, die sie vom keinem anderen so kannte. Als würde er völlig in sich selbst ruhen.
Doch diese Seite, die er jetzt grad präsentierte, war so viel zerbrechlicher. So voller Unsicherheit, ob das was er eigentlich fühlen wollte, richtig war. Ob er das alles überhaupt durfte.
Steff wusste nicht ganz, wie sie damit umgehen sollte. Das alles lag völlig außerhalb ihres Fachgebiets. Aber sie gab ihr Bestes, um ihm zu zeigen, dass sie ihn voll und ganz unterstützen würde. Egal was kam. Er konnte ihr vertrauen. Sie hoffte, dass er das wusste.
"Sollen wir die andere Hand noch machen?" Zaghaft nickte er und platzierte sie so, dass Steff direkt anfangen konnte. Nachdem sie den Daumen dann fertig hatte, traute sie sich dann doch eine Frage zu stellen:
"Gibt es einen Anlass, wofür wir das machen? Nicht, dass du einen brauchen würdest." Sie warf ihm einen unsicheren Blick zu, aber Nowi bemerkte es gar nicht. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. Aber er verschloss sich nicht vor ihr. Also nahm sie sich den nächsten Nagel vor, vertrauend darauf, dass er sich ihr anvertrauen würde, wenn er soweit war.
"Ich... weiß auch nicht genau. Ich glaub ich will einfach ein bisschen experimentieren? Gucken was sich richtig anfühlt? Macht das... Sinn?" Seine Stimme war leise. Tastete sich vorsichtig vor, stets auf jede von Steffs Reaktionen achtend.
"Fühlt sich das hier denn richtig an?" Nowis Nicken war entschlossen, den Blick auf seine Hände gerichtet, die jetzt fertig waren.
"Ja, definitiv richtig", gestand er dann und lächelte. Automatisch musste auch Steff lächeln. Sie konnte nicht genau sagen, was es war, aber er wirkte so viel mehr wie er selbst, als noch vor ein paar Augenblicken. Ein neues unbewusstes Selbstbewusstsein lag in seiner Haltung während er seine Hände betrachtete.
"Am besten fasst du für die nächsten paar Minuten nichts an. Kannst gerne pusten, aber so wirklich schneller trocknen sie dadurch nicht." Die Zeit, die Nowis Nägel zum Trocknen brauchte, nutzte Steff, um ihre eigenen Nägel nachzulackieren. So abgeblättert, wie der Lack bereits war, war es dringend notwendig gewesen.
"Ist es komisch, dass ich jetzt anfange sowas zu machen?" Steff schaute bei Nowis leiser Frage auf und steckte das Pinselchen zurück in die Flasche.
"Nein, auf keinen Fall. Du... fängst an... du zu sein. Was ist daran komisch? Nur, weil es vielleicht nicht unbedingt jeder auf diese Art macht, heißt es nicht, dass es falsch oder komisch ist. Wenn es sich für dich richtig anfühlt, und du dich wie du fühlst, warum sollte da jemand anderes das Recht haben darüber zu urteilen?" Schweigend dachte Nowi über ihre Worte nach. Sie hoffte, dass es die richtigen waren.
"Ich... fang gerade erst an, diese Seite an mir zu... entdecken? Kann man das so nennen? Naja, auf jeden Fall... weiß ich überhaupt nicht was ich hier gerade mache. Ich habe nur dieses wage Bauchgefühl, dass mir sagt, dass irgendwas nicht stimmt. Und... hiermit fühlt es sich irgendwie besser an. Richtiger. Keine Ahnung." Da war diese Niedergeschlagenheit in seinem Blick, diese leise, allumfassende Verzweiflung, dass er nicht wusste, was er mit diesem Gefühl machen sollte, oder wie er es loswerden sollte. Steff hatte es noch nie zuvor bemerkt. Aber in dem Moment fasst sie einen Entschluss.
"Wenn du willst, helfe ich dir gerne dabei, dieses Gefühl näher zu bestimmen. Nur wenn du das möchtest, natürlich. Aber vielleicht können wir zusammen rausfinden, was sich richtig anfühlt."
"Das würdest du tun?", fragte Nowi leise. Vorsichtige Hoffnung huschte über sein Gesicht. Eine leise Stimme in Steff fragte sich, wie lange er diese Seite bereits vor ihnen allen versteckt hatte, und warum sie noch nie etwas davon bemerkt hatten. Hatte er es so gut verstecken wollen?
"Immer." Am liebsten würde sie nach seinen Händen greifen, um ihre Worte zu unterstreichen, aber sie ließ es aufgrund des frischen Nagellacks lieber bleiben, "Du kannst jederzeit zu mir kommen."
"Ich habe aber keine Ahnung, wohin das alles noch gehen wird."
"Dann werden wir es gemeinsam herausfinden."
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