33. I Need You
Ich fühlte mich wie ein Wrack. Wie lange ich mich schon in der Toilette versteckte, wusste ich nicht. Komplett das Zeitgefühl verloren habe ich. Meine Augen waren leicht angeschwollen vom Weinen und sobald ich mein Gewicht auf die Beine legte, zitterten sie. Ich fragte mich wirklich, ob überhaupt jemand nach mir suchte. Elendig und vergewaltigt fühlte ich mich, alleine. Alles was ich wollte, war John. Ich musste seine Stimme hören, bevor ich komplett verrückt werde. Wackelig auf den Beinen begab ich mir zur Tür und öffnete diese ganz leicht, um in den Flur zu schauen. Er war leer. Ich musste aus dieser Irrenanstalt raus, frische Luft einatmen. Auf dem Weg zum Ausgang kam mir zum Glück niemand entgegen, somit konnte ich ungestört nach draußen und eine Telefonzelle suchen. Nicht weit entfernt von der Schule fand ich sogar eine. In meiner Hose fand ich sogar noch etwas Kleingeld zum Telefonieren. Mit zittrigen Händen wählte ich die Nummer von John und hoffte inständig, dass er Zuhause ist. Es klingelte auf der anderen Leitung, mit jedem Klingeln sank meine Hoffnung mehr. Einmal hoffte ich, der Teddyboy ist in ihm zurückgekehrt und er würde die Schule schwänzen. Als ich wahrnahm, wie der Hörer abgenommen wurde, blieb mein Herz kurzzeitig stehen.
" Sie sprechen mit John Lennon ".
" John ..".
" Dani?".
Die Tränen liefen mir vor Freude und gleichzeitig vor Angst die Wangen hinab. Zusammengekauert stand ich in der Zelle und drehte meinen Kopf jede Minute richtung Schule. Ich kam mir vor, als werde ich von meinem schlimmsten Alptraum verfolgt.
" Wie geht es dir?".
Seine Stimmte zu hören, sie ließ mein Herz höher schlagen. Diese Stimme habe ich so sehr vermisst. Ich wusste, dass ich nicht ohne ihn konnte. Mein Wunsch war es einfach nur, dass er mich in den Arm nimmt und nie wieder loslässt. Mir entfiel ein Schluchzen, was John auf der anderen Leitung mitbekam.
" Baby, weinst du?".
" John ... ich will wieder nach Hause ".
" Süße, was ist los? War es dieser Stephan? Rede mit mir!".
Ich musste erstmal meine Gedanken ordnen. Es war wirklich wie in einem Dramafilm. Nervös spielte ich mit dem Kabel des Hörers und versuchte krampfhaft, Schluchzanfälle zu unterdrücken.
" E-er hat m-mich geküsst und dann an die Wand g-gepresst".
" Er hat bitte was?!".
" I-ich wollte das nicht. Ich h-hatte solche Angst .... John?".
Auf der anderen Leitung war zuerst knacken zu vernehmen, dann hörte ich Getuschel im Hintergrund. Zuerst hatte ich Angst, er würde auflegen. Aber seine Stimme kam nach kurzer Zeit wieder.
" John?".
" Ich werde diesen Typen umbringen!".
" Nein .. John ".
" Geh nach Hause, Dani und bleib da. Ich werde kommen. Dieser Typ wird dich kein zweites Mal vergewaltigen, das schwöre ich dir. Ich liebe dich, Dani. Wir sehen uns heute abend ".
" Aber ..".
Die Leitung war tod. Nur ein einsames Piepsen war zu hören. Ich hätte noch zwei Minuten gehabt. Komplett verwirrt hang ich den Hörer zurück. John kommt. Ich wusste nicht, ob ich es glaube sollte oder nicht. Für mich ging alles viel zu schnell. Er kann doch nicht alles stehen und liegen lassen. Schließlich hatte er eine Band zu vertreten, die erfolgreich in Liverpool wird. Auf eine Art wollte ich ihn schon wiedersehen, aber so war es doch nicht geplant gewesen. Mein ganzer Kopf war einfach durcheinander.
Ohne nochmal in die Schule zurückzugehen, ging ich mitsamt Schulsachen, die ich bereits in der Toilette mit hatte, nach Hause. Mein komplettes Hirnsystem war wie ausgeschaltet. Das Einzige, was mich nach Hause brachte, war mein Instinkt. Mir war es egal, ob Leute mich anstarrten oder Autofahrer hupten. Sie hatten doch gar keine Ahnung, in was für einer Lage ich mich befinde. Den Haustürschlüssel in der Jackentasche, klingelte ich einfach und wartete. Meine Gedanken hingen bei John. Er konnte doch nicht einfach losfahren. Mimi würde das nicht zulassen. Und was ist mit seiner Band?
" Dani ... was machst du denn schon hier? Hast du nicht noch Schule?".
Vor den Augen meiner Mutter brach ich schließlich zusammen und ließ mich von einem winselnden Hund trösten, der mit seiner Schnauze gegen meine Wange stupste. Meine Mutter half mir auf und brachte mich ins Wohnzimmer. Teddy setzte sich vor mir und legte seinen Kopf zwischen meinen Oberschenkeln, spitzte seine Ohren. Meine Mum wollte genau wissen, was passiert ist. Ich erzählte ihr alles von anfang an.
Das Gespräch mit Stephan
Die Eskalierung seiner Hormone
Das Telefonat mit John
Sie hörte mir die ganze Zeit über zu und stellte keine Fragen. Ich war in dem Moment froh, sie zu haben. Sanft strich sie mir durchs Haar und nickte verständnisvoll.
" Hat John etwas gesagt, wie er herkommen will?".
" Nein, er hat einfach gesagt, dass er kommen wird. Und hat dann aufgelegt ".
" Er hat Angst um dich, Dani. So wie ich das verstanden habe, würde er alles dafür tun, dass es dir gut geht. Anscheinend habe ich Stephan falsch eingeschätzt ".
Ich nickte zustimmend. In Johns Stimme war zu hören, dass er sich Sorgen um mich gemacht hat. Er wurde ziemlich hektisch am Ende des Telefonats. Hoffentlich geht es ihm gerade gut.
" Liebes, du bleibst vorerst Zuhause. Ich schicke dich bestimmt nicht in deinem jetztigen Zustand zur Schule. Wir warten erstmal bis heute abend auf John, wenn er kommt. Und dann sehen wir weiter ".
" Danke Mama ".
Mit einem leichten Lächeln umarmte ich sie. Es war nicht ihre Schuld, dass sie Stephan anfangs mochte. Er hat einfach das unschuldige Lamm gespielt, mehr nicht. Und das sie es so gut verstand mit Johns Situation, hätte ich niemals gedacht. Hoffentlich denkt Thomas genauso.
[ Am Abend]
Kauernd lag ich auf der Couch im Wohnzimmer. Thomas war mit meiner Mutter losgefahren, um John abzuholen. Es kann sich wirklich nur noch um Minuten handeln, bis die Tür aufging. Mein Herz schlug sehr laut. Teddy bemerkte meine Anspannung und winselte beunruhigend. Ich kam mir vor, als würde ich in einer Psychatrie stecken und auf der braunen Couch liegen. Sigmund Freud spricht zu mir und versucht, meine Probleme zu lösen. Aber selbst der konnte mir nicht helfen. Ich schloss die Augen, und versuchte mich selber etwas runterzuschrauben. Die Tür wurde im selben Moment aufgerissen und eine mir allzubekannte Stimme war zu hören.
" Dani?".
" John!".
Ich rannte in den Flur und erkannte auf den ersten Blick John mit einem kleinen Koffer sowie einem Gitarrenkoffer. Als er mich ansah, leuchteten seine Augen und er rannte auf mich zu. Als unsere Körper sich trafen und wir wieder ein Team waren, kamen mir erneut die Tränen. John hob mich hoch und drehte mich vier Mal im Kreis. Meinen Kopf vergrub ich in seiner Halsbeuge und atmete seit langem wieder den Duft seiner Lederjacke ein. Seine enge Umarmung fühlte sich warm und beschützend an. Als er mich runterließ, schauten wir uns an. Zaghaft strich er mir die Tränen mit seinen Daumen weg, bevor unsere Lippen sich trafen und ein leidenschaftlicher, ernster Kuss geteilt wurde.
" Ich habe dich so vermisst, Baby ".
" Ich dich auch, John ".
" Shh, mach dir keine Sorgen. Ich bin jetzt bei dir und werde dich beschützen ".
Als hinter ihm ein Räuspern kam, lösten wir uns voneinander. Erst dann erkannte ich die restlichen Personen im Raum. Abgesehen von den hundert Koffern, standen in der Mitte vier Jungs, die mir allzu bekannt vorkamen.
" Paul ".
" George ".
" Stu ".
" Pete ".
Ich sah jeden an, als ich deren Namen aussprach und hielt mir die Hand vor dem Mund. Alle grinsten mich schelmisch an. Und als Paul die Arme ausbreitete, setzte ich mich in Bewegung. Pauls Griff war stark und sein erleichteter Atem verriet mir, dass er sich Sorgen um mich gemacht hatte. Jetzt wurde mir auch bewusst, mit wem John beim Telefonat getuschelt hatte. Ich umarmte jeden von ihnen, selbst Pete schien sich Sorgen gemacht zu haben. Ich war wirklich heilfroh, dass alle da waren. Meine Familie hatte sich das Spektakel vom Weitem angeschaut und beide lächelten breit. Ich glaube, dass war das erste Mal, wo mich beide wirklich glücklich sehen.
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