O8: WE ALL SLEEP ALONE
O8:
WE ALL SLEEP ALONE
Richie nahm mich in seinem Jeep mit zur Bar. Einerseits, um auf Nummer sicher zu gehen, dass ich Jack nicht doch in die Arme lief - und andererseits weil er in spätestens einer Stunde sowieso losgefahren wäre.
Es nieselte wieder - und der Himmel war stark bewölkt. Langsam rannen die Regentropfen die Fensterscheibe hinunter und ich biss mir auf die Unterlippe, während ich ihnen dabei zu sah. Das Bourbon war nicht mehr weit - und ich spürte, wie Richie immer wieder zu mir rüber sah. Ich hatte mir tatsächlich Kleidung von ihm leihen müssen - und trug nun die Shorts und das schwarze Shirt von gestern nochmal... Das würde nicht weiter auffallen.
Ich hatte Richie auch gebeten, dass wir getrennte Eingänge benutzten. Ich wollte auf keinen Fall in Erklärungsnot kommen. Oder Fragen beantworten, die nur noch mehr an meinen geschädigten Nerven zerren würden.
,,Geht es mit dem Handgelenk, Cherry?", fragte er mich jetzt, durchbrach das Schweigen, das nur von den leisen Regentropfen auf dem Dach des Jeeps übertroffen wurde. ,,Ich hoffe es... Ich darf nicht ausfallen, davon wird Chris dann nicht besonderes begeistert sein... Und ich brauche den Job in der Bar, er ist alles was mir noch geblieben ist", gab ich leise zurück, den hellen Verband - den ich unter einem von Richies schwarzen Schweißbändern, er hatte es mir netterweise geliehen, wie so viel anderes auch - einen Moment betrachtend.
Richie seufzte leise. ,,Ich bin dir auch geblieben, Cherry. Vergiss das nicht", gab Richie zurück und ich biss mir einen Moment auf die Unterlippe. Noch war mir das klar - wie könnte ich das auch vergessen? Doch ich hatte Angst vor dem Tag, an dem er ein neues Album mit Bon Jovi aufnehmen und ein halbes Jahr nach Erscheinung wieder auf Tour gehen würde. Und dieser Tag würde kommen. Da war ich mir verdammt sicher.
,,Wie könnte ich das vergessen, Richie?", gab ich mit einem kleinen Lächeln zurück und über seine vollen Lippen zog sich ein leichtes Schmunzeln. Er war so attraktiv, wenn er das tat... So attraktiv, wenn er schmunzelte.
Etwa zehn Minuten später kletterte ich auch schon aus dem schwarzen Jeep - ich fiel immer mehr aus der Tür als alles Andere. Der Jeep war ziemlich hoch, er hatte recht große Reifen. Richie lachte heiser, schwang sich elegant aus seinem Wangen und zwinkerte mir zu. ,,Du weißt, wenn du mich brauchst...-", setzte er an und ich lächelte schwach. Wir hatten vereinbart, dass ich ihm im Notfall ein Zeichen gab - und er hatte mir das herzerwärmende Versprechen gegeben, dass egal was er tat, er es unterbrechen würde, um mir zu helfen.
,,Dann gebe ich dir ein Zeichen", meinte ich lächelnd, lief rückwärts über den privaten Parkplatz des Bourbon und er sah mir schmunzelnd nach. Er stand da, in leichtem Nieselregen, sein Hut warf einen Halbschatten in sein markantes Gesicht. Noch war das Bourbon offiziell geschlossen - und so bekam das hier auch niemand mit.
,,Pass auf dich auf, Cherry", meinte er rau und ich nickte leicht, ehe ich durch die Tür trat, erleichternd meinen Generalschlüssel für das Bourbon nie am selben Schlüsselbund wie den Haustürschlüssel von Jack und mir aufbewahrt - sondern ihn immer in meine Geldbörse gesteckt zu haben.
Ich musste grinsen, als ich Chris auf der Theke knien sah. ,,Was machst du jetzt schon wieder?", fragte ich den blonden amüsiert, der sich eine der kinnlangen Haarsträhnen aus dem Gesicht pustete und mich angrinste. ,,Eine der Glühbirnen direkt über der Bar ist kaputt", gab er zurück und ich kicherte leise. Wenn jemand diese Bar in Schach hielt, dann war es Chris...
Ich schob mich hinter den Tresen, streifte meine Jeansjacke ab und band mir meine Schürze um, ehe ich begann die Hocker wieder von den Tischen zu nehmen. In einer dreiviertel Stunde würde die Bar öffnen - und auch sicherlich heute, wo Richie Sambora ein erneutes Mal hier spielte, das dritte Mal nun, nur so eingerannt werden.
Gerade war ich dabei die Tische abzuwischen, als Richie auf die Bühne trat. In einer hellen abgewetzten Jeans und einem dunkelblauen Hemd - ich hatte schon kaum den Blick von ihm nehmen können, als er aufbruchbereit vor mir gestanden hatte. Doch im dämmrigen Licht der Bühne und mit seinem Hut auf dem Kopf... Da war es nochmal etwas ganz anderes, ihn anzusehen.
,,Ich bin mir sicher, er ist ein arrogantes Arschloch", meinte Chris gerade, der die kaputte Glühbirne in die leere Pappschachtel der Neuen stopfte und von der Theke rutschte. Meine Mundwinkel zuckten und ich verkniff mir ein Grinsen. Richie und arrogant... Das war beinahe wie Toastbrot ohne Marmelade. ,,Ja... Wahrscheinlich hast du recht", meinte ich belustigt und trat zurück. Nun war die Bar wieder hergerichtet und die Bühnen-Crew testete gerade die Boxen, während Richie seine Gitarre an die Wand lehnte und lässig von der Bühne sprang.
Seine Ketten klirrten, an diesem Tag trug er mehrere. Er zwinkerte mir zu, ehe er zu Chris an die Theke trat und einen Whiskey bestellte. Ich leckte mir über die Lippen. Ich durfte Richie nicht zu auffällig mustern oder zu oft seinen Blicken begegnen... Dann würde Chris doch noch Verdacht schöpfen, er war immerhin weder blind noch auf den Kopf gefallen.
Das Bourbon füllte sich ordentlich - und bald schon begrüßte Richie mit einem rauen Lachen und seiner schönen, heiseren Stimme das Publikum, das sich vor der Bühne, am Tresen oder an der Bühne scharte. Anfangs spielte Richie an diesem Abend recht laute Songs, sodass er sich irgendwann einfach das Hemd aus streifte und sich mit nacktem Oberkörper und seiner Gitarre auf die Bühne stellte - was sofort dazu führte, dass ich meine Augen kaum von ihm nehmen konnte.
Er spielte leidenschaftlich auf seiner Gitarre, saß auf seinem Hocker und legte seinen Kopf in den Nacken. Seine Haare klebten ihm verschwitzt in der Stirn und ein Schweißfilm zog sich über seine nackte, sonnengebräunte Haut. Beinahe hätte ich noch mein Tablett fallen gelassen, während ich ihn angestarrt haben musste, wie ein völlig verknalltes Schaf und nun, zurück in der Realität, teilte ich mit glühenden Wangen den bestellten Whiskey aus, ehe ich mich etwas näher an die Bühne schob und das Tablett an meine Brust drückte.
Er sah so gut aus.. Ich war nicht die einzige Frau in dieser Bar, die das in diesem Augenblick dachte. Doch ich war die Einzige, welcher Richie Sambora gesagt hatte, dass er sie wunderschön fand. Nervös leckte ich mir über die Lippen, als er mit einem kecken Lachen den Song beendete und in das Publikum grinste. Seine schokoladenfarbenen Augen fanden mich - und diesmal war ich beim besten Willen nicht in der Lage zu sagen, ob sie mich an Voll- oder Zartbitterschokolade erinnerten.
Mein Herz schlug wie verrückt in meiner Brust. Richie räusperte sich, nachdem er einen Schluck aus seinem Glas genommen hatte, es zurück auf den Boden stellte. ,,Der nächste Song heißt We All Sleep Alone", schmunzelte er, er sah mich noch immer an. Und ich konnte mich seinem Blick immer noch nicht entziehen - und dabei suchte Chris mich sicherlich schon.
,,Somebody somewhere turns out the light
Somebody all alone faces the night
You got to be strong
When you're out on your own
'Cause sooner or later
We all sleep alone"
Seine raue Stimme sorgte dafür, dass ich Gänsehaut bekam. Er hatte die Augen geschlossen, während er sang - und ich hatte noch nie einen Mann in einer solchen Situation gesehen, den ich verführerischer oder vollkommener gefunden hatte, als Richie in diesem Moment. Ich bemühte mich angestrengt meine Atmung zu normalisieren, während sich Feuchtigkeit in meinen Augenwinkeln sammelte.
,,Nobody nowhere holds the key to your heart
When love's a possession it'll tear you apart
You may have lovers wherever you roam
But sooner or later
We all sleep alone"
Ich hätte ewig hier stehen können... Doch ich wusste, dann würde ich doch noch meinen Job verlieren. Hastig wischte ich mir eine Träne von der Wange, wandte mich um und trat an die Bar zurück. Chris sah mich schmunzelnd an. ,,Du hättest den Song ruhig zu Ende hören können... Gerade hat jeder hier was er braucht", schmunzelte er und zwinkerte mir zu. Ja, jeder hatte was er brauchte. Bis auf mich.
,,Hast du eine Zigarette für mich?", fragte ich ihn heiser und er nickte, reichte mir die, die er sich hinters Ohr gesteckt hatte und drückte sie mir mit seinem Feuerzeug in der Hand, zwinkerte mir zu. Teils war er ein guter Kollege... Und beinahe schon sowas wie ein Freund. Doch meine Panik, irgendwann ohne diesen Job dazustehen, war einfach zu groß. Auch wenn er wahrscheinlich nicht einmal dafür sorgen würde, dass ich hier rausflog.
Die kühle Nachtluft tat gut, als ich einen Moment durch die Hintertür nach draußen trat und sie meine Lungen füllte. Ich schloss die Tür hinter mir, ich konnte hören wie Richie seinen Song beendete... Er hatte so ein großes Talent zur Musik, pure Leidenschaft stand in seinem Gesicht, wann immer er spielte. Es war beinahe schon seltsam, dass er nicht mir gegenüber an der Mauer lehnte, als ich mir meine Zigarette anzündete.
Ich hatte gerade den ersten Zug gehört, als ich Schritte auf dem Kiesweg hörte. ,,Ich wusste, dass du hier raus kommen würdest." Mir rutschte das Herz in die Hose, während sich mir der Magen umdrehte und mir langsam die Zigarette aus den Fingern rutschte. Jack. Ich hätte es mir denken müssen... Doch war so benommen von Richies Song und meinen heimlichen Bedürfnissen gewesen, dass ich Jack fast einen Moment zu vergessen gewagt hatte.
Ein schwerer Fehler, wie sich mir jetzt zeigte.
,,Jack, verschwinde. Ich muss arbeiten - willst du wieder Hausverbot bekommen? Das hier ist Privatgelände, auf dem du gar nicht sein dürftest", versuchte ich so unbeeindruckt wie möglich zurückzugeben. Es gelang mir nicht wirklich... Leider. Meine Stimme bebte und brach gegen Ende.
,,Du kommst jetzt mit mir nach Hause. Du arbeitest nicht mehr hier", knurrte er - Alkohol schlug mir entgegen, als er nach meinem Handgelenk fasste. Nach meinem verletzten Handgelenk. Schmerzhaft gruben sich seine Finger in den Stoff, als er mich an sich ran zog. ,,Du bist immer noch mit mir verlobt, du hast gewisse Verpflichtungen", setzte er dunkel raunend nach und mir traten Tränen in die Augen.
,,Gar nichts habe ich dir gegenüber mehr!", schluchzte ich - und da bemerkte Jack es. Er bemerkte, dass ich keinen Ring mehr am Finger trug. ,,Oh nein, vergiss es. Du gehörst mir", knurrte er - und das nächste was ich spürte war die schallende Ohrfeige, die er mir verpasste. So gewaltsam, dass es einen Augenblick lang in meinen Ohren nur noch dröhnte.
,,Lass mich los", wimmerte ich schwach, ich hatte keine Kraft mehr hierfür. Es gab doch kaum noch ein Stück Haut an meinem Körper, dass er noch nicht grün und blau geschlagen hatte. Er sollte mich loslassen... Mich einfach in Ruhe lassen.
Ich hatte nicht bemerkt, dass Richie nicht mehr spielte. Doch als die Tür mit einem aggressiven Knall aufflog und Jack von mir weggerissen wurde, wusste ich sofort, dass er es war. Er hatte das Konzert pausiert - um mir nachzulaufen. Weil er es geahnt hatte. Im Gegensatz zu mir. Schluchzend gaben meine Beine unter mir nach und ich sank auf den Kiesweg.
,,Endlich bekomme ich dich verdammten Pisser in die Hände", knurrte der Gitarrist wütend, er hatte sich nur flüchtig seine Lederjacke über seinen nackten Oberkörper gestreift und ich hörte es unschön knacken, als er Jack seine Faust ins Gesicht rammte. ,,Das ist dafür, wie du sie behandelt hast", raunte Richie heiser und Jack lachte bitter auf.
,,Das ist er also? Der Wichser, mit dem du mich schon die ganze Zeit betrogen hast?", fragte er spöttisch und Richie packte ihn beim Kragen seiner Jacke. ,,Oh ja, genau dieser Wichser bin ich", knurrte er, spuckte Jack ins Gesicht, ehe er ihm sein Knie in die Magengrube rammte. ,,Das ist dafür, dass du sie rausgeworfen hast. Mitten in der Nacht", knurrte er und stieß meinen betrunkenen Verlobten von sich weg, als hätte er sich an ihm verbrannt.
,,Verpiss dich. Bevor ich mich vergesse", meinte er schnaufend, sein Körper bebte. Seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt - und ich wusste genau, er beherrschte sich nicht Jack zu Liebe, ganz und gar nicht. Sondern mir. Jack stolperte zurück.
,,Das wirst du noch bereuen", zischte er in meine Richtung und Richie folgte ihm drohend einige Schritte. ,,Wenn du sie auch nur noch einmal ansiehst oder dich in ihre Nähe wagst, bringe ich dich um!", brüllte der Dunkelhaarige in die Nacht, ehe er kehrt machte. Mit schnellen Schritten war er bei mir - seine Arme schoben sich unter meinen Körper und er hob mich mit Leichtigkeit hoch.
,,Richie", weinte ich und schlang meine Arme zitternd um seinen Hals. Noch immer sah er verdammt wütend aus und biss die Zähne so fest zusammen, dass sein markanter Kiefer sich anspannte. ,,Ganz ruhig, Cherry", gab er heiser zurück. Er trug mich ohne weiteres zu seinem Jeep. Ihm war bewusst, das war der einzige Ort, an dem er einen Moment mit mir alleine war. Kaum betrat er die Bar, musste er zurück auf die Bühne. Und ich an die Theke.
Er schloss seinen Wagen auf, öffnete die Tür zum Rücksitz und ließ mich sanft in dem Lederpolster nieder. Er blieb in der Tür stehen. Genau wie so oft schon... ,,Ich hab nicht nachgedacht", stieß ich weinend hervor und er zog mich an seine Brust, hatte sich zwischen meine Beine geschoben. ,,Ich weiß... Ich weiß, Cherry", raunte er nahe an meinem Ohr, hielt mich in seinen warmen Armen, während ich meine zitternden Hände in seine offene Lederjacke geschoben hatte, seine nackte, verschwitzte Brust berührte.
,,Am liebsten hätte ich ihn umgebracht", setzte er knurrend nach, was mich aufwimmern und ihn hörbar schlucken ließ, seine Hände strichen über meine Seiten. ,,Es ist alles gut, Cherry... Ich bin hier...", flüsterte er, deutlich sanfter, seine Lippen begannen Tränen von meinen Wangen zu küssen - und schickten damit hunderte von Stromstößen durch meinen ganzen Körper.
,,Richie...", hauchte ich weinerlich, seine Lippen strichen meine Haut entlang und ließen mein Herz, das sich zuvor noch so schmerzhaft zusammengekrampft hatte, höher schlagen. ,,Sei still...", flüsterte er und ich schniefte leise, ein schwaches Lächeln huschte über meine zitternden Mundwinkel.
,,Sehr charmant", hauchte ich brüchig und er vergrub, nachdem seine Lippen bis zu meiner Schläfe gewandert waren, sein Gesicht in meinen Haaren. ,,Du musst wieder rein, Richie, deine Fans...", flüsterte ich nun weinerlich, ich dachte gar nicht daran still zu sein. Und das brachte ihn einen Moment schwach zum grinsen.
,,Du kannst nicht einmal still sein, hm?", raunte er und ich schüttelte den Kopf. ,,Eher nicht", schniefte ich und er schloss seine Hände um meine Wangen, nachdem sein Gesicht sich ein wenig von meinem entfernt hatte. ,,So jemand wie Jack verdient dich nicht, Cherry. Und ich werde dafür sorgen, dass jemand wie er dich jemals wieder in die Finger bekommt", versprach er mir dunkel und ich schluckte schwer.
Nur eine alte Straßenlaterne mit recht kühlem Licht erhellte sein Gesicht... Seine vollen Lippen, seine definierten Wangenknochen. ,,Wie willst du das anstellen?", fragte ich ihn weinerlich, noch immer war er da. Der Hintergedanke, dass Richie niemand war, der immer für mich da sein könnte... Er war ein Rockstar. Und Rockstars waren fast nie zu Hause.
,,Mit allen Mitteln, die dazu nötig sind", meinte er nur entschlossen, zog mich wieder an sich, seine Hand schob sich an meinen Hinterkopf, in meine wilden Locken. ,,Ich kann dich unmöglich im Stich lassen, Cherry... Nicht nachdem ich dich gerade erst gerettet habe", fügte er heiser hinzu.
Und damit gab er mir ein Versprechen.
Ein schmerzhaftes, wackliges Versprechen, das nicht nur ihm, sondern auch mir noch so unglaublich viel abverlangen sollte... Und doch eines blieb, dass Richie Sambora niemals brechen würde.
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