Dec, 19th: Great Pretender pt.1
Jimin
19.12; 18:55Uhr
Unangenehm.
Ich spürte Hoseoks Blick auf mir und ich konnte mich gar nicht mehr konzentrieren. Er hatte es sich wohl zur Aufgabe gemacht, mich so lange anzuschauen, bis ich irgendwie reagierte. Das konnte er ja gern tun, das Problem war nur, dass ich keinen Plan hatte, wie ich reagieren sollte. Angespannt schaute ich auf meine Hände, dann hob ich den Blick und fing seinen auf. Intensiv sah er mich an und ich hatte Mühe nicht rot zuwerden. Ich erwiderte seinen Blick mit einem stummen 'Was?'.
Ich hatte ja mit ihm sprechen wollen, als ich ihn gestern aufgesucht hatte, doch dann waren ja Tae und Jeongguk über den Berg gekommen und ich war beschäftigt gewesen. Je länger er mich so anstarrte, desto wärmer wurden meine Wangen. Ich fasste mir kurz prüfend mit den Handrücken an die Wange und sie glühten quasi. Wie peinlich. Ich stand von dem Sofa, auf dem ich saß, auf und verließ den Versammlungsraum. Eigentlich war das dämlich, denn es war gleich Versammlung, aber ich brauchte frische Luft.
Irgendwie vertraute ich darauf, dass er mir so kurz vor der Versammlung nicht folgen würde, doch er war immer noch ein Hawk, wie mir schien und die Versammlungen juckten ihn nicht. Sollte heißen, er kam mir sehr wohl hinterher. Mit einem kurzen Blick erfasste er mich und hielt auf mich zu. Ich konnte so schnell gar nicht reagieren und von der Wand weggehen, da hatte er mich auch schon eingekastelt. Suboptimal. Ich wollte gern flüchten.
Er sagte erst mal gar nichts, sondern starrte nur wieder und das machte es irgendwie schlimmer und ließ meine Wangen, wenn möglich, noch roter werden. Das Muster des Bodens war super interessant, das war mir noch nie aufgefallen. Die Fliesen glitzerten sogar so ganz leicht. So perlmuttmäßig. Sehr, sehr hübsch.
Bullshit, ich sollte mich zusammen nehmen. Mich selbst motivierend hob ich also den Blick und sah Hoseok möglichst neutral an. Ein undurchsichtiges Lächeln schlich sich auf seine Lippen und er beugte sich näher an mich ran.
"Was wolltest du eigentlich gestern sagen?"
Konnte er bitte aufhören, mich so niederzustarren? Ich kam doch so schon nicht mit meinen dummen Gefühlen klar. Angestrengt starrte ich zurück, auch wenn ich Angst hatte, dass mein Blick mich verraten würde. Auf der anderen Seite sollte mir genau das recht sein. Dann musste ich nicht reden. Ich wusste doch auch nicht, was ich wollte. Ich wollte etwas Echtes, doch würde ich das von ihm bekommen können? Worauf war er aus?
"Nichts bestimmtes", wich ich aus, denn ich hatte eine Nacht Zeit gehabt darüber zu grübeln und war mir nicht mal mehr sicher, was ich ihm eigentlich hatte sagen wollen, "ich wollte nur nach dir sehen. Wie ich sehe, geht es dir super, also ... hat es sich." Ich tauchte unter seinem Arm durch und ging zu einem der Fenster, um mich in dieses zu setzen. Die Fenster hier hatten extra breite Fensterbänke, waren sie doch eh riesengroß. Ich schaute nach draußen und es schneite vor sich hin. Ich wünschte, ich wäre so ruhig und friedlich, wie der Schnee der vom Himmel fiel und alles unter eine hübsche, weiße Decke packte.
Hoseoks Blick folgte mir und er stellte mich stumm infrage. Er musste es nicht mal sagen, ich fühlte mich auch so schon genötigt, das zu erklären.
"Du bist schließlich mein ..." Ja was? Keine Ahnung. "Patient." Jimin wirklich? "Oder mein Mündel. Oder so etwas." Ja nein, gar nicht. Ich wusste wirklich nicht, was ich eigentlich sagen wollte und das wurde langsam zum Problem. Hoseok verschränkte die Arme. Er lehnte sich mit der Schulter an die Wand und musterte mich nur weiter intensiv. Ich hob den Blick einen Deut und sah ihn an. Er schien einen Moment drüber nachzudenken, dann zu entscheiden, dass er mir meine Dummheit nicht übel nahm und kicherte leise.
"Ach? Bin ich das?", sein Ton war zweifelnd, doch auch amüsiert. "Dann kann ich also Scheiße bauen und sie die anhängen?" Ich überlegte kurz, dann nickte ich mit dem Kopf. Wenn er irgendwas verriss, würde ich auch dran sein, denn ich hatte für ihn gebürgt.
"Theoretisch könntest du das", bestätigte ich, "erst bin ich dran, dann Jin ..." Hoseok sah mich einen Moment interessiert an. "Ja und? Jin? Ist er nicht der Boss hier? Gibt es noch wen über Jin?" Er schien überrascht und ich fragte mich, wie kurz die Wege bei den Hawks waren. Über Jin kam noch viel mehr. Jin war so was wie ein Teamleiter. "Na sicher", meinte ich also und lächelte leicht, "dachtest du wirklich, Jin ist das Ende?"
"Schon", meinte er, "er ist ein Seraph, was soll da noch drüber kommen? Und wer soll jemanden, der so drauf ist unter sich haben? Müsste der nicht durchdrehen mit Jin?" Ich lachte auf, ich konnte nicht anders. Was war denn an Jin auszusetzen?
"Nur weil er ein Seraph ist, ist er doch nicht der höchste Boss. Der ist ein Nephilim", ich kicherte noch mal, "außerdem ist Jin doch nicht schlimm, was redest du da?" Hoseok runzelte die Stirn. Das schien ein Konzept zu sein, dass ihm fremd war. "Der oberste ein Halbling?", fragte er fast schon abfällig. Ich nahm es ihm nicht übel, schließlich hatte er nichts anderes gelernt. Aber gut zu wissen, dass der Kopf der Hawks kein Nephilim war. Das konnte vielleicht dabei helfen, ihn endlich zu finden und dingfest zu machen, bevor noch mehr Nephilim von Geburt an missbraucht werden würden, so wie es Hoseok passiert war.
"Was ist das hier nur für eine Organisation?", murmelte er, doch er schien nicht wirklich eine Antwort zu erwarten, denn er wandte sich gleich wieder dem Jinthema zu. Er schnaubte leicht und spielte dann ein bisschen an dem Zipper seiner Jacke rum. "Jin ist hella shady", erklärte er, "er verbirgt es nicht mal und das macht ihn noch zwielichtiger." Er lehnte sich an den Rahmen und warf mir einen kurzen Blick zu.
"Es ist eine Organisation in der deine Leistung entscheidet, wie weit du kommst", nahm ich den Faden, den er fallen gelassen hatte, sanft noch einmal auf, doch er zog nur eine Augenbraue hoch. Er schien nicht überzeugt. Na fein, das würde auch nicht von jetzt auf gleich funktionieren. "Außerdem", führ ich fort, "wenn du Jin schon zweifelhaft findest ..." Ich lachte leise und ließ den Satz in der Luft hängen. Es gab noch andere Kaliber. "Du bist es nur noch nicht gewohnt, dass es nicht dein Nachteil ist, wenn du nicht alles weißt. Sie lassen und nicht im Dunkeln, weil sie und schaden wollen, sondern meistens so ziemlich das Gegenteil."
"Dein Wort in Gottes Ohr", murmelte er nur mit einem weiteren Schnauben, dann setzte er sich mir gegenüber ins Fenster. Einen Moment sahen wir uns unverwandt in die Augen und ich kam nicht umhin zu bemerken, wie ... hübsch er eigentlich war. Klar hatte er vorher schon irgendwie anziehend auf mich gewirkt, ohne dass ich wirklich ausmachen konnte warum. Er war ohne Frage attraktiv, doch seit er hier war überflügelte er sich selbst. Es waren seine Augen. Ich konnte ihnen einfach nicht mehr standhalten. Jetzt, wo leben in ihnen war, wirkte der ganze Hoseok so viel schöner und das löste in mir eine gewisse Schüchternheit aus, die ich zuvor nicht gespürt hatte.
Vor zwei Wochen war ich einfach nur bratty mit ihm gewesen. Ich konnte mich noch an den Anfang erinnern, wo er mir einfach nur auf den Sack gegangen war. Ich hatte Augen im Kopf, attraktiv war er damals schon gewesen, doch das war auch eine der Sachen, die besonders nervig an ihm gewesen war. Wie konnte jemand, der so dämlich war, so hübsch aussehen? Später dann hatte ich angefangen zu genießen, mich ein wenig mit ihm zu schlagen, verbal versteht sich. Normalerweise sagte ich all die Dinge, die er sich anhören durfte nicht, auch wenn ich sie vielleicht im Kopf hatte. Er jedoch drückte die Sprüche einfach zurück. Er war nicht beleidigt und beleidigte einfach zurück und das auf so eine intelligente und schlagfertige Art und Weise, das auch, wenn er mir auf die Nerven ging ... er sich damit irgendwie in mein Herz schlich.
Ich kannte niemanden, der wie er war und sonst hatte ich auch keinen, mit dem ich mir geschont an den Kopf werfen konnte, was wir uns gegenseitig boten. Wir wussten wohl einfach, dass das alles nur unsere Art zu kabbeln war. Wer gemeiner war, hatte gewonnen und am Ende des Tages zählten nur die Blicke und diese straften alle vorangegangenen Worte Lügen. Ich konnte immer noch nicht glauben, wie blind ich gewesen war. Unfassbar, wie dämlich ich war, so spät erst zu merken, was er mir inzwischen bedeutete.
Mein Denken war irgendwann gewandelt von 'Oh nein, Mann, du bist es' zu 'Gott sei Dank, Mann, du bist'.
Jetzt war er hier und er änderte sich und mir jeden Tag zog er mich nur mehr an und je mehr das so war, desto weniger wusste ich, wie ich noch mit ihm umgehen sollte. Ich konnte ihm jeden Tag weniger in die Augen sehen. Dabei waren sie jetzt noch viel schöner. Seine Haare glänzten und fielen ihm weich in die Augen, die gar nicht mehr so dunkle Schatten hatten. Mit einem verlegenen Schnauben, das eigentlich mehr für mich bestimmt war, als für ihn, wandte ich meinen Blick wieder den Schneeflocken zu, die immer dichter wurden.
"Du bist schön."
Ich schaue wieder auf und sah ihn überrumpelt an. Das war so unvermittelt gekommen, dass ich gar nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Ich machte meinen Mund auf, dann aber gleich wieder zu, denn ja, ich war sprachlos.
"Meintest du nicht vorgestern noch, dass ich mich im Uncanny Valley befinde, weil ich zu menschlich aussehe, aber dann doch nicht menschlich genug?", hakte ich nach. Das war die kreativste Beleidigung für 'man siehst du heute scheiße aus' gewesen, die ich je gehört hatte und ich war beleidigt und beeindruckt gleichermaßen gewesen. Zumal das nicht falsch war, denn wenn ich nicht genug schlief, verwandelte ich mich in einen Zombie und die waran auch im Uncanny Valley. Man kann das googlen.
"Was wenn ich damit gemeint habe, dass du zu hübsch bist, um ganz menschlich zu wirken." Ich lachte leise. Das war ja Bullshit. Ich schüttelte den Kopf. Aber der Versuch war smooth gewesen. "Jimin", wieder sah ich ihn an. "Ich meine es erst, du bist schön."
Lcmoqvnomolmq. Wieder verstummte ich sprachlos. Machte er das, weil es lustig war, wenn ich nichts zu erwidern wusste? Mit wurde klar, dass ich viel besser mit Beleidigungen umgehen konnte, als mit Komplimenten und das war wahrscheinlich der Grund, warum ich bisher so gut mit ihm klargekommen war.
"Uhm", brachte ich dann doch mal heraus und strich mir die Haare zurück, wie ein kleines Mädchen. "Sag so was nicht", nuschelte ich und zog meinen Pulli über meine Hände, denn so was hatte mir noch keiner so unverblümt gesagt und auch wenn ich sonst ganz cool mit allem war, damit konnte ich nicht umgehen.
Er kicherte. Lachte er mich etwa aus? Ich würde es ihm nicht mal verübeln können, denn ich stellte mich wirklich dämlich an. Vielleicht war er darauf auch aus. Er ärgerte mich doch schließlich gern.
"Wieso nicht?", hakte er nach. "Seokjeon hat gesagt, ich soll sagen, was ich denke und fühle, damit es wieder fester wird." Ich schaute wieder aus dem Fenster. Was war ich? Seine Testbaustelle? Sicherlich meinte er es nicht so. Doch meine Unsicherheit wollte es mir gern einreden. Ich räusperte mich umständlich.
"Das hat er gesagt, ja?", hakte ich nach, "Ich glaube nicht, dass er damit meinte, den erstbesten Typen anzuflirten." Ich musste einen Riegel vorschieben. Das war wohl das Beste. Wenn er immer noch der Meinung war, ich sei schön, wenn er nicht gerade am Rande der Void umherduselte und ich sowieso das einzige war, dass er vor der Flinte hatte, konnten wir ja noch mal reden? Oder machte ich da einen Fehler?
Warum konnte ich nicht Gedanken lesen, so wie Yoongi. Das würde vieles einfacher machen.
Hoseok folgte meinem Blick in die Flocken. "A", begann er, "bist du nicht der erstbeste Typ. B, ist es noch kein Flirten, wenn du jemandem sagst, dass er schön ist. Das sind Fakten." Wie sollte ich das nur interpretieren? Unsicher biss ich mir auf die Lippe. Was redete er da nur??
"Beides klingt komisch", murrte ich, dann zwang ich mich, ihn anzuschauen, "das Erste klingt, als würdest du flirten wollen. Das Zweite, als würdest du es nicht wollen. Du weißt doch selbst nicht, was du willst, oder?" Nun ja, ich wusste es auch nicht, aber das sei mal dahingestellt. Was sollte schon aus der Sache werden, wenn wir beide keinen Schimmer hatten, was wir wollen.
Er summte leise, wohl als Zustimmung.
"Na ja, ich bin Void-Patient", meinte er, "Willst du mir das vorhalten? Zumal du nicht besser bist und das ohne Void, goddammit, Park Jimin." Ich schnaubte leise. Ich wusste zwar, dass er recht hatte, aber das musste er doch nicht wissen. "Was redest du da?", widersprach ich also, "Ich bin doch nicht schlimmer als eine Void, Idiot."
Sein Blick wurde dunkler und ich wich ihm sogleich wieder aus. Doch das schien ihn nicht zu beeindrucken. Er krabbelte einfach zu mir rüber, nahm meine Beine zwischen seine, sodass er möglichst nah vor mir sitzen konnte und besaß auch noch die Dreistigkeit, meine Knie als Ablage für seine Arme zu missbrauchen.
"Du kleiner Scheißer", klagte er mich an und betonte das du besonders, "weißt nicht, was du willst. Du flirtest mich an, um mir dann ins Gesicht zu lügen." Fuck, Mann. Ich war nicht bereit für ein Gespräch in die Richtung. Er fasste wieder nach meinem Kinn und drehte es in seine Richtung. Ich konnte förmlich spüren, wie das Blut in meine Wangen schoss.
"Du flirtest mit mir", widersprach ich. Ganz falsch war das nicht. Das war nicht nur meine Schuld, oft genug warf er den ersten Stein. "So und auch nicht anders", bestimmt ich weiterhin, "außerdem lüge ich nicht, ich bin nur vorsichtig." Damit löste ich seine Hand von meinem Kinn. "Ich habe schließlich keine Ahnung, was in deinem Kopf vorgeht." Dass ich seine Hand in meiner behalten hatte, merkte ich erst nach guten zehn Sekunden. Ja, ich war der awkwardeste Junge der Welt.
"Also willst du mir weiter einreden, dass alles einseitig ist?", fragte er dunkel und ich bekam eine Gänsehaut. Nein, eigentlich wollte ich das nicht. Oder wollte ich? Ich war nur so unglaublich verwirrt. "Was willst du wirklich?", fragte er und ich legte die Hände auf meinen Oberschenkeln ab. Ich wusste nicht wirklich was darauf zu sagen. Ich biss mir nachdenklich auf die Lippen und überlegte, doch mir fiel nicht mal eine kackbratzige Antwort ein, um das zu überspielen. Er rutschte wieder zurück und für einen Moment dachte ich, dass er jetzt sauer war, doch das war er nicht.
"Komm mit", sagte er nur und ließ sich geschmeidig wie in Tiger aus dem Fensterbrett gleiten. Ich blinzelte. "Ich will dir was zeigen." Ich nickte nur und hopste ebenfalls von dem Brett.
"Was denn?", frage ich interessiert und er winkte mich nur hinter sich her.
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