7 ~ Von Hauskätzchen und Clankatzen ~ 7
„Koko, warum bist du ein Hauskätzchen?"
Das war das Erste gewesen, was Mondbrise an diesem Tag zu Koko gesagt hatte.
„Es ist ein einfaches Leben. Könntest du dir vorstellen, ich alter Kater würde noch wie ein Junges in der Blattfrische über die Wiesen springen?", war seine Antwort. Er konnte, das hatte der Tag zuvor eindeutig gezeigt. Noch bei ihrer Wäsche am Morgen hatte die Kätzin rote Fäden aus ihrem Fell geleckt. Das Spiel mit den Socken hatte nicht nur ihr Spaß gemacht, er hatte es überhaupt erst vorgeschlagen.
„Meine Hausleute behandeln mich gut, die anderen Hauskätzchen sind freundlich. Wofür das alles aufgeben, wenn ich doch sowieso nicht mehr lange in dieser Welt wandeln werde?"
Darüber wollte sie nicht nachdenken. Dass Koko vielleicht nicht mehr lange zu leben hatte, bei seinem hohen Alter. 200 Monde immerhin! Das war echt viel. Wo kamen Hauskätzchen nach ihrem Tod hin, wenn sie nicht an den HimmelClan glaubten? Sie konnten sich unmöglich für immer auflösen! So funktionierte das einfach nicht. Katzen waren dafür bestimmt, nach ihrem Tod in dem ewigen Jagdgründen zu wandeln und ihren Nachfahren mit nützlichen Tipps und Prophezeiungen zur Seite zu stehen! Wofür sonst hatten sie ihre ganze Lebenserfahrung gesammelt?
Konnten Hauskätzchen denn in ewige Jagdgründe einziehen, wenn sie nicht jagen konnten, von Koko einmal abgesehen? Gab es einen Zweibeinerhimmel? Oder einen Faul-Herumliegen-und-nichts-tun-Himmel? Das war eine lustige Vorstellung.
Aber Mondbrise würde Koko nicht fragen, wo er nach seinem Tod hinkommen würde. Vielleicht wusste er es nicht, oder, wovor sie unglaublich viel Angst hatte, es gab keinen Ort dafür. Zu groß war das Gefühl der Einengung, das sie bei diesem Gedanke überkam, als dass sie diese Frage stellen konnte und sie würde nicht mit der Antwort zurechtkommen, die sie niemals hören wollte. Wenn es die Gefahr gab, dass seine Antwort "Ins Nichts" sein würde, wollte sie erst gar nicht fragen.
„Erkläre mir, warum man eine Clankatze ist, Mondbrise", forderte Koko sie auf. Interessierte ihn das wirklich oder war es nur eine höfliche Gegenfrage? Kannten Hauskätzchen denn die Werte der Höflichkeit und Diplomatie? Sie mussten immerhin niemals mit feindlichen Clans in Kriegszeiten argumentieren oder heftige Streitereien unter den Kriegern lösen, die einen grandiosen Kompromiss verlangten.
„Man fühlt sich frei. Und was ist eine Katze ohne ihre Freiheit? Wir können jagen und patrouillieren, unsere ältesten und jüngsten Clanmitglieder versorgen, Wache halten und so vieles mehr! Wir setzen uns für die Gemeinschaft ein und spüren jeden Tag ein wenig mehr, was es bedeutet, wirklich Katze zu sein", schwärmte sie los.
„Also meinst du, Hauskätzchen sind keine echten Katzen?"
Hatte sie ihn gekränkt? Warum fragte er überhaupt, wenn er mit der Antwort nicht klarkam? Aber in seinen Augen spiegelte sich keine Wut, sondern Neugierde und Fröhlichkeit.
„Natürlich nicht, wir sind ja alle Katzen. Aber ihr Hauskätzchen lebt unter den schweren Ketten, die euch die Zweibeiner angelegt haben. Könnt ihr so denn jemals frei sein?", fragte Mondbrise.
Koko nickte in Zustimmung und bestätigte ihren Punkt. „Ja, wir spüren nie eure Wildheit und die volle Entfaltung unserer kätzischen Gaben."
Ich hatte eben Recht! Was konnte es schon Positives am Hauskätzchendasein geben? Seine bisherigen Punkte hatten mich längst nicht überzeugt. Dagegen war das Clanleben neun Leben besser und hatte keine Nachteile!
„Ihr Clankatzen sterbt viel schneller", merkte der alte Kater plötzlich an. Unverschämtheit! Er hatte nur selbst so viel Glück, uralt zu werden, das bedeutete nicht, dass das für alle Hauskätzchen so galt!
„Ich glaube, das liegt am Abschneider. Wenn ich eine Wunde habe, werde ich immer sofort zu ihm gebracht und er heilt sie. Ich habe keine einzige Narbe, siehst du?"
„Aber das liegt doch nur daran, das ihr Hauskätzchen nie kämpft! Wenn ihr einmal in einen richtigen Kampf verwickelt wärt, würde das sicherlich anders aussehen. Ansonsten haben wir unsere Heilerkatzen, die sind mit Sicherheit viel besser als eure Abschneider!"
In ihrer Rage hatte sie ihren Schweif hoch in den Himmel gerichtet. Ihr Fell war im Nacken gesträubt, ihre Krallen bearbeiteten das Gras unter ihren Pfoten.
„Jetzt lass uns nicht darüber streiten", schlug Koko vor. Das war eine gute Idee. Aber Kriegerkatzen waren trotzdem besser als Hauskätzchen.
Sie lag diesmal zusammen mit dem alten Kater auf der hölzernen Fläche mit dem Klee drauf. Er kitzelte lustig an ihrem Bauchfell. Wie es wohl war, jeden Tag hier zu liegen? Gewöhnte man sich irgendwann an die Kleeblätter im Fell?
Mondbrise scharrte mit ihren Pfoten, die über den Rand des Holzstücks standen, im Gras. Es fühlte sich wirklich feucht und dünn an, es war viel kürzer als auf den großen Wiesen ihres Territoriums.
Sollte sie nicht langsam wieder los? Eine Sonnenhochpatrouille stand noch an, zu der sie sich beeilen musste, um noch pünktlich zu sein.
„Ich muss mich beeilen, gleich läuft meine Patrouille los." Mit diesen Worten sprang sie auf und hüpfte erneut über die steinerne Erhöhung.
„Auf Wiedersehen!"
„Auf Wiedersehen, Koko", rief Mondbrise ihm noch über ihre Schulter zu.
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