22. Kapitel - Ich glaube, ich bin blind gewesen
I think I was blind before I met you
And I don't know where I am, I don't know where I've been
But I know where I want to go
-„First day of my life", Bright Eyes
Montag
08. Oktober
17:30 Uhr
Wie versprochen erscheint Nicolas zwanzig Minuten später neben mir auf der Bank, auf der ich mich niedergelassen habe. Ich sehe nicht auf, als er sich setzt, ich weiß, auch so, dass die große Gestalt mit den hellen Haaren und der geraden Statur Nicolas ist. Ich kenne seinen Körper gut genug. So gut, zu gut. Vielleicht. Es ist fast, als mache das alles nur noch schlimmer.
„Hi", sagt Nicolas und seine Stimme klingt vertraut und irgendwie fremd zugleich, rau durch das Stimmengewirr der Menschenmenge, die uns umgibt. Wir sehen einander nicht an, nur hinaus auf die Elbe, den Strom entlang und dorthin, wo irgendwo an seinem Ende die Sonne untergeht. Goldenes Licht färbt die Schiffe mit den hohen Masten, die vor uns im Wasser liegen und bricht sich in dessen Oberfläche, glitzert und wirft helle Reflexe zu uns hinüber, in unsere ernsten Gesichter. Ich frage mich, was die anderen Gesichter denken, die an uns vorüber ziehen. Sieht man uns an, dass wir eine Woche lange heißen Sex hatten und jetzt an einem Kipppunkt stehen? Tun wir das überhaupt? Ist das hier ein Kipppunkt? Ein Ende, ein Anfang, ein Scheideweg? Will ich das? Gedanken fließen durch meinen Kopf und schwemmen dahin wie mit dem Fluss der Elbe, als Nicolas dann doch zu sprechen beginnt. Er scheint darauf gewartet zu haben, dass ich seine Begrüßung erwidere, aber das tue ich nicht. Ich warte ab und er spricht.
„Danke, dass... wir reden können." Er atmet hörbar aus und ich spüre seinen Blick auf mir, doch meiner ist noch immer auf das Wasser gerichtet. Seine Hand hebt sich und ich zucke vor einer Berührung zurück, doch er fährt sich bloß durch das Haar. Ich entspanne mich wieder und das fällt ihm auf. Er sieht auf seine Schuhe, die nervös auf den Stein unter uns tippeln, so nervös, wie ich ihn gar nicht kenne. „Ich... Leah, ich...", beginnt er, dann bricht er wieder ab und fährt sich noch einmal in einer fahrigen Geste durch die hellen Strähnen, die ihm heute unordentlich ins Gesicht fallen. Jetzt sehe ich ihn doch an. Er sieht aus, wie seine Stimme klingt: vertraut und fremd. Es ist ungewohnt gewohnt ihn neben mir sitzen zu sehen und es ist gewohnt ungewohnt ihm dabei nicht nah zu sein. Ich widerstehe dem Instinkt zu ihm zu rutschen und mich an ihn zu lehnen. Doch zugleich, wirkt der Nicolas neben mir ganz anders, als der, mit dem ich die vergangenen Tage so ausgiebig verbracht habe. Verbracht und verbraucht vielleicht auch.
Sein Haar ist unordentlich und in seiner Stirn, die schwitzig glänzt, was in keinem Fall etwas mit dem Wetter zu tun hat, denn mit dem Schwinden der Sonne wird es stetig kühler. Er trägt eine dicke Jacke, so dick, dass beinahe sein gesamter Oberkörper darin verschwindet, die Hände in den Taschen vergraben und es wirkt, als wolle er sich wärmen im doppelten Sinn, als friere er, als wolle er sich verstecken. Vor mir oder vor sich selbst? Oder beides?
Er ist blass um die Nase und dicke Ringe unter seinen Augen lassen sein Gesicht kränklich und müde wirken. Unrasierte Bartstoppeln, die gestern noch kurz genug waren, säumen ungleichmäßig sein Kinn und seinen Kiefer entlang bis zu seinem Ohr. Sein Blick ist auslaugt, seine Augen rot. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen", beantwortet er meinen fragenden Blick und ich nicke nur, was anderes fällt mir dazu nicht ein. Nervös, wie es gar nicht zu ihm passt, knetet Nicolas die Hände. „Verdammt, ich... ich... hab die ganze Nacht darüber nachgedacht, was ich sagen soll, wenn wir uns sehen, die ganze Nacht. Und jetzt..." Er ringt die Hände. „Fuck!", stößt er wütend aus und eine ältere Dame, die mit ihrer Enkelin an uns vorüber spaziert, wirft ihm einen entrüsteten Blick zu. Nicolas lächelt entschuldigend, noch etwas, das gar nicht zu ihm passt.
„Ich hab mir überlegt, was ich sagen soll, ob ich zuerst versuchen soll mich zu entschuldigen oder sagen, dass es nichts gibt, wie ich das gestern wieder gut machen kann oder dass ich alles tun würde um das gestern rückgängig zu machen. Oder ob ich lieber überhaupt nichts sagen und dir zuhören sollte, weil ich ein Schwein bin und gar nicht das recht darauf hab zu verlangen, dass du mir zu hörst. Oder ob ich dir sage, dass ich weiß, dass es zu spät ist, aber dass ich..." Er hält inne, schließt kurz, nur für einen kleinen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnet, sagt er: „...dass ich dich verdammt gern hab, Leah."
Nicolas hebt den gesenkten Blick und sieht mich an. Ich sehe zurück, warte darauf, dass er weiterspricht. „Ich weiß nicht, was du zuerst hören willst oder ob du überhaupt was von dem hören willst, was ich zu sagen habe, aber..." Er stockt und er versucht es zu verstecken, aber ich sehe, wie er schwer schluckt. „...Aber es ist mir wichtig, dass du weißt, dass es mir leid tut. Alles. Dass ich... einfach gemacht und nicht hingehört habe." Sein Kopf versinkt in seinen Händen. „Oh Shit!", ruft er aus und ich höre wie seine Stimme dabei zittert. Ein paar Augenblicke verstreichen, in denen ich ihn ansehe und er mich nicht. Meine Hand zuckt, um nach seiner zu greifen, doch ich tue es nicht. Stattdessen sage ich: „Danke, dass du das sagst." Was anderes fühle ich in diesem Moment nicht, ich versuche verständnisvoll zu sein und was anderes fällt mir auch gar nicht ein.
„Ich will, dass du weißt, dass du zur Polizei gehen kannst, wenn du möchtest. Ich halt dich nicht auf", lässt er mich wissen und ich schüttle den Kopf. „Will ich nicht", sage ich kurz angebunden und er nickt, sichtlich erleichtert. „Gut." Dann atmet er wieder ein, hält die Luft an und atmet dann seufzend aus.
„Darf ich noch was sagen?", fragt er und ich bedeute ihm zu sprechen. „Ich bin dir dankbar, Leah, sehr sogar." Er streicht sich mit der Hand über die Bartstoppeln. „Letzte Nacht, als ich wach lag, habe ich etwas begriffen. Und... und ich glaube, ich bin blind gewesen, bis ich dich getroffen habe, dafür, dass ich das nicht eher begreifen konnte." Ich sehe seinen Kiefermuskel arbeiten und die Anspannung in seinem Gesicht bewirkt Entspannung bei mir. „Was meinst du?", frage ich und rutsche ein wenig näher an ihn heran, nur ein paar Zentimeter, aber die sind ein Zugeständnis, das Nicolas merklich dankbar annimmt. Er legt den Arm auf die Rückenlehne und gibt mir die Möglichkeit, mich zurück und an ihn zu lehnen, wenn ich es wollen würde. Aber das tue ich nicht. Noch nicht.
„Ich habe bemerkt, dass ich...", fährt Nicolas fort. „...dass ich ein Problem hab." Er seufzt. „Und zwar keines dass man durch ein bisschen Boxen und abreagierte Aggressionen lösen kann. Ich bin ein kaputter Mensch, Leah." Jetzt lehne ich mich doch näher zu ihm. „Bist du nicht", widerspreche ich ihm, den Instinkt ignorierend, dass ich ihn gerade vor sich selbst verteidige und dass dies, angesichts unserer Situation, seltsam und fragwürdig ist. „Doch, bin ich", beharrt Nicolas. „Und du hast keine Vorstellung, wie leid es mir tut, dass es gestern Abend gebraucht hat, um mir das klar zu machen." Er dreht den Kopf und auf einmal ist sein Gesicht meinem wieder nah. „Ich hab dich gern, Leah, sehr gern." Kurz hält er inne, ganz nah mit den Lippen an meiner Schläfe, fast erwarte ich, dass er mich küsst. Habe Angst davor und will es noch mehr. Doch er tut nichts dergleichen. „Aber wir zwei... wir waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt und das lag..." Nicolas' Stimme bricht „... an... uns beiden?" Er formuliert es als Frage, aber ich weiß, dass es sich vielmehr um eine Feststellung handelt.
„Ich mein nicht, dass du Schuld bist an... irgendwas, was gestern passiert ist, ich mein nur, dass..." Er seufzt. „Wir zwei funktionieren nicht als wir zwei. Ich bring etwas an dir heraus, dass dir nicht gut tut und du machst mich zu etwas, das ich immer war, aber nie sein wollte. Wir... tun einander nicht gut." Ich sehe zu Boden, nicht sicher, was ich denken und fühlen soll. „Ich weiß nicht. Meinst du? Ich fühle mich gut bei dir." Ich stocke und füge ein „Meistens" hinzu. „Und außerdem... vielleicht ist das... die Entscheidung, die wir treffen müssen. Darüber, was wir wollen." Ich warte kurz ab, ob er versteht, was ich meine. Er wiegt den Kopf unschlüssig hin und her, deshalb fahre ich fort. „Ich mein, ich weiß, dass es dir nicht gut geht und ich... ich glaube daran, dass man zu zweit besser dran ist, als allein. Weißt du? Ich... vielleicht..." Er nickt, doch seine Worte verraten etwas anderes. Sein Arm legt sich enger um meine Schultern und das fühlt sich gut an. „Ich weiß, was du meinst, Leah. Und... das ist genau das, wovon ich spreche. Ich bin kaputt. Aber du auch. Und du bist nicht die Person, die mir helfen kann, verstehst du? Du... hilfst gern und..." Er seufzt und es ist ein Geräusch, von dem ich sicher bin, dass ich es nicht vergessen werde. Es klingt nach... Tragik. „Und das schätze ich an dir, sehr sogar. Aber... du kannst sie nicht alle retten."
Dann wird es still. Es fühlt sich an, als wäre die Welt für einen Augenblick ausgeschaltet und als würden nur wir beide in diesem Moment darin existieren. Wie in Harry Potter im siebten Teil im leeren Kings Cross Bahnhof und die Metapher der verschiedenen Züge, die bereitstehen, um einzusteigen und verschiedene Wege zu nehmen, sitzen wir hier, an den Landungsbrücken am Hafen, die mir auf einmal leer erscheinen und sehen zu den Schiffen, die bereitstehen, um einzusteigen und verschiedene Wege zu nehmen. Der Gedanke ist bedrohlich und schön zugleich. Der Gedanke gibt mit etwas und nimmt mir zugleich alles weg.
Und dann sagt Nicolas etwas, dass ich in dieser Situation am wenigsten erwartet habe:
„Ich hab Eric gefunden, er wohnt jetzt in Berlin."
Seine Worte kommen unvermittelt und plötzlich und aus dem völligen Nichts. Entsetzt sehe ich ihn an. „Was?" Was zur Hölle hat Nicolas mit meinem Ex-Freund zu tun gehabt? Dem Ex-Freund...
Nicolas grinst und es ist ein echtes Grinsen, ein irgendwie... stolzes Grinsen. „Ich hab ihn bei Insta gesucht, noch am Morgen nachdem du mir... alles erzählt hattest." Ein Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, sorgsam und bedächtig. „Ich bin nach Berlin gefahren, der Hurensohn hatte seine Firma in seiner Bio verlinkt. Ich bin rein und hab nach ihm gefragt. Ich hab ihn gefunden und ihm eine reine gehauen." Er grinst noch breiter beim Anblick meiner entgleisenden Gesichtszüge. „Keine Sorge, es geht ihm gut." Ein schelmischer Ausdruck huscht über sein Gesicht. „Zumindest in zwei Wochen wieder", fügt er hinzu und mein Mund verfängt sich in einem belustigten Lächeln. „Und falls es dich interessiert: Bevor ich ihm seine Nase gebrochen hab, hab ich sie mir nochmal ganz genau angesehen." Er macht eine bedeutende Pause und lässt mich dann wissen: „Die war schon mal gebrochen: Hast ganze Arbeit geleistet."
Entgeistert sehe ich ihn an, weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Oder beides zugleich. „Ähm...", mache ich, doch Nicolas winkt ab. „Musst du nichts zu sagen. Ich weiß, dass es nicht deine Art ist Konflikte zu klären." Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Das ist überhaupt keine Art Konflikte zu klären!", merke ich entrüstet an. Trotzdem fühlt sich der Gedanke gut an, dass Eric sein Leben nicht leben kann ohne tagtäglich im Spiegel in Richtung einer zweifach gebrochenen Nase zu blicken und so daran erinnert zu werden, was er getan hat. Sehr gut sogar fühlt sich das an. Ich bin Nicolas nicht dankbar, dass er das getan hat. Aber ich werde ihn auch nicht dafür rügen, dass er einen halbfremden Mann, mit dem er irgendwann mal zur Schule gegangen ist, in dessen Firma in einer anderen Stadt aufgesucht hat, nur, um ihm eine reinzuhauen.
Nicolas nickt auf meine Worte hin. „Ich weiß", sagt er, doch es klingt viel mehr, als gelte das ihm und nicht mir. „Ich weiß. Hab nur ne Weile gebraucht, um das zu begreifen." Er lächelt gequält. „Und um zu verstehen, dass ich Menschen weh tue." Er grinst kurz. „Nicht nur körperlich, meine ich. Dass ich Menschen wegstoße, die versuchen, mich zu mögen. So wie du." Er sieht mich an und ich setze mich auf. Sein Arm gleitet dabei meinen Körper entlang, landet aber bei sich. „Ich hab es nicht nur versucht", widerspreche ich ihm, „...ich mag dich, Nicolas, sehr sogar. Und... vielleicht kann ich dir helfen." Die Worte purzeln aus meinem Mund. Ich widerspreche, denn auf einmal begreife ich, was er mir sagen will und das ist ein scheiß Gefühl. Er hat sich schon entschieden, für ein Zug, für ein Schiff, für einen Weg, den er nehmen will. Und der... ist ohne mich. Nicolas lächelt und es ist ein trauriges Lächeln. „Ich weiß, Leah."
Und das ist der Augenblick, in dem ich wieder zu weinen beginne, gar nicht anders kann. Ich spüre, wie Tränen sich in den Winkeln meiner Augen bilden, meine Sicht verschleiern, gerade noch kann ich sie zurück halten. „Du... willst jetzt einfach...?" Eine erste Träne löst sich, doch ich wische sie mit dem Ärmel meines Trenchcoats fort. Keine Zeit für Tränen, noch nicht.
„Du wirfst das jetzt einfach weg? Die Zeit, uns?" Nicolas lacht leise und sein Lachen wirkt fehl am Platz, aber echt und das macht es schön. Er beugt sich zu mir vor und streicht eine Strähne meines dunklen Haares hinter mein Ohr. Als seine Finger auf meine Haut treffen, zucke ich kurz zusammen. Auf eine gute Art. Glaub ich.
„Ich werfe gar nichts weg, kleine Leah. Ich hab nur eingesehen, dass ich dir nicht die Welt zeigen kann, wenn ich meine eigene noch gar nicht kenne. Und dass ich deine zerstöre, solange ich das nicht tue." Jetzt rinnen die Tränen, in zarten Bächen fließen sie über meine Wangen und ich mache mir nicht mehr die Mühe sie fort zu wischen. Das macht Nicolas. Mit beiden Daumen umfasst er mein Gesicht und wischt über meine Wangen. Es ist eine sanfte, Berührung, eine zarte. Und eine Berührung, die ich will. Die ich brauche. Ohne die ich nicht kann. Macht das alles nur noch schlimmer?
„Kannst du... kannst du dir das nicht...", schniefe ich, doch die Worte bleiben mir im Halse stecken, als ich sein langsames Kopfschütteln sehe. „Nochmal überlegen? Hm hm", verneint er. „Das hab ich. Die ganze letzte Nacht, den ganzen Tag heute. Jede Stunde, jede Sekunde seit du gestern aus dieser Tür gegangen bist."
Mein Weinen wird heftiger, ich schniefe, ich schluchze und immer mehr Tränen fallen in meinen Schoß und benetzen den Stoff meiner Jeans. Ich beiße mir auf die Unterlippe, die leise unter den Schluchzern zittert. „Weißt du noch in der ersten Nacht, oben auf meinem Balkon?", fragt Nicolas und ich nicke leise. „Du hast unterschiedliche Socken getragen und dich dann bei mir über komische Angewohnheiten mit Socken beschwert." Er sieht mich tadelnd an und ich sehe schuldbewusst zurück und dann auf meine Füße, die auch jetzt wieder in zwei verschiedene Farben gehüllt sind. Rot und Grün. Rot, wie der Untergang der Sonne und Grün wie die Hoffnung. Nicolas lacht, als er meinem Blick folgt. „Vielleicht sind wir wie deine Socken, Leah", stellt er in den Raum und ich muss unter den Tränen, die über mein Gesicht rinnen, doch ein wenig lachen. „Was?" Doch Nicolas blickt ernst: „Für ne Weile geht das gut, sogar sehr, sogar anders. Aber in manche Situationen passt das einfach nicht rein unterschiedliche Socken zu tragen. In manche Situationen, manchmal im Leben, ist die Ungleichheit einfach zu groß. So wie bei uns." Ich nicke, denn ich verstehe, weiß, was er meint, aber will das nicht wissen. Ein Schluchzen bricht aus mir heran, härter, heftiger noch als zuvor. „Tu das nicht, Nicolas", bitte ich ihn, doch sieht mich nur an.
„Und weißt du noch, in der selben Nacht, aber viel früher. Als wir noch dachten, das mit uns würde nur eine Nacht gehen?" Ich beiße mir noch einmal auf die Unterlippe, nicke. „Das war meine Bedingung." Nicolas nickt auch. „Leah, du hast mich an diesem Abend gefragt, ob ich auch eine Bedingung hab. Ich hatte keine, meinte, mir fällt bestimmt noch etwas ein." Ich sehe, wie er schluckt. Ich schlucke auch. „Leah, das hier... ist meine Bedingung: Lass mich... lass mich zurück."
Meine Tränen versiegen. Ich weine nicht mehr, sondern verstehe. Ich beuge mich vor und hauche ihm einen Kuss auf die Wange, genau dorthin, wo ich vorhin das Ende seines Bartes beobachtet habe, kurz vor seinem Ohr. Ich lege meine Lippen auf seine Haut und ich spüre, wie er die Luft anhält. Dann lasse ich von ihm ab, stehe auf. „Ich glaub, ich bin blind gewesen", sagt Nicolas noch einmal wie schon vorhin, doch diesmal klingen die Worte wie nach innen, wie an sich selbst gerichtet. „Danke, dass du mir die Augen geöffnet hast", flüstert Nicolas und sieht mich an. In seinem Blick liegt nebst Dank und Ernst noch etwas anderes, etwas älteres. Etwas, das schon sehr lange darin lag und das mir schon bei unserem ersten Wiedersehen aufgefallen ist, so alt, dass es beinah jung erscheint, wie die Trauer eines Kindes.
„Ich liebe dich, Nicolas", sage ich.
„Ich liebe dich, Leah", sagt Nicolas.
Dann gehe ich und Nicolas bleibt sitzen.
Ich gehe und lasse ihn zurück, damit wenigstens eine unserer Bedingungen in Erfüllung geht.
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