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07. Kapitel - Antidepressiva auf den Aperol


Es ist endlich Saison, um sich, noch mehr als sonst, falsch vorzukomm'n
Es ist wieder so weit, es gibt Trän'n auf Eis
- „Sommer Sonne Depression", Madeline Juno

Samstag

29. September

03:47 Uhr

Ich stehe nackt auf der Balustrade jenseits der Fensterfront. Die Nacht ist lau und warm, ein bisschen zu warm für Ende September. Meine Hände ruhen auf der steinernen Mauer, die mich vom Abgrund dahinter trennt. Wie ein Meer aus Dunkelheit breitet der sich vor mir aus – und dahinter die Lichter der Stadt. Ich blicke wehmütig in die Skyline von Hamburg, in Richtung Fernsehturm, der rot in der finsteren Nacht leuchtet und dann etwas weiter links zum klaffenden schwarzen Nichts, wo ich die Alster vermute. Bunte Lichter säumen mein Sichtfeld – und das obwohl es schon so spät ist. Noch einer der Gründe, weshalb es mich hierher verschlagen hat: Hamburg schläft nicht. Und ohne Schlaf keine Albträume, ein guter Grund das kleine Etwas, das nicht mal mehr als Kleinstadt durchgeht, nach all den Jahren zu verlassen. Ich bin nicht traurig, nur melancholisch, als ich meinen Blick nach vorne richte und in die Ferne schaue, wo ganz am Rand meines Sichtfeldes bereits ein helles Band am Horizont liegt. Ein neuer Morgen bricht an. Ein seltsames Gefühl.

„Ich stehe gerne hier oben." Nicolas ist von hinten an mich herangetreten und drückt mir ein volles Glas Aperol Spritz in die Hand. „Hatte leider keinen Kamillentee parat", sagt er entschuldigend und prostet mir zu. Ich tue es ihm gleich und nehme einen Schluck des bitteren, süßen Getränks, muss dabei an das eine Lied von Madeline Juno denken, das mit dem Aperol. Mir fällt der Titel nicht ein und in den vergangenen Stunden ist zu viel passiert, als dass ich jetzt noch genug Denkkapazität habe. Eine Weile schweigen wir, sehen beide in die lichtererfüllt Nacht, die vor uns liegt. In der Ferne höre ich Hupen, einen Krankenwagen und von einem nahen Balkon irgendwo weiter unten dringen Stimmen. Dann fällt mir wieder ein, dass ich nackt bin. Ich werfe ihm von der Seite einen Blick zu. Seine Hose hat er nicht wieder angezogen, nur die enge Boxershorts und er trägt noch sein Hemd. „Also", hake ich neugierig nach, „Was hat es mit dem Hemd auf sich?" Nicolas sieht mich nicht an, nur weiter in die Ferne, wo das aufgehende Licht stetig zunimmt. „Was meinst du?", fragt er in einem Ton, der verrät, dass er genau weiß, wovon ich spreche. Ich nehme noch einen Schluck, dann stelle ich das Glas auf dem steinernen Geländer ab. „Naja", erwidere ich gedehnt. „Du hast dein Hemd die ganze Zeit über angehabt und als ich es ausziehen wollte... hast du mich mich sehr vehement daran gehindert." Nicolas sieht mich an. „Vehement? Überzeugend meinst du wohl", korrigiert er mich scherzend, doch dann wird er ernst. „Leah, stell lieber keine Fragen auf die du die Antwort ohnehin nicht hören willst."

„Und wenn ich das will?"

Nicolas seufzt. „Manche Männer behalten ihre Socken beim Sex an, ich eben mein Hemd", erklärt er und ich ziehe die Stirn kraus. „Socken beim Sex ist genauso seltsam!", entgegne ich. „Wer lässt denn bitte beim Sex die Socken an?" Nicolas zieht eine Augenbraue hoch. „Erzähl du mir nichts über seltsame Angewohnheiten mit Socken..." Mit dem Kinn deutet er zu meinen Füßen, die tatsächlich als einziges an meinem Körper nicht nackt sind. Das Blöde an strumpflosen Strumpfhosen ist, dass man immer zum Stoff passende Socken dazu finden muss. Passende Socken ist bei mir allerdings so eine Sache. Eine schwierige, um ganz genau zu sein. Die orange-rote Ringelsocke an meinem linken und die einfarbige hellblaue mit dem Spitzensaum sind das beste Beispiel hierfür. „Fair", gebe ich zu und lache.

„Also Leah, was hat dich denn nach Hamburg verschlagen?", wechselt Nicolas das Thema und sieht mich nun doch an. Sein Blick wirkt ehrlich interessiert. Ich versuche es mit der halben Wahrheit. „Ich schätze, ich habs bei uns im Ort einfach nicht mehr ausgehalten." Nicolas nickt. „Verständlich. Wer immer es da länger aushält als zwanzig Jahre ist längst Teil des Problems." Darüber muss ich eine Weile nachdenken, aber er hat recht. Unerwartet und sehr recht. Wieder schweigen wir kurz und das Heulen einer Sirene hallt durch das Dunkel der Nacht. Blaues Licht erfüllt eine Straße ganz in der Nähe und ich recke den Hals, kann aber auf die Entfernung nichts erkennen.

„Weißt du was, Leah?", fragt Nicolas dann und zögert, woraufhin ich ihn erwartungsvoll ansehe. „Ich fand dich schon damals ziemlich beeindruckend."

Ich merke, wie ich rot werde und hoffe inständig, dass Nicolas das im Dunkel nicht sehen kann. „Echt?", frage ich ungläubig. Nicolas lacht. „Ja, echt. Ich mochte, dass du... irgendwie so anders warst. Nicht so... so aufgesetzt."

„Aufgesetzt?"

„Ja, einfach ein bisschen echter."

„Echter?"

„Willst du mir jetzt wirklich die ganze Zeit nachplappern?" Nicolas hebt belustigt eine Augenbraue und ich räusperte mich beschämt. „Ja... – nein! Ich mein... ich versuch' nur zu verstehen, was du mir sagen willst."

Nicolas zuckt beiläufig mit den Schultern. „Nix Bestimmtes. Einfach... dass ich dich irgendwie interessant fand."

„Interessant?", hake ich nach und ertappe mich dann selbst dabei, wie ich seine Worte nachplappere.

„Ja, interessant. Ich fand es beeindruckend, wie du dich für andere eingesetzt hast." Er grinst. „Zum Beispiel für die kleinen Jungs, die ich in der Mittelstufe verprügelt hab." Ich verdrehe die Augen. „Irgendwer musste das ja tun", sage ich achselzuckend. Er nickt. „Ja genau, irgendwer muss es ja tun, das haben alle gedacht. Aber du... du hast es einfach gemacht. Und es war dir einfach egal, ob andere gedacht haben, dass du dich unnötig aufführst."

Ich sehe ihn an. „Andere wie... du?" Ich formuliere es als Frage, es ist aber mehr eine Feststellung. Doch Nicolas nickt trotzdem zustimmend. „Andere wie ich. Du hast einfach gemacht, weißt du? Das fand ich... das fand ich irgendwie cool."

Ich lache ungläubig. „Okay", sage ich und weiß nicht zu recht, was ich dazu sagen soll. Nicolas grinst: „Und das soll echt was heißen, ansonsten hab ich dich nämlich für ziemlich prüde gehalten." Gespielt entgeistert reiße ich die Augen auf. „Na, vielen dank", erwidere ich, gespielt beleidigt und setze mein Glas erneut an die Lippen.

Nicolas verzieht das Gesicht zu etwas, das ein Lächeln darstellen könnte. „Das sollte ein Kompliment sein, Leah..." Ich schnaube nachdem ich meinen Aperol wieder abgestellt habe. „Darin hast du nicht viel Übung, oder?" Auch er nimmt einen langen Zug aus seinem Glas.

„Meine Talentgebiete sind... andere Dinge." Er zwinkert mir zu. „Und eines davon hat mir heute gelehrt, dass Leah aus der 12A nicht so prüde ist, wie ich dachte..." Ich erwidere ein Grinsen und dann schweigen wir wieder. Es ist ein langes und ausgiebiges Schweigen und ich überlege, die Lücke zwischen uns zu schließen und ihn einfach zu küssen. Mich von ihm gegen die Mauer drücken lassen. Wild und leidenschaftlich sein. Fortführen, was wir begonnen haben. Die Nacht ist noch nicht vorbei, das Versprechen, die Bedingung noch erfüllt. In meinem Kopf erscheinen Bilder der letzten paar Stunden. Seine Lippen nah an meinen. Sein Körper, der sich auf mich, in mich lehnt. Sein Blick, der mich mustert, verlangend, wollend. Das altbekannte Ziehen fährt durch meinen Unterleib, als ich daran denke hier oben auf dem Balkon, unter freiem Himmel, wo uns jeder hören kann... Ich trinke mein Glas aus und mir Mut an und will meinen Plan in die Tat umsetzen, als Nicolas seins abstellt.

„Du solltest jetzt gehen, Leah", sagt er und seine Stimme ist seltsam reserviert. Auf einmal ist da etwas, ein Abstand, eine Distanz, die zuvor nicht da gewesen ist. Ich blicke ihn an und blinzle. Ist das ein Scherz? Doch Nicolas blickt todernst. Dann geht er und kommt mit meinen Sachen wieder. „Hier", sagt er tonlos, als er mir Kleid und Unterwäsche plus Strumpfhose in die Hand drückt. „Ähm", mache ich und nicke dann hastig. „Ja klar." Auf einmal bin ich beschämt. Und enttäuscht vielleicht auch ein bisschen. Ich stehe splitterfasernackt vor ihm, entblößt bis auf ein Paar nicht zusammenpassender Socken und er? Er drängt mich zum Gehen. Ich streife meine Unterwäsche über und ziehe das Kleid verkehrt rum und auf links gedreht an, aber das ist mir egal, denn die Situation jetzt ist mir nicht egal. Nur beschämend. Peinlich. Und irgendwie seltsam. „Na dann", sagt Nicolas, als er mir die Tür zum Treppenhaus aufhält. „Ich schätze, man sieht sich." Ich nicke und mache etwas, dass wie das „Hmm, ja" eines gescheuchten Rehs klingt. Ich verschränke die Arme vor der Brust und beiße die Zähne zusammen. „Gute Nacht", sage ich durch meinen geschlossenen Kiefer hindurch und dann setzt Nicolas mich vor die Tür.

oOo

Als ich am nächsten Morgen aufwache, fühlt sich mein Kopf an, als wäre er in Watte gepackt. Die reale Welt dringt nur langsam zu mir durch und mit ihr die Erinnerungen von letzter Nacht. Oh Gott. Ein stechendes Ziehen fährt durch meine Schläfen, doch das ist nichts im Vergleich zu der wunden und sensiblen Haut unterhalb meiner Hüfte. Ich setze mich in meinem Bett auf und will mich eigentlich direkt wieder hinlegen bei dem Gefühl des Schmerzes zwischen meinen Beinen und auf der Haut meines Gesäßes. Aua.

Ich greife nach meinem Handy, das neben mir auf der Matratze liegt. Meine Finger fühlen sich schwer an, als ich es entsperre und den Flugmodus ausschalte, darauf warte, dass die ersten Nachrichten von vergangener Nacht eintrudeln. Müde huschen meine Augen über die Push-Up Benachrichtigungen, die nacheinander am oberen Bildschirmrand erscheinen. Die von meiner Mutter, die sich unnachgiebig beschwert, dass ich keinen ihrer Anrufe angenommen habe, wische ich weg, öffne lieber den Chat mit meinem Vater.

Das freut mich, meine Süße, schreibt er darauf, dass ich gut angekommen bin. Genieß deinen ersten Abend und grüß Mo von mir, ja? Zwei Stunden später schreibt er: Sei so gut und ruf deine Mutter zurück. Dann wieder zwei Stunden Zeitunterschied. Du weißt, dass sie das braucht. Und vor fünf Minuten: Bitte.

Ich stöhne genervt. Und was ist mit dem was ich brauche? Nicht wichtig, sagt eine Stimme in meinem Kopf, die wie meine Mutter klingt. Ich öffne den Chat mit ihr, drücke auf das kleine Hörersymbol, doch als sie beim ersten Klingeln nicht rangeht, lege ich auf. Ich hab es versucht, sage ich mir. Dann scrolle ich durch WhatsApp. Mo hat mir um kurz nach vier Wo bisr duuu? geschrieben, dicht gefolgt von einer Reihe random Essens- und Tier-Emojis. Doch der Chat mit Nicolas, den er gestern kurz vor unserem Gespräch auf dem Balkon mit einem gelben Blumenemoji, der ein bisschen so aussieht wie eine Kamille, begonnen hat, bleibt leer. Hab ich etwas anderes erwartet? Vielleicht, gebe ich zu.

Es ist kurz nach halb zwei, als ich das Zimmer endlich verlasse und wenn ich eines nicht verstehe und auch noch nie verstanden habe, dann, wie Mo sich am Abend wie ein Fass ohne Boden volllaufen lassen kann und am nächsten Morgen nicht mal ein winziges Bisschen Kopfschmerzen hat. Gut gelaunt drückt er mir einen Kaffee in die Hand, als ich in die Küche komme, den ich dankbar annehme. „Guten Morgen!", flötet Mo mir entgegen und schiebt sich dann auf die Küchenanrichte. „Any plans for today?", fragt er mich und ich bin viel zu müde, um sofort zu antworten, da redet er schon weiter. „Das war ne Fangfrage", erklärt er grinsend. „Wir haben was vor. Ich zeig dir Hamburg!", unterbreitet er mir und ist so hellauf begeistert, dass ich mich nicht traue, ihm zu gestehen, dass ich diesen Tag viel lieber allein in meinem neuen Bett verbringen würde.

Nach einem Frühstück, das mehrheitlich aus Pizzaresten des Abends besteht – „Irgendwie hab ich betrunken, so gegen ein Uhr Pizza bestellt, Leah. Anders kann ich mir das nicht erklären..." – machen wir uns auf den Weg. Wir nehmen die U-Bahn, die U3, die ohne Umsteigen durchfährt bis an den Hafen. Es ist sonnig und hell an den Landungsbrücken, warmes Licht flutet die Straße, den kleinen Turm mit der grünen Krone und den breiten Steg direkt am Wasser. Menschenmassen drängen sich ineinander und aneinander vorbei und laute Männerstimmen preisen Rundfahrten durch den Hafen an.

Mo und ich spazieren am Wasser entlang in Richtung Speicherstadt, hohe, aber gedrungene und enge Fassadenreihen aus rostrotem Klinker, die sich aneinander drängen und bis an das Netz aus Kanälen und Fleeten hinunter gehen. Es geht an Fischbrötchenbuden und Pommesständen vorbei, von irgendwoher kommt Musik und als wir weiter gehen, entdecke ich auf einer der Brücken einen Mann mit Gitarre, der Slow it down von Amy McDonald singt. Mo redet mit mir, über ein grünes Schiff, das mit aufgerollten Segeln im Wasser liegt, über ein großes Gebäude mit Bullaugen auf der anderen Straßenseite und über die Elphi, auf die wir geradewegs zusteuern, Mo redet, aber ich höre nicht wirklich zu. Nicht aus bösem Willen, mein Kopf ist nur heute wirklich nicht multitaskingfähig und ich mit den Gedanken einfach woanders. Nicht zwingend bei letzter Nacht – das auch – aber vor allem dabei, wie anders ich gestern war. Devot und gehorsam und zeitgleich willentlich und aus eigenem Antrieb verlangend. Ich kenne mich so nicht.

Mo bemerkt mein Schweigen. „Wie wars für dich gestern? Du hast dich lost gefühlt, oder?", fragt er vorsichtig nach und ich mache eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, nein, das war schon okay. Deine Freunde sind echt cool." Meine Worte klingen bereit gelegt und unecht, aber das sind sie nicht: Ich meine, was ich sage. Mo grinst. „Okay gut. Hatte mir zwischendrin ein bisschen Sorgen gemacht." Damit ist das Thema erledigt.

Wir lassen uns am Schalter zwei Tickets für die Elphi-Plattform geben und fahren die beleuchtete Rolltreppe hoch. „Ich fühl mich wie ein Touri", beschwert sich Mo, als wir auf die Plattform hinaustreten. „Bist du ja auch", ziehe ich ihn auf und Mo sieht mich entsetzt an. „Hallo? Ich bin eingefleischter Hamburger! Schon seit einem Jahr!", verteidigt er sich.

„Seit einem Jahr? Okay, ich nehm alles zurück", lache ich und lasse dann den Blick schweifen über die Skyline des Hafens, die hohen Kräne, die Fähren und die großen Containerschiffe, die im Begriff sind, in neue Gefilde aufzubrechen. Die Sonne leuchtet in mein Gesicht und ich verschließe die Augen vor dem gleißenden Licht. Durch meine geschlossenen Lider noch blendet mich dieser neue Tag und die Strahlen der Herbstsonne kitzelt mich in der Nase und wärmt mein Gesicht. Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich, dass Mo seine Handykamera auf mich gerichtet hat. „Das sah schön aus", sagt er zu mir und lächelt. Ich kann nicht anders, als es ihm gleich zu tun und schlinge die Arme um seinen Oberkörper, vergrabe mein Gesicht in dem Stoff seiner Jacke. Ich nehme seinen Geruch auf, den ich die vergangenen Monate so sehr vermisst habe und ich spüre, wie Mo den Arm hebt, um ein Selfie zu machen, um den Augenblick von mir an seiner Brust für immer festzuhalten. Ich bin ihm dankbar, denn das ist genau, was ich will.

Als wir spät, aber früh für einen Samstag bei Ella ankommen, ist ihr Kiosk noch offen und wir entschließen uns, durch ihren Laden ins Haus zu gehen. „Ach, da kommen sie ja, meine jungen Leute!", freut sich Ella und bietet uns noch einen Kaffee aus der Filterkaffeemaschine an, den ich ablehne, Mo aber dankbar annimmt. „Hast du dich schon ein wenig eingelebt, mein Herzchen?", fragt sie an mich gewandt und ich nicke. „Ihr habt's sehr schön hier", antworte ich, zugegeben wenig präzise, doch Ella lacht nur. „Sach' ich doch, gut dass Mo jetzt mal wen Frauliches da oben bei sich hat, nich?"

Ich grinse Mo an und Mo grinst zurück. Unisono entschließen wir, dass wir Ella in dem Glauben lassen, dass ich als Mos Freundin, nicht als seine beste Freundin eingezogen bin. Wir verabschieden uns und sind im Begriff den Laden in Richtung Hausflur zu verlassen, als Ella noch etwas einfällt. Sie beugt sich über den Ladentisch, damit die beiden sichtlich angetrunkenen Jungs, die sich am Kühlregal über ihre Bierauswahl streiten, nicht mithören können. „Ach, meine Beiden, nu' seid doch so gut und sagt Nicolas, wenn ihr ihn denn mal seht, dass ich mich ja nu' wirklich immer über Besuch in meinem Laden freue, nich'? Die alte Ella hat ja sonst so wenig von euch jungen Leuten." Sie lächelt freundlich. „Aber wenn der jetzt jeden Abend mit nem anderen Blondchen um die Ecke kommt, wissta was ich mein? Dann soll er doch lieber hinten rum, mein Kiosk ist ja schließlich kein Freudenhaus", beschwert sie sich bei uns und fügt dann hinzu: „Und dieses gackernde Huhn, das er heute nu' wieder angeschleppt hat, dat war ja nu' nich zum aushalten!"

Mo prustet leise und ich nehme Ella das Versprechen ab, dass wir ihm das Gesagte ausrichten, sobald wir er uns das nächste Mal über den Weg läuft. Als wir nebeneinander die Treppe hochstapfen, gibt sich Mo sichtlich amüsiert. „Das hier ist doch kein Freudenhaus!", ahmt er Ella nach und lacht dann wieder, aber irgendwie kann ich das nicht erwidern. Ich konzentriere mich auf die Treppenstufen. „Apropos Nicolas...", sagt Mo da und sofort schaue ich auf. „Ja?" Hat Mo gestern etwas mitbekommen? Ich unterdrücke, nervös auf meiner Unterlippe zu kauen, das würde Mo sofort auffallen. „Hast du den eigentlich gestern Abend noch gesehen? Der kam ja erst später und dich hab ich irgendwann gar nicht mehr gesehen."

Ich spüre, wie ich rot werde, die Treppenstufen sind mit einem Mal ungeheuer interessant. „Ja, also nein, also...", stammle ich und bin froh, dass Mo sich in diesem Moment abwendet, um die Tür aufzuschließen. „Ja, wir..." Soll ich es ihm erzählen? Und wenn ja, wie viel? Alles? Nur ein bisschen? Wie detailreich? Ein innerer Instinkt ist es, der mich abhält. „...haben Kamillentee getrunken", beende ich meinen bislang unvollendeten Satz und Mo lacht. „Kamillentee? Natürlich, was auch sonst!" Ich lache auch, aber ich höre selbst, dass es nicht ganz echt ist. Ja, was auch sonst, denke ich im Stillen

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