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Nachdenklich betrachtete ich das Buch, welches nun bereits seit einem Jahr auf meinem Tisch lag und keine Verwendung fand. Mehrmals hatte ich es noch probiert etwas aus Dad herauszubekommen, doch schwieg er. Er meinte jedes Mal, dass alles zur richtigen Zeit seine Antworten finden würde und damit müsste ich mich wohl zufrieden geben. Ich konnte mir bis jetzt auch noch nicht vorstellen, was ich in dem Buch finden würde und mit jeder Minuten fand es weniger Interesse. Ich würde einfach warten müssen.
Nachdenklich sah ich an die Wand und überlegte, ob ich vielleicht beginnen sollte zu lernen. Die ersten Prüfungen standen an und es wurde wieder stressiger. Ich hasste diese Zeit im Jahr und konnte nicht verleugnen, dass ich dem ganzen gerne entfliehen würde.
Ich dachte an die Momente zurück, welche ich immer mit Dad verbracht hatte. Wir waren in den früheren Jahren viel in der Natur unterwegs gewesen und er hatte mir diese näher gebracht. Anfangs war auch Caleb immer noch dabei gewesen, doch je älter er wurde, desto weniger begleitete er uns. Leider musste ich zugeben, dass auch genau das auf mich zutraf, denn irgendwann nahmen diese Momente ab und ich ging mehr meine eigenen Wege. Irgendwie hatte ich das gar nicht so bemerkt und doch fiel es einem umso mehr auf, wenn es bereits geschehen war. Ich vermisste die Zeit, die wir zusammen verbracht hatten und doch war es nun mal Vergangenheit.
Lächelnd schloss ich meine Augen und dachte an die Nächte zurück, in denen wir unter dem Mond am Lagerfeuer saßen und Stockbrot aßen. Ich hörte wieder die Zikaden zirpen und spürte die kühle Luft auf meiner Haut, welche trotz der Sommernacht gesandt wurde. Dieser Ausflug war einer der schönsten gewesen und hatte mir trotz meines jungen Alters gezeigt, was es hieß, frei zu sein.
Von ganz alleine griff meine Hand nach dem Buch, welches ich automatisch mit Vater zu verbinden schien. Es war instinktiv gewesen und anfangs drehte ich es erst nur in meinen Händen, bevor ich wieder meinen Blick schärfte und es aufschlug. Wieder stachen mir auf der ersten Seite Symbole und Buchstaben entgegen, welche sich wirklich zu nichts sinnvollem zusammenreimen wollten. Nachdenklich biss ich mir auf meiner Unterlippe herum und begann mit meinem Daumen am Einband zu kratzen.
Das alles schien mich verrückt zu machen und ich würde so gerne wissen, was es zu bedeuten hatte. Mit einem Mal gab der Einband ein wenig nach, was mich verwirrt dreinblicken ließ. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich bis jetzt gar nicht die erste Seite gesehen hatte, denn diese klebte eigentlich am Einbad fest. Vorsichtig löste ich diese und betrachtete das einzige Wort, welches dort geschrieben war.
Otnemem
Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich die Buchstaben und probierte zu überlegen, was es mir sagen wollte. Ich fragte mich sogar, welche Sprache es war oder ob ich die Buchstaben umordnen musste. Schnell merkte ich allerdings, dass ich im Kreis lief und deswegen von Sekunde zu Sekunde frustrierter wurde. So kam es vermutlich auch dazu, dass ich es wieder zur Seite legte und stattdessen nach meinem Biologiehefter griff.
Es vergingen weitere Monate und mittlerweile verschwendete ich keinen einzigen Gedanken mehr daran, was mir dieses Buch sagen sollte. Stattdessen war ich mitten in den Prüfungen und lernte so gut wie jeden Tag. Auch jetzt saß ich wieder in meinem Bett und betrachtete die vielen Bücher, welche sich um mich herum stapelten.
Erschrocken fuhr ich zusammen, als plötzlich meinte Tür gegen die Wand knallte und Mum mich mit großen Augen ansah. Verwirrt blickte ich sie an und wollte bereits sagen, dass ich beschäftigt war, da schluckte ich jedes Wort herunter und Sorge kroch in mir hoch, da sie nicht wirklich gut aussah.
Es dauerte nicht lange, da sammelte sie sich kurz und sprach dann: „Du musst sofort weg von hier!"
„Bitte, was?" Fragte ich nun noch verwirrter, doch antwortete sie nicht, sondern griff einfach schnell nach einen meiner Rucksäcke und stopfte Kleidung in diesen. Dazu legte sie Geld, mein Handy und das Buch, welches nach wie vor auf meinem Tisch gelegen hatte.
„Mum. Mum!" Probierte ich und hielt sie am Arm fest, doch stoppte sie nicht, „Was ist los?!"
„Es ist keine Zeit für Erklärungen, aber ich will, dass du jetzt diese Sachen nimmst und in den Wald läufst. Dort werden wir dich suchen. Sollten wir nicht kommen, dann ruf Caleb an!"
„Wie? Warum solltet ihr nicht kommen? Was ist überhaupt los?!" Sie drückte mich ungeduldig zur Treppe, was ich stolpernd hinnahm. Am Fuße der Treppe konnte ich Dad stehen sehen, welcher hektisch auf einem Telefon herumtippte. Erst als er mich sah, kam er auf mich zu gelaufen und ließ es hektisch fallen. Ich sah dem Telefon nach, bevor ich Dad anblickte, dessen Anblick mich noch stärker verunsicherte.
„Du musst das Buch beschützen und darfst es niemals aus den Händen geben", erklärte er, wobei er mein Gesicht mit seinen Händen umgriffen hatte, „Wir lieben dich. Wir lieben dich über alles und es tut mir leid, dass ich dich in alles hineingezogen haben! Ich habe es dir gegeben, weil ich weiß, dass du irgendwann verstehen wirst. Denke an das zurück, was wir zusammen erlebt haben!" Die Worte drangen gar nicht zu mir durch, stattdessen probierte ich erneut zu sagen: „Kann mir jemand erklären, was hier-." Erneut wurde ich unterbrochen, doch war es dieses Mal das splitternde Geräusch von Holz. Ich wollte dem Ursprung des Geräusches folgen, doch hielt Dad mich an Ort und Stelle und zischte nur: „Geh jetzt! Sofort!"
Ich schien immer noch nicht zu verstehen, wie ernst die Lage war, denn ich bewegte mich nach wie vor nicht. Für mich schien es einfach ein schlechter Scherz zu sein und ich wartete förmlich darauf, dass jemand aus der Ecke springen und Verarscht schreien würde. Doch realisierte ich, dass ich da lange warten konnte.
Etwas stimmte hier nicht. Ganz gewaltig nicht.
Also packte ich den Rucksack fester und öffnete schnell die Glastür in Richtung Garten, bevor ich in diesen lief und in der Dunkelheit verschwand. Ich verstand einfach nicht, was hier vor sich ging. Mein Kopf konnte das Geschehene nicht richtig verarbeiten und Sorge plagte mich. Dennoch stoppte ich nicht und lief stattdessen in den Wald.
Ich lief einfach und ignorierte schon bald den brennenden Schmerz meiner Lungen. Immer wieder wiederholte sich das Geschehene in meinem Kopf.
Schon lange achtete ich nicht mehr darauf, wo ich meine Füße hinsetzte. Mein Körper fühlte sich wie betäubt an und die Tränen ließen meine Sicht verschwimmen. Ehrlich gesagt hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich begonnen hatte zu weinen, doch schien es der Schock zu sein, welcher meinen Körper erfasste.
So musste es also kommen, dass ich stolperte und fiel. Ich rollte einen Abhang hinunter und spürte die Steine und Äste, die sich in meine Haut bohrten. Mein Kopf schlug immer wieder auf den Boden und alles begann sich zu drehen. Ich schrie auf, was ich nicht verhindern konnte. Mein Herz schlug viel zu schnell und meinte Atmung war unregelmäßig. Als ich von alleine stoppte, blieb ich vor Schreck liegen und tastete langsam meinen Körper ab, ob irgendetwas gebrochen war. Ich spürte keinen direkten Schmerz und doch merkte ich, wie sehr mein Kopf puckerte. Da wunderte es mich nicht, dass sich ein Rauschen in meinen Ohren festsetzte und mein Blickfeld verschwamm. Ich konnte nichts gegen die Bewusstlosigkeit tun, welche sich hartnäckig in meinen Körper schlich und mich schließlich mit sich riss.
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