2 (RENESMEE)
Ich preschte los, als der schmerzerfüllte Schrei an meine Ohren drang. Zu vorhatte ich gespürt, dass hier etwas falsch lief. Und jetzt hatte ich Gewissheit.
Denn als ich auf einer kleinen Lichtung ankam, erblickte ich Jacob, der sich schmerzerfüllt die Seite hielt. Ohne auf die Feindschaft zwischen Wölfen und uns zu achten, lief ich zu ihm, schaute auf die Wunde, welche im Begriff war, sich zu schließen.
Er bemerkte mich nicht einmal. Oder doch und wollte es bloß nicht zugeben.
Seufzend ließ ich mich neben Jacob auf den Boden nieder und legte die Hand auf seine Wunde, woraufhin er einen weiteren Schrei von sich gab. Hastig zog ich die Hand wieder fort und staunte.
Kein Blut.
Was für ein Spiel wurde hier gespielt?
"Nessie", keuchte er und griff nach meiner Hand. Ich musste handeln. Zwar würden Mum und Dad dies nicht gutheißen, doch es war mir egal. Irgendeine Lösung musste es doch geben. Eine, mit der man Jacob heilen konnte.
"Alles wird gut", flüsterte ich und löste seine verkrampften Finger, um ihn hochzustemmen.
Ich war ein Halbling und hatte einige Schwierigkeiten und doch gelang es mir nach dem zweiten Versuch. In rasender Geschwindigkeit lief ich zum Haus und stellte den verletzten Wolf an der Hauswand ab, um nach meinem Schlüssel zu kramen.
Mein Dad war jedoch schneller und riss förmlich die Tür auf. Als er jedoch Jacob erblickte, verfinsterte sich sein Gesicht. Genervt verdrehte ich die Augen und schob den Verletzten an meinem Vater vorbei.
Mum schaute ebenfalls entgeistert, als sie ihn erblickte. Doch sie war einfühlsamer als Dad und blickte mich von oben bis unten an.
Besorgt.
"Mir geht's gut", versicherte ich ihr und deutete auf Jacob, der stöhnend zusammengesackt wäre, wenn ich ihn nicht in meinen Armen gehalten hätte. "Aber ihm nicht."
Sie seufzte und streichelte mein Haar. "Ich werde deinen Opa anrufen. Der kann sich Jacob mal anschauen."
Grinsend lächelte ich meiner Mutter zu. "Du bist die Beste."
Ich hörte die Stimme meines Opas, bevor er ins Haus trat und zu Jacob lief, der wie tot auf dem Sofa lag. Kurz umarmte er mich und wandte sich dann dem Wolf zu, der versuchte sich aufzurichten.
"Was ist genau passiert", wollte er wissen, nachdem seine Augen lange zwischen mir und Jacob hin und her gewandert waren.
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe ihn schreien gehört. Dann bin ich hingelaufen", berichtete ich.
"Kannst du uns sagen, was geschehen ist, Jacob?", wandte sich mein Opa an ihn.
Dieser schluckte sichtlich angestrengt und presste eine Hand auf die Wunde. Scheinbar hatte er noch immer große Schmerzen. Am liebsten hätte ich ihm diese genommen, doch dazu reichten meine Kräfte nicht aus.
"Dieser verflixte Vampir!", zischte er und ließ eine Klaue aus seiner Hand werden.
Mein Opa erstarrte. "Was für ein Vampir?"
Mum und Dad kamen herein. Beide hatten finstere Gesichter aufgesetzt.
Etwas lief hier gewaltig schief.
Wenn ich nur wüsste, was es sein konnte.
"War für ein Vampir, Jacob?", hörte ich meine Mutter mit sanfter Stimme sagen. War ja klar, dass sie das Gespräch mitgehört hatte.
"Sag es!", zischte mein Vater und war mehr als angespannt. Wenn Mum nicht gewesen wäre, ich und Carlisle nicht, dann wäre er vermutlich auf Jacob losgegangen und hätte ihm noch mehr Schmerzen zugefügt.
"Keine Ahnung", sprach er mit zusammengebissenen Zähnen und ließ die Klaue verschwinden.
Dad seufzte. "Weißt du denn nicht, wie er ausgesehen hat?"
Was spielte das Aussehen eines Vampirs für eine Rolle? Hatten wir etwa Feinde, von denen ich nichts wusste?
Der Angesprochene richtete sich keuchend auf und schaute finster zu meinem Dad. "Woher soll ich das denn wissen! Bin ich ein wandelndes Lexikon?"
Dad verschränkte die Arme vor der Brust, Grandpa beobachtete das Geschehen mit einer gewissen Belustigung.
"Für einen Verletzten hast du noch bissige Kommentare drauf", wandte mein Dad ein und brachte vermutlich das Fass zum überlaufen.
Schwankend war der Wolf aufgestanden und hielt auf meinen Dad zu, doch Carlisle schritt dazwischen und hielt die beiden Rivalen auf Abstand.
"Wie sah er aus?", wiederholte er die Frage von Dad. Jedoch sanfter und einfühlsamer als mein Vater es getan hatte.
Jacob seufzte und ließ sich auf die Couch fallen, wobei er die Lippen schmerzhaft zu einem dünnen Strich verzog. "Vielleicht braungebrannt." Er hielt inne, fasste sich an den Kopf. "Die Augen haben gefunkelt."
"Wie meinst du das?", fragten die anderen im Chor.
"Gefunkelt. Wie als würde etwas in ihnen lodern."
"Scheiße!", rief Dad und schaute zu meinem Grandpa. "Denkst du, dass das wahr ist, was Alice gesehen hat?"
Der Angesprochene nickte. "Ihre Visionen haben sich eigentlich nie geirrt."
"Dann ist klar, was sie mit ihm gemacht haben."
"Was meinst du damit?", mischte ich mich ein und erntete einen vernichtenden Blick meines Vaters. Er sah mich noch immer als kleines Kind an, obwohl ich längst keines mehr war.
"Vermutlich war es das Blut, was dich so in Rage versetzt", erklärte Carlisle dem verletzten Jacob.
Fragend hob ich eine Augenbraue in die Höhe. "Wieso das Blut? Kein Vampir kann einen Wolf mit seinem Blut schädigen."
Ein leises, warnendes Knurren kam aus der Kehle meines Dads. Ich hatte es übertrieben. Und wenn Carlisle weg war, Jacob von seinem Rudel abgeholt wurde, dann würde ich eine Standpauke von ihm erhalten. Doch das nahm ich getrost in Kauf.
"Sie muss es doch wissen, wenn sie einem von ihnen begegnet", entgegnete Carlisle und legte meinem Dad versöhnlich einen Arm um die Schulter.
"Ich werde dafür sorgen, dass sie der Walsh-Sippe nicht begegnet."
Jetzt war es an der Zeit, dass Mum laut lachte und meinem Dad einen kurzen Kuss gab. "Wie willst du das verhindern? Renesmee ist alt genug. Sie kann rausgehen, wann immer es ihr passt. Außerdem wird sie so oder so einem von ihnen begegnen. Darum wird sie nicht herumkommen."
"Wie lange dauert das?", beteiligte sich Jacob am Geschehen. Alle Augen richteten sich auf ihn.
Carlisle zuckte mit den Achseln. "Das kann ich dir nicht sagen. Vielleicht ein bis zwei Tage. Aber mach dir keine Sorgen, Wolf. Diese Schmerzen wirst du überleben." Er wandte sich meinem Dad zu. "Ich werde gehen. Du solltest später mit Bella zu uns ins Haupthaus kommen. Da werden wir Kriegsrat halten, wenn es die Walsh-Sippe ist, die wieder Einzug in unser Revier gemacht hat."
Der Angesprochene nickte. "Wir werden da sein."
Zornig stellte ich mich meinem Grandpa in den Weg. "Und was ist mit mir? Ich bin kein kleines Kind mehr, das ihr ausschließen könnt!"
Er lachte und wuschelte mir durch das Haar. "Dann kommst du mit, wenn du unbedingt willst. Aber ich warne dich. Es wird langweilig werden."
Trotzig schob ich die Unterlippe vor. "Das glaub ich dir nicht, Carlisle."
Wir umarmten uns kurz. Dann war er weg.
Eine erdrückende Stille hatte sich im Zimmer ausgebreitet. Schnell lief ich zu Jacob und half ihm hoch. Zaghaft lächelte er mich an. Die Blicke meines Dads ignorierte ich einfach.
"Schaffst du das allein. Oder soll ich hier warten, bis sie kommen?", wollte ich wissen und lehnte gelassen an der Hauswand.
"Ich schaff das schon", meinte er. "Geh du lieber rein. Nicht, dass Bella und Edward sich Sorgen um dich machen."
Genervt verdrehte ich die Augen. "Die sollen sich nicht so aufspielen. Ich bin schließlich keine sechs mehr!"
Jacob lachte, presste sich eine Hand auf die schmerzende Wunde. Nach einer Weile hatte er sich wieder gefasst und schob mich sanft von sich. Nickend hob ich einen Daumen in die Höhe und verschwand im Inneren, wo mich die Gesichter zweier Elternteile musterten.
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