2 || Miro's Ernte
Miro Griffiths
Ich stand eingezwängt zwischen den anderen 17-jährigen Jungen, umgeben von aufgeregtem Gemurmel. Schon eine gefühlte Ewigkeit stand ich hier, trotzdem hatte das Ereignis noch nicht begonnen. Immer wieder warf ich Blicke in die Reihen neben mir. Nils war nicht zu sehen, meine jüngeren Brüder auch nicht. Dabei könnten sie ein paar aufmunternde Blicke im jetzigen Moment gut gebrauchen.
Meine Gedankengänge wurden unterbrochen, als tapsende Schritte von der Bühne her zu mir klangen. Ich hob uninteressiert den Blick, es war doch jedes Jahr dasselbe. Die dämliche Kuh trappelte auf die Bühne, zog zwei Tribute und ging wieder. Bisher hatte es mich noch nie erwischt und ich glaubte auch nicht, dass es dieses Mal so weit sein wird. Leider nahm der ganze Prozess viel Zeit in Anspruch, was eigentlich nur an den überflüssigen Reden lag, bei denen man nahezu einschlief.
Ich senkte meinen Blick wieder und versank in Gedanken. Die Rede war echt nicht so spannend, als dass es die Mühe wert war, ihr Aufmerksamkeit zu schenken.
...
"Nils Anderson!", die Worte schallten aus den Lautsprechern. Wie ein Brandzeichen setzten sie sich in meinem Gehirn fest, sodass ich augenblicklich aus meinen Gedanken hochschreckte und erstarrt zu der Tussi blickte. Nils löste sich langsam aus der Menge, auch auf die Entfernung waren ihre zitternden Knie zu erkennen. Ein Kloss bildete sich in meinem Hals und ich war nicht fähig einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Nur eines war mir klar, ich würde Nils wahrscheinlich nie mehr wieder sehen. Ich weiß, dass man optimistisch sein sollte, aber die Wahrscheinlichkeit war in diesem Fall zu gering, um an dem Funken Hoffnung festzuhalten, der noch geblieben war. Ich fühlte mich elend, hilflos, denn ich konnte rein gar nichts tun, um ihr zu helfen.
Wobei, eine Möglichkeit gab es da, aber ich war mir nicht sicher, ob es das Risiko wert war. "Ich melde mich freiwillig!", rief ich, ohne überhaupt nachzudenken. Ich hatte nie vorgehabt mich freiwillig zu melden, schon gar nicht, überhaupt in die Arena zu gehen. In diesem Moment war es, als hätte ich keine Kontrolle über meinen eigenen Körper, denn wäre ich bei Verstand gewesen hätte ich mich, so leid es mir tut, nicht gemeldet. Noch nicht einmal, wenn ich es für Nils hätte tun wollen.
Die Moderatorin starrte verwundert ins Publikum, ihre Augen schienen verzweifelt nach mir zu suchen. Ich trat aus der Menge und ging zur Bühne. Ich spürte die vielen Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten, ich spürte die Erleichterung, die von den Leuten ausging, welche noch einmal heil davongekommen waren. Elende Stille umhüllte mich, nicht einmal die dämliche Tussi wagte etwas zu sagen. Meine Schritte auf Kies waren das Einzige, was man in diesem Moment hören konnte. Die Stufen unter meinen Füssen knarzten. Kaum hatte ich die letzte Stufe erklommen, traf mich Nils entsetzter Blick. "Du Trottel!", schien sie mir sagen zu wollen. Ich zuckte abschätzig mit den Schultern.
"Darf ich fragen wie du heißt?", säuselte die Moderatorin mit einer Stimme, die weit über der durchschnittlichen Höhe lag.
"Miro Griffiths", antwortete ich düster.
"Wie hinreißend!", quiekte sie.
"Wenn sie meinen", sagte ich und starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Sie lächelte unsicher. Ich schmunzelte innerlich, es war einfach zu herrlich anzusehen, wie blöd sie eigentlich war. Ich hatte mir die Ernte oft genug angesehen, um zu wissen, was wir zu tun hatten. Ich reichte Nils meine Hand, um sie zu schütteln. Sie griff danach und schüttelte sie. Ihr Blick wirkte noch immer aggressiv. "Blödmann!"
Mit gespielter Begeisterung, was unübersehbar war, klatschte die Dame wie verrückt in die Hände, in der Hoffnung, das Publikum würde einstimmen. Es klang jämmerlich, aber es störte mich nicht, ich sah keinen Grund dazu bejubelt zu werden.
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