Kapitel 7
D A M I A N
„Ich wusste, dass ihr irgendwann den Kontakt zu mir suchen werdet!"
Xavier links neben mir spannte sich bei den Worten kaum merklich an und Milan, der rechts von mir saß, ließ seine Hand unauffällig zu der Waffe wandern, die er am Hosenbund trug.
Sanchez saß vor uns auf einem bequem aussehenden Sessel und ließ sich von seinen halbnackten Damen, die nicht mehr als einen Stringtanga und einen spärlichen BH trugen, bedienen.
Auch um uns liefen sie umher, füllten immer wieder unsere Gläser nach und lächelten uns charmant an. Sanchez hatte einen weitläufigen Geschmack, was die Auswahl seiner Frauen anging.
Groß, klein, dick, dünn, weiß, schwarz, einfach alles.
Allerdings vielen nicht nur mir die zahlreichen blauen Flecken und roten Striemen auf, die ihre Körper bedeckten. Ja, Sanchez war die Definition eines Arschlochs.
„Nun, wozu bist du hier, mein Junge?",fragte er und lehnte sich mit dem überteuerten Champagner in seiner Hand zurück. „Du bist nicht hier, weil du nur plaudern willst, nicht wahr?"
„Wir brauchen deine Hilfe",erwiderte ich, ohne mich von den halbnackten Frauen ablenken zu lassen. Auch wenn eine von ihnen seit guten fünfzehn Minuten hinter mir stand und die Schultern massierte.
Wäre das alles in einem anderen Umfeld, hätte ich mich dabei wahrscheinlich noch mehr entspannen können.
Er sah mich auffordernd an, doch ich ließ mir viel Zeit mit meiner Ausführung, weshalb ich einen großen Schluck aus meinem Glas nah, dass nun so gut wie leer war.
„Sag nichts!",unterbrach er mich sofort und grinste mich allwissend an. „Du willst eine meiner Damen kaufen! Naja, drei. Für dich und deine Brüder, hab ich recht?"
„Nicht ganz",erwiderte ich wahrheitsgemäß und beobachtete eine der Frauen, die zu mir kam, um mein Glas nachzufüllen, die dabei jedoch über Xaviers Fuß stolperte und sich der ganze Champagner über mich und Milan verteilte.
„Es tut mir so leid!",entfuhr es ihr und sie reichte uns sofort einige Servietten. Milan stöhnte genervt auf, während ich nur innerlich fluchte und mir nichts anmerken ließ. Es war nicht ihre Schuld gewesen.
„Rayna!",fuhr Sanchez sie an und stand plötzlich auf. Sie machte augenblicklich einen Satz zurück und ich war überrascht, dass Xavier sich schützend vor sie stellte. Auch Milan hielt in seiner Bewegung inne und beobachtete, was Sanchez als Nächstes tat. „Willst du mir etwas mitteilen, Xavier?"
„Es ist nicht ihre Schuld. Lass sie in Ruhe."
„Lass gut sein, Xavier", murmelte ich und sah ihn warnend an. Er hatte noch nie viel von dem Menschenhandel gehalten, den Sanchez betrieben hatte. Ich und Milan zwar auch nicht, aber wir hatten es nie allzu offensichtlich gezeigt.
Anhand von Sanchez Blick erkannte ich, dass er darauf wartete, dass ich meinen Bruder zurechtweisen würde, doch ich tat es nicht. Ich war viel zu müde von der Nacht, als das ich mich um sowas kümmern wollte.
Ich hatte nahezu durchgängig in meinem Bett gelegen und mich unruhig von einer auf die andere Seite gedreht. Meine Gedanken hatten sich nur um Kyras Dummheit gedreht.
Nicht nur wegen der Sache mit ihrem Vater, sondern auch wegen der mit Xavier. Ich wusste nicht mal, wem ich die Schuld dafür geben sollte.
Mir, weil ich die beiden alleine gelassen hatte?
Kyra, weil sie es wahrscheinlich provoziert hat?
Xavier, weil er darauf angesprungen war?
Ich war zu keinem Ergebnis gekommen und war daher umso schlechter gelaunt, als mein Wecker geklingelt hatte.
„Damian!",fuhr Sanchez mich an. „Sag deinem Bruder, dass es meine Angelegenheit ist, was ich mit meinen Nutten mache!"
„Xavier",seufzte ich und drehte genervt den Kopf zu ihm herum. „Tu, was du für richtig hältst und lass dich von ihm nicht beirren."
Mein Bruder nickte mir anerkennend zu, nur Sanchez schüttelte fassungslos den Kopf und sah mich an. „So hat dein Vater dich nicht erzogen!"
„Und du weißt, wie er mich erzogen hat?",höhnte ich amüsiert. Mein Vater hatte Sanchez erst zwei Jahre vor seinem Tod kennengelernt, weshalb er nur wenig von unserer Erziehung mitbekommen hatte.
Mein Bruder setzte sich langsam wieder neben mich, Sanchez sah jedoch immer noch nicht sonderlich zufrieden aus.
„Nun dann... Lasst uns dieses Gespräch beginnen!",meinte er, zog plötzlich seine Waffe hervor und schoss Rayna in den Kopf, die sofort umfiel.
Ich schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. Das war der Grund, weshalb ich nie viel von ihm gehalten hatte. Er hatte kein Problem damit, unschuldige wehrlose Menschen zu töten. Es würde ihn auch nicht stören uns umzubringen. Wahrscheinlich wollte er nur hören, was wir von ihm wollten, bevor er uns erschoss.
Eine der Frauen schrie laut auf, als sie ihre Kollegin Tod auf dem Boden erblickte. Jedoch musste auch sie daran glauben und sank innerhalb weniger Sekunden ebenfalls zusammen.
„Noch jemand Einwände?",rief er in die Runde, doch es blieb still. Nahezu zu still. Würde ich die Hände an meinen Schultern nicht mehr spüren, würde ich sagen, dass sie alle geflüchtet waren. „Damian! Du bist plötzlich so ruhig geworden!"
„Weißt du... ich steh nicht so auf unnötige Tote",meinte ich ruhig und wollte meinen, das die Frau hinter mir, mir einen Zettel in mein Hemd geschoben hatte.
Mein Interesse siegte und ich nahm meine Hand hinter den Kopf, damit es so aussah, als würde ich meinen Kragen richten, um den Zettel unauffällig hervorzuholen.
Ayúdanos.
Hilf uns.
Viel spanisch verstand ich nicht, aber es war für dieses eine Wort komplett ausreichend. Keiner war freiwillig hier und das verstand ich vollkommen. Aber was sollte ich denn tun?
Niemand sollte sowas durchleben müssen. Das würde ich nicht mal Falcone wünschen.
„Wie auch immer. Drei meiner Frauen willst du?"
Milan stieß mich unauffällig mit dem Fuß an und wir wechselten einen kurzen Blick, der mich verstehen ließ, dass es nicht das war, weshalb wir hier waren.
„Exakt."
Sanchez lächelte mich wissend an und bewegte mit einer Handbewegung alle der Frauen, die mit uns im Raum war, in eine Reihe. „Sucht euch gerne welche aus! Für alte Freunde akzeptiere ich auch den halben Preis."
„Ist das dein Ernst?",zischte Milan mir unauffällig zu. „Wenn wir welche mitnehmen, wird er nur für Nachschub sorgen!"
„Wir müssen Vertrauen zu ihm aufbauen",murmelte ich ihm zu und hat so, als würde ich meine Auswahl genauestens inspizieren. „Wenn er merkt, dass wir mehr von seinem Geschäft halten, als wir es wirklich tun, wird er uns eher helfen. Er hasst Falcone genauso sehr wie wir."
„Xavier!",meinte Sanchez und legte ihm von hinten die Hände auf die Schultern. „Hast du dich bereits entschieden und magst du mir deine Auswahl mitteilen?"
Xavier schielte kurz zu mir, bevor er leise irgendwas murmelte und Sanchez zufrieden nickte. „Gute Wahl! Gute Wahl! Milan? Damian? Habt ihr beide ebenfalls eure Entscheidung getroffen?"
Mit dem Kopf nickte ich zu der Frau, die mir den Zettel zugesteckt hatte und ich erkannte, dass sie erleichtert ausatmete.
„Milan, wie sieht es mit dir aus, mein Sohn?"
„Ich passe",meinte dieser nur schulterzuckend und lehnte sich an die Couch. „Hübsch sind sie durchaus alle, aber ich kann nichts entscheiden, wenn ich nicht weiß, wie sie im Bett sind."
Zeit schinden, damit ich ruhig mit Sanchez reden konnte. Dieser nickte verstehend und flüsterte meinem Bruder irgendwas ins Ohr. Milan sah mich angewidert von der Seite an, nickte dann jedoch und verließ den Raum.
„Wollt ihr auch noch einen kleinen Test haben, um zu sehen, ob ihr die richtige Entscheidung getroffen habt?"
Auch das würde sein Vertrauen in uns stärken. Zähneknirschend nickte ich und warf Xavier einen warnenden Blick zu, bevor er es mir gleichtat. Sanchez wies die Mädchen an, uns in Gästezimmer zu führen, wo sie die Türen abschlossen.
Der Blick der Frau glitt an mir auf und ab, als könne sie nicht ganz abschätzen, ob ich nur gute Absichten hatte. Langsam kam sie auf mich zu und drückte mich auf das Bett, bevor sie sich auf mich setzte und ihre Hände langsam meinen Oberkörper befreiten.
Für den Besuch bei Sanchez hatte ich mir nicht viel Mühe mit meinem Outfit gemacht, denn ich trug lediglich eine schwarze Jeans und ein dunkelblaues Hemd. Schließlich musste ich bei ihm nicht aussehen, als würde ich gleich auf eine Wohltätigkeitsveranstaltung gehen.
Überrascht keuchte sie auf, als ich sie herumdrehte, sodass sie unter mir auf dem Bett lag und streifte mir Augenblick das geöffnete Hemd von den Schultern, sodass es auf dem Boden aufkam.
„Wir wollen das beide nicht",murmelte ich ihr zu. „Sei einfach dankbar, dass ich dir geholfen habe. Wie ist dein Name?"
„Novalee",antwortete sie mir leise, ließ sich von meinen Worten jedoch nicht beirren und ließ ihre warmen, manikürten Finger über meine Brust fahren.
„Gut, Novalee, du kannst deine Finger jetzt von mir nehmen",wiederholte ich mich, allerdings hörte sie wieder nicht auf. „Das war ein Befehl."
Augenblicklich zog sie ihre Hände zurück und wandte den Blick von mir ab. Ich seufzte innerlich auf.
„Bitte",murmelte sie mit relativ starkem, spanischen Akzent. Was bitte? Bitte konnte schließlich vieles heißen.
Bitte hör auf.
Bitte mach weiter.
Bitte nimm mich so hart durch, dass ich nicht mehr laufen kann.
Bitte lass mich bei Sanchez, ich liebe diese kriminelle Ader und werde von toten geil.
„Sprich ganze Sätze",forderte ich sie auf, woraufhin ich sah, wie sie schwer schluckte und für einen Moment zu überlegen schien, für welche Möglichkeiten sie sich entschied.
„Mach mit mir, was du willst",erwiderte sie, ich erkannte jedoch deutlich, dass sie das nicht wollte. Wahrscheinlich hatte sie einfach nur zu viel Angst, weshalb sie nicht die Wahrheit erzählte."
„Werde ich nicht",antwortete ich wahrheitsgemäß und wollte mich aufrichten, doch sie legte ihre Finger an die Kette, die um meinem Hals lag und zog mich wieder zu sich herunter, um ihre Lippen auf meine zu drücken.
Für wenige Sekunden verlor ich mich in dem Kuss, bevor ich mich löste und sie warnend ansah. „Finger weg von meiner Kette. Ich werde dir nichts tun, Novalee."
Sie gehorchte und ließ mich wieder aufstehen, damit ich mir mein Hemd wieder anziehen konnte. Novalee hingegen blieb komplett ruhig liegen und beobachtete mich.
„Na los, steh auf."
Wieder tat sie das, was ich von ihr verlangte und sie senkte den Blick, als ich mich vor sie stellte und ihr ein wenig durch die Haare wuschelte. Es musste schließlich wirklich so aussehen, als hätten wir Sex gehabt.
Ich umschloss locker ihr Handgelenk und verließ wieder den Raum. Draußen stieß ich direkt auf Milan, der die Kontrolle die er hatte vollkommen ausnutzte und die Frau, die er offensichtlich ausgesucht hatte, vor ihm kniete, hatte sein Blick auf sein Handy gerichtet und hob den Kopf, als er mich bemerkte.
„Ich habe mit Sanchez gesprochen",setzte er auf italienisch an, damit uns niemand verstand. Die meisten in Sanchez' Haus sprachen nur englisch und spanisch, der er nur aus diesen Ländern seine Ware exportierte. „Er will uns bei der Sache mit Falcone und Fernandéz nicht helfen."
Ich schnaubte auf und schüttelte den Kopf. Genau das hatte ich befürchtet. „Gut, dann müssen wir uns etwas anders einfallen lassen."
„Fangen wir erstmal damit an, was wir jetzt mit den Frauen machen",meinte er und neigte leicht den Kopf. „Ich brauche ganz sicher niemanden, mit dem ich... alles machen kann. Ich habe dafür gar keine Zeit und Xavier genauso wenig. Und du hast Kyra..."
„Kyra geht mir eher auf die Nerven. Mit ihr kann ich nichts anfangen, außer meinen Puls in die Höhe zu treiben",brummte ich und sah, dass nun auch Xavier auf uns zugelaufen kam.
„Lasst uns verschwinden",murmelte Xavier, als er bei uns ankam und ging einfach weiter, ohne etwas weiteres zu sagen. Milan und ich sahen uns kurz fragend an, fragten jedoch nicht weiter, sondern folgte ihm.
Die drei Frauen folgten uns unsicher, als wussten sie selbst nicht, was sie von der ganzen Situation halten sollten. Wir wussten es schließlich selbst nicht.
Draußen angekommen, blieb Milan stehen und drehte um. „Verschwindet und sorgt dafür, dass Sanchez euch nicht mehr in die Finger bekommt."
Die Damen sahen sich unsicher an und entfernten sich erst wenige Schritte, bevor sie zu rennen begannen. „Ich wusste, dass das ein Reinfall wird. Aber auf mich hört ja nie jemand."
„Klar",zischte ich und ging auf mein Auto zu. „Red es dir nur ruhig weiter ein, Milan. Es war schließlich einen Versuch wert."
Wir alle waren zwar nun um mehrere Hunderttausend Dollar ärmer, aber dafür hatten wir drei von Sanchez Frauen befreit, die nun wenigstens eine zweite Chance bekommen hatten.
Und vielleicht bekam Kyra diese auch, wenn ihr Vater endlich auf meine Forderungen einging.
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