Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

(6x8)/48

-1-

Ich stopfe meine zur Faust geballten Hände noch tiefer in die Taschen meiner dunkelgrünen Sweatshirt Jacke. Ganz unten sammeln sich Krümel, die auch vom Waschen nicht weggehen. Außerdem ist der Stoff schon ganz dünn - kurz davor, sich zu einem Loch zu teilen - weil ich diese Haltung so oft einnehme.

Entschlossen weiche ich meinen Mitschülern aus, die alle, durch das Klingeln zum Ende der Pause aufgehetzt, zu ihren Klassenräumen hasten. Auch ich beeile mich. Aber nicht, weil ich zum Unterricht will.

Ich ziehe mir die Kapuze weiter in die Stirn, nicht gesehen werden, nicht auffallen. Einfach mit den Leuten verschwimmen, so wirken, als würde ich hier hingehören. Hier, in den engen, an den Seiten von blaugrünen Spinden gesäumten Schulflur, zwischen all diese lachenden, ekelig frohen Leute, zu denen ich versuche Abstand zu halten.

Eine große Last fällt von mir ab, als ich durch die Eingangstür trete, hinaus auf den Schulhof und an der Gebäudewand entlang, bis zu der kleinen, mit Graffiti beschmierten Ecke neben den Müllcontainern.

Ich bin alleine. Selbst die üblichen Verdächtigen sitzen heute wohl offenbar einmal brav im Unterricht. Es stört mich nicht. Ganz und gar nicht. Hastig fingere ich nach einer Kippe, klemme sie zwischen die Lippen und schütze sie mit der einen Hand vor eventuell aufkommenden Luftzügen, während ich in der anderen mit einem Feuerzeug hantiere. Schließlich ist sie an, ich nehme einen tiefen Zug und behalte den Rauch möglichst lange in der Lunge, bevor ich ihn wieder gehen lasse. Dann noch einen. Nochmal und nochmal, wie ein Ritual. Zitterende Finger, hektische Atemzüge und ein unregelmäßiger Herzschlag.

Ich weiß nicht, wieso ich so austicke. Das ist eigentlich nicht meine Art.

Alles spult sich noch mal in meinem Kopf ab, immer und immer wieder, während ich mich an die Wand lehne und verzweifelt den Rauch in meine Lungen strömen lasse.

Johanna Mason, ein Mädchen aus dem Senior Year, will mir ein paar Fragen über - „Nein", falle ich ihr ins Wort, wobei ich es nicht einmal für nötig halte, sie anzugucken. Doch Johanna gibt keine Ruhe.

„Willst du denn gar nicht wissen, worum es geht?", fragt sie, worauf ich erneut verneine. Leider gehört Johanna Mason zu den Menschen, die es nicht kennen, eine Abfuhr zu bekommen. Also redet sie unbekümmert weiter auf mich ein. „Naja, ich, also wir alle, wir dachten uns, da Rose ja nun nicht mehr zur Abschlussfeier kommen kann, wäre es doch ganz schön, wenn du uns vielleicht ein paar Sachen von ihr geben könntest. So Kinderfotos oder so. Wir wollen nämlich so eine Art Rückblick machen, also von uns allen, und das wäre doch schade, wenn Rose fehlt."

„Ja, wirklich schade", antworte ich tonlos, „Aber nein. Schaut doch mal in alten Schülerzeitungen nach, gibt ja genug."

Ich drehe mich um und und will zu meiner nächsten Stunde, einfach wieder nicht beachtet werden - so wie sonst auch. Aber Johanna hat nicht vor, sich so einfach abspeisen zu lassen und bringt das eine Argument, das ich mehr als alles andere hasse.

„Rose hätte es so gewollt. Sie hatte sogar die Idee."

Ich seufze.

„Okay", sage ich, „Ich bring' dir Montag was mit. Aber dann ist es auch gut, ja?"

Ich hoffe, dass ich genug Autorität ausstrahle, damit sie mich endlich in Ruhe lässt - aber seien wir doch mal ehrlich, wann habe ich das je getan?

Johanna Mason murmelt noch etwas und vermutlich lächelt sie dabei, aber ich bekomme nichts von alldem mit, denn Blut rauscht in meinen Ohren und mein Herz beginnt wild gegen meine Rippen zu hämmern.

Ich werde in Rose' Zimmer gehen müssen.

Rose' Zimmer.

Wo all ihr Kram ist und ihr Geruch und einfach so viel von ihr.

Und so bin ich hierher gekommen. In die Kifferecke, obwohl ich die hasse, mit einer Kippe in der Hand, obwohl ich schon so lange aufhören will.

Ich bin Gelegenheits- und Stressraucherin. Meine Klamotten riechen nicht nach Tabak und meine Fingernägel sind nicht gelb.

Ich weiß, dass viele Leute in der Schule denken ich wäre die meiste Zeit zugedrönt. Was ein weiterer Grund für mich ist, die Kifferecke zu meiden. Denn auch, wenn es mir egal ist, was sie über mich denken, so nervt es mich doch, wenn einige Übereifrige unter ihnen - so Typen wie Johanna Mason - meinen, sie müssten gegenüber meinen Lehrern irgendwelche Bedenken über meinen nicht vorhandenen Drogenkonsum äußern.

Meine Augenringe, die hageren Gliedmaßen und die eingefallenen Wangenknochen, die dünnen, fettigen Haare und das permanente Desinteresse an Kontakt mit meinen Mitschülern - all das deutet für sie darauf hin, dass ich ein Junkie bin. Keiner von ihnen kommt darauf, dass ich vielleicht einfach nicht schlafen kann. Dass ich keinen Bissen runterbekomme, ohne dass mir speiübel wird. Dass meine Haare echt mein letztes Problem sind und dass mich meine Mitschüler noch nie interessiert haben.

Vielleicht wollen sie das auch gerne glauben.

Vielleicht ist es so einfacher für sie.

Ich kann es ihnen nicht einmal verübeln.

Plötzlich muss ich husten, weil ich zu tief inhaliert habe. Seufzend betrachte ich den kleinen, kümmerlichen Zigarettenstummel zwischen meinen Fingern und werfe ihn dann auf den Boden, um ihn mit meiner Schuhsohle noch einmal dort zu verreiben.

„Sage?", höre ich jemanden rufen. „Hey, Sage!"

Einen Moment lang überlege ich, so zu tun, als hätte ich nichts gehört. Vielleicht, wenn ich mich nur tief genug in die raue Backsteinmauer presse und nur lange genug die Augen schließe, vielleicht geht die Person dann einfach weg.

Aber ich bin kein Träumer und ich weiß, dass die meisten Menschen ein gestörtes Verhältnis zu Nähe und Distanz haben, dass meine Ignoranz das Interesse dieser Person nur noch mehr anstacheln wird. Also warte ich einfach, bis sie näher kommt und ich an der Stimme erkennen kann, wer es ist, weil ich den Blick noch nicht von der Ferne losreißen möchte.

„Dich hab' ich ja schon lange nicht mehr hier gesehen!"

Eine Feststellung.

Robbie.

Ebenfalls eine Feststellung, aber dieses Mal von mir.

"Ich dachte, du rauchst nicht mehr", meint er, „Seit sie dich hier an Händen und Füßen herausgezerrt, die spitzen, langen Nadeln ihrer Spritzen in deine Armbeugen gestoßen und dich dazu gezwungen haben in Becher zu pinkeln und in Röhrchen zu pusten."

Ich grinse, den Blick immer noch so fest auf den Parkplatz der Schule und die dahinter liegende Straße gerichtet, dass alles langsam beginnt vor meinen Augen zu verschwimmen. Einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, mir noch eine Kippe anzustecken, aber die sind so teuer.

Klar, ich kellnere nach der Schule in diesem Nobelrestaurant im Stadtzentrum und verdiene mir so ein wenig Geld. Aber für Kippen ausgeben? Die ich sowieso nur verbrenne? Ich muss mich jedes Mal überwinden, eine Packung hält bei mir ziemlich lange.

„Ich versuche, damit aufzuhören", erkläre ich und werfe einen Seitenblick in die vage Richtung des Bodens, auf dem er steht, „Ist 'ne ziemlich schlechte Angewohnheit."

Zumindest in der Schule bemühe ich mich, mir keine anzustecken. Seit der Sache mit Rose sind sie auf mich aufmerksam geworden. Haben mich - die kleine, eigentlich unauffällige Schwester - beobachtet. Im Gegensatz zu Rose kann ich Aufmerksamkeit nur bis zu einem gewissen Grad etwas abgewinnen. Am liebsten bin ich allein, unsichtbar. Der einzige Mensch, auf den man sich zu 100 Prozent verlassen kann, ist und bleibt man selbst.

"Samstag ist die Beerdigung, oder?"

Ich nicke, weiß nicht, ob Robbie lasse deswegen noch einmal ein „Ja" so sanft zwischen meinen Lippen hervorströmen, als wäre er der Rauch der Zigarette, die ich dort gerne spüren würde.

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie sein Feuerzeug aufflackert und ein paar Sekunden später steigt mir der intensive, ein wenig süßliche Geruch eines Joints in die Nase.

„Willst du?", fragt Robbie und hält mir seine nachlässig gewickelte Tüte unter die Nase.

Ich kneife die Augen zusammen und verneine. „Wollte ich das denn jemals?"

Er kichert neben mir. Ein heiseres, heimeliges Geräusch.

Ich spüre dieses vertraute Ziehen in der Magengrube. Das, was man hat, wenn man glückliche Fotos von früher ansieht und sich fragt, warum die lächelnden Gesichter der Menschen, die man so sehr liebt, ihr Strahlen verloren haben. Wenn man an die Zukunft denkt, die man gehabt haben könnte und an den Mist, den man tatsächlich bekommen hat.

Es ist merkwürdig, dass wir eine Beerdigung für Rose machen. In meinen Augen fast schon geschmacklos. Immerhin hat nie jemand ihren Körper gefunden. Sie war einfach weg. An einem Montag vor neun Monaten, meinem siebzehnten Geburtstag, hat sie das Haus verlassen und ist danach einfach nicht mehr wiedergekommen. Hat niemandem Bescheid gesagt, wurde von niemandem gesehen.

Und das ist es, was mir am meisten aufstößt. Normalerweise, wenn jemand vermisst wird, melden sich jede Menge Leute und meinen etwas bemerkt zu haben, selbst dann, wenn es sich nachher als falsch beziehungsweise als Verwechslung herausstellt. Das haben die uns zumindest bei der Polizei erklärt.

Aber niemand hatte etwas gemerkt. Und das, obwohl meine Schwester normalerweise jemand ist, der einem auffällt. Sie hat schon immer dafür gesorgt, dass sich alle Augenpaare auf sie richteten und mindestens die Hälfte der Herzen im Raum schneller schlugen.

Jetzt denke ich schon selbst so, als wäre sie tot. Dabei bin ich mir nicht sicher. Müsste man so etwas als Schwester nicht eigentlich spüren? Ich für meinen Teil merke gar nichts außer, dass es sich unwirklich anfühlt. Tief in meinem Herzen halte ich es für viel wahrscheinlicher, dass Rose sich einfach irgendwo abgesetzt hat. Jetzt gerade, in diesem Moment, in ihrem gelben Bikini am Strand liegt und aus einer, von ihren frisch manikürten Fingernägeln gehaltenen, Kokosnuss trinkt. Einen pinken Strohhalm zwischen den Lippen balancierend und die Zehen im warmen Sand vergraben.

Und dass sie sich ins Fäustchen lacht, weil wir alle am Rumrätseln sind, wo sie steckt. Ich traue Rose alles zu, so lange ich keine Leiche sehe, kann ich es mir einfach nicht vorstellen, dass sie nicht mehr lebt. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum auf einmal alle eine Beisetzung wollen. Ich meine, was haben sie vor zu vergraben? Luft und Liebe?

Es fühlt sich eigenartig an, Robbie so dicht neben mir zu spüren. Eine quälende Mischung aus fremd und vertraut. Ich kann mich immer noch nicht dazu bringen, ihn anzusehen. Er ist einer der wenigen Menschen, mit denen ich eigentlich ganz gerne zusammen bin. Robbie raucht wie ein Schlot und ist Fan von großen, über alle Maßen dramatisierten Worten; zumindest ab und zu und wenn ihm gerade der Sinn danach steht.

Es ist nur so, dass ich im Gegensatz zu Robbie nicht vergessen kann, was damals passiert ist. Kann ihm nicht in die Augen sehen, weil mich dann alles wieder überrollt.

Ich möchte ja nicht einmal daran denken. Das Problem ist, er erinnert mich daran.

Und deshalb löse ich mich von der Wand, strecke die Arme kurz aus bis die Gelenke knacken und vergrabe dann die Hände wieder in den Taschen meiner Sweatshirtjacke.

„Ich schätze, ich sollte wieder in den Unterricht gehen", meine ich, „Ich möchte dem Typen, der bis jetzt die meisten Fehlstunden aller Zeiten an dieser Schule hat, seinen Rekord nicht streitig machen."

„Der Kerl ist eine Legende", flüstert Robbie hinter mir.

„Eigenlob stinkt."

Ich habe mich schon ziemlich weit entfernt, da höre ich ihn leise reden, fast schon flüstern. "Sage? Wenn etwas ist, wenn du reden möchtest - komm vorbei."

Ich nicke, keine Ahnung, ob er es sieht, keine Ahnung, ob er weiß, dass das niemals passieren wird. Dann gehe ich wieder in das Hauptgebäude, verlasse den besten Freund, den ich je hatte ein weiteres Mal, weil ich seine Nähe nicht mehr ertragen kann.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro