Du bist wertvoll
Eine Weile sagen Tua und ich rein gar nichts. Was wir uns gerade gegenseitig an den Kopf geworfen haben, ist schwere Kost. Darum sehen wir einander nur stumm in die Augen. Aber das reicht, es macht etwas mit mir. Ich werde ruhiger. Die Anspannung fällt langsam von mir ab und ich versuche gedanklich auszuloten, an welcher Stelle in unserem Gespräch ich vielleicht zu weit gegangen bin.
"Du bist nicht undankbar", durchbreche ich das Schweigen, das sich zwischen uns ausgebreitet hat.
"Nein", erwidert Tua nüchtern. "Aber ich kann dir nicht zeigen, wie dankbar ich dir bin. Das ist praktisch, als wäre ich tatsächlich undankbar", schlüsselt er für mich auf, was in ihm vorgeht. Eine kurze Pause entsteht.
"Du kannst nicht, oder du willst nicht?", hake ich ein. Er überlegt einen Moment. Seine Kiefer mahlen. Entweder hat er noch nie darüber nachgedacht, oder die Wahrheit macht ihm zu schaffen, vielleicht ist es auch eine Mischung aus beidem. Innerlich bereite ich mich auf jede Antwort vor.
"Wahrscheinlich hast du recht und ich will es nicht, so bin ich nicht gepolt", gibt er zu. "Ein guter Mensch zu sein hat mir in meiner Jugend höchstens Schläge eingebracht, keinen Respekt. Immer wenn ich nett zu jemandem war, bin ich damit auf die Fresse geflogen; mein dummes Hirn hat diese zwei Dinge miteinander verknüpft. Und ich war feige, also wurde ich stattdessen selbst derjenige, der andern aufs Maul gehauen hat."
"Täter statt Opfer zu sein hat sich dann weniger beschissen für dich angefühlt?", bohre ich alles andere als begeistert nach. Die Einstellung, die er da beschreibt, ist mir nämlich zuwider und ich werde das bestimmt nicht vor ihm verbergen. Tuas Blick gleitet über meinen Körper. Ein angenehmes Ziehen in meinem Unterleib stellt sich ein. Leider ist es wichtig, dass wir uns nach diesem Streit zuerst mit Worten versöhnen.
"Für jemanden wie mich, der nur die Kontrolle behalten will - auf jeden Fall", antwortet er. Ich schüttle fassungslos den Kopf.
"Gott, bist du ein Arsch", spreche ich meinen Gedanken ungefiltert aus und verschränke die Arme vor der Brust. "Von mir bekommst du maximale Schelte für jede Scheiße, die du verzapfst. Ich hoffe, dir ist das klar." Er schnaubt, fährt sich mit der Hand durchs Gesicht.
"Was glaubst du, worum's mir inzwischen im Leben geht, Iara? Ich suche nach gesunden Einflüssen und du bist so ein positiver Einfluss für mich. Wir sind immer noch zusammen, weil du dir diesen Bullshit von mir nicht gefallen lässt, und dich dieser ganze Ballast, den ich mit mir rumschleppe, auch nicht abschreckt."
"Ich kann doch nicht die erste Frau in deinem Leben sein, die dich nicht jedes Mal mit solchen miesen Nummern durchkommen lässt", versetze ich ungläubig. Tua sieht mir in die Augen.
"Doch. Du bist die Erste, die nicht daran zerbricht."
"Denkst du an Mascha?", frage ich vorsichtig. Bei der Erwähnung ihres Namens stößt er einen lauten Seufzer aus.
"Ich hasse es, über sie zu reden. Sie hat es am schlimmsten mit mir getroffen. Mascha hatte damals keine Chance gegen meine schlechte Prägung ..." Ich sehe, dass es ihm schwerfällt, auszusprechen, was er als nächstes sagen will. "An manchen Tagen denke ich, das ist das einzige, was ich wirklich beherrsche: Menschen verletzen. Das ist quasi meine Spezialität. Und Musik, das kann ich vielleicht auch noch", schiebt er hinterher.
"Das ist aber nicht das einzige, rede dir das nicht ein", beziehe ich entschieden Stellung dazu. "Du hast Leuten geschadet, absichtlich und unabsichtlich. Das war nie in Ordnung und es wird nie in Ordnung sein. Aber du solltest dir die Kräfte, die dich das in der Vergangenheit gekostet hat, lieber aufsparen und sie in Zukunft dazu einsetzen, andere zu heilen. Denn du kannst das", versichere ich ihm und greife nach seinen Händen. "Ich weiß, dass du das kannst. Und wenn du auf der Suche nach vernünftigen Einflüssen bist, darfst du in erster Linie mal deinen Umgang mit Hannes hinterfragen." Den letzten Satz habe ich mehr gemurmelt. Tua reagiert wie erwartet angepisst darauf.
"Hör bitte endlich auf damit. Ich habe bestimmte Muster in meinem Verhalten überhaupt erst entdeckt und überdacht, weil ich mit Hannes darüber gesprochen habe", eröffnet er mir unerwartet, warum das wohl alles andere als simpel für ihn ist. "Ich weiß, du kannst ihn nicht leiden, aber zieh ihn nicht dauernd als Sündenbock ran. Er zählt zu meinen engsten Freunden", betont Tua. Doch ich kann mir nicht helfen, die Art, wie Hannes über unsere Beziehung hergezogen ist, macht mich wütend und mein Temperament setzt mein Mundwerk in Bewegung, bevor mein Verstand überhaupt die Chance dazu hat, sich dazwischenzuschalten.
"Hat er dir gesagt, wie er von mir denkt?", frage ich ihn aufgebracht.
"Iara, er hat keine Ahnung", redet Tua besänftigend auf mich ein. "In seinen Augen bist du schwach. An dem Abend, an dem ihr euch kennengelernt habt, hat er gemeint, auf ihn wirkt es, als würde ich gerettet werden wollen. Ich war so unglaublich sauer auf ihn, dass ich schon von der ersten Sekunde an hätte checken müssen, dass es zu hundert Prozent stimmt. Er hat nun mal recht damit. Ich will gerettet werden, und es ist komplett unrealistisch, denn das wird nie passieren - Ich muss mich retten, das ist nicht deine Aufgabe. Für Hannes bist du nur irgendeine weitere Frau, die eines Tages unweigerlich begreifen wird, dass ich ihre Mühe doch nicht wert bin. Er sieht dich nicht, wie du bist." Meine Gesichtszüge werden weich.
"Du bist mir die Mühe wert", beteuere ich und drücke seine linke Hand.
"Das hast du einfach so entschieden, ja?", vergewissert er sich hoffnungslos und ich zucke die Schultern.
"So ist das Leben, du triffst radikale Entscheidungen." Mein Freund lacht trocken auf.
"Deine Trink-Eskapade gestern geht indirekt auf mein Konto. Ich habe das hundertmal gesehen: Frauen, die anfangen, sich meinetwegen selbst zu zerstören. Wenn du sowas machst, bestätigst du nur das Bild, das Hannes von dir hat; das solltest du wissen."
"Das motiviert mich gerade echt, sowas nie wieder zu tun", stelle ich verblüfft fest und Tua lacht wieder, diesmal tatsächlich amüsiert.
"Ich sollte eure gegenseitige Abneigung häufiger ausnutzen und euch auf die Art für meine Zwecken manipulieren." Er hat sich aufgesetzt, packt mich im nächsten Moment an der Hüfte und ehe ich mich versehe, liege ich unter ihm begraben auf der Matratze. Seine Lippen finden meinen Hals und ich seufze leise.
"Findest du das fair?", frage ich ihn.
"Was?", will er zwischen zwei Küssen wissen. Dann löst er sich von mir, als er bemerkt, dass ich ihm nicht antworte.
"Ich weiß nicht mehr", sage ich und ziehe ihn am Kinn wieder zu mir runter. Er lächelt in den nächsten Kuss hinein. Seine Hand schiebt er unter mein T-Shirt. Ich fühle wie seine Fingerspitzen an der Seite aufwärts wandern, bis sie meinen Busen erreichen, wo er mit dem Daumen über meinen Nippel fährt. Demonstrativ hebe ich die Arme über den Kopf und er entfernt das störende Stück Stoff.
"Geht das mit deiner Hand?", fragt er mich leise, nachdem er sein eigenes Oberteil ausgezogen hat.
"Scheiß auf die Hand", platzt es ungestüm aus mir heraus und ich küsse ihn, recke ihm mein Becken entgegen, spüre die Beule in seinem Schritt. Er stützt sich über mich, übersät meine Brust mit Küssen und eine feine Gänsehaut bildet sich auf meinem gesamten Körper. Mein Atemtempo beschleunigt sich, je tiefer er wandert. Ich streiche über seine Wirbelsäule, lasse ihn mit mir tun, was er will und kralle mich ins Laken, als er plötzlich über mein Allerheiligstes leckt. Durch die Abstinenz der vergangenen Tage fühle ich alles noch intensiver als sonst. Ich komme einmal, aber dabei wird es nicht bleiben. Tuas warmer Atem streichelt meine nackte Haut. Als sein Gesicht über meinem auftaucht und er mich küsst, bin ich noch leicht benommen.
"Das hat mir gefehlt", sagt er und meine Mundwinkel ziehen sich zu einem Lächeln nach oben. Er küsst mich wieder, knabbert verspielt an meiner Unterlippe und mir entwischt ein Kichern.
"Mir auch", lasse ich ihn wissen.
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