Verlust und ein Ende in Sicht
GABRIEL
Mittlerweile war es Abend geworden. Sie hatten sich der Alpha Villa bis auf etwa 1 km genährt. Die Schüsse waren im Laufe des Tages verklungen und die ganze Stadt hallte wider von dem wilden Knurren und Brüllen der kämpfenden Wandler. Es war ein Tag der Verluste gewesen, Gabriel hatte mit ansehen müssen, wie seine Männer jeden Meter, den sie am Boden gewonnen hatten, mit viel Blut verteidigen mussten. Ihre Gamma Krieger waren zwar hervorragend ausgebildet und außergewöhnlich ausdauernd, doch die schiere Anzahl der Feinde nahm allmählich überhand. Für jeden Wandler, den sie besiegten, schienen drei neu aus dem Boden zu sprießen.
Gabriel dankte der Göttin, dass seine Feinde nicht zu Schusswaffen gegriffen hatten... bislang. Was natürlich nicht bedeutete, dass Alpha Canton dies nicht noch vorhatte, sobald sie sich auf Sichtweite oder genauer gesagt auf Schussweite der Alpha-Villa genährt hatten. Rafael tauchte aus einer Seitengasse auf und wandelte sich in seine menschliche Form. Beunruhigt betrachtete Gabriel sein Zwillingsbruder. Wie auch er selber war dieser Kampf nicht spurlos an Rafa vorbeigegangen. Trotz der unglaublichen Konstitution, die Alpha Wölfe hatten, ihre außergewöhnliche schnelle Selbstheilung und den hervorragenden Reflexen waren sowohl sein Bruder wie auch er selber mit großen Hämatomen und verheilenden Bisswunden bedeckt. Rafael lehnte sich keuchend an die Häuserwand und warf ihm ein tiefes Lächeln zu. „Fuck! Das wird allmählich eng...," stöhnte sein Zwilling und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Gabriel, der sich ebenfalls gewandelt hatte, ließ sich neben ihm an die raue Backsteinwand sinken. Ihre Krieger zogen einen engen Kreis um sie, um ihren Alphas die Möglichkeit zu geben, sich kurz zu besprechen.
Müde blickte Gabriel zu Boden. Dann hockte er sich hin und seufzte leise. Rafael schloss kurz die Augen und presste die Lippen fest zusammen. Dann fragte er: „Wen hat es erwischt?" Gabriel zog scharf die Luft ein und brachte dann mühsam zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor:
„Markus, den zweiten Beta der Blackfords... Ich hab gesehen wie er sich vor seinen Alpha geworfen und den Schuss mit einer Silberkugel abbekommen hat..."
„Fuuuuuuck...!" „Ja..."
Die beiden Brüder schwiegen. Das würde Sam sehr treffen... Erst hatte sie ihren Bruder verloren und jetzt den Mann, in den sie seit Jahren verknallt war. „Hast du noch einen Überblick, wie hoch unsere Verluste sind?" fragte Rafa schließlich und musterte seinen Bruder von der Seite. Erschöpft zuckte Gabriel mit den Schultern. „Nicht genau... Meine Schätzung liegt etwa bei vierhundert gefallenen Kriegern."
Jetzt wandelte sich Peter Niedermann und sagte: „Tatsächlich sind wir bereits bei etwa 600. Die reiben uns auf... Hamburg ist eine einzige riesige Falle. Wir werden müde durch den Kampf, während Canton sich eins ins Fäustchen lacht. Bislang haben wir nur gegen die niederen Wandler des Rudels gekämpft. Wir bemühen uns, keinen von ihnen zu töten, während die da leider weniger vorsichtig sind... Und bislang haben wir noch keinen einzigen, der Alphagarde vor unseren Zähnen gehabt." Rafael seufzte leise und sagte: „Warum sagst du nicht einfach, dass wir am Arsch sind?!" Niedermann lachte humorlos auf und antwortete: „Jepp...sind wir!"
Gabriel sah zu seinen Leuten, dann zu seinem Bruder und sagte: „Na, dann... Wenn wir heute schon zur Mondgöttin heimkehren, lasst uns wenigstens versuchen, vorher diesen Alphabastard ins Reich der Schatten zu schicken! Und unsere süße, kleine Omega beanspruchen wir dann im nächsten Leben!"
Mit einem grimmigen Lächeln klopfte Rafael ihm auf die Schulter und wandelte sich wieder in seinen riesigen schwarzen Wolf. Die kurze Ruhepause war vorbei und mit einem Brüllen schossen die Alphas des Sauerlandes nebeneinander durch die Straßen in Richtung der Villa.
Ein großer, grauer Wolf rammte Gabriel einige Minuten später von der Seite und schmetterte ihn gegen eine Häuserecke. Der spürte, wie mehrere Rippen unter dem Aufprall brachen und eine davon sich tief in seine Lunge bohrte. Blut stieg durch seine Luftröhre auf und begann allmählich, ihn zu ersticken. Was er jetzt ganz dringend brauchte waren ein paar Minuten Ruhe, damit sein Körper heilen konnte. Ansonsten würde er von früher vor die Mondgöttin treten, als ihm lieb war. Doch diese Minuten wollte ihm sein Gegner einfach nicht gewähren... Der graue Wolf fiel über ihn her und verbiß sich in seinem Nacken. Immer wieder und wieder schnappen die großen Kiefer zu und der Blutverlust wurde langsam aber sicher kritisch. Der Anführer seiner Alphagarde brüllte und versuchte, sich zu seinem sterbenden Alpha durchzukämpfen, doch zu viele Gegner schnitten ihm den Weg ab und blockierten jeden seiner Schritte. Gabriel spürte, wie sich sein Blickfeld langsam verdunkelte. Er fühlte keine Schmerzen mehr, nur eine sanfte, bleierne Wärme, die sich langsam in seinem Körper ausbreitete und dann... wie sich scharfe Zähne um seine Kehle schlossen....
Doch der Todesbiss kam nicht. Ein riesiger fremder, dunkel goldbrauner Wolf riß den Grauen von Gabriel herunter und brach ihm mit einem einzigen Kopfschlenker das Genick. Immer mehr und mehr fremde Wölfe strömten durch die Straßen und trieben das Hamburger Rudel vor sich her.. Der goldbraune Riese wandelte sich in ein über 2 m großen, schlanken, muskulösen jungen Mann mit leuchtend blauen Augen. Ein zweiter dunkelbrauner Wolf wechselte in die menschliche Form und kniete sich neben Gabriel nieder. „Na, da sind wir gerade noch rechtzeitig gekommen, was?"
Lex untersuchte mit schnellen Bewegungen Gabriels Wolf, dann sah er zu seinem Alpha auf und sagte: „Er wird wieder... Er braucht nur ein paar Minuten Ruhe, damit er sich selbst heilen kann..." Der Mann nickte und antwortete: „Dann kriegt er diese Minuten. Wo ist sein Bruder?" Rafael kam aus einer Nebenstraße und wandelte sich. Besorgt fiel er neben Gabriel auf die Knie und tastete ihn rasch ab.
„Lex?" Verwirrt sah der sauerländische Alpha auf und betrachtete erst den dunkelhäutigen Beta, dann den blonden Riesen vor sich. Lex grinste und sagte: „Da habt ihr schon gedacht, dass wir nicht mehr kommen würden, was? Darf ich vorstellen? Das ist Nicolai Ellesedil."
„Nico," korrigierte dieser und reichte Rafael freundschaftlich die Hand. „Verzeiht, dass wir so spät sind. Es hat ne Weile gebraucht, um euch zu finden..."
Rafael lachte atemlos und erhob sich. „Das war echt knapp. Danke, Mann... Ohne dich hätte ich heute meinen Bruder verloren." Nico nickte nur kurz und warf dem schwarzen Wolf zu seinen Füßen einen langen, nachdenklichen Blick zu. Das Seelentier hatte mittlerweile aufgehört zu bluten und das leise Knacken seiner Knochen zeigte an, dass die Heilung im vollen Gange war. „Ich würde ja vorschlagen, wir warten noch ein paar Minuten," sagte der königliche Alphasohn. „Dann sollte er wiederhergestellt sein und wir können meinem Verwandten einen kleinen Besuch abstatten!" Rafael fuhr sich durch die dunklen Haare und atme tief durch. „Wir haben schon befürchtet, dass sich dein Vater gegen eine Einmischung entscheiden würde.."
Nico lachte bitter und antwortete: „Na ja, es stand ein wenig auf der Kippe, das will ich zugeben. Aber Lex war ausgesprochen überzeugend und als meine Mutter hörte, was Canton mit den Omegas angestellt hat, bekam sie einen ihrer extrem seltenen Wutanfälle. Nachdem sie dann fertig war, das Wohnzimmer in handliche Stücke zu zerlegen, hat sie sich meinen Vater vorgeknöpft und nun ja... das Ende vom Lied war schließlich, dass wir uns mit fast 10.000 Gammas auf den Weg machen konnten."
„Die Göttin möge deine Mutter segnen!" murmelte Rafael und richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Bruder, der sich just in diesem Moment in seine menschliche Form handelte. Stöhnend richtete sich Gabriel auf und rieb seine Rückenmuskulatur. Dann sah er zu Nico und Lex, legte eine Hand auf seine linke Brust und neigte dankend den Kopf. Nico lächelte kurz und dann fragte er: „Brauchst du noch ein wenig? Oder können wir weiter. Meine Zähne haben da so ein, zwei Takte mit der Kehle meines Onkels zu besprechen!" Raphael hob eine Augenbraue. „Echt jetzt?" fragte er. „Du willst dein Onkel töten?" In Nicos Gesicht spiegelte sich ein tiefer Abscheu wieder, als er antwortete: „Warum nicht? Ich hasse diesen Kerl wie die Pest! Er ist eine echte Schande, ein Vollversager als Alpha und die dreimal die er bei uns zu Hause zu Besuch war, hat er sich für die sprichwörtliche Axt im Walde benommen! Alles und jeden beleidigt, von oben auf unsere Leute herab gesehen und meine Omega Mutter wie ein Stück wertloses Vieh behandelt. Und kommt mir ja nicht mit seinem verschissenen kleinen Stinker von Sohn. Der ist genauso ein Waschlappen wie der Vater!" Gabriel warf seinem Bruder einen leicht kritischen Blick zu und sagte: „Der Mann gefällt mir!" Rafa grinste und nickte. „Bruderherz, kannst du wieder?" Gabriel bleckte nur seine Zähne und machte eine einladende Geste in Richtung der Alpha-Villa. „Dann mal los," sagte er mit einem bösen Lächeln und gemeinsam traten die drei Alphas an die Spitze ihrer Krieger, um Nicos Zähnen das Date mit der Kehle seines Onkels zu verschaffen.
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