Kapitel 6
K Y R A
Nachdem wir mehrere Stunden geflogen waren, in denen ich nur nach draußen geschaut und mich über mich selbst geärgert habe, waren wir in Orlando angekommen und schon kurz darauf wurden wir zu einem Haus gefahren, das wohl auch Damian gehörte.
Er hatte mir mein neues Zimmer gezeigt und ich hatte mich seitdem nicht mehr bei ihm blicken lassen. Er war wütend auf mich und das konnte ich irgendwie verstehen.
Die ganze Zeit über hatte er ausgelassen mit seinem Bruder geredet, so getan, als wäre nie etwas passiert und mich dabei komplett ignoriert.
Schließlich riss ich mich zusammen und ging leise die Stufen herunter, bis ich ihm Wohnzimmer ankam, wo ich Damian mit seinem Laptop sitzen sah. Legte er das Ding auch mal aus der Hand?
„Damian?",fragte ich, doch er schenkte mir keine Beachtung. Wollte er mich jetzt komplett ignorieren? „Damian?"
„Was? Du siehst doch, dass ich zu tun habe",zischte er, ohne mich anzusehen. „Halt dich kurz."
„Was muss ich tun, dass du nicht mehr so sauer auf mich bist? Wie kann ich es wieder gutmachen?"
„Gutmachen?",fragte er amüsiert und schüttelte lachend den Kopf. „Lass dir etwas einfallen, Kyra. Du hast den Plan damit nur noch mehr verlängert."
„Was erwartest du von mir? Dass ich dich bekoche? Das Haus putze? Dir einen blase?",hakte ich nach und zog somit seine volle Aufmerksamkeit auf mich. Mit einem funkeln in den Augen drehte er mir den Kopf zu und lehnte sich entspannt zurück.
„Ja, hört sich gut an. Du kannst gerne jetzt damit anfangen",meinte er. Mittlerweile sollte er doch eigentlich wissen, dass ich auch das tat, was ich sagte. Auch wenn ich wusste, dass nichts davon ihn besänftigen würde.
Selbstsicher ging ich auf ihn zu und nahm seinen Laptop von seinen Beinen, um diesen auf den Tisch zu stellen. Seine Augen beobachteten meine Bewegungen, als ich mich zwischen seine Beine kniete und kurz zu ihm aufsah, bevor ich meine Finger an seinen Gürtel legte.
Allerdings konnte ich nichts tun, da er mich plötzlich hochzog und ich im nächsten Moment auf seinem Schoß saß. Ich erschrak, als ich seine weichen Lippen auf meinen spürte und hielt inne. Wie kam er plötzlich auf die Idee mich zu küssen?
Er biss mir auf die Lippe, als ich den Kuss nicht erwiderte und drückte seinen Mund fester auf meinen. Mein Plan, mich nicht fallen zu lassen, hatte schonmal nicht funktioniert, weshalb ich mich darauf einließ und sich seine Hände, die an meinen Hüfen lagen, lockerten.
Mein Bauch begann zu kribbeln, als er seine Zunge nahezu vorsichtig gegen meine Lippen drückte, als würde er um Erlaubnis bitten. Ich legte meine Hände in seinen Nacken und zog ihn wieder an mich heran, als er sich kurz löste, um Luft zu holen.
Ich spürte, wie er leicht lächelte und kaum merklich den Kopf schüttelte. Was taten wir hier eigentlich?! Es war falsch auf so vielen Ebenen, die ich gar nicht aufzählen wollte!
Seine Finger wanderten ganz langsam an meinem Bein herab und hinterließen warme Spuren, die mich beinahe aufseufzen ließen. Zum Glück nur beinahe.
Provokant rutschte ich etwas auf seinen Beinen auf und ab, doch im nächsten Augenblick saß ich nicht mehr auf, sondern neben ihm auf der Couch. „Ich werde nicht mit dir schlafen."
„Wieso?",neckte ich ihn. „Hast du etwa Angst, dass du es nicht nur körperlich halten kannst? Wie lächerlich."
„Angst? Vor so etwas ganz sicher nicht",erwiderte er und griff wieder nach seinem Laptop, um weiter zu arbeiten. Tat er eigentlich auch etwas anderes, als nur vor diesem Ding zu sitzen?
„Vor was hast du denn Angst? Tod von Freunde und Familie? Tod? Schwerwiegende Verletzungen, sodass du nicht mehr immer nur vor dem Laptop sitzen und arbeiten kannst?"
„Nein, nein und nein",meinte er konzentriert. Ich seufzte auf. Konnte man sich denn überhaupt nicht mit ihm unterhalten?! „Xavier wird gleich kommen und auf dich aufpassen. Ich muss los und noch etwas erledigen."
„Aufpassen? Ich bin kein Baby mehr, Damian! Ich brauche keinen Babysitter!",protestierte ich, doch er warf mir nur einen vielsagenden Blick zu.
„Du bist der Grund, warum wir nach Orlando geflogen sind, mi amor. Hättest du mein Vertrauen nicht mehr als einmal missbraucht, würde ich dich auch alleine lassen."
Natürlich und ich war die Königin von England. Nie im Leben, würde er mich alleine lassen, das hätte er auch vorher nicht! Ich wollte meinen, dass er schon ziemliche Vertrauensprobleme hatte.
„Benimm dich",sagte er noch zum Abschied, stellte seinen Laptop auf dem Tisch ab und loggte sich aus. Wahrscheinlich hatte auch er aus der ganzen Sache gelernt.
Keine zwei Minuten, nachdem Damian verschwunden war, war Xavier auch schon aufgetaucht und hatte sich zu mir auf die Couch gesetzt. Er schien wenigstens relativ nett zu sein.
Zumindest hatte er uns einen Film angemacht und mir ein Eis geholt. Nicht die größten Taten, aber definitiv mehr, als Damian jemals für mich tun würde.
„Wie lange wird Damian noch brauchen?",fragte ich gelangweilt von den Film. „Was muss er überhaupt erledigen?"
„Keine Ahnung",erwiderte Xavier schulterzuckend. „Er sagt weder mir noch Milan etwas, wenn er noch etwas zu tun hat. Ist aber auch in Ordnung, wir machen es auch nicht."
„Ihr haltet den Kontakt so minimal wie möglich?"
„Kann man so sagen. Seitdem wir ausgezogen sind, haben sich unsere Wege irgendwie getrennt. Gerade Damian und Milan hätten es nicht länger miteinander ausgehalten."
Ich nickte verstehend und neigte den Kopf. Mein Plan, Damian erneut eins auszuwischen, ging in die nächste Runde.
Erst rutschte ich unauffällig näher, sodass unsere Knie sich ganz leicht berührten, dann lehnte ich mich leicht an seine Schulter und anschließend hatte ich mich, genau wie bei Damian, direkt auf seinen Schoß gesetzt.
Anfangs sah Xavier mich verwirrt an, dann hatte er mich jedoch herumgedreht, sodass ich unter ihm auf der Couch lag und er sich über mich beugte. Ich blinzelte ihn unschuldig an, was ihn amüsiert schnauben ließ.
D A M I A N
Innerlich zählte ich die Sekunden, die der Mafioso von Fernandéz Unterwasser verbrachte, damit ich ihn nicht direkt umbrachte und gab Pablo, der uns mit Bill und zwei weiteren Männern gefolgt war, das Zeichen, dass er ihn wieder hochholen sollte.
Der Typ, dessen Name Nika lautete, schnappte nach Luft, und schüttelte sich das eiskalte Wasser aus dem Gesicht. „Nun?"
„Ich weiß es nicht!", murmelte er in gebrochenem Englisch, was mich aufseufzen ließ. Ich wusste genau, dass er die Informationen besaß, die wir brauchten. Milan hatte sich ausgiebig informiert, damit wir keinen Fehler machten.
Folter ging auf Dauer extrem auf die Psyche, weshalb ich das keinem unschuldigen antun wollte. Nika war allerdings nicht unschuldig. Das wusste jeder, der hier im Raum anwesend war.
Milan stand hinter mir an der Wand gelehnt, kaute nachdenklich auf seinem Kaugummi umher, Pablo wartete auf die Anweisung, Nikas Kopf wieder in den Eimer mit eiskaltem Wasser zu drücken, während Bill am Eingang stand und einfach nur bedrohlich aussah.
Ich hingegen stand direkt vor Nika und Pablo, um einen besseren Blick, auf das Geschehen zu haben.
Meine Klamotten waren durchnässt, da Pablo ihn jedes Mal mit ziemlichen Schwung hochzog und das Wasser in alle Richtungen spritze.
Mir entwich ein leises Seufzen und ich machte eine Handbewegung, woraufhin Pablo Nikas Kopf erneut Unterwasser drückte. „Damian, wir kommen so nicht weiter."
Langsam drehte ich den Kopf zu Milan und nickte. Ja, das hatte ich tatsächlich auch schon bemerkt. „Ich weiß. Was denkst du, was wir nun tun sollten?"
Mein Bruder ging wortlos auf die beiden zu, packte Nikas Haare und zog ihn aus dem Wasser, bevor er ihm sein scharfes Taschenmesser an die Kehle hielt.
„Lass uns jetzt mal Klartext sprechen",zischte er ihm auf Italienisch zu. „Wir wissen, dass du die Pläne von deinem Boss kennst. Wenn du sie uns sagst, wird Maxim nichts passieren. Überleg es dir gut."
Maxim war sein kleiner, fünfjähriger Sohn. Eigentlich hielten wir uns von Eltern fern, aber diesmal hatten wir keine andere Wahl gehabt, sonst hätten wir uns definitiv anders entschieden.
Pure Panik ließ sich von seinem Gesicht ablesen, als er hektisch den Kopf schüttelte und irgendwie versuchte, etwas zu sagen. Mehr als ein paar einzelne Worte die keinen Zusammenhang hatten, kam dabei jedoch nicht raus.
„Gerade Sätze."
„Ich weiß nicht was genau, aber er plant irgendwas mit Matheo Falcone! Die beiden haben sich in letzter Zeit ständig getroffen, aber ich weiß nicht worum es geht, wirklich nicht!"
„Glaubst du ihm?",fragte Milan mich interessiert. Wenn das, was er sagte stimmte, dann hatte Falcone sich definitiv nicht an unsere Forderungen gehalten. Eine davon war, dass er Fernandéz zurückhielt und mit ihm keine Pläne schmiedete.
„Falcone hat gelogen."
„Vielleicht braucht Fernandéz nur viel Überzeugung. Es ist nicht leicht, sich zurückzuhalten, obwohl man jemanden am liebsten umbringen will",erwiderte er und lockerte die Klinge etwas.
„Vielleicht brauchen wir auch einfach nur etwas Hilfe",brummte ich und gab den beiden ein Zeichen, dass sie Nika loslassen sollten. Ich würde mir noch etwas einfallen lassen, was wir mit ihm nun machen würden.
Milan dachte für einen Augenblick nach und schüttelte hektisch den Kopf, als er bemerkte, auf wen ich anspielte. Ich musste zugeben, dass auch das nicht meine erste Wahl war. „Nein!"
„Doch",erwiderte ich ruhig und ging auf die Tür zu. „Es gefällt mir genauso wenig wie dir, aber das ist unsere beste Möglichkeit, um Fernández und Falcone zurückzuhalten."
„Nein!",widersprach er mir erneut und folgte mir. „Das ist dumm! Das ist Selbstmord! Mit Sanchez ist nicht gut Kirschen essen, das ist die dümmste Idee, die du jemals hattest, D!"
„Ich weiß",antwortete ich schulterzuckend, ohne auf seine Einwände einzugehen. „Mein Plan bestand jedoch auch nicht darin, nach Orlando zu ziehen."
„Gut, ohne mich! Schreib nur vorher eine Liste für die Beerdigung, damit ich mich nicht darum kümmern muss."
Ich ging gar nicht mehr auf seine Proteste ein, sondern machte mich schweigend auf den Weg zu meinem Auto, um nachhause fahren zu können.
Meine Gedanken schwirrten nicht nur um Nika und was wir jetzt mit ihm machten, sondern auch um Sanchez. Mein Vorteil war nur, dass mein Vater ein enger Freund von Sanchez gewesen war.
Seit seinem Tod war die Freundschaft zwischen unseren Familien zerbrochen, da ich und meine Brüder noch nie viel von Sanchez gehalten hatten, auch wenn er mehrmals versucht hatte, mit uns wieder Kontakt aufzunehmen.
Gedankenverloren hielt ich mein Auto vor dem Haus an und schloss die Tür auf, um einzutreten. Ich wusste, dass ich Xavier nicht fragen musste, was er davon hielt, weshalb ich ins Wohnzimmer lief und gerade den Mund öffnete, um etwas zu sagen, jedoch augenblicklich innehielt.
„Damian!",rief Xavier und richtete sich schnell auf, die Decke, die auf der Couch lag, verdeckte seinen und Kyras Körper. „Ich wusste ja gar nicht, dass du so schnell wieder zurück kommst!"
„Spar es dir",zischte ich. „Du hast genau drei Minuten, um dich anzuziehen und aus meinem Haus zu verschwinden."
Tatsächlich hatte er es schneller geschafft, als ich erwartet hatte, sodass ich nun mit Kyra alleine war, die mich unschuldig ansah.
„Sag, bist du wirklich so eine Hure, wie du tust?"
Sie fasste sich geschockt an die Brust, ich erkannte jedoch, dass sie mich damit nur provozieren wollte. Sie brachte mich noch um! Und sich selbst wahrscheinlich auch.
„Es ist unhöflich, jemanden so zu nennen!"
„Klar",höhnte ich. „Es ist auch unhöflich, auf der Couch eines anderen Sex zu haben. Aber von Höflichkeit versteht Deine gesamte Familie wohl nicht viel."
„Was willst du mir damit sagen?",fragte sie mit prüfendem Blick und wickelte sich die Decke um den Körper, um aufzustehen und auf mich zu zu kommen.
„Ich dachte, du wärst anders als dein Vater. Aber ich habe mich wohl getäuscht",gab ich überraschenderweise ziemlich ruhig zurück und drehte mich um, um sie alleine stehen zu lassen.
„Damian!",rief sie mir nach und folgte mir, als ich in Richtung meines Zimmers lief. An der Tür blieb sie stehen, als wäre dort eine unsichtbare Mauer gebaut und beobachtete mich, wie ich auf meinen Schrank zuging, um mir endlich bequeme und vor allem trockene Sachen anzuziehen. „Damian?"
„Kannst du nicht einfach die Klappe halten? Es ist mir gleich, mit wem du Sex hast. Es ist mir ebenso gleich, mit wem Xavier Sex hat! Ich habe das Gefühl, dass du die Situation nur zu deinem Vorteil nutzt. Habt ihr wenigstens verhütet?"
„Ich nehme die Pille",antwortete sie.
„Tut mir leid, wenn ich das so direkt frage, aber bist du als Kind einmal zu oft auf den Kopf gefallen? Nichts ist zu einhundert Prozent sicher, Kyra!"
„Und selbst wenn ich schwanger werden sollte",zischte sie. „Geht es dich rein gar nichts an. Du kannst mich nicht dazu zwingen, es abzutreiben!"
„Natürlich nicht, aber was glaubst du, wird passieren, wenn dein Vater dich hochschwanger zurück bekommt? Er wird mich umbringen, weil er denkt, dass das Kind von mir ist!",entfuhr es mir und ich drehte mich zu ihr herum.
Kyra lehnte in der Tür und sah mich einfach nur an. Ich konnte nicht mal herausfinden, an was sie gerade dachte. Nicht mal annähernd.
„Das ist nicht mein Problem, sondern deins."
Ihr Blick war kalt, als sie sich abwandte und die Tür schloss. Fassungslos über ihre und Xaviers Dummheit schüttelte ich den Kopf. Ich wusste noch nicht mal, wen ich als erstes umbringen würde, sollte sie tatsächlich davon schwanger geworden sein.
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