~•~ CHAPTER III ~•~
Große Plattenbauten ragten in den Himmel. Fernab des alten Marktplatzes und der historischen Altstadt, am Ufer des Flusses Rialto, befand sich das dicht besiedelte Wohngebiet. Hier gab es alles, was eine moderne Metropole brauchte: Einkaufszentren in großen Komplexen, billige Imbissbuden an jeder Ecke, und die verschiedensten Clubs und Diskotheken. Hier spielte sich die Partyszene ab, die Hand in Hand mit der Drogenszene ging. Aus diesem Grund befand sich die größte Polizeistation unmittelbar neben dem größten Einkaufszentrum.
Mit einem Basecap auf dem roten Haar schob sich Karma an den Menschenmassen vorbei, er steuerte direkt auf ein Fitnessstudio zu, das sich auf Boxkampf spezialisierte. Hinter ihm lief Raphael, das Schlusslicht bildete Mello.
“Was machen wir hier?”, fragte Raphael voll Unbehagen. Karma ignorierte ihn, trat an die Rezeption, wo eine junge Frau ihn mit einem freundlichen Lächeln willkommen hieß.
“Wir haben einen Termin beim Meister”, meinte der Rotschopf und hielt ihr eine kleine Karte hin.
“Ähh, mir ist nicht bewusst, dass man den Meister buchen kann”, sprach die Frau mit angehobener Augenbraue, sie wollte die Karte gar nicht erst annehmen. Karma drehte sich zu seiner Begleitung um.
“Jungs, geht mal kurz raus, ich muss was klären.”
Raphael blieb wie angewurzelt stehen, ihm war das Ganze überhaupt nicht wohl. Am liebsten wäre er schon aus dem großen Saal geflohen, doch sie hätten sein Leben nicht verschont. Oder? Mello packte die Schildkröte am Arm und zog ihn aus dem Studio, so wie Karma es ihnen befahl. Ahnungslos zog ein Strom Menschen an ihnen vorbei.
“Was passiert da drin jetzt?", fragte Raphael zögerlich. Mello wirkte auf ihn unberechenbar, er konnte nicht im Geringsten einschätzen, wie er reagieren könnte. Mello jedoch zuckte mit den Schultern und fischte eine ungeöffnete Tafel Schokolade aus der Tasche seiner schwarzen Lederjacke.
„Dieser Typ ist ‘n richtiger Psycho, der setzt da drin jetzt eiskalt seinen Willen durch“, antwortete der Blonde eher unbeeindruckt. Wie man von Donatello hören konnte, war er bei Karma in der Ausbildung, er musste daher öfters in solche Situationen gekommen sein. Verstehend nickte Raphael, wagte es allerdings nicht, näher nachzuhaken. Stattdessen erreichte ihn ein anderer Gedanke.
„Ich hab‘ noch ‘ne Frage“, fing Raphael an, noch nicht ganz sicher, wo er damit enden würde. Mello hielt kurz inne, deutete ihm, fortzufahren, dann biss er genüsslich in die Tafel.
„Dieser große Kerl, der diese Rede gehalten hat… Was meinte er mit dem ewigen Reich Higerta?“
Mello lachte schallend auf.
„Du meinst Diluc? Der Typ ist streng gläubig, liegt daran, dass er in irgendeinem Kaff in Raenyth aufgewachsen ist. Kennst du dich damit ansatzweise aus, oder muss ich dir das auch erst beibringen?“
Etwas eingeschüchtert von Mello‘s aggressiven Körpersprache schwieg er und biss sich auf die Zunge. Er verstand nicht, warum er sich so unterwerfen ließ, diese ganze Situation, in die er geworfen wurde, schien ihn ins Unendliche zu überfordern.
„Ich bin nicht dein Lehrer oder so, nächstes Mal informierst du dich gefälligst selbst oder gehst jemand anderen auf den Sack. Aber wollen wir heute mal nicht so sein. Weißt du, in diesem Land glauben die Leute an zwei Götter: Zhorun, der Gott der Freiheit, und Lymas, die Göttin des Reichtums oder so. Die beiden stehen in Rivalität, also heißt es immer Zhorun gegen Lymas, Raenyth gegen Wytolea.“
Mello biss von seiner Tafel Schokolade ab, schmatzte vor sich hin, ehe er fortfuhr. Raphael lauschte gespannt seinen Worten, er kannte sich mit den Religionen in Skalmarnes überhaupt nicht aus.
„Und die Götter wählen den unsterblichen König. Das ist einfach nur ein menschlicher Trottel, der von alleine nicht sterben kann, und nach seinem Alter werden die Jahre gezählt. Jetzt sagen die Einen, Higerta ist die Zeit, die gebraucht wird, bis so ein unsterblicher König gesucht wird, die Anderen meinen, Higerta ist das Reich der Toten. Kommt drauf an, aus welchem Kaff man kommt. Je ländlicher, desto stärker glaubt man auch an den Scheiß.“
Die mechanische Schiebetür des Fitnessstudios öffnete sich, mit einem beängstigend breiten Grinsen trat Karma nach draußen.
„Gentlemen, der Meister ist da.“
„Na endlich“, seufzte Mello und steckte die Schokolade wieder in seine Jackentasche.
Karma führte Raphael und Mello am Tresen entlang, er schlängelte sich an den verschiedensten Sportgeräten vorbei, bis sie einen separaten Raum erreichten. Schwarzer Holzdielenboden knarzte unter ihren Füßen, vereinzelt ragten rote Boxsäcke auf blauen Matten auf. In der Mitte befand sich ein großer Ring, hier wurden Trainingskämpfe ausgetragen. Der prominenteste Boxkämpfer, der diesen Ring nutzte, war der skalmarnische Champion und frisch gebackener Weltmeister.
„Raph, lern‘ du doch schon einmal den Ring kennen, der Meister ist gleich da“, wies Karma ihn an und klopfte ihm auf den Panzer. Raphael tat, was er sagte, er kletterte in den Ring und versuchte vor allem, den Boden einschätzen zu können. Die Tür zum separaten Raum öffneten sich, violette Augen glänzten zielstrebig. Mit großen Schritten trat er ein, der vielfache Champion, weiße Handschuhe zierten seine geballten Fäuste.
„Wow“, kam es von Karma.
„Jedes Mal auf‘s Neue beeindruckend.“
„Um den da geht es?“, fragte der rote, humanoide Ameisenigel, der im Ring unter dem Namen ‚Knuckles‘ gefürchtet war.
„Ganz recht“, antwortete Karma, er sah zu, wie Knuckles zu Raphael in den Ring stieg.
„Pass auf, Raphael. Wir wollen schauen, wie dein Kampfstil aussieht. Knuckles kann sich anpassen, versuch einfach, ihn so zu bekämpfen, wie du es nunmal tun würdest.“
Raphael schluckte ehrfürchtig, als er Knuckles gegenüber stand, beobachtete, wie er seine Fäuste ballte, als würde er Krallen wetzen.
~•~
Das Absperrband flatterte im kalten Nachtwind. Zwei Männer schlichen über den Marktplatz, steuerten auf den Tatort, die Pizzeria, zu.
„Ajax, bist du bereit?“
„Jawohl, Kommissar Creman“, antwortete der große Mann mit den orangenen Locken.
Der Polizist winkte ab.
„Bitte, wir sind nicht im Dienst, Creman reicht aus.“
Ajax hob amüsiert seine Augenbraue und sah auf den etwas kleineren Polizisten hinab. Wie abgesprochen, trafen sich die beiden Männer, um den Tatort vor allen anderen zu untersuchen. Ajax war sich bewusst, warum Creman darauf bestand, in der Nacht noch einmal hierher zurückzukehren. Er war diese Art Kommissar, er wollte alle Lorbeeren für sich einheimsen, und dafür griff er auf unfaire Mittel zurück. Gestattet war es ihnen nicht, den Tatort zu betreten.
„Okay, Ajax. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen, haben wir uns verstanden?", sprach Creman kontrolliert.
"Verstanden", antwortete er leise, atmete tief ein und schritt zusammen mit dem Beamten durch die offenstehende Tür.
In der Küche lugte eine Gestalt um die Ecke, erblickte die beiden Eindringlinge.
"Es ist Showtime", flüsterte Vi und ließ ihre Fingerknöchel knacken.
"Dann lassen wir mal die Köpfe rollen", fügte Marceline hinzu, ihre Vampirfänge blitzten auf, doch Vi schnaubte nur verächtlich. Sie war sauer auf die Schwarzhaarige, das ließ sich nicht im geringsten verbergen, eigentlich könnte sie jetzt gemütlich im Bett liegen.
"Wenn du's vermasselst, liefer' ich dich Powder aus", knurrte Vi abschließend, dann schritt sie in den Essbereich der Pizzeria.
"Oh, damit hab' ich jetzt nicht gerechnet", sprach Creman überrascht.
"Wir haben direkt ins Schwarze getroffen."
"Genauso wie meine Faust in deinem Gesicht", konterte Vi, sie ballte ihre von Bandagen umhüllten Fäuste und holte aus, ihre Faust schnellte auf Creman's Gesicht zu. Es war jedoch nicht der Beamte, den sie traf, denn Ajax warf sich dazwischen und steckte den Schlag ein.
"Ein Traum, gegen dich kämpfen zu dürfen", zischte der Kämpfer, in seinen Händen befanden sich zwei blaue Klingen. Zusammen kombiniert bildeten sie einen Bogen, das war seine spezielle Waffe. Er griff jedoch nicht auf den Bogen zurück, er zückte eine Pistole und drückte den Abzug, ein lauter Schuss erhallte.
Selbst Marceline, die unbemerkt über die Köpfe der Kämpfenden hinweg schwebte, landete schockiert auf dem Boden.
Ein sauberes Loch klaffte auf der Stirn des Polizisten, rücklings fiel er und prallte dumpf auf den karierten Fliesenboden auf.
"Echt jetzt?", fragte Vi fassungslos.
"Das erregt nur unnötig Aufmerksamkeit!"
"Ist ja nicht mein Problem", antwortete Ajax flapsig und zuckte frech mit den Schultern.
"Die Leiche liegt auf eurem Boden."
"Das ist die zweite Leiche diese Woche, die ich beseitigen muss", murrte Marceline gereizt. Ajax drehte sich zu ihr um, etwas verwirrt stand sein Mund offen.
"Was meinst du mit zweite Leiche?"
"Bist du schwerhörig oder was?"
Ajax atmete tief aus, er drehte sich einmal um die eigene Achse und blickte nun Vi mit seinen eiskalten, blauen Augen an.
"Ich würde sehr gerne für einen kleinen Kampf bleiben, aber dieser blöde Vampir hier verdirbt mir die Laune", schmunzelte Ajax, wirbelte herum, und stürmte aus der Pizzeria, ließ die beiden Nachtwächter mit der Leiche zurück.
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