~•~ CHAPTER XV ~•~
“Schwester Amy?“
Ein pinker Igel saß neben einem Krankenbett, sie überwachte die Gerätschaften, an denen Vi‘s geschädigter Körper angeschlossen war. Sie merkte gar nicht erst, wie der Oberarzt sie ansprach.
“Schwester Amy, hören Sie mich?“
Amy schreckte auf, sie war vollkommen in Gedanken versunken.
“Herr Doktor Sievert!“, rief sie auf und zuckte leicht zusammen.
“Du musst hier nicht Wache stehen, mach‘ doch mal eine Pause“, sprach Alex, der Oberarzt, ihr aufmunternd zu. Traurig blickte Amy auf den Körper hinab.
“Sind Sie sich sicher?“
Alex nickte mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
“Ich pass‘ hier auf, okay?“
Amy zögerte. Die Wunde, mit der Vi in das Greta-de-Wit-Klinikum in Caritew eingeliefert wurde, verwirrte sie, und das sah Alex ihr an.
“Weißt du, Amy“, versuchte Alex ihr zu erklären. Er war mit sämtlichen seiner Kollegen auf einer persönlichen Ebene, ein familiärer Umgang war ihm wichtig.
“Wir hatten einen anonymen Notruf, mit der Information, dass es sich um eine besonders schwere Stichverletzung handelte.“
Alex ergriff mit aller Vorsicht die Hand der rothaarigen Frau, offenbarte einen Verband.
“Als wir zum Ort des Geschehens kamen, war die Umgebung voller Blut, das Opfer lag in einer Blutlache, aber die Wunde war verschlossen.“
Amy legte noch immer ratlos den Kopf schief. Wieso war die Wunde verschlossen? Wieso war da eine Blutlache? War das Blut gar nicht von dem Opfer selbst?
Alex atmete tief ein, er überlegte sich einen Ansatz.
“Weißt du, wie man im Krieg eine Schusswunde oder Ähnliches provisorisch heilt, damit der Verletzte nicht verblutet?“
Die Igeldame schüttelte den Kopf. Sie hatte zwar grundlegend Ahnung von Geschichte, doch solche Dinge wusste sie nicht.
“Man bedient sich erhitztem Metall. Die Hitze sorgt dafür, dass sich die Wunde wieder schließt.“
“Das bedeutet“, murmelte Amy, sie verstand allmählich, worauf Alex hinaus wollte.
“Irgendwer hat ihr das Leben gerettet.“
Stolz nickte der Oberarzt der Schwester zu.
“Wäre diese Person nicht, wäre unsere Patientin möglicherweise noch an Ort und Stelle verstorben.“
“Also muss der Retter in der Lage sein, Feuer zu erschaffen“, kam es vom pinken Igel, doch Alex lachte nur.
“Das liegt zum Glück nicht in unserem Aufgabenbereich“, kicherte er.
“Aber es kann gut möglich sein, dass es sich bei unserer Patientin, sowie um ihren Retter, um kriminelle Persönlichkeiten handelt. Das lässt der anonyme Notruf vermuten.“
Amy‘s Gesichtsausdruck wurde ängstlich. Sie war noch nicht lange Krankenschwester, sie hatte erst vor Kurzem die Ausbildung zur Krankenschwester an der Kurt-Müller-Meyer-Berufsschule abgeschlossen. Jene Berufsschule war bekannt für ihr medizinisches Institut, an dem auch der Oberarzt, Doktor Alex Sievert, einst lernte. Doch ihre Ausbildung bereitete sie nie darauf vor, dass sie auch Kriminellen helfen musste.
“Mach‘ dir keine Sorgen, Amy“, tröstete Alex sie.
“Alles, was mit Kriminalität und Ermittlungen zu tun hat, wird von mir übernommen. Du musst nichts weiter tun, als Patienten zu helfen. Und das machst du wirklich großartig.“
Ein Klopfen erklang, wenige Sekunden später öffnete ich die Tür von ganz alleine. Ein junger Mann mit schwarzen Haaren und Uniform lugte in den Raum hinein.
“Herr Doktor Sievert? Kann ich Sie für einen Moment sprechen?“
Alex‘ Blick wurde ernst, seine Vermutung schien sich zu bestätigen.
“Amy, ich bin gleich wieder da. Keine Sorge, okay?“
~•~
Das Schuljahr neigte sich dem Ende der ersten Hälfte zu, bald gab es die heiß begehrten, aber auch höchst gefürchteten Zeugnisse. Auch an der Marshall-Magpie-Oberschule änderte sich die Stimmung. Die Zeugnisausgaben unterschieden sich jedoch von normalen Schulen, da jeder Schüler sich seinen Stundenplan selbst zusammenstellte. Einen Klassenverbund gab es trotzdem, damit Gleichaltrige unter Gleichaltrigen sein konnten.
Während die Schüler der zehnten Klasse auf ihren Plätzen saßen und an ihren Praktikumsberichten arbeiteten, bat die Lehrerin einzelne Schüler hinaus, um mit ihnen über ihre Leistungen zu reden.
Emma nickte der Schülerin vor ihr mit einem breiten Lächeln zu.
“Okay, dann schick jetzt bitte Rika zu mir“, bat sie und sah zu, wie sich die Tür öffnete und die Schülerin im Klassenraum verschwand.
Es dauerte nicht lange, da erschien das blonde Mädchen vor der jungen und ambitionierten Lehrerin.
“Setz‘ dich bitte, Rika“, meinte Emma freundlich zu ihr und deutete auf den hölzernen Stuhl, der ihr gegenüber stand.
Emma zog die Augenbrauen hoch, während sie ihre Zettel ordnete. Rika war so etwas wie ihr Sorgenkind, ein Teenager der wahnsinnig intelligent war, jedoch aber die schulischen Leistungen vernachlässigte. Das war schon so, seit Emma die Verantwortung für die Klasse übernahm. Zu ihrer Freude aber konnte sie eine Entwicklung bei der Blondine erkennen, das machte der orange gelockten Lehrerin Hoffnung.
“Rika, du bist wirklich gut in das Schuljahr gestartet, du wirst definitiv keine Probleme mit deinem Abschluss haben“, lobte sie die Schülerin zuerst, um auch ihr die Angst vor diesem Gespräch zu nehmen.
“Wir haben allerdings ein riesiges Problem.“
Rika senkte den Blick, sie rieb ihren linken Arm und mied den Blickkontakt mit Emma.
“Du hast leider kein Praktikum durchgeführt, wieso das?“
“Keine Ahnung, gab nichts“, murmelte Rika leise. Emma seufzte leise auf.
“Das Praktikum ist wichtig für deinen Abschluss.“
Die Schülerin erhob ihren Kopf noch immer nicht, als würde sie sich tatsächlich schämen. Emma war ratlos, sie dachte dennoch scharf nach. Alle anderen Schüler des Klassenverbundes hatten ihr Praktikum absolviert, viele unterschiedliche Bereiche waren dabei.
“Okay, hör‘ mir zu“, fing Emma an, sie warf Rika ein besorgtes, aber freundliches Lächeln zu.
“Ich kann dir theoretisch nachträglich noch eine Stelle besorgen, du darfst aber niemandem erzählen, dass du durch mich da rein gekommen bist.“
Rika hob endlich ihren Kopf, ein Hoffnungsschimmer blitzte in ihren blauen Augen auf.
“Mein Lebensgefährte hat eine Firma, vielleicht kann ich ihn dazu bringen, ein Schülerpraktikum einzurichten. Als zweite Möglichkeit wäre da noch mein bester Freund, aber ich denke nicht dass er dich bei der Polizei reinbekommen würde“, erklärte Emma nachdenklich, je mehr sie sagte, desto mehr strahlte Rika.
“Das würden Sie für mich machen?“
“WIe gesagt, ich kann‘s versuch-“
Rika sprang von ihrem Stuhl auf, stürzte nach vorn und sprang ihrer Lehrerin in die Arme. Schnell realisierte sie, was genau sie da tat, sie zog sich zurück und rieb sich verlegen ihren blonden Schopf, sie versuchte, wieder wie die coole Schülerin zu wirken.
“Ich meine, äh, danke.“
Emma lachte nur leise.
“Ist schon gut, ich versuch‘ was ich kann.“
Emma warf einen kurzen Blick auf die Klassenliste, damit sie den nächsten Schüler nach draußen bitten konnte.
“Okay, dann soll jetzt bitte Ai Ohto nach draußen kommen.“
Rika nickte verstehend, drehte sich um und griff nach der Türklinke. Bevor sie die Tür öffnete, und wieder in den Klassenraum eintrat, blickte sie noch ein letztes Mal zu ihrer Lehrerin zurück.
“Danke, Frau Minerva.“
~•~
Die Flamme einer Kerze flackerte im dunklen Durchgang vor sich hin. Sie war die letzte Kerze, dessen Docht noch nicht erloschen war. Nur wenige Augenblicke später wurden die schallenden Schritte lauter, bis sich eine Gestalt vor der kleinen Flamme aufbaute. Rote Augen näherten sich dem lichterloh brennenden Docht, die violett-maskierte Gestalt im Anzug legte den Kopf schief und blies die Kerze aus.
Langsam machte die Schildkröte kehrt und folgte wieder dem Gang, öffnete die Tür am Ende.
Unnatürliche Lichter, blau und grün schimmernd, strahlten ihm entgegen. In der Mitte des Raumes ragte eine große Röhre in die Höhe, in ihr befand sich eine zähflüssige Substanz. Donatello betätigte ein paar Knöpfe, dann beobachtete er sein Werk, die Arme vor seinem Körper verschränkt.
Die Tür öffnete sich, leise und ehrfürchtig trat Shinsuke ein.
“Sir?“, fragte er, versuchte, die Aufmerksamkeit der Schildkröte auf sich zu ziehen. Donatello drehte sich um, sah auf den jungen Athleten herab.
“Zwei Neuigkeiten“, berichtete Shinsuke knapp.
“Zuerst: Sie haben Besuch, Diluc ist zurückgekehrt.“
Shinsuke trat beiseite, ließ den rothaarigen Hühnen eintreten. In einer Hand hielt er die Henkel der Tasche, in der sich die Kühltruhe befand.
Stumm tätigte er die Handgriffe, öffnete für seinen Boss die Truhe und präsentierte ihm, wie befohlen, den Kopf der Kommisarin Jean, die er gerichtet hat.
“Das sind Ergebnisse, die sich sehen lassen“, lobte Donatello kalt.
“Nun gut, vernichte sämtliche Hinweise, die auf dich hindeuten, und wähle ein Bauernopfer, das jenen Kopf der Cops zuspielt. Finde einen nutzlosen Knecht.“
Diluc sah auf den Kopf hinab, seine Miene eisern, dann nickte er.
“Zweite Sache“, erhob Shinsuke wieder seine Stimme.
“Vi ist unerreichbar für uns.“
Donatello‘s Miene verfinsterte sich, er trat auf Shinsuke zu.
“W-wir wissen lediglich, dass sie bei Marceline angekommen war, danach verschwindet ihre Spur.“
Donatello trat auf seinen jungen Diener zu, der am liebsten zurückgewichen wäre.
“Diluc“, zischte das Reptil erbost.
“Vernichte den Kopf hier, dann stell‘ einen Trupp zusammen. Vi und Marceline müssen umgehend eliminiert werden, ganz gleich was der Grund des Verschwindens ist. Sie stellen eine akute Gefahr für uns dar, und dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen.“
Donatello wandte den beiden seinen Rücken zu, beobachtete das Rohr vor ihm.
“So eine Scheiße“, knurrte er, solche Entgleisungen war man von ihm nicht gewohnt, sonst drückte er sich stets gewählt und vornehm aus.
“Operation flüssiges Kokain muss vorerst verschoben werden, das passt mir gar nicht in den Kram.“
Der Körper der Schildkröte begann leicht zu zucken, er trat auf der Stelle.
“Operation Eliminierung von Arkham‘s Finest und der Vampirkönigin haben oberste Priorität!“
Shinsuke verließ umgehend den Raum, um alles in die Wege zu leiten, während Diluc an Ort und Stelle verharrte.
“Hörst du schlecht?“, schimpfte Donatello unruhig.
“Stell‘ den Trupp zusammen. Und nimm‘ Raph mit. Er stellt ein zu großes Risiko dar, er soll dein Bauernopfer sein.“
“So sei es“, antwortete der Hüne und verließ nun auch den Raum.
Donatello‘s Muskeln zuckten noch immer, sein linker Arm schien taub.
Er griff mit seiner rechten Hand nach einem Etui, öffnete es. Die darin befindliche Spritze, bereits gefüllt mit einer türkis schimmernden Lösung, jagte er sich in den Oberschenkel, spritzte sich die Flüssigkeit.
Einen Moment später beruhigte sich sein Körper, mit neuer Ruhe fokussierte er wieder die Röhre.
“Du musst leider auch warten. Aber wie sagt man so schön? Gut Ding will Weile haben. Warte nur ab, Projekt Clonatello.“
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