Kapitel 28
Meine Augen klappen auf und ich schaue mich erschrocken um. Ich bin alleine auf einem Klappbett in einem riesigen weißen Raum, in dem sonst nichts ist. Es kommt mir leer vor. Fast hätte ich losgeschrien, aber ich überlege es mir doch noch anders, nicht dass ich wieder eine Beruhigungsspritze bekomme, weil ich mich wie ein aggressives Tier benehme. Aber zugegeben bin ich das in den letzten Tagen ein bisschen geworden. Wie nicht? Ich habe in der Wildnis gelebt.
Irgendjemand hat mir Klamotten angezogen. Es ist ein weißes Hemd und eine Hose, welche super zu diesem schrecklichen Raum passen. Es ist ungewohnt Stoff an meinem Körper zu spüren, fühlt sich sogar ungut an. Aber jetzt bin ich nicht mehr zwischen Bäumen, sondern in einer Großstadt. Ich muss wieder in mein normales Leben zurück und mich den anderen Menschen hier anpassen. Ich hebe mein T-Shirt hoch und sehe, wie jemand den Faden entfernt hat, mit dem Eric meine Wunde zugenäht hat. Jetzt ist nur noch eine Narbe zu sehen. Auch mein Fuß ist versorgt. Eine weiße Schiene schützt ihn und es erleichtert mich deutlich zu wissen, dass ich erst wieder auf ihn auftreten muss, wenn er verheilt ist.
Trotz des ganzen, was ja alles ziemlich gut ist, fühle ich mich unwohl. Irgendetwas stimmt nicht und ich bin bedrückt. Mein Gehirn ist nebelig, als ob ich high bin. Mein Bauch knurrt und mein Mund ist trocken. Außerdem muss ich noch aufs Klo. Und das Schlimmste sind meine Sorgen um Eric. Ob er auch versorgt wurde und in genau so einem Raum liegt? Geht es ihm gut?
,,Haaaaallooooo?!", schreie ich, weil ich nicht länger abwarten kann.
Ich bin still und warte einige Minuten. Mein Herz pocht so laut, dass ich es zu hören glaube. Es kommt niemand. Wieso? Tränen fließen mir über das Gesicht und ich hoffe einfach nur, dass ich hier nicht mehr allzu lange liegen muss.
Plötzlich aber werde ich wieder total müde und will nur kurz meine Augen zumachen, aber schlafe sofort ein.
Meine Augenlider klappen auf und ich schrecke hoch. Immer noch liege ich in diesem weißen Raum. Seit wie lange denn jetzt? Ich weiß es nicht, aber es kommt mir ziemlich lang vor. Auf einmal überfallen mich Glücksgefühle. Eric und ich haben es geschafft aus dem Dschungel Barawino zu entkommen. Trotz unserer Verletzungen und der Nahrungsknappheit haben wir durchgehalten. Wir haben es einfach geschafft. Ich grinse vor Freude und hätte tatsächlich auch lachen können. Wir sind da.
Jetzt ist nur noch die Frage, ob es Eric gut geht? Seine Verletzung war ja deutlich schlimmer, als meine. Hoffentlich liegt er in einem Bett und langweilt sich. Das wäre einfach nur toll. Gleich wenn ich hier raus komme, werde ich zu ihm gehen und sagen, dass ich mich in den letzten Tagen in ihn verliebt habe. Er mag mich auch, hat er gemeint. Vielleicht können wir zusammenkommen. Hoffentlich will er das.
Plötzlich klopft es an der Tür und ich werde aus meinen Gedanken gerissen. ,,Jaaaa.", bitte ich die Person herein. Es handelt sich um eine Krankenschwester mit weißem Kittel und Plastikhandschuhen. Ich fange ihren Blick auf und merke, dass dieser ziemlich bestürzt ist. Was ihr auch geschehen ist, es tut mir leid für sie. ,,Hallo.", begrüßt sie mich mit einer erstaunlich ruhigen Stimme und setzt sich vor mein Bett. ,,Hallo.", grüße ich zögernd zurück. Wieso sitzt sie da und gibt mir nicht einfach Krücken, damit ich endlich zu Eric kann. Aus lauter Ungeduld rutscht es mir heraus: ,,Darf ich zu Eric? Wie geht es ihm?"
,,Darüber möchte ich mit dir reden. Du mochtest ihn sehr, oder?", fragt die Krankenschwester traurig und nimmt meine Hand. Ich schüttele die ihre ab. Wieso mochte? Was ist los? Er hat es doch überlebt oder? Er muss es überlebt haben! Ich werde ganz aufgeregt und schaue die Krankenschwester gespannt an.
,,Er ist gestorben.", spricht sie meine schlimmsten Befürchtungen aus. ,,Nein.", schreie ich. Nein! Nein, das geht nicht. Es kann nicht sein! Wir haben es zusammen geschafft. Er kann nicht tot sein! Das darf nicht passiert sein. Tränen überfallen mich und ich beginne so stark zu schluchzen, dass ich glaube keine Luft mehr zu kriegen. Vielleicht sollte ich auch einfach nicht mehr atmen. Eric ist tot! Weg! Für immer! Ich habe ihn geliebt! Ich werde ihn nie wieder sehen! Nie wieder seine schöne Stimme hören! Es ist alles vorbei! ,,Nein! Nein!", brülle ich die Krankenschwester regelrecht an, weil ich einfach nicht damit klarkomme.
,,Er ist nach der OP nicht aufgewacht. Wir mussten seinen Arm noch etwas kürzen, weil er entzündet war. Das hätte er auch nicht überlebt. Du musst wissen, dass die Chancen um ihn eh schlecht standen. Ein Wunder, dass er bei Bewusstsein war, als ihr hier eingeliefert wurdet.", erzählt die Krankenschwester weiter, ich höre ihr aber nur so halb zu und muss immer mehr weinen.
Ich habe ihn verloren! Weil ich so dumm bin und damals ewig weit in den Dschungel reinlaufen musste, nur um aufs Klo zu gehen. Ich bin so dumm! So dumm! So behindert! Ich hasse mich! Ich bin an allem Schuld, ohne mich wäre er noch am Leben. Ich habe ihn getötet! Ich! Aus Aggressionen grabe ich mir mit meinen Fingernägeln in den Oberschenkel. ,,Hör auf!", hindert mich die Krankenschwester und zieht meine Hand weg. ,,Nein!", schreie ich. Ich kann es immer noch nicht glauben! Wie konnte das passieren! Ich will nie wieder dieses Zimmer verlassen! Ich bin eine Mörderin.
,,Ich lasse dich alleine.", meint die Krankenschwester und geht wieder aus der Tür heraus. ,,Scheiße! Fuck!", fluche ich und heule immer stärker. Noch nie habe ich so schlimm geweint. Um den Schmerz erträglicher zu machen, beiße ich in die Bettkante, bis mein Kiefer schmerzt. Eric ist weg! Für immer! Er ist gestorben und ich werde ihn nie wieder sehen. Auf seiner Beerdigung muss ich seinen Verwandten in die Augen schauen. Ich scheiß Mörderin!
Nach einer Weile klopft es wieder. ,,Herein.", krächze ich ganz heißer. Es ist ein Arzt. ,,Ich habe jemanden schreien gehört. Geht es dir gut?", fragt er. ,,Eric ist tot.", flüstere ich mit zusammengekniffenen Augen. Er ist tot.
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