𝐾𝐴𝑃𝐼𝑇𝐸𝐿 𝑉𝐼𝐸𝑅
HARRYS POV
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich mich freuen würde, Luna Lovegood zu sehen. Aber in dem Moment, als sie meinen Schuh im Zug fand und meinen Körper von der Starre befreite, nur um mir zu sagen, dass mein Kopf voller Schlickschlupfe war, war ich erleichtert. Erleichtert, gefunden worden zu sein.
"Soll ich sie für dich reparieren?", fragte das Mädchen mit dem strubbeligen mausgrauen Haar und ich verstand nicht, was sie meinte, denn sie sagte es völlig aus dem Zusammenhang gerissen. "Was?" Luna deutete auf meine gebrochene Nase.
"Weißt du, wie man das macht?" Sie war vollkommen verrückt. Kein Zweifel. Manchmal stand sie mitten im Unterricht auf und sagte, sie müsse die Babys füttern und ging. "Mit Zehen funktioniert es und eine Nase ist im Prinzip dasselbe." Bevor ich ihr Angebot ablehnen konnte, wurde mir ein Zauberstab ins Gesicht gehalten. Die Leute sollten wirklich damit aufhören! Einziehendes Gefühl gefolgt von einem Knacken stoppte das Blut, welches so ekelhaft warm über mein Gesicht lief. Ich nickte nur dankend.
Die kühle Luft strich über meine Hände und warf meinen Umhang nach hinten wie die Segel eines Schiffes. Die Zweige knackten unter unseren Schuhen, und für einen Moment genoss ich die Idylle, lauschte den Tieren des Waldes. Die Zikaden zirpten, hier und da heulte eine Eule und sogar die Bewohner des Schwarzen Sees machten sich bemerkbar, genauer gesagt die Sirenen, die ihr schrecklich schrillen Lieder trällerten. Der Waldweg selbst wurde von einigen Laternen erhellt, und Glühwürmchen flogen wie Motten umher. Dann traf es mich.
Hermine!
Die Angst in ihren Augen blitzte wieder vor meinen auf. Wenn sie noch bei Malfoy war ... Ich begann zu fürchten, dass er ihr das Gleiche angetan haben könnte wie mir. Oder noch Schlimmeres. Der Gedanke, dass dieses ekelhafte Stück Dreck seine Finger an sie gelegt, ihre Seele gebrochen und sie völlig betäubt im Wald zurückgelassen hatte, zerriss mich. Aber ich wusste nicht, ob es Angst oder Wut war, die mich jetzt blendete. Ich wusste nur, dass ich meine beste Freundin in Sicherheit wissen musste.
"Ich will dich nicht unterbrechen, Luna, aber hast du zufällig Hermine auf dem Weg gesehen?" Fragte ich und wartete auf ihre Reaktion, in der Hoffnung, dass sie an ihr vorbeigegangen war und Ron gefunden hatte. Ich hoffte, dass die Brünette jetzt bei McGonagall war und ihr alles erzählt hatte. In meinem Kopf spielte sich alles noch einmal ab. Die Träne von ihr und seine Hand an ihrem Hals. Ich konnte nichts tun. All das war meine Schuld. Hätte ich doch nur auf Hermine gehört.
"Nein, warum?" Die Augen der Ravenclaw blickten immer so verträumt umher, als gäbe es nichts Böses auf dieser Welt.
"Und hast du Malfoy irgendwo gesehen?" Ich hörte, wie der Zug aus dem Bahnhof fuhr. Mein Herz sollte sich leichter anfühlen, weil ich nicht an Bord war, was nicht ausschloss, dass Hermine im Zug war. Schließlich hatte ich nicht gesehen, ob sie ihn jemals verlassen hatte. Die Ungewissheit machte mich wahnsinnig. Luna schüttelte auf meine Frage nur den Kopf.
"Unter diesen Umständen ... Ist es möglich, dass wir uns beeilen? Ich meine, hast du Lust zu rennen?" Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern und hüpfte los. Hätte ich noch einen Funken Ruhe in meinem Körper gehabt, hätte ich verdutzt hinterhergesehen. Aber meine Füße wussten, was zu tun war. Immer schneller schlugen sie auf den Boden auf. Vorsichtshalber hielt ich meine Brille fest. Ich rannte so schnell, bis alles um mich herum nur noch ein verschwommenes Schwarz war und meine Lungen in Flammen standen. Meine Beine wollten nachgeben und meine Seite stach, aber ich forderte meinen Körper noch ein wenig mehr heraus. Die Nachtluft ließ mein Gesicht gefrieren, als hätte ich es in einen Eimer Eiswasser getaucht. In der Ferne sah ich Ron und rief seinen Namen.
"Verdammte, Harry!" Er keuchte erschrocken auf. Meine Hände ruhten auf meinen Knien. Für eine Sekunde, wurde mir schwarz vor Augen.
"Was ist mit deinem Gesicht passiert?" Ich hob einen Finger, um ihm zu signalisieren, dass ich gleich mit ihm reden würde. In der kurzen Zeit stellte ich fest, dass weder Malfoy noch Hermine zu sehen waren. Innerlich begann ich zu schreien. Es gab viel zu viele "Was-wäre-wenn"-Situationen, die sich in meinem Kopf abspielten.
"Hast du dich geprügelt oder nur deine Brille verloren?" Fragte Ginny, die sich von Neville und Dean entfernt hatte. Ich spürte ihre Finger auf meiner Wange. Meine Gefühle machten eine Kehrtwende, und ohne nachzudenken schlug ich sie weg und ließ sie verwirrt zurück. Ich war nicht derjenige, um den sie sich Sorgen machen sollten!
"Ginny, du musst schnell zu McGonagall und ihr sagen, dass Malfoy ... er könnte ... Hermine ... er hat sie vielleicht sogar ... sag ihr, dass sie die beiden dringend finden muss!" Die braunen Augen der Rothaarigen weiteten sich. Ich wusste selbst, wie verstörend das klang, aber ich wurde Zeuge, wozu dieses Etwas fähig war. Ohne weitere Fragen zu stellen, drehte sich Rons Schwester um, ergriff Lunas Arm und eilte davon.
"Was meinst du damit, Harry?", fragte mein bester Freund sichtlich verwirrt und verschränkte ungläubig die Arme vor der Brust.
"Ich bin Malfoy gefolgt und ich hatte Recht! Ich habe gehört, wie er gesagt hat, dass er an etwas so Großem dran ist, dass er vielleicht nächstes Jahr nicht mehr zurückkommt. Ron, weißt du, was das bedeutet? Er ist einer von ihnen. Malfoy ist mit Hermine abgehauen! Beide sind spurlos verschwunden."
"Ich wusste, dass du keine Ruhe geben würdest. Aber wenn ich das richtig verstehe, hat das Frettchen dich angegriffen ... liegen gelassen und ist mit Hermine verschwunden?" Der Weasley hakte noch einmal misstrauisch nach, bevor er mich mit einem prüfenden Blick musterte, als wolle er eine Lüge aufdecken.
"Ja. Genau das meine ich. Warte ... Nein! Er hat uns beide angegriffen!" Meine Stimme drohte unter all der Unruhe zu versagen. Stille. Mein Gegenüber neigte nur den Kopf zur Seite und zog eine orangefarbene Augenbraue hoch.
"Ehrlich gesagt, Kumpel, hört es sich trotzdem so an, als wären die beiden gegangen-zusammen." Stieß er mit einem genervten Schnauben aus.
"Was? Ich habe sie gesehen, Ron! Malfoy hat ihren Zauberstab genommen und seine Hand war ganz um ihren Hals! Ihre Lippen wurden blau und er zerrte sie weg! Das ist kein Scherz! Wir müssen Hermine finden!" ,Brummte ich.
"Ich meine ja nur, es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich mit dem Feind verbündet. Das würde doch Sinn machen. Ich meine, komm schon. Hast du nicht gemerkt, dass sie ihn die ganze Zeit verteidigt? Malfoy bekommt eine Sonderbehandlung. Das kannst du nicht leugnen. Und im Ministerium ... Die Art, wie dieser eine Todesser ging - mit so viel Stolz. Es musste Malfoy sein. Und obendrein war er derjenige, der auch Hermine hatte. Ich glaube, sie stecken unter einer Decke. Ich traue ihr ehrlich gesagt nicht mehr." Seine Nonchalance machte mich wütend, und wenn ich noch etwas Kraft in meinen Knochen hätte, hätte ich ihm eine verpasst.
"Hermine ist unsere beste Freundin! Sie war da, als niemand da war! Sie würde uns niemals verraten. Niemals! Und jetzt vorwärts! "Ronald verdrehte die Augen und folgte mir mit schlurfenden Schritten.
HERMINES POV
Mein Puls schlug fast unmerklich in meinen Fingerspitzen. Kein Mann hatte es je gewagt, seine schmutzigen Hände an meine Kehle zu legen. Nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen hätte ich mir so etwas vorstellen können. Aber Malfoy ... Malfoy hatte diese Grenze überschritten, und er würde damit durchkommen. Ich stieß mich vom Boden ab, der mir in den letzten Minuten Trost gespendet hatte, und merkte, dass ich immer noch keinen Halt in den Beinen hatte. Alles drehte sich. Mein Blut war heiß und dennoch fror ich. Mein Herz schlug viel zu schnell. In der Ferne hörte ich eine vertraute Stimme. Ich stolperte aus der Dunkelheit.
"Hermine! Ein bisschen spät, dass du noch hier bist. Hast du die Kutsche verpasst?" Der Halbriese kratzte sich an seinem dichten, zotteligen Bart.
"Du bist doch nicht von irgendwas da draußen gebissen worden, oder?" Seine dunklen, käferartigen Augen glitten über mich hinweg.
"Ich glaube nicht ... Warum fragst du?" Sprechen tat immer noch weh. Aber der Knoten, der sich um mein Herz gebildet hatte, wurde lockerer. Ich war in Sicherheit.
"Weil dein Hals so komisch rot ist. Du siehst auch gar nicht gut aus. So blass um die Nase." Panik. Schamhaft versuchte ich, meinen Hals mit der Hand zu bedecken, spürte wieder seinen warmen Atem in meinem Nacken und seinen festen Griff, der ein Brennen verursachte, das sich in Schwindel und Dunkelheit verwandelte.
Mein Magen machte eine schnelle Wendung und aus dem Nichts heraus, musste ich mich übergeben. Neue Tränen hinterließen neue Spuren.
"Ach du meine Güte! Komm mit! Wir besorgen dir schnell eine Kutsche. Madame Pomfrey wird das ganz schnell in Ordnung bringen." Hagrid klang besorgt und ich wusste, dass er wusste, dass etwas nicht stimmte. Er war der letzte Mensch, der mich verurteilen würde aber Malfoys Worten waren klar. Er würde mich umbringen.
"Hagrid ... Malfoy und Harry ... haben sich gestritten. Es könnte sein, dass Harry noch im Zug ist und jetzt zurück nach London fährt" Eine Hand, die so groß wie ein Mülleimerdeckel war, tätschelte meine Schulter.
"Mach dir keine Sorgen um Harry. Den habe ich vorhin mit Ron gesehen. Jetzt kümmern wir uns erst mal um dich." Das Gefühl in meinem Bauch verwandelte sich wieder in stechende Wespen. Ich nickte nur und sagte auf dem ganzen Weg kein Wort mehr.
BLAISE POV
Ich hatte mir immer Sorgen um Malfoy gemacht. Ein Blick in seine Augen hatte genügt, um zu wissen, dass er etwas Schreckliches getan hatte. Ich hatte gar nicht erst fragen wollen, was es war, denn die Antworten waren von Jahr zu Jahr schlimmer geworden. Ich hatte gedacht, er sei dieses Jahr blasser als sonst wegen seines Vaters, aber dieser eine Satz im Zug ... er war zu viel gewesen.
Draco kam jetzt auf mich zu und drehte sich alle paar Sekunden um. Irgendetwas stimmte nicht. Ich scannte ihn von Kopf bis Fuß. Ach du Scheiße! Da war ... war es wirklich? Bitte lass es kein ... Ich sah genauer hin und auf seinem glänzenden schwarzen Schuh waren eindeutig Blutspritzer gewesen.
"Ich will nicht neugierig sein-", hatte ich vorsichtig begonnen, als wir gemeinsam die Treppe hinauf- und durch die großen Flügeltüren gegangen waren.
"Dann sei es nicht, Blaise!", Dracos Stimme war vor Wut gedämpft. Hier und da wurde ich gegrüßt, die eine oder andere war mir in die Arme gelaufen und hatte gesagt, sie hätte mich vermisst, was ich stark bezweifelt hatte, da ich mich kaum an die Namen der Mädchen erinnern konnte. Die Hektik, der Lärm, Filch, alles war wie immer. Sogar die neuen Erstklässler waren schon da gewesen und warteten auf die Anweisungen von McGonagall. Ich hatte ihnen zuversichtlich zugelächelt und gehofft, dass wir dieses Jahr mehr Slytherins bekommen würden.
"Es ist also nichts passiert?" Ich fragte erneut. Die Art und Weise, wie er den Hals rollte, war kein gutes Zeichen. Malfoy war viel zu sehr in seinem Kopf und sein leerer Blick ...
"Hör auf, Fragen zu stellen. Es ist nichts passiert!"
Ich hatte einen Plan für dieses Jahr gehabt. Einen großen Plan, der seit letztem Jahr in Arbeit gewesen war. Ich hatte mich von meiner besten Seite gezeigt, mich mit den Lehrern, die ich früher gehasst hatte, versöhnt und ihnen gezeigt, dass ich es wert war. Meine Noten waren gut und ich hatte mich in so vielen Projekten engagiert. Ich hatte so viele Menschen auf meiner Seite gehabt ... es konnte einfach nicht schiefgehen. Das Amt des Schülersprechers stand mir zu! Es gab niemand Bessern als mich für diesen Posten. Dazu würde es meine Bewerbungen beim Ministerium um einiges verbessern. Der Schülersprecher hatte auch eine Menge Privilege. Er konnte nicht nur Punkte abziehen sondern auch verteilen. Die Ausgangssperre galt für ihn nicht und er hatte ein eigenes Zimmer und Bad. Er repräsentiert Hogwarts und sah gut in den Zeitungsartikeln aus.
McGonagalls Mund war nur ein Strich gewesen und ihre Nasenflügel leicht gebläht, als sie auf uns zukam. Jeder wusste, dass die Frau kurz vorm Explodieren war, wenn sie dieses Gesicht machte. Bitte hab nichts gemacht. Bitte hab nichts gemacht. So erbärmlich es auch war, vielleicht war Beten das Einzige, was jetzt noch helfen konnte.
"Wenn die neuen Schüler eingeteilt sind ... Kommen sie sofort in mein Büro!" Das letzte Wort von Gryffindors Hauslehrerin war fast so kalt geknurrt, dass es selbst dem blutrünstigen Baron einen Schauer über den Rücken gejagt hätte. Das goldene Trio war verschwunden gewesen. Ich hatte die Augen geschlossen, um jetzt nichts Falsches zu sagen. Dieser verdammte Bastard!
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