Kapitel 35
,,Ich glaube, der hier gehört dir", grinsend warf mir Kayl mein Bikinioberteil rüber, den er vom Boden aufgehoben hatte.
Schmunzelnd fing ich ihn, während ich immernoch komplett nackt auf der Fläche neben dem Waschbecken saß und Kayl dabei beobachtete, wie er sich seine Kleidung wieder anzog. Zumindest die, welcher er bereits gefunden hatte.
Stirnrunzelnd fing er sich an, im Kreis zu drehen. ,,Wo ist mein T-Shirt?"
Kichernd zeigte ich auf die Wandlampe neben der Badezimmertür. Ich hatte perfekt getroffen.
Er griff sofort danach ohne jegliche Emotionen, so als hätte er sein T-Shirt schon abertausende von Malen von einer Wandlampe geholt. Und wer wusste es schon. Vielleicht hatte er das ja wirklich schon ein paar mal müssen und fand es dementsprechend nicht mehr lustig. Ich im Gegensatz jedoch schon. Kichernd hielt ich mir die Hand vor den Mund.
,,Warum ziehst du dich nicht an?", fragte er, nachdem er es sich übergezogen hatte.
,,Ich muss doch noch duschen, schon vergessen?", lächelnd neigte ich meinen Kopf zur Seite und stützte mich von hinten mit meinen Armen. Es war ein glückliches Lächeln. Ein zufriedenes Lächeln.
Kayl kam auf mich zu und stellte sich vor mich. ,,Stimmt ja". Er stütze sich am Rand der Fläche mit seinen Armen ab und beugte sich zu mir runter, um mich zu küssen. Automatisch schlang ich meine Arme um seinen Hals und zog ihn so weit zu mir runter, bis sich der Abstand zwischen uns beiden schloss. Zärtlich küssten wir uns.
,,Ich muss jetzt los", flüsterte er, nachdem er sich nach kurzer Zeit von mir gelöst hatte.
,,Es ist aber noch nicht dunkel", sagte ich, mit dem Hintergedanken er würde es sich anders überlegen und noch bleiben.
,,Ich muss aber meinen Rucksack packen und noch ein paar Sachen mit Martin besprechen, bevor wir uns auf den Weg machen", sagte er sanft. ,,Außerdem solltest du das Abendessen auf keinen Fall verpassen. Du hast heute schon das Frühstück ausfallen lassen"
Ich seufzte. Ich hatte zwar Hunger, würde aber mit Freude darauf verzichten, nur um mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Aber ich wusste, dass es wichtig war, für ihn, sich noch vorher für die Mission vorzubereiten. Also gab ich ihm noch schnell einen letzten Kuss und nickte ergeben. ,,Pass auf dich auf".
~
Ich zupfte an den roten Vorhängen meines Bettes. Nach dem Abendessen wurde mir Bescheid gegeben, dass ich wieder zurück in mein altes Zimmer ziehen konnte. Die Duschkabine wurde repariert und war nun wieder einsatzbereit. Etwas niedergeschlagen ließ ich mich auf mein Bett plumpsen. Nun würde es Kayl wieder schwieriger haben, mich besuchen zu kommen. Dies bereitete mir schlechte Stimmung. Genau da, wo etwas mal gut läuft, meint das Universum alles wieder zerstören zu müssen.
Ein Klopfen ließ mich auf meine Zimmertür aufblicken.
,,Ein Brief für Sie, Miss", sprach der Security-Mann und reichte mir den Umschlag, welcher in seiner Hand lag, nachdem ich die Tür geöffnet habe. Ich erkannte diesen Umschlag sofort. In solchen lagen immer Einladungen zu einem Date mit Brandon.
Erinnerst du dich noch an den Schlossturm, von welchem aus wir ein Baumhaus im Wald erblicken konnten?
Erinnerst du dich noch an meine Worte, in denen ich dir versprach dich dort hin auszuführen?
Nun denn, ich möchte mein Versprechen jetzt wahr machen.
Würdest du dich bitte in einer Stunde zum Vorhof begeben?
Du wirst dann von der Limousine zum besagten Ort gefahren.
- Brandon
Fast schon genervt, stöhnte ich auf. Musste er auch gerade jetzt ein Date mit mir haben wollen? Es befanden sich noch so viele Frauen im Schloss und er beschloss ständig nur mit mir auszugehen. Zumindest fühlte ich mich so. Ich hätte wetten können, es gab zu diesem Zeitpunkt jemanden im Schloss, der noch nicht das Vergnügen hatte, ihn zu treffen.
Unmotiviert schlürfte ich zu meinem Umkleidezimmer. Nach längerem Herumschieben meiner Kleiderbügel entschied ich mich schließlich für einen knall pinken Jumpsuit mit einem goldenen Gürtel um der Taille. Der Jumpsuit war ärmellos, weshalb ich noch einen schwarzen Oversize-Blazer schnappte, falls es am Abend zu frisch werden würde. Dazu zog ich noch schwarze Schuhe ohne Absatz über. Das war das Gute daran, wenn ich mich ohne Theo bedienen konnte. Ich musste keine Absatzschuhe zum Outfit tragen.
Um Punkt 21 Uhr saß ich dann in der Limo, welche mich zum Baumhaus fuhr. Oder besser gesagt, in die Nähe davon. Mit der Aussage "Den Rest müssen wir laufen, Miss", stieg ich dann am Waldrand aus und folgte dem Security-Mann ins Innere des Waldes. Und schon war ich froh darüber, mich selber angezogen zu haben. An den Abend mit Brandon im Wald in hohen Schuhen konnte ich mich noch zu gut erinnern. Auf keinen Fall wollte ich so etwas wiederholen. Es war der Horror gewesen.
Während wir dem ausgestampften Pfad folgten, schweiften meine Gedanken zu Kayls Worte von vorher. Ein elektrischer Zaun...... Als er mir von ihm erzählt hatte, habe ich noch keinerlei wirklichen Gedanken daran verschwendet, doch jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, während ich den Security-Mann vor mir anvisierte. Sie waren nicht zur unserer Sicherheit da. Sie waren dazu da, um uns hier zu behalten. Um uns nicht entkommen zu lassen, falls jemand Verdacht schöpfen sollte. Mir lief bei dieser Erkenntnis ein Schauer über den Rücken. Waren alle eingeweiht und wussten von allem Bescheid? Doch wenn das stimmen sollte, wäre die nächste Frage, warum wusste Kayl dann nichts davon?
In genau diesem Moment fiel mir auf, wie wenig ich eigentlich über Kayl wusste. Genau genommen, so ziemlich nichts. Weder wie er hier hergekommen ist, noch etwas über seine Familie oder allgemein. Verdammt, ich wusste doch noch nicht einmal wie alt er ist. Ich nahm mir vor, das nächste Mal wenigstens so banale Dinge wie sein Alter oder seine Lieblingsfarbe herauszufinden, damit ich mir nicht allzu blöd vorkam. 'Sich in jemanden zu verknallen, von dem man nichts wusste.....wieder eine Meisterleistung, Mira. Sowas schaffst auch nur du', dachte ich und schüttelte den Kopf über mich selbst.
Wir stampften noch ein paar Minuten den Pfad entlang, bis ich irgendwann das Dach des Baumhauses hervorragen sah. Als ich es mit Brandon aus dem Turmzimmer betrachtet habe, sah es wie ein stinknormales Baumhaus aus. Doch jetzt, je näher ich dem Baumhaus kam, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich äußerst falsch lag. Es war nämlich nicht nur ein stinknormales Baumhaus. Die Außenwände bestanden aus dunklem Holz, welches sehr edel aussah. Die Fenster waren groß und es gab keine Leiter oder eine Treppe, die hinauf führte. Nein, es gab einen Glasaufzug, welcher sich genau neben dem dicken Baumstamm befand.
Freundlich hielt mir der Security-Mann die Glastür auf und wartete darauf, bis ich eintrat. Dann verabschiedete er sich und schloss die Tür wieder hinter mir, was mich daraus schließen ließ, dass er nun gehen würde. Außerdem fiel mir auch erst jetzt auf, dass gar kein Kamerateam anwesend war. Irritiert sah ich mich um. Wirklich keine einzige Kamera? Als ich zur Decke des Aufzuges sah, entdeckte ich auch dort keine. 'Seltsam'
Ich drückte auf den Knopf, welcher mit einem Pfeil nach oben gekennzeichnet wurde. Sogleich setze sich der Aufzug in Bewegung. Er fuhr langsamer als normale Aufzüge. Ob es an der Sicherheit lag oder daran, damit man den Augenblick genießen konnte, wusste ich nicht. Jedoch hätte ich mir das mit dem Ausblick genießen sehr gut vorstellen können, denn je höher der Aufzug fuhr, desto mehr zog mich die atemberaubende Aussicht in den Bann. Ich befand mich wortwörtlich mitten im Wald. Überall befanden sich ausschließlich Bäume. Der Himmel war nur leicht bewölkt und machte das Bild, welches sich vor mir ergab, noch schöner als es eh schon war. Auch als der Aufzug zum Stehen kam, machte ich keine Anstalt ihn zu verlassen. Wann hat man den sonst noch die Gelegenheit so etwas Schönes betrachten zu können?
,,Wunderschön, nicht wahr?", hörte ich die Stimme von Brandon hinter mir, nachdem er die Glastür geöffnet hatte.
,,Ja", sagte ich und drehte mich zu ihm um. Er grinste. ,,So etwas bekommt man nicht jeden Tag zu sehen"
,,Da hast du recht", stimmte er mir zu und sah an mir hinunter, bevor er sich auf seine Lippe biss.
Um die mir unangenehme Situation zu entgehen, lief ich einfach aus dem Aufzug, geradewegs an ihm vorbei und betrat das Baumhaus. So hatte er mich noch nie angesehen. Zumindest nicht so auffällig.
Die Wände und der Boden waren wie auch außerhalb in einem dunklen Holz. Ein weißer, flauschiger Teppich lag in der Mitte des Raumes, auf dem ein runter Glastisch seinen Platz fand. Der Tisch war gedeckt mit Obst und verschiedenen Süßspeisen. Dazwischen bemerkte ich eine Flasche Wein. Doch diesen ganzen Sachen warf ich nur einen flüchtigen Blick zu. Das, was meine volle Aufmerksamkeit erlangte, war das Panoramafenster mir direkt gegenüber. Es war der gleiche Ausblick, wie auch zuvor aus dem Aufzug gewesen, nur, dass man von dieser Seite aus auch noch unser Schloss erblicken konnte. Es war nicht sonderlich weit weg. Jedoch weit genug, sodass man es in seiner vollen Pracht sehen konnte.
,,Du siehst heute unglaublich aus. Pink ist definitiv deine Farbe". Brandon stellte sich neben mich und aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie er mich erneut von oben bis unten musterte.
,,Danke", sagte ich und sah nur starr gerade aus. Er verhielt sich merkwürdig. So unwohl wie in diesem Augenblick hatte ich mich bei ihm noch nie gefühlt. Als würde ein komplett anderer Mensch neben mir stehen.
,,Komm, setz dich doch", meinte er und lief auf einen der Stühle zu. Er schob ihn etwas vom Tisch, damit ich Platz nehmen konnte. Nachdem ich mich gesetzt habe, lief er lässig zum Stuhl mit gegenüber und ließ sich darauf fallen. Zurückgelehnt und breitbeinig machte er sich darauf bequem, bevor er nach der Weinflasche griff. Während er mit dem Korkenzieher hantierte, blickte ich ihn misstrauisch an.
,,Reichst du mir dein Glas?", fragte er mich augenzwinkernd, nachdem er die Flasche geöffnet und den Korken achtlos auf den Tisch geworfen hatte.
Mit gehobener Augenbraue lehnte ich mich etwas vor und schob mein leeres Glas in die Mitte des Tisches.
'Was ging hier vor sich?' Krampfhaft versuchte ich mir in meinem Kopf auszumalen, woher sein plötzlicher Persönlichkeitswechsel herkam, konnte mir aber nichts Passables zusammenreimen, was die ganze Situation hier erklären würde.
'Konnte es sein, dass er in Wirklichkeit genau so war, wie auch jetzt? War das im Schloss nur reinste Show gewesen? Sein ganz persönliches Spiel?'
Brandon sah grinsend zu mir und griff schließlich nach meinem Glas, bevor er es zur Hälfte mit Wein füllte. Dann leckte er sich kurz über seine Lippen und schob das nun gefüllte Glas grinsend wieder in die Mitte des Tisches. An seinem Blick erkannte ich, wie er gespannt auf meine Reaktion wartete. Wollte wissen, was ich nun tun würde.
Doch ich tat nichts. Stellte ihm stattdessen eine Frage. ,,Was soll das?"
,,Was soll was?", stellte er mir eine Gegenfrage und nippte grinsend an seinem Glas Wein. Er wusste ganz genau, wovon ich sprach. Entschied sich aber dafür, sein dämliches Spiel weiterzuspielen. Was auch immer es bezwecken sollte.
Und ich entschied mich ihm gleichzutun. Wenn er meine Fragen mit Gegenfragen beantwortet, dann würde ich auf seine erst gar nicht antworten.
Als ich nichts mehr sagte, seufzte er und fing mit einem konzentrierten Blick an, den Inhalt vom Glas zu schwenken. ,,Ich habe vorhin Rayle nach Hause geschickt. Oder besser gesagt, so getan als ob"
Ich legte meine Stirn in Falten. Nicht sicher, was er mir damit sagen wollte.
,,Und es wird morgen früh, gleich auch noch eine weitere das Schloss verlassen müssen", er sah zu mir auf und sein Blick veränderte sich. Wurde fast schon düster. ,,Du schreist ja förmlich danach zu den anderen zu gelangen. Schnüffelst weiter. Triffst dich mit Kayl. Planst etwas. Ich dachte, ich mache dir einen Gefallen damit, wenn ich anfange jede Kandidatin schneller rauszuschmeißen als geplant. Somit findet eure Wiedervereinigung schon ziemlich bald statt". Er leerte sein Glas in einem Zug und füllte es gleich darauf auch schon wieder nach.
Ich rieb mir nervös meine schwitzigen Hände leicht an meiner Hose. Wir waren aufgeflogen. Waren zu unvorsichtig gewesen. Ich musste schlucken. Wusste nicht, was ich sagen sollte. Wie ich mich verteidigen sollte.
,,Dachtest du wirklich, Mister X ist so blöd und würde nichts von eurem Plan mitbekommen?". Mit einem wütenden Ausdruck im Gesicht sah er mich an.
'Warum war er jetzt so wütend? Als hätte ich ihn damit ganz persönlich beleidigt'
Mein Herz pochte so schnell und so stark, dass ich fast schon Angst hatte, es würde mir einfach aus der Brust springen. Ich versuchte jeden der vergangenen Momente im Kopf durchzuspielen, nur um zu verstehen, an welcher Stelle wir genau versagt hatten. Schließlich wussten nur Martin, Kayl und ich von dem Plan. 'Wo verdammt waren wir zu unvorsichtig gewesen ?!
,,Man sollte immer gut aufpassen, wen man in seine Pläne einweiht, Mira. Leider entschied sich Kayl dafür, dem falschen zu vertrauen", sagte Brandon und drehte sein Glas am Stiel.
Ich biss meine Zähne aufeinander. Martin. Es konnte nur Martin sein. Frustriert schloss ich meine Augen. Hätte Kayl ihn nicht eingeweiht, wären wir nicht aufgeflogen. Warum musste er auch so unvorsichtig gewesen sein?! Und warum zur Hölle habe ich das alles nicht hinterfragt?"
Brandon blickte auf seine Armbanduhr. ,,Es sollte bald so weit sein", sagte er leise. Eher zu sich selbst als zu mir.
,,Was meinst du?", fragte ich beunruhigt.
Er sah mir für eine kurze Zeit tief in die Augen. Zog somit das Gespräch unnötig in die Länge. ,,Mister X macht keine leeren Versprechungen", leicht schüttelte er seinen Kopf. ,,Wenn er dir sagt, du sollst dich von Kayl fernhalten, dann sollst du dich auch von Kayl fernhalten", meinte er ruhig.
Gleich darauf ertönte eine ohrenbetäubende Explosion. Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte meinen Kopf zum Fenster, um den Ursprung herauszufinden. Geschockt erblickte ich eine riesige Rauchwolke, nicht allzu weit von uns entfernt. Mein Atem ging stoßweise. Ein Feuer entfachte an der Stelle.
,,Ups.......War wohl doch nicht der Ort, von welchem ihr dachtet, dass er es wäre", hörte ich Brandon neben mir lachen, während sich meine Augen anfingen, mit Tränen zu füllen als mich die Erkenntnis traf.
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