Kapitel 18
,,Krokodil!", erkenne ich und rufe es in dem Moment aus. Diese Tiere sind glaube ich extrem stark. Werden wir es schaffen von ihm zu fliehen? Ich vermute es nicht. Hier im Wasser ist unser Feind genau in seinem Element. Wahrscheinlich sind wir für ihn nur ein kleiner Snack für zwischendurch.
Mal wieder stehe ich an der Kippe zwischen Leben und Tod. Angst und Tränen überfallen mich und ich gerate zunächst in eine Schockstarre. Ich beobachte nur, wie das Krokodil von unten näher kommt und stelle mir vor, was im nächsten Moment passieren könnte.
,,Versuch dich auf das Floß zu stellen!", schreit Eric und ist schon dabei sich hoch zu hieven. Mit zittrigen Armen stemme ich mich also hoch. Das Wasser spritzt immer noch um uns. Meine Knie zittern auch, doch ich schaffe es aufzustehen. Fast hätte ich das Gleichgewicht verloren und wäre hingefallen, doch ich fange mich gerade noch auf. Eric scheint es mit einem Arm nicht hoch zu schaffen, also zögere ich keine Sekunde, gehe wieder in die Hocke, packe ihn an seinem Arm und helfe ihm nach oben.
Als wir es beide wieder ins Stehen schaffen, halten wir uns aneinander fest. Ich mich an seinem einen Arm und er sich nur an einem von mir. So können wir uns gegenseitig stützen, falls einer das Gleichgewicht verlieren sollte. Das Krokodil greift irgendwie nicht an, schwimmt uns aber immer weiter hinterher. Dieser Dreckskerl hält uns nur davon ab ans andere Ufer zu kommen. So ein Mist! Wetten er wartet bis einer von uns ihm gleich als Leckerbissen direkt ins Maul fliegt?
,,Er greift nicht an.", stellt auch Eric fest. ,,Noch nicht.", vermute ich. Sorgenvoll schauen wir uns in die Augen. Es ist echt komisch surfend seinem Tod immer näher zu kommen. Immer wieder kommt eine Welle und wir müssen uns gegenseitig stützen. Unsere Beine wackeln sowieso die ganze Zeit.
,,Bist du schon mal surfen gewesen?", fragt Eric. ,,Nein.", antworte ich. ,,Jetzt schon.", lacht er. Ich grinse. Er ist anscheinend doch nicht so ein Weichei, wie ich es immer gedacht habe und versteht selbst in solchen Momenten Spaß. Ich habe mich eindeutig in ihm getäuscht. Das wird er aber wohl nie erfahren, wenn wir zusammen im Magen des Krokodiles liegen.
Eric und ich stehen eine Ewigkeit auf dem Floß. Unsere Beine zittern und es wird immer wackeliger hier oben. Das Krokodil schwimmt uns immer noch hinterher, hat aber noch nicht angegriffen.
,,Scheiße, wir kommen ewig weit von der Stelle weg, an der am Ufer der Weg weitergeht.", stellt Eric fest. Ich bemerke: ,,Wahrscheinlich sind wir schon einen Kilometer davon entfernt." Das bedeutet nur weitere Laufzeit und darauf habe ich gar keine Lust. Wenn wir es schaffen vom Krokodil zu entkommen, sind wir immer noch nicht ganz gerettet, denn vielleicht sind genau diese Kilometer, die wir zusätzlich laufen müssen, die die uns die Stunden rauben, die wir gebraucht hätten, um es ans Ziel zu schaffen. Und dieser Weg wird auch kein präparierter sein, wie bisher, sondern wir müssen direkt durch den Dschungel und zur Orientierung hilft uns nur noch der Fluss.
Eric scheint auch darüber nachzudenken, denn er meint: ,,Wir müssen das Krokodil wegbekommen, sonst sind es zu viele Kilometer, die wir zusätzlich laufen müssen." Das war mir auch klar, doch ich bin im Ungewissen, wie genau wir das anstellen sollen. Denn wenn wir es einfach ignorieren und wieder anfangen zu paddeln, würde es uns wahrscheinlich verschlingen, bevor wir auch nur eine Bewegung hätten machen können. Würden wir es angreifen, dann würde es aggressiv werden und wir wären ebenfalls verloren. ,,Wie?", frage ich also. Eric zuckt mit den Schultern: ,,Keine Ahnung." ,,Ach, scheiße!", sage ich.
Plötzlich kommt eine Welle und beendet unser Gespräch. Ich falle auf die Knie, bin aber noch auf unserem Floß, Eric fällt aber im hohen Bogen direkt ins Wasser. Das Krokodil, welches gerade einige Meter hinter uns war, saust heran. ,,Nein!", schreie ich und strecke meine Arme nach unten ins Wasser zu Eric. Er macht kräftige Stöße mit seinen Beinen und drückt sich auch mit seinem Arm schnell durchs Wasser. Seine Augen sind offen und in ihnen steht pure Panik. Ich habe in dem Moment so Angst um ihn.
Als ich mich etwas tiefer nach unten bücke, sodass ich fast liege, schafft es Eric zum Glück nach einer meiner Hände zu greifen. Ich ziehe ihn mit aller Kraft nach oben. Er schnappt hastig nach Luft, als sein Kopf an die Wasseroberfläche dringt. Gerade bevor das Krokodil ihn möglicherweise ein Bein abgebissen hätte, ist er wieder auf dem Floß. Das Tier schnappt in die Luft. Es gibt ein Knurren von sich, welches mir einen Schauder den Rücken hinunterfließen lässt. Jetzt ist der Moment in dem es angreift, realisiere ich. Eric sitzt neben mir und keucht. Ich stehe gebückt am Rande des Floßes weil es zu klein ist, dass wir beide sitzen können.
,,Du musst aufstehen.", schreie ich. In dem Moment kommt wieder eine Welle und hätte Eric fast runtergespült. Er hält sich gerade noch so an meinem Bein fest. Ich reiche ihm die Hände und er schafft es sich nach oben zu hieven. Er wirkt furchtbar schlaff und erschöpft. Auch ich bin am Ende meiner Kräfte.
Aber es wird nur noch schlimmer. Das Krokodil schwimmt mit Schwung auf uns zu und stößt mit seinem Kopf gegen das Floß. Es dreht sich um und Eric und ich landen beide im Wasser. Ich will einatmen, doch meine Lunge füllt sich mit Wasser. Erschrocken öffne ich die Augen. Sie fangen sofort an zu brennen, doch ich lasse sie offen. Mein Herz pocht heftig und ich beobachte die Blasen die aus mir nach oben steigen, weil ich immer noch nicht die Luft anhalte. Das kann ich einfach nicht, denn ich brauche Sauerstoff. Jetzt ist es zu Ende. Ich werde hier ertrinken und wenn nicht, dann frisst mich das Krokodil.
Langsam wird mir schwarz vor den Augen und ich habe schon jede Hoffnung aufgegeben, da spüre ich ein Ziehen an meiner Hand. Ich schaue nach oben und sehe Eric. Erst jetzt merke ich, dass wir uns selbst als wir vom Floß runtergefallen sind, gar nicht losgelassen haben. Er schwimmt mit aller Kraft und zieht mich mit nach oben. Langsam fallen meine Augen zu, doch ich ringe damit nicht bewusstlos zu werden.
Sauerstoff, oh mein Gott! Ich nehme ein paar tiefe Züge, als wir an die Wasseroberfläche dringen. Eine Sekunde lasse ich meine Augen noch zu, denn sie brennen über alles. Eine Sekunde zu lang. Ich spüre einen stechenden Schmerz an meiner linken Seite und wie ich von Eric hochgezogen werde. Er hat es irgendwie wieder aufs Floß geschafft und mich gerade gerettet.
Aber das Krokodil hat mich verletzt. Mein Oberteil auf meiner rechten Seite ist zerrissen und darunter klafft eine große rote Wunde, aus welcher Blut nach unten fließt. Es schaut einfach schrecklich aus. Bei dem Anblick wird mir übel. Schnell schaue ich weg und konzentriere mich auf das Geschehen.
Unser Kroko ist wieder ein paar Meter hinter uns. ,,Jetzt kommt er wieder.", warnt Eric und wir stellen uns in eine sichere Position, aus der wir nicht so schnell runterfallen können. Das Tier schnappt zu. Mit seinen Zähnen erwischt es das Holz unseres Floßes und trennt einen der dicken Äste davon ab.
Eric schnappt mit seiner Hand danach. Er will doch nicht etwa damit auf das Krokodil einschlagen? Er hätte keine Chance. Ich will ihn warnen, doch durch eine erneute Welle schwappt mir Wasser in die Augen. Ich kneife sie zu. Es brennt total. Doch trotz der Schmerzen reiße ich sie schnell wieder auf. Da sehe ich, wie das Krokodil erneut auf uns zu schwimmt und wieder zuschnappen will. Eric hält das Holzstück fest in der Hand und beugt sich vor. Was hat er nur vor?
Das Krokodil nähert sich und reißt sein Maul auf. Kurz denke ich, dass es Eric gleich im großen und ganzen verschlingt, doch dann verstehe ich Erics Plan endlich. Er steckt dem Tier den Ast so ins Maul, dass dieses es nicht mehr zumachen kann. Die Idee war genial. So haben wir das Krokodil auf jeden Fall hingehalten. Es beißt mit aller Kraft auf das Holz, doch dieses zerbricht nicht. Das Tier sinkt nach unten ins Wasser und kämpft weiter damit.
,,Yes!", freue ich mich, doch mal wieder habe ich mich zu früh gefreut. Das Krokodil beißt noch einmal auf das Holzstück und diesmal zerbricht es. Kleinste Holzspäne rieseln ins Wasser und das aggressive Tier richtet sich nun wieder uns zu.
,,Fuck!", flucht Eric und wir begeben uns wieder in Haltung. Das Krokodil schwimmt auf uns zu, springt und wird plötzlich durch einen lauten Knall unterbrochen. Eine Wunde bildet sich auf der Brust des Krokodiles und sein lebloser Körper fällt ins Wasser. Es ist tot! Was war das?
,,Ein Schuss!", schreit Eric, als ob er meine Gedanken gelesen hätte. Nach dem einen Schuss war es aber nicht genug und es ertönen mehrere weitere. Irgendjemand schießt und zwar nicht auf das Krokodil, sondern auf uns! Scheiße!
Eric und ich lassen uns ins Wasser fallen, halten uns aber immer noch am Floß fest. ,,Schwimm!", ruft Eric und ich fange sofort damit an mein bestes zu geben. Der Schütze trifft vor, hinter und neben uns und jeder Knall lässt mich zusammenzucken. Dutzende Male hat er uns fast getroffen. Eric keucht und stöhnt neben mir. Wir beide geben wieder alles. Hoffentlich genug.
,,Ein Meter!", flüstert Eric. Meine Beine spüren in dem Moment den Boden und ich setzte sie auf. Wir lassen beide das Floß los. Mein Herz pocht immer noch wie wild und alles in mir schreit: ,,Lauf! Ami lauf!"
Wir rennen los. Meine Wunde sticht so stark. Einen solchen Schmerz habe ich noch nie gespürt. Das Wasser spritzt um uns und verlangsamt unsere Schritte, doch schon sind wir aus ihm raus. Ich renne so schnell, wie noch nie in meinem Leben. Das Krokodil ist jetzt weg, aber nun haben wir ein ganz anderes Problem, ein viel größeres.
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