Kapitel 22
,,Dieser Fluss ist dünn und die Strömung ist nicht stark, es müsste ohne Floß gehen.", sagt Eric. ,,Und wenn wir dadurch getrennt werden?", befürchte ich und denke dabei daran, dass ich nicht so schnell schwimmen kann, wie er. Außerdem würde ich mich mit einem Floß auch sicherer fühlen, einfach nur, um etwas zum Festhalten zu haben.
,,Es würde zu lange dauern, eines zu bauen. Wir nehmen einfach diesen dicken Ast hier.", erklärt Eric und zeigt auf ihn. ,,Kannst du das nicht gleich sagen?", frage ich mehr oder weniger erleichtert. Der Gedanke, dass ich im Fluss von ihm weggespült werde, hat mir die Angst meines Lebens eingejagt. ,,Sorry.", entschuldigt er sich. ,,Passt schon.", sage ich. Wir heben den Ast hoch und tragen ihn in den Fluss. Beim Absetzen spritzt uns Wasser ins Gesicht, sodass wir lachen müssen. Mein Herz pocht immer schneller, als wir weiter nach vorne waten. Zu meinem Erstaunen aber geht das ziemlich weit und erst ungefähr in der Mitte des Flusses haben wir keinen Boden mehr unter den Füßen.
Wir schwimmen wieder so schnell, wie wir können und schon berühren unsere Zehen wieder den feinen Sand. Schnell begeben wir uns aus dem Fluss heraus. ,,Puh! Wir haben es geschafft!", freut sich Eric und auch ich atme tief durch. Ich habe umsonst eine solche Angst gehabt. Trotzdem bin ich glücklich, dass wir nun alle Flüsse hinter uns haben und uns nicht noch einmal ins Nasse begeben müssen.
Beruhigt gehen wir weiter. ,,Heute ist Tag elf. Also nur noch drei und halb Tage.", verkündet Eric. Ich bin glücklich, dass er jeden Tag Bescheid gibt, wie lange wir hier schon sind, denn ich habe schon jeden Überblick über die Zeit verloren. ,,Schaffen wir es?", frage ich hoffnungsvoll. ,,Ich weiß es nicht. Ich hoffe.", gibt Eric ehrlich zurück. ,,Ich auch.", sage ich leise. ,,Das wird schon.", ermuntert er mich.
Wir unterhalten uns den ganzen Tag und laufen glücklich weiter. Dabei merken wir gar nicht, dass wir so viel Weg zurück gelegt haben, wie an keinem anderen Tag zuvor. Irgendwie hat heute erst die Motivation eingesetzt und bei dem Gedanken wieder nach Hause zu kommen, könnte ich auch einen Sprint einlegen. Als die Sonne untergeht, fängt Eric an zu joggen. Herausfordernd schaut er mich an. Ich trabe ebenfalls los, weil auch ich irgendwie überschüssige Energie habe. Lachend rennen wir den Weg entlang und genießen die schöne Natur.
Dann wird es jedoch dunkel und wir kommen auch ziemlich außer Puste, also machen wir uns wieder ein Nachtlager. ,,Du Eric?", frage ich und schaue durch den Schein des Feuers zu ihm herüber. ,,Was?", will er wissen. ,,Bin ich früher oder jetzt besser?", erkundige ich mich. Er lacht. ,,Ne, jetzt im Ernst!" Er hört auf zu lachen und schaut mir tief in die Augen. ,,Du warst schon immer gleich." Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. War ich das? Wenn er es sagt, ist es wahrscheinlich so, oder? ,,Hör auf nachzudenken und schlaf jetzt. Gute Nacht.", befiehlt Eric. ,,Gute Nacht.", wünsche ich auch ihm und schon versinke ich in Träumen, in denen wir zusammen gegen einen Riesen kämpfen und natürlich gewinnen wir, denn zusammen sind wir unschlagbar.
Ich strecke mich, während die Sonne mir hell ins Gesicht strahlt. Eric liegt noch neben mir. Wieso ist er noch nicht wach? Sorgenvoll krieche ich zu ihm herüber. Hoffentlich ist er nicht wieder ohnmächtig. Doch das ist er, denn als ich an seiner Schulter rüttele und seinen Namen rufe, wacht er immer noch nicht auf. Hoffentlich tut er das überhaupt.
,,Eric!", schreie ich. Scheiße! Wieso musste das nur schon wieder passieren? Gestern war er doch noch so glücklich und lebendig. Man merkt gar nicht, dass es ihm eigentlich nicht gut geht, erst dann, wenn er am Boden liegt und nicht mehr ansprechbar ist. ,,Bitte wach auf.", flehe ich und eine Träne tropft auf Erics Gesicht. Dieser einen folgen einige weitere. ,,Verdammt, wach auf!", schreie ich wütend und haue leicht gegen seine Schulter.
Tatsächlich bringt das etwas und er holt tief Luft. Dann öffnet er seine Augen. ,,Was ist los?", fragt er ahnungslos.
,,Du warst wieder ohnmächtig.", erzähle ich ihm.
,,Ach scheiße.", sagt er.
Ich stimme ihm zu: ,,Ja genau, ziemlich scheiße. Wieso hast du mir denn nicht gesagt, dass es dir nicht so gut geht?"
,,Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst und die Hoffnung aufgibst."
,,Oh man, du hättest es mir sagen sollen."
,,Okay, nächstes Mal sage ich dir Bescheid, wenn es mir nicht so gut geht."
,,Okay.", sage ich, obwohl ich mir nicht so sicher bin, ob Eric mir das wirklich erzählen wird. Er ist ja derjenige, der die ganze Zeit vorwärts drängelt und ich die, die sich beschwert und irgendwelche Mängel sucht. Das ist eigentlich ungerecht, denn er hat seinen Arm verloren. Seinen ganzen Arm! Vermutlich ist es sowieso ein Wunder, dass er noch am Leben ist. Ich sollte garantiert mehr dazu beitragen, uns voran zu bewegen. Also beginne ich gleich damit, stehe auf und übernehme Erics tägliche Worte: ,,Tag zwölf. Weiter geht's." Er muss grinsen und erhebt sich.
Nach einer kurzen Nahrungsaufnahme und einem Toilettengang, welche beiden Sachen wir mehrmals täglich durchführen müssen, gehen wir auch schon weiter. Gemütlich laufen wir den Pfad entlang, doch plötzlich ertönt hinter uns ein Rascheln und ein Fauchen. Ruckartig drehen wir uns um und sofort schießt wieder Adrenalin durch meine Adern. Vorbei ist es wieder mit der Ruhe. Hier geht es ja keine Minute ohne irgendetwas Neues. Vor uns steht ein etwa katzengroßes schwarzes Tier mit Stacheln. Was ist das bloß? Und die wichtigere Frage: Was will es von uns? ,,Das ist ein Stacheltier.", weiß Eric, ,,Aber irgendwie schaut es aggressiv aus, findest du nicht?"
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