Ignoranz
Yūji wusste nicht wie viele Nachrichten er Atsumu auf LINE geschrieben hatte, doch blieben sie alle ungelesen und selbst als er versucht hatte ihn anzurufen hörte er nur die Mailbox. Das Handy war seit drei Tagen ausgeschaltet und er begann sich Sorgen zu machen, doch war dieser sich sicher, dass es nicht gut wäre, wenn er dort hinfahren würde, also versuchte er sich abzulenken. Was allerdings nicht wirklich gut funktionierte, er dachte ununterbrochen an ihn. Machte sich Vorwürfe, wieso er ihn hatte gehen lassen und fühlte sich schuldig. Diese Machtlosigkeit breitete sich in seinem Körper immer mehr aus, manifestierte sich und sorgte dafür das er Angst um den Blonden hatte. Haru war zu allem fähig und dann kam Atsumu nicht einmal am Montag zur Schule was das Ganze noch schlimmer für ihn machte.
„Rin, warte mal", rief Terushima dem Braunhaarigen hinterher, welcher auf dem Flur stehen blieb und zu ihm sah. „Hast du Atsumu heute gesehen?", fragte er und doch schwand sein letztes Fünkchen Hoffnung als auch dieser nur mit dem Kopf schüttelte. „Wieso geht der denn nicht zur Schule, man. Atsumu ist doch sonst immer so gewissenhaft", grummelte er. Irgendwas stimmte da doch nicht, jedoch blieb ihm nur eines, etwas in dem er ultra schlecht war, nämlich abwarten und Tee trinken. „Gib ihm Zeit, Teru. Du solltest das nun wirklich nicht unüberlegt überstürzen. So einfach wie es für dich scheint ist es wohl nicht.", versuchte sein bester Freund ihn zu beruhigen, jedoch vergebens. „Aber, was ist wenn es dann zu spät ist?", in seinem Kopf spielte sich der schlimmste Film ab, immerhin hatte er mehr als genug von solchen Fällen im Internet oder dem Fernseher gesehen. Abwarten war nicht immer gut. Sekunden konnten über so vieles entscheiden und der Blonde war sich sicher das die Uhr zu ticken begonnen hatte. „Teru", ging Suna dann auf ihn zu, legte ihm den Arm um die Schulter. „Es wird alles wieder gut. Wir beobachten ihn und überlegen uns wie wir ihm helfen können, okay?"
Wie sollte man ihm denn helfen? Diese Ungewissheit war doch wirklich scheiße. Es war einfach untypisch das Atsumu nicht zur Schule ging, immerhin sei Bildung doch ein Segen, dies hatte er ihm immer gesagt und nun hielt er sich anscheinend selbst nicht dran. Dabei hatte Terushima schon mit dem Gedanken gespielt es seinem Vater zu sagen, doch auch hier hatte Suna gemeint er sollte es vorerst nicht tun. Prinzipiell dagegen war er nicht, doch fand er es wäre noch nicht an der Zeit. Was konnte passieren? Atsumu Miya könnte sich in die Enge getrieben fühlen, würde reiß ausnehmen und sich am Ende von ihnen allen abkapseln, damit würden sie den Zwilling noch mehr in die Klauen von Haru treiben.
Am Dienstagmorgen parkte Terushima seinen Bugatti auf dem Schulhof, zog gerade die Autotür zu, als eine Gestalt in einem schwarzen Kapuzenpullover an ihm vorbei huschte. „Atsumu", erkannte er ihn direkt, doch blieb dieser nicht stehen sondern schaute nach vorne und zwängte sich durch die Massen. Im Gegensatz zu seinem Ex wusste er das er unter Beobachtung stand, denn Haru hatte diesen zur Schule gebracht und saß nicht weit entfernt in seinem Auto und sah seinem Freund dabei zu wie dieser pünktlich im Schulgebäude verschwand. Genauso pünktlich würde er diesem, nach dem Training auch wieder abholen. Die letzten Tage hatte er den Blonden so derart unter Druck gesetzt das dieser ihm nicht widersprechen würde. Mittlerweile wusste er auch, was es hieß, wenn man nicht hören wollte. Denn wenn nicht hören will, der musste fühlen und davor zögerte Haru nicht mehr. Die Backpfeife damals war der Anfang gewesen, der Schlag in die Magengegend war die Bestrafung für seinen Ausrutscher gewesen und das blaue Auge, welches er gut überschminkt, hatte das Resultat aus dem Ganzen. Atsumu hatte einfach furchtbare Angst, diese war so schlimm, dass er es nicht wagen würde, Terushima auch nur unter die Augen zu treten.
Zeit zum Nachdenken hatte er mittlerweile genug gehabt, er wusste das der Schwarzhaarige ihm nicht guttat und doch verlor er sich selbst, blieb bei ihm und versuchte einfach so wenig wie möglich leiden zu müssen. Tiefer Verzweiflung hatte sich in ihm breit gemacht, sorgte für ein unbeschreibliches Schamgefühl, was diesem daran hinderte mit jemanden zu sprechen. Wenn er Freitag noch daran geglaubt hatte, Haru mühelos verlassen zu können, so hoffte er jetzt nur noch das dieser ihn nicht schlug. Warum er das mit sich machen ließ, hatte er bereits vergessen, doch wollte er sich selbst schützen, denn er wusste selbst nicht mehr, wie er aus dieser Sache rauskommen sollte.
„Atsumu", lief Terushima ihm im Gebäude hinterher, doch wurde der Zwilling nur noch schneller und lief blitzschnell in den Klassenraum, wo Suna seinen besten Freund daran hinderte ihm zu folgen. „Nicht, Teru. Du machst es mit sowas nicht besser", erinnerte er ihn wieder daran. „Aber Suna...", doch ernte er nur ein Kopfschütteln. „Warte ab, Übe dich in Geduld, auch wenn es schwer fällt auch ich kann das nicht mit ansehen." Mit einem mulmige Gefühl in der Magengegend ging Terushima, geknickt, zu seinem eigenen Klassenraum und bekam von dem Unterrichtsstoff nichts mit. Was sollte er nur machen? Es sah doch ein Blinder wie schlecht er Atsumu ging, wie sehr er unter dem gewalttätigen Freund litt, wieso war das Leben nur so ungerecht?
Gewalt und Mobbing kommt öfters vor als einem bewusst ist. Die Betroffenen wirken entweder verschlossen oder sie setzten ein falsches Lächeln auf, um ihre tiefe Traurigkeit zu überspielen. Beides kann dafür sorgen das neben dem Körper auch die Seele leidet, man sich ins Negative verändert und dicht macht, niemanden mehr an sich heranlässt und alles ausblendet. Schöne Dinge werden ignoriert und man erinnert sich den ganzen Tag nur noch an die Grausamkeit, welche einem widerfährt. Einen Ausweg aus diesem Teufelskreis zu finden ist schwer und viele schaffen es nicht, sie fangen an sich anzupassen und somit fügen diese sich ihren Schicksal. Dabei machen sich Ausstehende vor es wäre leicht solchen Menschen zu helfen, sie denken sich es wäre einfach, immerhin sind sie selbst nicht in dieser Lage, dabei ist es das nicht.
Atsumu wäre zwar nicht allein, wenn er bereit wäre den Kurs zu ändern, doch hatte er selbst die Kraft nicht. Die Trennung von Yūji kam ihm lachhaft vor, selbst der Betrug mit Osamu war nichts im Gegensatz zu dem hier. Ja Terushima war ein Engel und Haru die Ausgeburt der Hölle, doch reichte auch diese Erkenntnis ihm im Moment nicht.
Nach der Schule hatte er Training, er müsste hingehen, sonst würde Kita ihm Fragen stellen und auf diese konnte er ihm keine Antwort geben. „Oh Atsumu du bist wieder da. Warst du krank?", fragte ihm sein Captain, als er der Sporthalle ankam und den Blonden auf sich zukommen sah. Kita hatte wenig von dem Ganzen mitbekommen, er wusste das er sich von Terushima getrennt hatte und auch das er einen neuen Freund hatte, jedoch sollte er nicht wissen welche Art von Freund Haru war. Sein Privatleben ging niemanden etwas an. „Ja ich hatte mir wohl den Magen verdorben", log er und hoffte das der Weißhaarige seine Lüge schlucken würde. „Ach so, aber du bist wieder fit? Nicht das du noch in die Halle kotzt", versuchte er einen Witz zu machen, weshalb Atsumu kurz lachte und mit dem Kopf schüttelte, wobei selbst das Lachen weh tat und er deswegen kurz zusammenzuckte. Diese winzige Reaktion fiel allerdings nur Suna und Osamu auf, doch sagten sie beide nichts dazu. Osamu hatte ohnehin mit seinen Gefühlen gegenüber Suna zu kämpfen, jedoch wimmelte der Braunhaarige ihm ab und sagte immer wieder es wäre zurzeit kein passender Zeitpunkt über ein Wir nachzudenken, was der Grauhaarige verstand, denn im Vordergrund stand im Moment sein Zwilling.
Die Eltern wusste von alledem nichts, was auch sicherlich gut so war, denn sie würden Atsumu dort direkt herausholen und wahrscheinlich für Chaos sorgen. Atsumu schrieb manchmal mit seiner Mutter, schrieb er das er zurzeit viel um die Ohren mit der Schule hatte, doch dass er irgendwann beizeiten vorbeikommen würde auf einen Tee. Jedoch hatte er dieses Versprechen bislang nicht eingelöst. Das Verhältnis war vorher immer gut zu diesen gewesen, doch seit seinem plötzlichen Auszug hatte sich einiges verändert.
In der Umkleide zog sich Atsumu den Pullover über den Kopf und zuckte erneut vor Schmerz zusammen, biss sich auf seine Lippen und versuchte keinen Laut von sich zu geben. Suna sah über seine Schulter zu diesem, während er selbst sich das T-Shirt über den Kopf zog und von Osamu dabei schmachtend beobachtet wurde, was er mitbekam, jedoch ignorierte. Etwas verwundert beobachtet der Braunhaarige das Atsumu, im Vergleich zu sonst sich nicht sein T-Shirt auszog, sondern sein Trainingsshirt einfach nur drüberzog. Bewusst denn man würde ihn auf die blauen Flecken ansprechen, dies galt es zu vermeiden. Nach und nach verließen die Spieler die Kabine. „Suna? Atsumu trödelt nicht, sonst lauft ihr eine Runde extra", mahnte Kita sie an, doch hatte Suna diesen im Vorfeld darum gebeten einen winzigen Moment allein mit Atsumu sein zu dürfen. Zwar war der Captain verwirrt gewesen, doch stimmte er diesem Wunsch zu. Selbst er hatte eine Veränderung bei Atsumu bemerkt, denn vorher war er öfters privat mal mit den Brüdern unterwegs gewesen, jedoch hatte sich dies mit dem Sommer verändert. Ihre Beziehungen standen für die Zwilling im Vordergrund, was auch völlig normal war.
„Atsumu ist alles okay?", fragte Suna, nachdem sie beide allein waren und ging einen Schritt auf diesen zu. Atsumu saß auf der Bank und band sich seine Schuhe zu. „Was soll denn sein?", sah er nicht hoch und stand auf, wobei er keuchte. „Shit..." Fragend beobachtete Rintarō ihn, er wusste wieso, doch würde er seine Zunge hüten müssen. Was Terushima nicht durfte, dass sollte auch er nicht wagen. „Du scheinst Schmerzen zu haben", wagte er dann doch einen Versuch. „Ist nichts wildes", winkte der Blonde ab und ließ Suna einfach stehen. Es hätte ja auch einmal einfach sein können. Selbst beim Training war Atsumu nicht er selbst, spielte deutlich schlechter als sonst. Gab sich kaum Mühe den Ball zu erwischen, wenn er sich mehr als nötig bewegen musste und zuckte bei jeder Bewegung zusammen. „Stopp", unterbrach der Coach das Training. „Das hat so einen Sinn. Atsumu wenn du so spielst, muss ich dich bitten auf der Bank zu bleiben", sagte er und ohne ein Murren setzte sich dieser auf die Ersatzbank. Klasse, wie tief war er eigentlich gesunken? Vom Stammspieler auf die Ersatzbank, man würde ihn austauschen, wenn dies zur Gewohnheit werde würde dem war er sich sicher. Doch vielleicht wäre gut, immerhin war dies eh nur ein Schulsport ohne jegliche Zukunftsperspektive. Somit hätte Haru gewonnen. „Ich habe nur einen schlechten Tag", meinte Atsumu und doch wusste er es würden noch viele solcher Tage folgen, wenn er den Absprung nicht schaffen würde. „Wir werden übrigens in einer Woche auf ein Trainingscamp fahren. Es geht dieses Mal nach Tokyo und wir spielen gegen die Nekoma und gegen die Fukurōdani", erzählte der Captain und setzte dann das Training fort.
Wie sollte er dies nur Haru beibringen? Er würde ihm dies nie und nimmer freiwillig erlauben und doch konnte er nicht einfach fünf Tage verschwinden, ohne ihm zu sagen, wo er war.
Nachdem Training stand, schon der weiße Dacia Spring von Haru etwas abseits von der Sporthalle. „Wir sehen uns dann morgen", verabschiedete sich Atsumu und ging auf das Elektroauto zu. Gegensätzlicher konnten Terushima und der Schwarzhaarige gar nicht sein. Während der eine gerne Leistungsstarke Motoren bevorzugte, fuhr der andere lieber gemächlich durch die Gegend. „Wie war das Training?", fragte Haru und interessierte sich eigentlich gar nicht wirklich dafür. „Ganz ok", sagte er und verschwieg das er auf der Ersatzbank sitzen musste, weil er solche Schmerzen hatte. „Wir haben ein Trainingscamp in einer Woche in Tokyo", sagte er und traute sich nicht ihn anzusehen. „Da wirst du aber nicht mitfahren", sagt Haru und sieht, wie Atsumu seine Hände sich in seine Trainingshose vergraben. „Aber...", da packt der Schwarzhaarige schon nach seinem Hals und drückt den Blonden gegen die geschlossene Scheibe. „Ich sagte nein". Nach Luft ringend nickt der Zwilling und hofft einfach wieder besser atmen zu können. Noch nie im Leben hatte er solche Angst, wie weit würde Haru noch gehen?
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