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Chapitre 20

Unsere Flucht aus Marseille rauscht als Strom aus Lichtern, Farben und Geräuschen an mir vorbei. Ich fühle mich wie eine leere Hülle, vollkommen ausgeblutet. Schweigend sitze ich neben Louanne und Lilou auf der Rückbank eines dunkelblauen Mazdas und starre mit glasigem Blick aus dem Fenster. Hin und wieder werde ich gefragt, wie es mir gehen und ob ich etwas brauchen würde. Dann nicke ich kurz, damit meine Freunde wissen, dass ich sie gehört habe. 

Als wir das Gebiet der Madame verlassen haben, machen wie Halt an einer Raststätte. Ich will nicht aussteigen, aber ich lasse es zu, dass Didi die Gelegenheit nutzt, um meine Kopfwunde zu untersuchen. Offenbar hat Baptiste mir einen Teil meiner Ohrmuschel abgerissen.

"Wir könnten zurückfahren und nach deinem Ohr suchen", schlägt Didi vor.

Ich starre ihn an und frage mich, ob ich mich verhört habe.

Didi senkt betreten den Blick. "Ja. Hast Recht. Blöde Idee." Er schürzt die Lippen und zupft an seinen fedrigen Haaren herum. "Tut mir echt leid wegen Henri, aber wenn sie die Blutung im Krankenhaus schnell gestoppt kriegen, hat er eine realistische Überlebenschance." 

Als ich darauf immer noch nichts sage, entschuldigt er sich mit der Begründung, nach Julien sehen zu müssen.

Ich bleibe alleine zurück und starre in den Sternenhimmel. Keine Ahnung, wonach ich Ausschau halte. Hinter meiner Stirn herrscht gähnende Leere. Ich kann nicht einmal weinen. Immer und immer wieder höre ich den Knall, mit dem Bernard auf Henri geschossen hat. Wie in einer Endlosschleife. Als hätte er sich in mein Gehör hineingefressen.

Ich hätte Henri nie in diese Sache verwickeln dürfen. Ich hätte dafür sorgen müssen, dass er in Sicherheit ist. Das alles ist meine Schuld. Und wenn er stirbt ... ganz alleine im Krankenhaus ... 

Plötzlich wird der Schmerz so intensiv, dass ich das Gefühl habe, innerlich auseinanderzubrechen. Ich beuge mich nach vorne, klammere mich mit beiden Händen an den Fahrersitz und beiße in das Polster. Ich kann es nicht ertragen. Nicht Henri. Ich kann ihn nicht verlieren. Vor Wut, Schmerz und Verzweiflung entweicht mir ein stummer Schrei. Die Spannung, die dabei in meinem Bauch entsteht, fühlt sich gut an. Ich schreie noch einmal, während ich so fest in das Polster beiße, dass meine Kehle brennt und Spuren im Stoff zurückbleiben. Und endlich sind da auch Tränen. Heiße Tränen des Hasses. Ich hasse mich dafür, dass ich Henri in diese Situation gebracht habe und ich hasse Bernard dafür, dass er abgedrückt hat. Und eines weiß ich ganz sicher: Ich werde ihn dafür bezahlen lassen. Unsere Seelenverwandtschaft ist gestorben. Nichts kann uns je wieder zusammenbringen.

"Chloé ...?"

Jemand berührt mich an der Schulter.

Ich schlucke schwer, löse mich vom Fahrersitz und wische mir die Tränen von den Wangen. Mein Hals schmerzt vom stummen Schreien.

Gael reicht mir eine kleine Flasche Evian.

"Danke", murmele ich.

"Kann ich mich kurz zu dir setzen?"

Ich zögere. Mein Blick wandert zur Windschutzscheibe hinaus. 

Vor dem Eingang der Raststätte stehen Pierre, Louanne, Julien, Lilou und Didi und essen belegte Brötchen. Dabei schielen sie wiederholt zu uns herüber, als würden sie uns einerseits etwas Privatsphäre geben wollen und andererseits gerne wissen, was wir besprechen.

Schulterzuckend gebe ich nach und rutsche über die Sitzbank, sodass Gael neben mir Platz nehmen kann. Er zwängt sich zu mir in den Wagen und zieht die Tür hinter sich zu. 

Ein komisches, unbeholfenes Schweigen entsteht.

"Ich habe im Krankenhaus angerufen", sagt Gael schließlich.

Ich erwidere nichts, da ich meiner Stimme nicht traue, aber innerlich wappne ich mich für das Schlimmste.

"Henri ist gerade aus dem OP raus und sie denken, dass er durchkommen wird."

Tränen brennen mir in den Augen. Meine Sicht verschwimmt.

"Natürlich hängt das ganz davon ab, wie die nächsten 24 Stunden verlaufen, aber die Ärzte klingen optimistisch", fährt Gael fort.

Die Tränen laufen mir über die Wangen und ich wische sie weg. Ein Schniefen kann ich jedoch nicht unterdrücken.

Gael reicht mir ein Taschentuch. Offenbar gehört es zum Job, eines Alphas, immer Taschentücher in Reichweite zu haben. "Wenn Henri das Schlimmste überstanden hat, werde ich versuchen, ihn nach St. Sorcière verlegen zu lassen. Dann können Merlin und er zusammen gesund werden."

"Danke", flüstere ich.

Gael tätschelt meine Schulter. "Courage, Chloé."

Courage, Chloé, courage. Das hat Chalice früher immer zu mir gesagt. Aber vielleicht sagt sie sich das auch selbst. Vielleicht braucht sie diese Bestärkung, um Bernards Eskapaden ertragen zu können. Ich weiß, ich sollte Verständnis für sie haben, aber mein Mitleid ist erschöpft. Alle meine Gefühle sind erschöpft. Bis auf die Wut. Die Wut ist noch da. Ich werde Bernard aufhalten – und es ist mir ganz egal, wie weit ich dafür gehen und wen ich dabei verletzen werde.

Ich wische mir noch einmal über die Nase und die Augen, dann fühle ich mich seltsam klar und beherrscht. "Hast du ein Handy?"

Gael runzelt die Stirn. "Ja?"

"Kann ich es mir leihen?"

"Wen willst du anrufen?"

"Das musst du nicht wissen."

"Ich bin dein Alpha", erwidert Gael.

"Und ich bin dein Beta", gebe ich zurück und strecke auffordernd die Hand aus.

Gael seufzt leise, zieht sein IPhone aus der Gesäßtasche, entsperrt den Bildschirm und legt es mir in die Hand.

Ich wende mich ab, klettere auf der anderen Seite aus dem Auto und entferne mich ein paar Schritte, um ungestört telefonieren zu können. Meine Finger zittern, aber davon abgesehen bin ich wieder komplett bei mir. Während ich Chalice' Nummer wähle, rücke ich den Bund der grauen Sweathose zurecht, die mir ein paar Nummern zu weit ist und mir über die Hüften zu rutschen droht. Die Nachtluft ist warm und stinkt nach Autoabgasen. Diese Kombination beschwört unangenehme Erinnerungen hervor, aber ich schiebe sie beiseite. Was zwischen Bernard und mir passiert ist, wird nie wieder passieren. Wenn ich ihm das nächste Mal auf einem Raststättenklo begegne, wird nur einer von uns den Raum lebend verlassen.

"Chloé? Bist du das?"

Ich presse mir das Handy ans Ohr. "Jules?"

Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich zuletzt mit meinem Bruder gesprochen habe.

"Was machst du ..." Ich formuliere meine Frage neu. "Wieso hast du Chalice' Handy?"

"Zur Sicherheit", antwortet Jules. Er klingt ungewöhnlich förmlich und ich vermeine, ihn im Hintergrund mit Papier rascheln zu hören. Als säße er an einem Schreibtisch und würde irgendwelche Akten sortieren. "Papa hat Ethan und mich gebeten, als Beta einzuspringen."

"Einzuspringen?", wiederhole ich.

"Bis wir jemanden für den Job gefunden haben." Jules räuspert sich verlegen. "Also ... was kann ich für dich tun?"

Ich beiße die Zähne zusammen. 

Es ist überraschend schwer, mit meinem Bruder zu sprechen. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, aber wir sind immer noch Geschwister. Als Kinder haben wir viele Nächte eng aneinandergekuschelt im Kaminzimmer verbracht. Es gibt sogar ein Foto, auf dem ich direkt neben Jules eingeschlafen bin und er mich mit seinem Ohr zudeckt. Wir sind miteinander verbunden. Nicht durch Seelenverwandtschaft, aber durch etwas nicht weniger Wertvolles. 

Stallgeruch, hat Mathéo es einmal genannt. 

Hassliebe, hätte ich damals gesagt, als ich noch zur Schule gegangen bin und Jules und ich uns jeden Morgen um das Badezimmer im oberen Stockwerk gezofft haben. Er hat mir Kleber in die Haare geschmiert und ich ihm Reißzwecken in die Sportschuhe gelegt. Wir haben uns gehasst, aber wir haben uns auch mindestens ebenso sehr geliebt.

Nachdem Jules ausgezogen ist, um mit seiner Seelenverwandten zusammenzuleben, hat sich unser Verhältnis beruhigt. Dennoch hatte ich die Gewissheit, mich immer auf ihn verlassen zu können. Doch jetzt ist alles anders. Ich bin nicht länger Teil seines Rudels und was unsere Familienbande wirklich wert ist, muss sich erst noch zeigen.

"Du hast mir immer noch nicht gesagt, wieso du Chalice' Handy hast", sage ich.

"Falls Bernard anrufen sollte", erwidert Jules. "Außerdem können wir wohl davon ausgehen, dass er das Telefon verwanzt hat. Deswegen bewahre ich es an einem sicheren Ort auf."

"Verwanzt ...?", murmele ich. Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin. "Denkst du, Bernard hört gerade mit?"

"Nicht ganz auszuschließen."

Umso besser, denke ich mir.

"Am besten achtest du darauf, was du sagst", ergänzt Jules. Er schweigt einen Moment, dann schiebt er in einem veränderten Tonfall hinterher: "Geht es dir gut, Chloé?"

Mir wird bewusst, dass Jules und der Rest meiner Familie noch gar nichts von dem Vorfall mit Henri wissen. Sie haben keine Ahnung, was Bernard getan hat. 

"Ja", antworte ich mit belegter Stimme. "Ja, mir geht es gut."

Im Hintergrund biegt ein Auto auf den Rastplatz ein. Die Scheinwerfer blenden mich für einen Moment.

"Hat Chalice noch Kontakt zu Bernard?", will ich wissen.

"Nicht, dass ich wüsste." Das Rascheln im Hintergrund verstummt. "Soll ich ihr was von dir ausrichten?"

"Ja." Ich fasse mir an die Stirn und knete meine Nasenwurzel. "Du kannst Chalice sagen ..." 

Ich atme langgezogen aus. Die Wut pulsiert als fester Knoten in meiner Brust. Heiß und fiebrig, wie ein brodelnder Vulkan, der auf die Größe eines menschlichen Herzens komprimiert wurde und sich danach sehnt, seine ursprüngliche Gestalt zurückzugewinnen. Als Vorgeschmack schießt kochende Lava durch meine Adern. 

"... falls sie noch Kontakt zu Bernard haben sollte, soll sie sich von ihm verabschieden."

Mit diesen Worten lege ich auf.



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