04. DEZEMBER
Q U I N N
Dana und ich hatten die ganze Nacht über irgendeinen Kram gelabert. Irgendwann hatte der Schlaf uns dann aber auch eingeholt. Um zehn Uhr früh klingelte glücklicherweise ihr Wecker, sonst hätte ich vermutlich das Treffen mit Louis verschlafen.
»Bleibst du noch zum Frühstück?«, fragte Dana, nachdem wir ihr ganzes Zimmer aufgeräumt und saubergemacht hatten.
»Würde ich ja gerne, aber ich muss mich doch um 12 mit Louis treffen, und vorher auch noch die ganzen Sachen Zuhause abstellen. Außerdem würde ich echt gern noch duschen...«, seufzte ich, aber meine Freundin war schon längst im Lachen ausgebrochen.
»Ist ja gut, ich habe es schon verstanden«, kicherte sie.
Es tat echt gut, einmal richtig Lachen zu können, ohne irgendwas vorspielen zu müssen.
»Sollen meine Eltern dich nach Hause fahren?«, verlangte sie wenige Sekunden später zu erfahren.
Das war um ehrlich zu sein eine gute Frage auf die ich keine Antwort wusste. Würde mein Dad das akzeptieren? Um ehrlich zu sein gab es für mich keine größere Angst vor einer Sache oder zum Beispiel einem Tier, als vor ihm. Verdammt, was hatte er doch nur für eine Kontrolle über mich.
»Ich weiß nicht... Ich möchte keine Umstände bereiten, und...«, fing ich an.
»Man Quinn, du bist meine Freundin und meine Eltern mögen dich auch, und haben bestimmt nichts dagegen dich heimzufahren«, unterbrach sie mich.
Das war aber mal eine Ansage.
Ein kleines Lächeln stahl sich von meinen Lippen. So fühlte es sich also an, eine richtige Freundin zu haben. Ich hatte dieses Gefühl schon fast vergessen, da Beth ja nun mehr als ein halbes Jahr in den USA war. Sie war die einzige die bescheid wusste, wie ich zu meinem Vater stand. Es fühlte sich einfach nur wunderbar an, nach so langer Zeit, endlich mal wieder jemanden zu umarmen, dem ich bedingungslos vertraute. Ich schloss meine Arme um ihren Körper, und sie erwiderte die Umarmung sofort.
»Wofür war das denn?«, fragte sie.
»Ich bin total glücklich, eine so gute Freundin wie dich gefunden zu haben«, sagte ich mehr als erfreut, woraufhin sie wieder breit grinste. Den Kontakt zu Beth hatte ich nicht mehr richtig halten können, sie hatte wohl neue Freunde gefunden und mich vergessen... Doch darüber wollte ich nun nicht weiter nachdenken.
*
Zuhause war diese entstandene gute Stimmung auf der Stelle wieder weg. Mein Vater wollte das Projekt sehen, an dem Dana und ich angeblich gearbeitet hatten. So ein verdammter Mist. Wieso hatte ich nur das Gefühl gehabt, dass dies schiefgehen würde? Jetzt stand ich also hier vor meinem Vater und stammelte irgendwelche Ausreden, die sich aber irgendwie doch als Entschuldigungen entpuppten.
»Quinn du hast Hausarrest! Ich kann dir wie man sieht ja nicht mehr vertrauen. Ich bin wirklich maßlos von dir enttäuscht!«, brüllte er und seine Hand machte mal wieder Bekanntschaft mit meiner Wange.
Wie betäubt strich ich mit meiner Hand über die pochende Haut und schluckte die Tränen herunter.
»A... Aber...«, stotterte ich und versuchte die Schmerzen zu ignorieren.
»Nichts aber. Ich bin jetzt wieder auf der Arbeit, dich kann man ja kaum ertragen. Wage es ja nicht, auch nur einen Schritt vor die Haustür zu setzen!", schrie er, klatschte meine Tür zu und sperrte sie - ganz zu meinem Entsetzen - auch noch ab.
Verdammt, wie sollte ich mich jetzt nur mit Louis treffen?
Dein Vater hat dich geschlagen und du denkst nur an dieses bescheuerte Treffen mit Louis?
Gekonnt ignorierte ich mein Unterbewusstsein, obwohl ich wusste, dass es recht hatte und versuchte den Schmerz an meiner Wange weiterhin zu unterdrücken. Ich hatte ja nicht einmal Louis' Handynummer, also konnte ich ihm keine Ausrede schreiben, weshalb ich kurzfristig doch keine Zeit hatte.
Wenn ich nicht auftauchen würde, dann würde er mich mit Sicherheit in der Schule umbringen oder vor allen wieder zur Sau machen.
Hektisch ging ich in meinem Zimmer auf und ab. Wie sollte es so nur weitergehen? Ich hatte definitiv keine Lust mehr, wie bisher weiterzuleben. Aber darüber konnte ich mir nach dem Treffen weitere Gedanken machen. Zeit dazu hatte ich ja genug. Mein Blick fiel auf das Fenster.
Sollte ich...?
Aber ich war im ersten Stock, würde ich es da unversehrt hinunterschaffen?
Wenn man es nicht ausprobiert, kann man es nicht wissen..., mischte sich das Unterbewusstsein mal wieder ein.
Irgendwie enthielt dieses Geplapper ja schon einen Funken Wahrheit. Fest entschlossen zog ich meine braunen Chucks an, die zum Glück noch in meinem Zimmer standen, nahm meine Tasche und öffnete das Fenster. Ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich mich sehr vorsichtig nach unten hangelte, was übrigens gar nicht so leicht war. Als ich festen Boden unter den Füßen spürte hätte ich mich fast ins Gras geschmissen. Es war ein Wunder, dass ich diese kurze turbulente Kletteraktion heil überstanden hatte.
Meine Füße glitten schnell über den Boden, ich musste mich nun wirklich beeilen.
Beim vereinbarten Treffpunkt angekommen, sah ich Louis schon von weitem vor der Tür stehen. Er wartete auf mich. Schüchtern starrte ich weiterhin den Boden an.
»Na endlich...«, zischte er als Begrüßung, eine kleine weiße Wolke seines Atems schlug mir entgegen.
Super. Da schlich ich mich extra von Zuhause weg, nur um mich mit diesem Arsch zu treffen, und wurde gleich angeschnauzt. Womit hatte ich das alles nur verdient? Womit im Gottesnamen? Am liebsten wäre ich auf der Stelle wieder umgedreht und zurück nach Hause gelaufen, aber ich schaffte es mich zu zügeln.
Seufzend betrat ich gleich nach ihm das Starbucks. Wir setzten uns wieder in eine Nische, und zuerst herrschte nur Stille.
»Welches Lied wollen wir jetzt singen?«, durchbrach ich die unerträgliche Stille und somit auch seinen intensiven Blick der beinahe die ganze Zeit auf mir haftete.
»Bitte nichts, was mit Weihnachten zu tun hat«, grummelte er.
»Louis ist das dein Ernst? Es ist ein Weihnachtsstück! Und wir müssen dafür sorgen, dass es den Leuten gefällt. Wenn du dich vielleicht wenigstens ein bisschen anstrengen würdest, wäre ich dir sehr verbunden«, rief ich aufgebracht, musste mir aber gleichzeitig auch ein leichtes Lachen verkneifen.
Konnte man wirklich so dumm sein?
Hoffentlich war das eine rhetorische Frage, auf die man keine Antwort geben muss, meinte mein Unterbewusstsein mit einem seltsamen Blick auf den Gesichtszügen zu.
»Oh nein, ich kann Weihnachten nicht ab... Müssen wir das wirklich machen?«, fragte er lustlos.
»Sag mal hast du Mr. Bones denn gar nicht zugehört?«, entgegnete ich und hob meine Augenbrauen. So langsam wurde ich echt sauer; dieser Typ bildete sich doch auch ein, er wäre sonst etwas oder? Das kontinuierliche Brennen auf meiner Wange wurde Stärker, ich hatte Mühe es weiterhin zu unterdrücken.
»Nicht wirklich, ich bin ja nicht so ein Streber wie du«, grinste er, woraufhin ich ihm am liebsten gegen die Schulter geboxt hätte.
Was war denn jetzt bitte in ihn gefahren? Gab er mir etwa immer noch die Schuld, dass wir diesen Mist zusammen singen mussten? In mir tobte alles, selbst das Blut schien zu kochen und mein Herzschlag hatte sich fast auf das dreifache beschleunigt.
»Lass uns einfach diesen Mist hinter uns bringen okay?«, erwiderte ich so ruhig wie möglich.
»Können wir dann wenigstens dieses Weihnachtslied von Justin Bieber singen? Ähm wie hieß das noch gleich...?«, wollte er wissen und ich verschränkte die Arme vor meiner Brust.
»Du magst Justin Bieber? Es heißt Mistletoe...«, murmelte ich und biss mir auf die Lippe.
So ein Kerl wie er mochte nicht im Ernst Justin Bieber, oder? Da würde doch bestimmt gleich eine Kamera um die Ecke kommen. Mit Sicherheit war das hier so etwas wie Verstehen sie Spaß?
Es kam niemand.
»Genau, so hieß es. Das singen wir. Justin hat eine tolle Stimme, das ist alles was ich an ihm mag. Den Rest für das Duett besprechen wir morgen in der Stunde, ich muss jetzt nämlich weg, weil ich noch etwas vorhabe«, meinte er kurz gebunden und zwinkerte mir nochmal zu, bevor er sich zum Gehen wandte.
Das war doch echt nicht zu fassen.
Was genau war hier gerade passiert?
Ach genau, Louis Tomlinson hatte mich hierher bestellt nur um ein läppisches Lied auszuwählen, was man ja per SMS nicht hätte tun können, und ich Depp, hatte mich deswegen extra von Zuhause davongeschlichen.
Und nun ließ dieser Idiot mich einfach eiskalt hier stehen?
Stocksauer stand ich auf und machte mich auf den Weg nach Hause. Da es draußen wieder so kalt war, nahm ich mir noch einen Cappuccino mit.
Kurz vor unserer Haustür hielt ich inne. Irgendwas stimmte absolut nicht. Vorsichtig musterte ich unser Haus, aber es sah alles eigentlich komplett normal aus, bis mir der Wagen meines Vaters auffiel.
Er stand vor der Garage... und das hieß, dass er wieder Zuhause war.
Und ich nicht.
»Verdammt nochmal, was ist das heute für ein bescheuerter Tag«, fluchte ich leise.
Durch das Fenster konnte ich einen kurzen Blick auf ihn erhaschen - er war gerade dabei ein paar Teller auf den Boden zu werfen. Verdammt, und er sah mächtig wütend aus. Wenn ich da jetzt reingehen würde, wäre dies mein sicherer Tod.
Deshalb beschloss ich wegzurennen.
Auf irgendeiner Parkbank würde ich es schon aushalten. Wenn ich doch nur wüsste wo Dana wohnte, aber ich hatte mir die Straße nicht gemerkt und mein Handy war so gut wie tot.
Es war mittlerweile wirklich schweinekalt, als ich mich auf die leicht eingeschneite Bank fielen ließ.
Eines stand fest; wenn ich hier übernachten würde, standen die Chancen ziemlich hoch, dass ich erfrieren würde. Aber mir blieb nichts Anderes übrig, weshalb ich mich mit allem bedeckte was ich hatte und es mir auf der Bank weitgehend bequem machte. So hatte ich mir die Weihnachtszeit sicherlich nicht vorgestellt.
Die ganzen Gedanken die durch meinen Kopf schwirrten, hinterließen ein heilloses Durcheinander, ich schloss meine Augen und versuchte einfach alles abzuschalten; auch die Kälte die mich umgab.
Irgendwann fielen mir die Augen zu.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro