02.
Die nächsten zwei Tage, wendet sich Izumi kein einziges Mal, dem jungen Wissenschaftler zu, auch wenn sie ihn kaum aus den Augen lässt. Er hat immer wieder versucht, mit neuen Fragen sie aus der Reserve zu locken. Doch dieses Mal wird sie standhaft bleiben.
Auch wenn der Hunger an der kleinen Meerjungfrau nagt, will sie nicht noch mehr von ihrer Spezies preisgeben. Obwohl ihr bewusst ist, dass sie hier verhungern könnte, ist es der kleinste Preis, den sie nur zahlen kann. Ein Leben in Gefangenschaft ist, das letzte, was sie für ihre Gefährten will.
Und trotzdem wünscht sie sich wieder, mit dem Menschen, der sie beobachtet zu unterhalten. Immer noch ist sie von dem jungen Mann fasziniert und wünschte sich mehr über ihn zu erfahren. Es kostet sie ihre ganze Willenskraft, ihm keinen einzigen Blick zu schenken und dabei weiterhin stumm die Fische zu beobachten.
Hätte sie aufgesehen, wäre ihr aufgefallen, dass der junge Mann seine Stirn in Falten gelegt hat. Er wünschte irgendwie eine Möglichkeit zu finden, dass die kleine Meerjungfrau sich wieder mit ihm unterhält. Er vermisst die Stimme von Izumi und wünscht sich nichts sehnlicher als, wenn diese sich wieder mit ihm unterhält.
„Izumi. Du musst hungrig sein, was isst du?"
Die Besorgnis in seiner Stimme ist aufrichtig und leichte Verzweiflung hat sich mit reingemischt. Izumi denkt für eine Sekunde nach, ihn zu beruhigen, aber sie weiß, dass er sie nicht befreien wird.
Wortlos wendet, sie sich noch weiter ab und lässt ihn in seiner Verzweiflung alleine.
Zack streicht sich grübelnd durch seine Haare und blickt auf die schon leicht abgemagerte Izumi. Auch wenn er es freiwillig niemals zugeben würde, war er fasziniert davon, wie schnell die Meerjungfrau abmagert. Sie war zwar die ganze Zeit sehr dünn, trotzdem konnte er deutlich sehen, wie jetzt ihre Rippen hervorstanden, obwohl es vor zwei Tagen noch nicht so war.
Stumm ging Zack näher an das riesige Aquarium und beobachtete das sonderbare Wesen ganz genau. Ihre Schuppen, die am Anfang nur so gestrahlt haben, sind jetzt glanzlos und fast schon grau, von dem ursprünglichen Lavendelfarben ist nichts mehr da. Ihre Haare fallen ihr langsam aus und vom nahen kann er sogar schon kleine kahle Stellen sehen.
Eine Wut, die der junge Wissenschaftler so noch nie gespürt hat, durchfließt plötzlich sein ganzer Körper. Ihm wird klar, dass sie sich ganz genau zu Tode hungert. Das Herz in seiner Brust steht für einen Moment still, als ihm die Erkenntnis trifft, dass sie morgen früh schon tot sein könnte.
Während er anfängt die kleine Wendeltreppe zu erklimmen, die ihm bis zum Rand des Aquariums bringt, streift er sich den Kittel von den Schultern.
Zum ersten Mal an diesem Tag blickt Izumi auf und beobachtet voller Faszination, was sich jetzt vor ihren Augen abspielt. Wie er sich beim Rennen das Oberteil auszieht, was dafür sorgt, dass sie verwundert mehr Wasser als nötig durch ihre Kiemen strömen lässt. Er sieht zwar in bleich, genauso aus wie die Oberkörper der Meermänner. Auch wenn sie in der Schule gelernt hat, dass die Menschen und die Meermenschen die gleichen Vorfahren besitzen, fasziniert es sie doch, das endlich mit eigenen Augen betrachten zu können.
Sie beobachtet ihn weiterhin, als er kurz stehen bleibt, um seine Schuhe von den Füßen abzustreifen. Da er auf den einen Schuh drauftritt, um ihn auszuziehen, nimmt sie jede noch so kleine Bewegung von ihm auf. Izumi hat noch nie gesehen, wie ein Mensch Schuhe auszieht und hätte es sich nie im Leben vorstellen können. Als Zack seine Hose öffnet und sie in einer flotten Bewegung abstreift, bleibt Izumi der Sauerstoff im Halse hängen. Seine Beine scheinen nicht enden zu wollen und sind zuerst größer und werden dann langsam dünner. Kleine dunkle Härchen befinden sich auf ihnen.
Während Izumi weiterhin damit beschäftigt ist, den jungen Wissenschaftler anzustarren, greift er oben nach der Tauchermaske und der kleinen Taucherflasche. Auch wenn es höllisch brennt, streift er sich die trockene Brille über die Augen und springt ins Wasser.
Er denkt keine Sekunde an die Belehrungen, vorsichtig zu sein, da bisher Meermenschen noch nicht erforscht sind. Das keiner genau weiß, ob und wie sie Menschen tötet und das kleine Team, was Zack ablösen soll, wird erst in ein paar Wochen hier eingeflogen sein.
Fast schon automatisch steckt er sich das Mundstück der kleinen Flasche, die gerade mal genau Sauerstoff für zehn Minuten enthält, in den Mund. Sofort füllt sein Mund sich mit dem süßen Sauerstoff, den er benötigt und, denn er nicht wie die Kreatur zu der er jetzt schwimmt, aus dem Wasser ziehen kann.
Seine Beinschläge, die ihn immer näher an den Grund und dabei auch zu Izumi bringen, sind kraftvoll und regelmäßig. Er braucht nur wenige Sekunden, um abzutauchen und um etwa zwei Meter vor der jungen Meerjungfrau zu stoppen. Aus der Nähe kann er sehen, dass nicht nur ihre Schuppen ihre Farbe verlieren, sondern ihre Hautfarbe auch deutlich weniger Grün ist als noch vor ein paar Tagen. Sorgenvoll streckt er die Hand nach ihr aus, zieht sie aber sofort zurück als er bemerkt, wie Izumi unwillkürlich zusammenzuckt. Ganz langsam lässt er seine Hand sinken und blickt vorsichtig zu ihr. Für eine Sekunde glaubt er Angst in ihren Augen zu erkennen, doch da steckt auch etwas anderes. Fast so etwas wie Neugierde.
Ganz vorsichtig, gleitet Izumi durchs Wasser, fast in Zeitlupe kommt sie ihm immer wieder ein Stück näher. Erst jetzt kann er ein Blick auf ihre Zähne werfen. Sie sind so spitz wie bei einem Hai und alles in ihm schreit danach zurückzuschrecken. Es kostet ihm seine ganze Kraft nicht vor ihr zurückzucken, so wie sie gerade es vor ihm getan hat. Langsam streckt sie eine Hand aus und legt sie vorsichtig an sein Gesicht.
Sofort spürt er die Hitze, die von Izumi ausgeht, fast so als hätte sie extrem hohes Fieber.
Ganz sachte, legt er seine Hand auf ihre und streichelt einmal hauchzart über ihre Hand, dabei ist er so langsam wie möglich.
Ihre andere Hand schnellt nach vorne und packt ihm kräftig an seiner Hüfte, wobei sie direkt anfängt ihren Fischschwanz kräftig zu bewegen und beide nach oben schießen.
Oben spuckt Zack das Mundstück seiner Sauerstoffflasche aus, wobei die kleine Flasche ins Wasser fällt und davon treibt.
„Du wärst ertrunken."
Die Stimme von Izumi ist so leise, dass sie, obwohl die beiden sich so nahe sind, kaum von Zack zu verstehe ist.
„Nein, das war ich nicht. Aber du verhungerst. Du wirst sterben."
„In genau 8 Stunden."
Zack reißt verblüfft seine Augen auf. Er hat sich ausgerechnet, dass es keinen Tag mehr dauern wird, aber dass es so schnell geht war ihm nicht bewusst.
„Ich brauche Sonnenlicht. Oder Mondenschein. Mir reicht beides aus."
„Du lebst vom Licht?"
Auch wenn Zack es nicht will, ist er sofort seine wissenschaftliche Neugierde geweckt.
„Du begehst Fotosynthese. Wie überaus faszinierend."
Izumi legt den Kopf schief und ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie lässt Zack los und in einer Sekunde liegt das halbe Becken zwischen den beiden.
Zack blickt ein letztes Mal zu ihr, bevor er sich aus dem Becken zieht. Das kleine Sauerstoffgerät, was dringend aufgeladen gehört dümpelt, von dem jungen Mann ganz vergessen, weiterhin durchs Wasser.
In seinem Kopf ist nur noch der Gedanke, wie Izumi und ihre Spezies sich ernähren. Dass sie keine Nahrung brauchen, sondern alles von der Sonne selbst bekommen.
Ohne groß darauf zu achten, dass er selbst noch nass und bis auf die Unterhose nass ist, sucht er nach einer Lösung für das Problem.
Sie muss auf jeden Fall raus aus diesem Labor, doch er weiß nicht wie. Die Eingänge der geheimen Forschungsstation sind von bewaffneten Männern bewacht, die ohne zu zögern jeden, töten der, versucht etwas herauszuschmuggeln.
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