Twenty-two
S.v. Tessa
Seid ich die Nachricht bekommen hatte, dass mein bester Freund gestorben war, waren drei Tage vergangen.
Mein Körper war nur noch eine Hülle, ich bewegte mich selten, bloß wenn es nötig war.
Zum Beispiel, wenn ich auf die Toilette musste oder notgedrungen etwas essen oder trinken musste.
Ich bin nicht einmal zur Arbeit gegangen, was sich wahrscheinlich am Ende des Monats rächen würde.
Aber in diesem Moment war es mir egal.
Elijah war tot und ich musste trauern.
Erst recht jetzt, auf dem Friedhof, auf dem Elijah gleich beerdigt wurde.
Erbarmungslos ließ ich meine Tränen laufen, ich wollte sie auch gar nicht aufhalten.
Ich beobachtete die Eltern von Elijah, sie hielten Lenny im Arm, er drückte sich ganz fest in die Arme seiner Mutter. Wie schwer musste es bloß für so ein kleines Kind sein?
Es war als Erwachsene doch schon so unerträglich.
Ich ließ meinen Blick weiter schweifen.
Es hatten sich seine gesamte Familie, Freunde und weitere Marines hier versammelt, um Elijah die letzte Ehre zu erweisen.
Mein Blick blieb an Tommy hängen, wie er im Rollstuhl saß, weil es ihm noch zu viel Kraft kostete alleine zu laufen.
Er hatte seine Uniform an, sein Blick war starr nach vorne gerichtet.
Ich wollte gar nicht wissen, was in seinem Kopf vor sich gehen musste.
Tommy war der Letzte, der Elijah lebend gesehen hatte.
"Anlegen!", hörte ich eine Stimme schreien, die mich aus meinen Gedanken riss.
"Zielen!"
"Schuss!"
Ich zuckte zusammen, für eine Millisekunde blieb mein Herz stehen.
Dieses Prozedere wiederholte man noch zweimal.
Es war furchtbar.
Marines falteten eine Fahne der Vereinigten Staaten, einer der Männer überreichte es Elijahs Eltern. Mir fiel Mila auf, die Elijahs Mutter von der Seite umarmte.
Der Ring, fiel mir in diesem Moment ein, er saß immer noch auf meinem Finger.
Nach der Beerdigung musste ich ihn ihr unbedingt geben.
Die restlichen Männer hoben den Sarg an, für mich wurde es immer realer.
Ich hatte immer noch gehofft, dass ich einen schlechten Traum hatte und jeden Moment aufwachen würde, jedoch wachte ich nicht auf.
Ich konnte meiner Realität nicht entfliehen.
Elijahs Sarg wurde in die Erde gesetzt.
Mein Herz zerbrach in tausende Teile.
✺
Die Trauerrede war vorbei, doch der Schmerz saß immer noch tief.
Bevor ich Mila aufsuchen konnte, musste ich mich erstmal beruhigen.
Wäre ich heulend zu ihr gegangen, hätte uns das kein Stück weitergebracht, außer, dass wir beide mitten auf einem Friedhof standen und uns die Augen ausheulten.
Aber das wollte ich nicht, Mila brauchte eine starke Schulter und keine, die jeden Moment selbst zusammenbrach.
Und so ging ich, so gut es ging, gestärkt auf Mila zu.
Sie schaute in Ferne, die Sonne ging langsam unter und hinterließ ein Schauspiel, wie rot und orange ineinander kollidierten.
"Hey.", sprach ich bedacht, um sie nicht zu verschrecken.
"Es tut mir schrecklich, was dir passiert ist. Er hat dich wirklich geliebt!", fing ich an draufloszureden.
Ich hatte mir keine Wörter zurechtgelegt, was ich vielleicht hätte tun sollen, bevor ich irgendein Schwachsinn erzählte.
Mir entfuhr ein Seufzer, bevor ich meinen Ring vom Finger abzog.
"Er wollte dich heiraten, nachdem er aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Der sollte für dich sein!", ich streckte meine Hand nach ihrer aus, um ihr den wunderschönen Ring zu überreichen.
Mila musterte das Schmuckstück und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.
Ich konnte ihr es nicht verübeln, es war wirklich der schönste Ring, den ich je gesehen hatte.
"Danke, Tessa, dass du auf diesen Ring aufgepasst hast und ihn mir gegeben hast. Danke, dass du hier warst und mit uns getrauert hast!", ihre Stimme war zittrig, sie weinte schon die ganze Zeit und soeben fiel auch meine Mauer ein.
Ich wollte stark sein, für Mila und für Elijah.
Aber es ging nicht mehr, die aufgestauten Tränen, die sich in so kurzer Zeit gesammelt hatten, strömten über mein Gesicht.
Mila nahm mich in den Arm und wir beide schluchzten um die Wette.
"Er hat dich sehr geliebt.", wisperte ich Mila ins Ohr.
Milas Hände krallten sich weiter in meinen Rücken, aber das fand ich keineswegs schlimm.
Ich wusste, dass sie in diesem Moment meinen Halt brauchte.
Auch wenn sie es möglicherweise nicht ahnte, aber auch sie schenkte mir Halt.
Es war das erste Mal, dass ich wieder über Elijah sprechen konnte.
Mit Tommy konnte ich das nicht.
Es war komisch, da war eine Barriere, die für mich nicht erklärbar war.
Obwohl Tommy Elijah auch sehr kannte, hatte ich das Gefühl, dass er nicht die gleiche Trauer verspürte, wie ich es tat.
Natürlich konnte ich das nicht zu hundert Prozent wissen, wenn ich nicht mit ihm darüber redete, aber dieser Gedanke ließ mich bis jetzt einfach nicht los.
Ich wusste nicht mehr, wie lange Mila und ich noch dort standen und uns einfach im Arm hielten, aber es war schön und traurig zugleich.
Irgendwann löste ich mich von ihr und schaute ihr direkt ins Gesicht.
Ihre Augen waren rot, genauso wie ihre Nase.
Die vielen Sommersprossen, die unwillkürlich in ihrem Gesicht verteilt waren, kamen irgendwie noch mehr zum Vorschein.
"Wenn etwas ist, dann ruf mich an, okay?", Mila nickte zaghaft.
Ich ließ sie stehen und wollte ein weiteres Mal zu Elijahs Grab gehen.
Als ich dort war, konnte ich sehen, wie Tommy davor saß.
Ich legte meine Hand auf seine Schulter, er zuckte leicht zusammen. Er hatte wohl nicht gemerkt, dass ich plötzlich neben ihm stand.
"Es ist immer noch so komisch. Dass er nicht mehr hier ist, mein ich.", und zum ersten Mal redeten wir über meinen toten besten Freund.
"Ich weiß, ich kann es auch nicht glauben. Jeden Moment hoffe ich, dass er um die Ecke kommt und Späße macht, dass er uns alle nur verarscht hat. Aber er kommt nicht.", ich schlucke schwer.
Tommy nahm meine Hand von der Schulter und drückte sie fest.
Wir standen vor dem Grab und schwiegen uns an.
"Egal wann du über ihn reden willst, du kannst jederzeit zu mir kommen, Tessa."
Für diesen Satz war ich sehr dankbar, ich sagte es ihm aber nicht, ich konnte nicht noch eine Heulattacke ertragen.
"Wir sollten jetzt gehen."
Tommy nickte und ich schob ihn zu meinem Auto.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro