~•~ CHAPTER II ~•~
Die Tür zu einem edlen Saal öffnete sich. In der Mitte stand ein elegant verzierter, langer Tisch, zu ihm gehörten ebenso verzierte Stühle mit feinstem, roten Seidenstoff. Am Ende dieses Tisches stand ein Stuhl, der sich mit einer viel längeren Lehne optisch von den anderen unterschied. Nervös trat ein Haufen Gestalten in den Saal, verteilte sich und jeder setzte sich an einen Platz an dem langen Tisch. Nur der achte Platz, der Stuhl mit der langen Lehne, blieb frei. Eine weitere Tür öffnete sich, zwei Männer in pechschwarzen Anzügen schritten in den Saal und flankierten den Sitz. Der etwas kleinere Mann, sein glattes Haar glänzte silber im schimmernden Licht des Kronleuchters, wirkte eher wie ein feiner Butler. Der andere, größere Mann, sein feuerrotes Haar war zu einem hohen Zopf gebunden, schien viel mehr die Sicherheit der Anwesenden zu gewährleisten-
oder sie einzuschüchtern.
Aus der hinteren Tür, wo die beiden Männer gerade erst erschienen, trat eine schaurige Gestalt ein. Die Augen leuchteten rot unter der violetten Maske, die grünen Schuppen glänzten matt. Er war um einige Köpfe kleiner als der Rothaarige zu seiner Linken, er war sogar kleiner als der Butler zu seiner Rechten, für eine humanoide Schildkröte jedoch überdurchschnittlich groß. Er richtete mit seinen klobigen Fingern seine weinrote Krawatte, passend zu seinem schwarzen Hemd und dem marineblauen Sakko, dann setzte er sich auf den leeren Platz.
“Danke, dass ihr so zahlreich erscheinen konntet, nach meiner Einladung”, sprach die Schildkröte mit einer erstaunlich klaren Stimme. Er ließ sich von dem Butler ein gefaltetes Blatt Papier reichen, eine Liste, auf der die Namen aller Eingeladenen standen.
"Wir gehen die Liste ein Mal durch, jeder kommt an die Reihe", meinte er und ließ seine Zunge über seinen Finger gleiten, befeuchtete ihn, um das Papier zur vollen Größe aufzufalten.
"Seven, die Produktion in Hirascar geht sehr langsam voran, wo ist das Problem?"
Ein Mann mit roten, zerzausten Haaren richtete seine gelb-schwarz gestreifte Brille, dann räusperte er sich.
"Also, ähm", fing er an, er musste jedoch aufstoßen, was ihn unterbrach.
"Wir arbeiten gerade daran, die Prozesse vollständig zu automatisieren, sodass das Labor nur noch von einer einzigen Person besetzt sein muss. Da stehen wir allerdings noch ganz am Anfang."
Das Reptil wandte seinen Blick wieder dem Zettel zu, nickte verstehend.
"Ich gebe euch eine Frist, in zwei Wochen will ich sehen, dass der Automatisierungsprozess mindestens zur Hälfte abgeschlossen ist. Wenn das nicht erfüllt wurde, werdet ihr euren Fokus wieder vollständig auf die Produktion legen, klar?”
“Habe verstanden, Sir”, antwortete Seven eher lässig, er lehnte sich zurück. Für den jungen Wissenschaftler war dieser Druck überhaupt kein Problem, im Gegenteil, unter Druck arbeitete er produktiver als sonst. Die Schildkröte warf einen Blick in die Runde, schwieg für einen Moment, dann lehnte er sich zur linken Seite.
“Diluc, hol’ ihn jetzt bitte.”
“Sehr wohl, Sir Donatello”, antwortete der rothaarige Hüne und stolzierte mit großen Stiefelschritten zu der großen Tür, durch jene die sieben Versammelten eingetreten waren.
“Wir haben ein neues Mitglied in unseren Reihen zu begrüßen”, verkündete Donatello, während Diluc eine auf einen Stuhl gefesselte Gestalt in den Saal führte. Er entfernte mit einer schnellen Bewegung den braunen, alten Kartoffelsack über seinem Kopf, es war eine weitere humanoide Schildkröte, sein unsicherer, jedoch aggressiver Blick war mit einer roten Maske umspielt.
“Donnie?!”, knurrte er überrascht, verunsichert, er wusste überhaupt nicht, wie er reagieren sollte, geschweige denn denken. Donatello erhob sich und nickte ihm zu.
“Raphael.”
Donatello zog sich die schwarzen, ledernen Handschuhe ab und trat an Diluc’s Seite.
“Raphael, willigst du ein, verpflichtest du dich bis zu deinem Ableben, oder bis zum Niedergang Arkhams, dich dem Boss zu unterstellen und mit allem, was du hast, dieser Vereinigung zu Diensten zu stellen”, sprach Diluc laut und deutlich, sodass alle Anwesenden seine Worte vernehmen konnten.
“Bis zum bitteren Ende wirst du Stillschweigen behalten, bei Verrat droht der Einzug in das ewige Reich Higerta. So sage mir, Raphael, wie lautet deine Entscheidung?”
“Welche Optionen hab’ ich denn?”, fragte er in einem Atemzug an Donatello gewandt, der jedoch nur laut schallend lachte.
“Entweder willigst du ein, oder”, Donatello verstummte, deutete nur auf seinen Gürtel, an dem ein Holster mitsamt einer Pistole hing. Raphael schluckte schwer.
“Ich würde es verabscheuen, meinen eigenen Bruder zu erschießen”, sprach Donatello nachdrücklich und drehte sich um, spazierte gemächlich zurück zu seinem Platz an der langen Tafel. Diluc trat einen Schritt zur Seite, blickte auf die eingeschüchterte Schildkröte hinab.
“I-ich willige ein, ich stelle mich zu Diensten”, stammelte Raphael leise, er wagte es gar nicht erst, seinen Kopf zu heben und dem Hünen ins Gesicht zu sehen.
“So sei es”, entgegnete Diluc ebenso leise und zog sich zurück, er stellte sich wieder an seinen Platz neben Donatello.
“Nun gut”, fuhr der Boss fort.
“Karma, nachdem du vorzügliche Arbeit geleistet hast, Mello zu trainieren, möchte ich dir nun auch Raphael anvertrauen. Ich möchte auch, dass du Mello dabei mitnimmst, dass ihr ihn beide unter eure Fittiche nehmt. Das bedeutet auch, dass bis zum Abschluss des Trainings die meisten Lieferungen und Übergaben von Vi und Marceline überwacht werden.”
Als Marceline ihren Namen vernahm, hob sie ihren Kopf und setzte sich vernünftig hin, zuvor lagen ihre Beine lässig auf der Armlehne des Stuhls. Sie war sich bewusst, dass Donatello sie nicht vergaß. Innerlich bereitete sie sich auf die Standpauke vor, der Einbruch in die Pizzeria war allein ihre Schuld. Mit einem glänzenden Seitenblick machte Donatello ihr klar, dass sie nun an der Reihe war.
“Wo wir schon dabei sind, Marceline”, knurrte der Boss, funkelte sie an mit seinen rot glühenden Augen.
“Wie konnte es dazu kommen, dass jemand Fremdes in die Räumlichkeiten unserer Basis eindringen konnte?”
Marceline schluckte, eigentlich war die Frage ganz einfach zu beantworten: Sie war höchst unaufmerksam gewesen. Zumindest war dies die Antwort, die sie hier preisgeben würde.
~•~
Der Mond stand hoch am Himmel, die Nacht war ruhig und friedlich. Es war ein Mittwoch, an solchen Tagen war es die Aufgabe der Vampirin, die Pizzeria zu bewachen. Eine langweilige Aufgabe, wie sie fand, doch das änderte nichts daran, dass jemand diese Aufgabe übernehmen musste. Marceline tigerte mit langsamem Tempo stets durch die Küche, wo unter dem schweren Kühlschrank der geheime Gang zur Basis lag. Zuerst musste man ein Stück durch die Kanalisation laufen, doch dorthin gelangte man unbemerkt durch die Luke unter dem Industriekühlschrank. Ihr Weg führte sie an den Tresen vorbei zu den vielen Esstischen, wo sie kurz inne hielt und einen Blick nach draußen warf.
Tatsächlich erkannte sie im nächtlichen Nebel eine Gestalt, sie lief die Straße entlang, wollte die Kreuzung überqueren, um über den großen Marktplatz zu laufen, da hielt die Gestalt ebenso inne. Zuerst duckte sich Marceline erschrocken weg, dann fiel ihr aber ein, dass man sie so selbst als Einbrecher wahrnehmen konnte. Ein Nachtdienst war für diese Pizzeria nicht eingetragen, so konnte sie sich im Notfall nicht ausweisen. Zu ihrem Unglück steuerte die Gestalt direkt auf die Pizzeria zu. Die Schwarzhaarige tat so, als hätte sie ihren Zuschauer nicht bemerkt, drehte der großen, klaren Fensterscheibe den Rücken zu. Gerade als sie sich sicher war, dass ihre kleine Taktik funktionierte, hörte sie ein lautes Klopfen gegen das Glas. Geschlagen wirbelte Marceline herum, zu ihrer Überraschung war ihr das Gesicht auf der anderen Seite nicht unbekannt.
“Bonnie?”, fragte Marceline und öffnete die Tür, trat in die kalte Herbstnacht. Der dunkle Himmel ließ Regen verlauten.
“Was machst du so spät draußen?”
“Ich war spazieren”, antwortete Bubblegum kalt und wich zurück, als Marceline ihre Hand erhob und ihr über die kalte Wange streichen wollte. Sie senkte ihren Kopf und atmete aus, stieß eine kleine Wolke ihres warmen Atems aus.
“Ich konnte nicht schlafen. Weißt du, Simon wurde auf Expedition geschickt und wenn von dir keine Spur ist, bin ich ganz alleine zuhause.”
Eine Welle der Schuld überkam Marceline. Sie hatte sich einige Nächte nicht mehr daheim blicken lassen, erst jetzt wurde sie sich bewusst, wie sich Bubblegum wohl fühlen musste.
“Tut mir leid”, murmelte die Schwarzhaarige kleinlaut.
“Das ist dieser dumme Minijob in der Pizzeria.”
“Aber die haben doch gar keinen Nachtdienst”, merkte Bubblegum nachdenklich an. Die Pinkhaarige arbeitete in der Stadtverwaltung Caritews, da hatte sie den Überblick und wusste auch, dass die Pizzeria keinen Nachtdienst hatte.
“Inoffiziell. Keine Ahnung wieso, aber ich muss das hier machen.”
Verstehend nickte Bubblegum, ihr Blick war traurig.
“Es passiert jetzt gerade eh nichts, hier ist weit und breit niemand, wollen wir ein Stück zusammen laufen?”, schlug Marceline vor, die Miene der Größeren erhellte sich augenblicklich ein wenig. Arm in Arm eingehakt liefen sie die Straße entlang, während einzelne Tropfen vom Himmel fielen.
“Ich wollte dir das jetzt schon länger erzählen”, fing Bubblegum an und riss ihren Mund zu einem weiten, müden Gähnen auf.
“Ich wurde angefragt, ob ich der neuen Task Force bei der Polizei beitreten möchte. Wegen dieser neuen Droge, damit sie sich nicht weiter verbreitet.”
Marceline rutschte das Herz in die Hose. War das ihr ernst? Egal was geschah, Marceline durfte nicht auffliegen, und nun hatte sie den Feind in ihren eigenen vier Wänden.
“Das ist doch super, oder nicht?”, meinte sie gespielt begeistert.
Das Klirren von Glasscheiben hallte durch die Nacht, erregte ihre Aufmerksamkeit.
“Ach scheiße, gerade jetzt”, fluchte Marceline und wollte gerade zurück zur Pizzeria schweben.
“Marcy, warte!”, rief Bubblegum ihr hinterher. Marceline machte kehrt und ergriff ihre pinke Hand.
“Bonnie, geh’ nach Hause. Ich will nicht, dass dir was passiert.”
“Pass auf dich auf, ja?”
Marceline nickte lächelnd.
“Ich pass’ auf”, versicherte sie ihr und küsste ihre Stirn, verdeutlichte das Versprechen, dann flog sie so schnell sie konnte zurück zur Pizzeria.
~•~
“Ich bin ehrlich mit dir”, knurrte Donatello kopfschüttelnd.
“Wärst du nicht einer meiner besten Überwacher, hätte ich dich jetzt hingerichtet. Zur Strafe wirst du den ganzen Monat die Nachtwache übernehmen.”
Marceline senkte den Kopf, doch sie verstand und akzeptierte die Strafe.
“Was uns direkt zum nächsten Problem führt.”
Donatello fixierte nun Viktor mit seinem Blick, als würde ein elektrischer Schlag durch seinen Körper zucken, saß er kerzengerade auf seinem Stuhl.
“Ich hoffe, Jinx ist gut in Wekkcliffs angekommen. Aber was zur Hölle habt ihr gestern in Caritew verloren?”
Viktor hatte selbst keine vernünftige Antwort dafür.
“Wir waren spazieren, haben die Nachtluft genossen, und dann weiß ich nicht…”, versuchte Viktor sich zu erklären.
“Irgendwie haben wir dann von dem Einbruch gehört und sind zu Hilfe geeilt.”
“Ich hörte, Jinx hat den Täter niedergestreckt?”, hakte Donatello ungeduldig nach.
“Ja, das stimmt”, mischte sich Marceline ungefragt ein.
“Ich hab’ die Leiche im Vorraum im Schrank verstaut.”
“Ach, also war das gar nicht Karma, der so gestunken hat?”, kam es provokant von Mello, der bisher stumm alles mitverfolgte. Donatello schlug mit seiner Faust auf den Tisch, um die Runde verstummen zu lassen, bevor Karma etwas erwidern konnte.
“Ruhe”, zischte Donatello.
“Vi, du wirst überprüfen, dass Marceline sich an die Strafe hält. Erstatte mir Bericht."
Die ruhige Rothaarige willigte mit einem kurzen Kopfnicken ein.
“Damit ist diese Versammlung beendet. Geht euren Aufgaben nach.”
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro