Kapitel 17
Nach etwa zwanzig Minuten Marsch liegt der Fluss vor uns. Endlich sagt Eric wieder etwas zu mir: ,,Wir schaffen es wahrscheinlich nicht zu schwimmen. Ich würde das Risiko nicht eingehen und ein Floß bauen." ,,Ja, okay.", antworte ich kurz. Er gibt mir die Anweisung reißfeste Lianen zu suchen und dabei in seiner Nähe, mit nicht mehr als zehn Metern Entfernung, zu bleiben und ich mache mich, schon ein bisschen beleidigt, dass er mir gar nicht zutraut, dass ich auch alleine gehen könnte, auf den Weg.
Irgendwie ist zwischen uns etwas kaputt gegangen, als ich an meinen Haaren den Abhang hinunter hing. Daran will ich mich lieber gar nicht erinnern. Allein der Gedanke lässt mich diesen Schmerz wieder spüren. Ich komme mir total dämlich vor, dass ich hier ständig in solche Situationen gelange. Dass ich nicht allzu lange her auf Eric auf einem Baum lag, macht es nur noch peinlicher.
Dieses Gefühl, dass ich was falsch gemacht habe, will mich nicht verlassen und wird mit jeder Minute, in der Eric und ich uns so seltsam still gegenüber stehen stärker. Ich atme tief ein und aus und verdränge meine Gedanken. Wir müssen uns jetzt mit dem Floß bauen beeilen, denn je schneller es fertig ist, desto schneller können wir über den Fluss und je schneller wir über den Fluss können, desto schneller sind wir aus diesem Dschungel raus. Ich folge also Eric, der ein paar Meter in den Wald hinein geht. Er fängt an die Hölzer, welche am Boden liegen genauer zu inspizieren. Einige, die etwas dicker sind und ganz geeignet ausschauen, hebt er hoch und betrachtet sie genauer. Die meisten lässt er aber wieder fallen. Ich kenne mich zwar nicht wirklich aus, aber ich glaube, dass sie möglichst dick und gerade sein sollten.
Eric schaut plötzlich zu mir rüber und kurz herrscht ein seltsamer Blickkontakt zwischen uns. Schnell schaue ich weg und beginne ein paar Lianen von einem Baum zu reißen. Das ist echt schwerer, als es wahrscheinlich aussieht. Ich zerre mit all meiner Kraft an den Kletterpflanzen, doch es reißen nur ein paar. Sie fallen mir mitten ins Gesicht und ich muss mich erstmal aus ihnen befreien. Ich schaue zu Eric, während die Pflanzen immer noch um mich hängen und sehe, wie er lächelt. Ich will schon zurück lächeln, doch er schaut wieder weg. Ich weiß, das sollte mir eigentlich egal sein, ist es aber nicht.
Ich schüttele den Kopf. Lieber sollte ich mit meiner Arbeit weitermachen. Ich reiße und zerre an allen Lianen, die hier in der Nähe sind und häufe sie auf. An meinen Händen entstehen dadurch Blasen und Schrammen, doch ich beachte sie nicht und mache einfach weiter.
Nach einer Weile habe ich einige Lianen zusammen und Eric hat einen Haufen gerader dicker Äste gesammelt. ,,Tragen wir es zum Flussufer.", sagt er und wir machen uns mit den Baumaterialien in der Hand auf den Weg. Nachdem wir ein paar mal gelaufen sind und alles zum Ufer getragen haben, fangen wir mit der richtigen Arbeit an. Mit den Lianen binden wir die Äste zusammen und Eric zeigt mir dabei, wie man sichere Knoten bindet, so dass sie sich nicht lösen. Dabei kommen wir zum Glück wieder ins Gespräch.
Einige Minuten später steht schon das fertige Floß vor uns. Klar, wir haben hier keine Titanic 2.0 gebaut, aber es schaut schon mal gar nicht so schlecht aus. Meinen Beurteilungen nach schaut es ziemlich sicher aus und auch Eric scheint mit unserem Werk zufrieden zu sein.
,,Dann los, oder?"
,,Ja, lass uns keine Zeit verschwenden."
Wir steigen in den Fluss. Irgendwie ist das Wasser doch nicht mehr ganz so warm, wie es immer war, als wir baden waren. Kurze Unsicherheit überfliegt mich, doch ich unterdrücke sie wieder. Kaltes Wasser kann uns schon nicht so viel anhaben.
Eric lächelt und ich lächele zurück. Bevor es losgeht, trinkt er noch einen Schluck aus dem Fluss, ich mache es ihm gleich und schon gehen wir weiter hinein. ,,Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass uns die Strömung zu stark von dem Ort wegtreibt, an dem auf der anderen Seite der Weg weitergeht. Also bitte paddele mit all deiner Kraft. Benutz deine Arme und Beine so viel es geht." Erics Gesichtsausdruck ist ernst als er das sagt und seine Stirn liegt in Falten. Jetzt kriege ich doch ein kleines bisschen Angst. Wenn wir das nicht schaffen, war alles um sonst. Aber man soll ja immer schön optimistisch bleiben.
Wir waten nebeneinander immer weiter ins Wasser. Es ist echt schwer vorwärts zu kommen, denn die Strömung droht von unten unsere Beine wegzureißen. Schon jetzt werden meine Beinmuskel hitzig und wir sind noch nicht mal geschwommen.
Als das Wasser schon über unserer Hüfte steht, beschließt Eric: ,,Auf drei springen wir gleichzeitig auf das Floß und dann ist schwimmen angesagt." ,,Okay.", stimme ich zu. Meine Stimme ist dabei zittrig. Ach scheiße, ich hab wieder so eine höllische Angst, dass wir das nicht überleben werden.
,,Eins, zwei, drei.", zählt Eric hoch und ich springe. Schnell kralle ich mich in das Holz fest. Fast wäre ich abgerutscht. Eric liegt bereits in einer guten Lage und paddelt mit seinem Arm. Seine Beine machen Bewegungen wie die eines Frosches. Ich sollte nicht zögern, also hieve ich mich mehr auf das Floß und beginne auch zu schwimmen. Dabei habe ich das Gefühl, dass wir gar nicht vorankommen und nur weiter entlang des Flusses geschwemmt werden. Eric atmet hektisch und trotz dessen, dass wir uns gerade in einem Fluss befinden, fließt Schweiß über sein Gesicht. Ich strenge mich auch so stark wie es geht an und schnappe nach Luft.
Wasser spritzt um uns, Adrenalin schießt mir durch die Adern und ich wünsche mir mehr als alles andere, endlich am anderen Ufer anzukommen.
Eric keucht: ,,Die Hälfte haben wir, weiter." Ich stöhne. Erst die Hälfte!? Ich kann schon nicht mehr, mache aber trotzdem was ich tun kann. Meine Arme und Beine zittern unter der schweren Arbeit des Paddelns.
,,Noch fünfzehn Meter. Endspurt.", ächzt Eric. Erleichterung breitet sich schon in mir aus, doch noch sind wir nicht angekommen. Also weiterpaddeln. Ich bin schon fast glücklich, es geschafft zu haben, doch dann schreit Eric: ,,Scheiße!". Ich weiß zuerst nicht, was er damit meint, doch dann schaue ich nach unten ins Wasser und entdecke es. Dort schwimmt eine längliche Gestalt mit langen Zähnen.
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