☽13« уσυяѕ ƒαιтнƒυℓℓу☾
„War das deine Mutter?", Liam sah mich fragend an, und ich nickte nur. „Ich erzähl dir das alles heute Abend, in Ordnung?"
Er nickte in die Richtung der Betreuer, die noch immer im Türrahmen standen und auf uns warteten. „Wir sollten wieder reingehen", flüsterte er, und ich nickte. „Allerdings."
Als wir an diesem Abend unsere Füße im kalten Wasser baumeln ließen, begann ich ganz von selbst zu erzählen. Liam musste nicht nachfragen, oder mich dazu auffordern. Ich begann fast automatisch.
„Meine Eltern haben bei Bob angerufen", begann ich.
„Ehrlich?", er sah mich ungläubig an. „Weshalb?"
„Sie wollten wissen, wie es mir geht. Er hat ihnen gesagt, dass sie mich das selbst fragen sollten, und dass ich sie natürlich jederzeit anrufen kann."
„Aber...", Liam schien mir nicht ganz folgen zu können, „Weshalb ging es dir dann heute so schlecht?"
Ich seufzte kurz auf. Jetzt kam der Teil, der mehr als nur schwer zu erklären war. Worte waren dafür kaum hinreichend.
„Als ich damals so schwer drogenabhängig war, haben sie mich auf meinen vierten Entzug gebracht. Sie haben mir zwar gesagt, dass sie immer für mich da wären, aber ich habe nicht geglaubt, je wieder von ihnen zu hören. Ich habe versucht, alle Gefühle für Andere in mir abzutöten, damit ich sie nicht mehr vermisste. Ich habe seitdem ich hier war zumindest minimal angefangen, darüber hinwegzukommen, und plötzlich melden sie sich bei Bob und fragen ihn nach meinem Zustand. Ich hatte einfach Angst, wieder dieses familiäre Gefühl zu empfinden, und es wieder abtöten zu müssen. Sie haben mir noch immer etwas bedeutet, und ich würde es nicht ertragen, noch einmal zu hören dass sie mich nicht bei sich haben wollen. Verstehst du, was ich meine?"
„Ja, ich glaube schon", antwortete er, „Mir würde es genauso gehen."
„Denkst du wirklich?"
„Ja", er nickte, während sich unsere Beine unter Wasser berührten.
„Sie hat mir gesagt, sie wird heute noch ein Päckchen mit Briefen abschicken, die meine Eltern während meines Entzuges an mich geschrieben haben", erzählte ich schließlich, und Liam sah mich nickend an.
„Willst du sie denn haben?", fragte er nach, und ich nickte.
„Sehr gerne sogar", gab ich zur Antwort, „Ich hab nur etwas Angst vor dem, was drinsteht..."
„Das kann ich verstehen", Liam sah auf das Wasser, das Wellen schlug, wenn wir unsere Beine bewegten.
„Ich bin mir einfach nicht sicher, ob ich das wirklich wissen will", flüsterte ich, allein die Vorstellung daran ließ mich schon zittern.
„Wir können sie auch zusammen lesen, wenn du willst", schlug er vor, und legte seine Hand auf meinem Oberschenkel ab.
Ich dachte einen Moment darüber nach, aber dann fiel mir ein, dass Liam dann alle Einzelheiten über mein Drogenproblem erfahren würde. Ich hatte Angst, er würde mich dann nicht mehr wirklich leiden können.
„Ich weiß nicht...", flüsterte ich unsicher.
„Das müssen wir selbstverständlich nicht tun", er lächelte. „Es war nur ein Vorschlag. Aber wie gesagt, das Angebot steht."
„Danke", flüsterte ich nur, noch immer unsicher was ich von dieser Idee halten sollte. Natürlich konnte ich mir vorstellen, dass es mir helfen würde, wenn ich dabei nicht alleine wäre. Andererseits wollte ich nicht, dass Liam die Gedanken meiner Eltern während meines Entzugs so offen lesen konnte, weil ich wusste dass es ganz bestimmt nicht nur positive Gedanken gewesen waren, die sie niedergeschrieben hatten.
Nur zwei Tage später klopfte John an meine Tür und sagte mir, dass ein Päckchen für mich angekommen wäre. Er stellte es auf meinem Schreibtisch ab, und ich ließ es erst eine Weile dort stehen und wagte nicht, es zu öffnen.
Schließlich war es vorerst zu spät, weil es zwölf Uhr mittags war – bedeutete also, ich musste essen gehen.
„Das Päckchen ist da", sagte ich zu Liam, der sich nur kurze Zeit später neben mir niederließ.
„Hast du es schon aufgemacht?"
Ich schüttelte nur meinen Kopf. „Es ist gerade erst angekommen."
Das war zwar gelogen, aber erklärte zumindest die Tatsache, nach der er gefragt hatte.
Er nickte.
Und ich sagte nichts mehr.
Wir schwiegen beide.
Nach dem Essen mussten wir jeden Tag darauf warten, dass alle Anderen aufgegessen hatten. Oft war das gar nicht so einfach, vor allem weil es einige Jungs gab, die Probleme mit dem Essen hatten.
Ich allerdings konnte es an diesem Tag kaum erwarten, mich wieder in meinem Zimmer einzuschließen und mich mit den Briefen zu beschäftigen, die ich erhalten hatte.
Als ich jedoch wieder oben war, kämpfte ich wieder mit mir selbst, und der Angst. Mit der Frage, ob ich den Inhalt dieser Briefe überhaupt kennen wollte. Die Gefahr, dass ich danach noch trauriger war, war nämlich groß.
Auf kurz oder lang blieb mir allerdings keine Wahl, außer das Paket zu öffnen. Also stand ich langsam auf, hörte wie das Klebeband raschelte, als ich es einfach zur Seite warf. Ich nahm eine kleine weiße Box aus dem Karton, die überhaupt nicht schwer war. Ich schüttelte sie, und konnte hören, wie mehrere Dinge ganz leicht gegen die verschiedenen Wände stießen. Hin- und wieder her.
Ich saß mich zusammen mit der Box auf mein Bett und fand einen Zettel auf der Innenseite des Deckels kleben.
Niall,
Die Briefe, die sich in dieser Kiste befinden, gehören dir allein. Du hättest sie schon vor einigen Monaten erhalten sollen. Sie hätten dir Kraft und Mut geben sollen, damit du den Entzug gut überstehst. Wie wir sehen, hast du es auch so geschafft – wir sind wahnsinnig stolz auf dich.
Denk bitte nicht, wir hätten dich aus unserem Leben gestrichen, denn das haben wir nicht. Diese Briefe sollen dich Tag für Tag daran erinnern, dass du noch immer zu unserer Familie gehörst. Deshalb haben wir die Umschläge mit Daten versehen – die Daten, an denen sie eigentlich bei dir hätten ankommen sollen.
Öffne sie der Reihenfolge nach, jeden Tag einen. Es ist noch nicht zu spät, dir Mut zu machen. Auch, wenn das Datum nicht mehr stimmt.
In Liebe,
Deine Eltern
Ich musste lächeln. Sie hatten mich nicht aus ihrem Leben gestrichen. Das war das, was ich die ganze Zeit über gebraucht hatte, zu hören. Oder in diesem Fall, zu lesen.
Die ganzen Gefühle der Einsamkeit, der Verstoßenheit, waren plötzlich vergessen, als ich den ersten Brief öffnete.
Niall,
Heute ist der erste Tag deines Entzuges. Uns wurde gesagt, dass du vorerst keine Briefe empfangen darfst, weil du dich auf dich selbst konzentrieren sollst. Schreiben wollten wir dir allerdings trotzdem, ganz egal wann du die Briefe erhalten wirst.
Bitte denke nicht, dass wir dich nur in die Klinik gebracht haben, weil wir dich loshaben oder verstoßen wollten. Das ist nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Wir wussten uns, und vor allem dir, nicht mehr zu helfen.
Die Ärzte haben uns gesagt, dass du sogar Einstichstellen am Arm hattest. Wir waren geschockt und besorgt zugleich, weil wir keine Ahnung davon hatten, dass du am Ende sogar angefangen hast, dir Heroin zu spritzen.
Sie meinten, sie hätten dein Spritzbesteck in deiner Jackentasche gefunden.
Sie meinten, die Entzugserscheinungen von Heroin wären mit nichts Anderem zu vergleichen. Sie wären unendlich quälend, wenn man dabei nicht unter ärztlicher Aufsicht wäre.
Sie meinten, der zweite Tag wäre meistens der schlimmste, aber da das dein erster Heroin-Entzug sei, konnte es auch gut sein, dass es dir morgen schon etwas besser gehen würde.
Einmal mehr wurde uns klar, dass wir den richtigen Weg gegangen waren, als wir dich hier her gebracht haben. Wir hoffen, dass du diese Chance nutzen, und sie nicht als Provokation sehen wirst.
Wir wollten dich damit nicht provozieren, Niall. Ganz im Gegenteil. Es konnte so nicht mehr weitergehen. Oft wussten wir gar nicht mehr, ob du gerade etwas genommen hattest oder nicht. Wir konnten dich so nicht mehr länger ansehen.
Wir hoffen, dass du versuchen wirst, uns zu verstehen, so wie wir versuchen, dich zu verstehen.
Wir wünschen dir alle Kraft der Welt, damit du auch diesen Entzug überstehst, und diese Chance dieses Mal nutzen wirst.
In Liebe,
Deine Eltern Shane und Lea
(London, 20. Dezember 2013)
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