Kapitel 3.1
Wieder in ihr eigenes Kleid gehüllt, welches inzwischen jedoch sauber war, versuchte Lina am nächsten Tag wieder mal mit der Madam mitzuhalten. Durch ihre Größe konnte sie viel längere Schritte machen, auch ohne ihre Geschwindigkeit zu beschleunigen. Mal deutete sie nach links, mal nach rechts, um ihr die, für Lina wichtigen, Räume zu zeigen. Mitunter auch die Küche, in welche Lina noch immer keinen Blick hatte werfen können.
„Meist findet der Unterricht für die Prinzessin im Atrium oder in der Bibliothek statt. Diese findet Ihr genau hier." Endlich blieb die Madam stehen und deutete mit ihren filigranen Fingern auf eine hölzerne Doppeltür aus edler Herstellung. „Habt Ihr noch Fragen?"
Lina hatte schon aufgegeben, sich sofort alles zu merken, nickte aber, da ihr etwas anderes auf der Seele brannte. „Leider sind meine Koffer noch immer nicht angekommen, daher fehlen auch die Unterlagen, welche Unterrichtsstunden für die Prinzessin geplant waren", erklärte sie und hoffte, dass die Madame ihr sagen konnte, welche gewünscht waren und welche nicht. Zudem würde sie sich merken, wo die Bibliothek war und dort ein paar entsprechende Bücher wälzen.
Die Madam rollte die Augen und gab ein abfälliges Seufzen von sich. „Ja, ich habe gehört, dass die Maskierten sich wohl an Eurer Kutsche bedient haben. Die Königin hat heute Morgen Untersuchungen angeordnet. Ich werde mich um eine Kopie des Königs kümmern und dann eines meiner Mädchen schicken", setzte Madam Filtrin sie in Kenntnis. Eines musste man ihr lassen, sie war auf ihre Weise durchaus hilfreich.
Erneut deutete die großgewachsene Frau auf die Tür. „Geht so lange schonmal in die Bibliothek. Die Prinzessin sollte bald dazustoßen."
Lina neigte den Kopf. „Vielen Dank für die Hilfe", sagte sie, denn es gehörte sich, sich zu bedanken.
Sie öffnete die Tür und sog den Duft von Büchern auf. Das war etwas, was sie wirklich gernhatte. Die Bibliothek war hoffentlich gut ausgestattet. Wenn sie nicht gerade nach ihrem Gesuchten Ausschau hielt, würde sie ihre Zeit wohl hier verbringen.
Lina sah sich neugierig um und betrachtete die hohen Regale, die mit Büchern gefüllt waren.
Leitern waren an den Regalen befestigt, um auch an die hohen Reihen zu kommen. Es war eine eindrucksvolle Bibliothek, doch nichts was mit den Archiven des Magierordens mithalten konnte. So wie sie die Reiche kannte, waren vermutlich auch nur die nicht sensiblen Bücher hier zu finden.
Während sie weiterging, erspähte sie sogar eine hohe Wand, welche komplett mit Fenstern ausgekleidet war und zu einem großen, halbrunden Balkon führte. Dahinter ein wunderschöner Ausblick über den Schlossgarten, in dessen Zentrum ein kunstvoller Brunnen mit Wasserspiel platziert war.
Es war ein wirklich schöner Ort und so blieb sie stehen, um den Ausblick zu genießen. Sie konnte später die Regalreihen danach durchschauen, ob sie interessante Bücher fand. Für heute hatte sie sich sowieso dazu entschieden, mit Magie anzufangen, bis sie die Liste hatte. Oder vielleicht fragte sie auch die Prinzessin ein bisschen aus. Darüber, was sie konnte, was sie lernen wollte und auch über das Reich und die Schlossbewohner.
Kaum war Lina an die großen Fenster getreten, hörte sie auch schon die Tür zur Bibliothek knarzen, gefolgt von eiligen Schritten, die sich auf sie zubewegte.
Überrascht blieb Arabella stehen, als sie Lina erblickte und schien erstmal wieder zu Atem kommen zu wollen. Schnell machte sie einen Knicks und strich einige kleinen Locken zurück, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. „Verzeiht, ich habe verschlafen. Das kommt sonst nicht vor."
Lina wandte sich um und schenkte ihr ein Lächeln. „Da heute unser erster Tag ist, werde ich darüber hinwegsehen. Auch, weil ich erst noch mit Madam Filtrin sprechen musste. Ich bin also auch erst angekommen." Lina deutete auf die Schreibtische, die man hier aufgestellt hatte. So etwas kannte sie aus dem Orden, denn dort gab es immer viele fleißige Schreiber, die beim Lesen Notizen machten oder andere Dinge niederschrieben. „Setzen wir uns erst einmal. Bevor wir anfangen, habe ich ein paar Frage, da meine Unterlagen ebenfalls in den Koffern waren."
Mit einem erleichterten Nicken ließ sich Arabella an einem der Tische nieder und strich nochmal ihren Rock glatt. „Oh ... können wir denn dann überhaupt schon mit dem Unterricht beginnen?", fragte die Prinzessin besorgt. Und doch schien da irgendwie etwas Erleichtertes in ihrer Stimme zu sein, als würde sie sich ohnehin lieber mit anderen Dingen beschäftigen wollen.
„Sofern Ihr mir sagen könnt, was alles im Lehrplan stand. Mich interessiert aber eher, wie Eure Ausbildung bisher verlaufen ist", erklärte Lina, die sich ebenfalls niederließ. An sich interessierte es sie nicht, doch wenn sie wirklich die Hauslehrerin mimen musste, sollte sie das wissen.
Überrascht über diese Frage hoben sich Arabellas Augenbrauen. „Ich dachte, mein Vater hätte sich um solche Informationen gekümmert", meinte sie verwirrt und richtete ihren Blick hinaus aus den Fenstern. „Meine Ausbildung bezog sich bisher auf Etikette, Grundzüge der Politik und Magie. Geschichte, Lesen, Schreiben und Rechnen. Nebenbei das Tanzen, Musizieren und Reiten. Das Nähen habe ich bei meiner Schneiderin gelernt."
Lina nickte. „Dein Vater hat mich durchaus informiert, allerdings hätte ich mich vor dem ersten Unterricht noch einmal mit meinen Dokumenten beschäftigt", erklärte sie schief lächelnd. „Sich diese Dinge zu merken, ist immer schwierig."
„Ja, das verstehe ich natürlich", stimmte Arabella höflich zu und lächelte dezent. Wie sie so dasaß, könnte man sie fast für eine Puppe halten. „Fragt was auch immer Ihr möchtet."
„Ich würde sagen, da Ihr gestern so neugierig auf Magie wart, fangen wir damit an", schlug die vor, hatte sie doch weniger Interesse an ihrer Ausbildung als an ihrer Magie.
Die Prinzessin könnte ihr beinahe leidtun, wenn sie daran dachte, dass sie vermutlich ihre Ausbildung verhunzen würde. Vielleicht könnte Lina sie irgendwann in der Zukunft damit beschwichtigen, dass es notwendig war, um das größere Übel abzuwenden? Das würde sich zeigen.
„Gern, aber ... glaubt Ihr das ist auch in Ordnung?", hinterfragte Arabella den Vorschlag skeptisch. Sie schien großen Respekt vor ihrem Vater zu haben. Ob das gut oder schlecht war?
„Wir können uns auch mit der Politik von Karakams beschäftigen, wenn Euch das lieber ist", schlug Lina vor und hoffte, dass sie das nicht tun würde. Die Politik dieses Landes war nicht sonderlich einfach.
Wenig begeistert kräuselte Arabella die Nase und gab einen missmutigen Laut von sich. „Dann lieber Magie", stimmte sich letztlich zu.
Lina lächelte. So gefiel ihr das. Sie hoffte nur, dass ihr Vater wirklich keine Probleme damit haben würde.
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