Kapitel 8
D A M I A N
Friedlich. Ruhig.
So sah es aus, wenn Kyra schlief.
Es mochte ziemlich Stalkermäßig rüberkommen, wenn ich zugab, dass ich seit einer halben Stunde in den Gästezimmer saß, in dem ich Kyra untergebracht hatte. Gut, es kam nicht nur so rüber.
Sollte sie aufwachen, bevor ich hier weg war, würde sie mich definitiv umbringen. Obwohl ich in meinem Haus tun und lassen konnte, was ich wollte.
„Damian!"
Möglicherweise hatte ich doch zu lange hier gesessen. Erschrocken hatte Kyra sich aufgesetzt und die Decke über ihren Körper gezogen. „Was zur Hölle tust du hier?!"
Das war definitiv eine gute Frage, die ich selbst nicht beantworten konnte. Ich hatte genug zu tun, also warum verschwendete ich hier gerade meine Zeit?
„Hab dich beobachtet",erwiderte ich schulterzuckend und drehte meine Kreditkarte in der Hand, an der noch ein kleines bisschen Kokain haftete.
„Hast du... Drogen genommen?",fragte sie und schüttelte leicht den Kopf. „Ist das dein Ernst? Bist du nicht zu alt für den ganzen Scheiß?"
„Willst du auch etwas? Hab noch genügend für eine Line."
„Nein",gab sie ruhig zurück und stand auf, um auf mich zu zu gehen. „Wie geht es dir mit deiner Verletzung? Darf ich sie mir einmal anschauen?"
„Mir gehts hervorragend!"
„Ja, das habe ich gemerkt",meinte sie und beugte sich zu mir herunter, um mein Hemd beiseite zu schieben und sich die Wunde anzuschauen. „Das sieht schon gut aus."
Ich sagte nichts dazu, sondern zog nur eine Augenbraue nach oben. Keine Ahnung, wieviel ich von dem Kokain genommen habe, aber es war definitiv zu viel, weshalb ich erst zu spät realisierte, das Kyra mein Taschenmesser aus meiner Hosentasche zog und es mir plötzlich an die Kehle hielt.
Diese Frau...
„Ich meine es ernst, Damian",meinte sie und drückte die Klinge fester in meine Haut. „Vielleicht mache ich alles unnötig kompliziert, aber es ist uns beiden nicht geholfen, wenn du mich hier weiterhin festhältst."
„Ich soll dich gehen lassen",schlussfolgerte ich, woraufhin sie nickte. „Hm nein. Du musst dir schon etwas besseres einfallen lassen, als mich mit einem Messer zu bedrohen."
„Ich bin kein kleines Kind. Du unterschätzt mich ziemlich, Damian",erwiderte sie.
„Tue ich das?",hakte ich provokant nach. „Dann zeig mir, dass ich falsch liege, mi amor. Nie im Leben könntest du..."
Ich hielt im Satz inne, als sie mir die Klinge über den Hals zog und ich spürte, wie Blut über meine Haut floss. Okay, vielleicht hatte ich sie wirklich unterschätzt.
„Okay, weißt du was?",fragte ich und drückte meine Hand auf den Schnitt, der ziemlich blutete und wahrscheinlich relativ tief war. „Dann geh. Ich halte dich nicht auf. Aber ich sage dir, dass ich dich finden werde und dann bin ich nicht mehr so freundlich zu dir."
Ich erhob mich und stieß sie zur Seite, allerdings stellte sie sich erneut in meinen Weg und drückte mich gegen die Wand. Bevor ich irgendwas sagen konnte, zog sich ein stechender Schmerz durch meine linke Hand, der mich aufschreien ließ.
Kyra hatte es doch tatsächlich geschafft, mir das Messer durch die Hand und in die Wand zu rammen. Oh dafür würde sie definitiv leiden!
Mit einem freundlichen Lächeln kam sie auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie nach meinem Handy griff, das auf dem Tisch neben mir lag und warf es auf das Bett und brachte es somit aus meiner Reichweite.
Kopfschüttelnd beobachtete ich ihren Abgang und versuchte leicht die Finger an meiner linken Hand zu bewegen. Das Messer herauszuziehen wäre nicht nur verdammt schmerzhaft, sondern wahrscheinlich auch gefährlich, wenn es dadurch zu bluten begann.
Allerdings konnte ich auch niemanden anrufen, der mir bei meinem klitzekleinen Problem helfen konnte. Ich stöhnte leise vor Schmerzen auf, als ich den Griff des Messers packte und es schaffte, die Klinge wenigstens aus der Wand zu ziehen.
Kaum war ich befreit und kam ich nun zu meinem Handy, wo ich direkt Xaviers Nummer raussuchte und ihm sagte, dass er schnell kommen sollte. Milan würde mich hier wahrscheinlich erst recht verbluten lassen.
Ich schob es jedoch nicht auf meine eigene Dummheit, dass das passiert war, sonder eher auf das Kokain. Genau genommen war es die Mischung aus beidem.
Als Xavier endlich kam, riss er die Augen auf, als er auf meine Hand blickte. Ich hatte die Blutung mittlerweile gut stillen können, hatte mich jedoch nicht getraut, das Messer selbst rauszuziehen.
„Ich bin kein Arzt, aber das sieht echt nicht gut aus",murmelte er nachdenklich, als wir beide kurz danach im Wohnzimmer saßen und er meine Hand genauer inspizierte.
„Wie kommst du denn darauf?",fragte ich augenrollend. „Die Kleine hat mehr Kraft als erwartet."
„Glaube ich",erwiderte er und griff nach einem sauberen Tuch, bevor er die Klinge ruckartig herauszog und ich schmerzvoll aufzischte. „Tut es sehr weh?"
„Ich kann dir auch mal ein Messer durch die Hand rammen. Dann weißt du, wie sehr es weh tut",zischte ich, woraufhin er nur mit den Schultern zuckte und die Tücher auf meine Hand drückte.
„War ja nur eine Frage."
Ja, eine sehr dumme.
K Y R A
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass es so einfach wäre, Damian verlassen zu können. Warum war ich nicht schon früher auf diese Idee gekommen?
Ich kannte mich in Orlando kein bisschen aus und hatte mich zu meinem Pech deshalb recht schnell verlaufen. Ich kannte niemanden und wusste nichtmal, wie spät es überhaupt war. Müsste es nicht bald dunkel werden?
Seufzend ließ ich mich auf eine Parkbank sinken und schloss für einen Moment die Augen. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, wie ich meine Familie kontaktieren konnte!
Vielleicht hätte ich es machen müssen, bevor ich Damians Haus verlassen hatte. Seufzend erhob ich mich wieder und lief weiter. Irgendwo war sicherlich ein Café oder ein Restaurant, das mich mal zwei Minuten telefonieren ließ.
Je länger ich umherlief, desto dunkler begann es zu werden, was mich schlucken ließ. Ich hatte keine Ahnung, wo ich für die Nacht bleiben konnte. Wäre ich draußen, wäre es für Damians Männer ein leichtes, mich wieder einzufangen.
Schließlich blieb ich stehen und sah mich um. Es musste eine Möglichkeit geben, irgendwas! Ich hatte zudem nichts bei mir, womit ich mich im Zweifelsfall verteidigen konnte.
Das alles war viel zu unüberlegt gewesen, aber Damian hatte mir mit seinem Zustand einfach die perfekte Vorlage für eine Flucht gegeben. Wer wusste schon, wann ich das nächste mal eine Möglichkeit gehabt hätte?
Endlich fand ich ein Restaurant, dass noch offen hatte und lief hinein. „Entschuldigung!",murmelte ich dem jungen Mann am Tresen zu, der sich zu mir drehte. „Dürfte ich vielleicht ganz kurz telefonieren?"
„Eigentlich darf ich nicht...",setzte er an, hielt jedoch inne, als ich verführerisch mit den Wimpern klimperte und mir den Telefonhörer gab. Das war ja einfach.
Ich wählte die Nummer meines Vaters, als sich plötzlich ein starker Arm um meinen Bauch legte und ich weggezogen wurde. „Hab ich dich",knurrte mir Milan ins Ohr. Ich begann zu zappeln und flehte den Mann an, mir zu helfen, doch er sackte kurz darauf schon Tod in sich zusammen, als Milan ihm in die Brust Schoß und sich dann umdrehte, um die Überwachungskameras zu zerschießen.
Meine Hoffnung von irgendjemandem gehört zu werden verschwand, als er mir eine Hand auf den Mund legte und somit meine Schreie erstickte. Ich trat und schlug nach ihm, doch er ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen.
Wieso hasste Damian mich so sehr?
Tränen der Verzweiflung schossen mir in die Augen, als er mich auf den Rücksitz seines Autos drückte und ich aufkeuchte, als er eine Spritze aus seiner Lederjacke zog.
„Nein, nein, nein Milan, nein!",entfuhr es mir panisch, als er meinen Arm an sich heranzog und nach einer guten Vene suchte. „Milan, lass das, bitte!"
Ich hatte schon immer panische Angst vor Nadeln gehabt und gerade in dieser Situation war es nicht besser. Milan könnte alles mit mir anstellen, wenn ich komplett wehrlos war.
„Ganz ruhig",murmelte er und hielt die Plastikkappe der Kanüle zwischen den Zähnen, als er die Nadel in meine Vene stach. „Ich werde dir nichts tun. Damian schon eher. Er war wirklich ziemlich wütend. Aber Respekt, dass du so viel Kraft hattest, um ihn an der Wand festzunageln."
Ich spürte, wie ich langsam ruhiger wurde und wimmerte leise auf, als Milan mich auf den Bauch drehte, um meine Hände auf meinem Rücken zu fesseln. Meine Muskeln gehorchten mir nicht, weshalb es unmöglich war, mich irgendwie gegen ihn zu wehren.
Allmählich überkam mich Dunkelheit und ich hörte nur noch, wie Milan die Autotür zuschlug, bevor alles schwarz wurde.
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Hatte Damian es tatsächlich geschafft, mich wieder einzufangen?
Mein Kopf dröhnte und ich spürte kalten Steinboden unter mir, als ich langsam zu mir kam und leise aufstöhnte. Wie konnte Damian es jedes Mal schaffen, mich ohne Probleme zu finden?
Ich richtete mich auf und stellte fest, dass ich mich in einem dunklem Gang befand, der aus mehreren Zellen bestand. Mein Herz schlug panisch schneller, als ich an die Gitterstäbe rutschte und mich in Gang umsah.
Erst jetzt realisierte ich, dass ich überall am Körper blaue Flecken und Schürfwunden hatte. Wahrscheinlich hatte Milan mich nicht von seinem Auto hier her getragen, sondern über den Boden geschleift. Anders konnte ich es mir nicht erklären.
„Damian?!",rief ich und schlug gegen das Gitter vor mir, sodass es laut schepperte. „Damian komm schon, lass mich hier raus!"
Tatsächlich erklangen Schritte und ich erkannte Damian, der sich vor mich kniete und mich anlächelte. „So schnell sieht man sich wieder, mi amor."
Seine verletzte Hand war in einen Verband gehüllt und an seinem Hals, wo ich ihm den Schnitt zugefügt hatte, klebte ein Pflaster, durch das etwas Blut durchsickerte. „Damian, lass mich hier raus!",zischte ich, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Den gefallen werde ich dir nicht tun können. Tut mir leid, Kyra. Mehrmals zu flüchten ist eine Sache, mich zu verletzen die andere. Wird lange dauern, bis meine Hand wieder verheilt."
Ich schluckte. Ich hatte kein Mitleid mit ihm, aber trotzdem hatte ich Angst vor dem, was er nun plante. „Was hast du jetzt vor?"
„So weitermachen wie bisher. Nur muss ich jetzt keine Sorgen mehr haben, dass du abhauen könntest. Aus dieser Zelle kommst nicht mal du. Milan hat dafür gesorgt, dass du nichts mehr bei dir hast."
„Damian",murmelte ich und griff nach seiner gesunden Hand, um ihn festzuhalten, als er aufstehen wollte. „Du kannst mich hier jetzt nicht einfach alleine lassen!"
„Doch, kann ich. Siehst du doch. Ich wollte diese Maßnahme niemals ergreifen, Kyra. Nicht bei dir. Aber du lässt mir verdammt nochmal keine andere Wahl",seufzte er und steckte die Hand durchs Gitter, um sie an meinen Hinterkopf zu legen und mein Gesicht an die Stäbe zu drücken, bevor ich überrascht keuchte, als ich für wenige Sekunden seine Lippen auf meinen spürte.
„Dein Vater bleibt stur",redete er weiter und zog sich wieder zurück. „Ich wollte dir die Zeit so angenehm wie möglich gestalten, aber du machst es so kompliziert."
„Gib mir eine Chance. Eine letzte. Damian, bitte!"
„Nein",widersprach er mir und schüttelte den Kopf. „Ich habe dir mehr als genug Chancen gegeben und jede davon hast du missbraucht. Ich bin kein Arschloch, mi amor, ich habe nur keine andere Wahl als das hier."
Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich erhob und langsam ging, jedoch nochmal stehen blieb und sich zu mir drehte. „Ich bringe dir trotzdem dreimal täglich etwas zu essen und gebe dir zweimal in der Woche die Möglichkeit zu duschen. Wie bereits erwähnt, ich bin kein Arschloch, auch wenn du das momentan anders siehst."
Verzweifelt sah ich ihm nach und fuhr mir durchs Gesicht. Er hatte recht. Es war meine Schuld. Ich hatte es auf die Spitze getrieben. Ich konnte es ihm nicht mal verübeln, dass er mir nicht mehr vertraute. Aber würde er es jemals wieder tun?
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